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Samstag, 3. August 2024

Sind Kosten der Bauteilöffnung Gerichts- oder Parteikosten ?

Der Kläger machte einen Kostenvorschuss zur Beseitigung von Mängeln an von der Beklagten verlegten Fliesen geltend, bei denen sich nach der Abnahme Risse zeigten. Da die Beklagte eine Ursächlichkeit dafür bestritten hatte, holte das Gericht ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Ursächlichkeit der Risse ein, der eine Bauteilöffnung vornahm. Die Bauteilöffnung und -schließung ließ der Sachverständige durch ein von ihm beauftragtes Unternehmen vornehmen und gab dem Kläger auf, das Fliesenmaterial zur Verfügung zu stellen; der Kläger hatte zudem erklärt, den Sachverständigen nicht mit den Fliesenarbeiten nach der Bauteilöffnung beauftragen zu wollen. Ohne Berechnung er Fliesen rechnete der Sachverständige seine Kosten einschließlich der Kosten der Bauteilöffnung und -schließung gegenüber dem Gericht ab. Im weiteren Verfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtetem die Gerichtskosten zu tragen, im Übrigen die Kosten gegeneinander aufgehoben werden sollten. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte der Kläger die Festsetzung der von ihm bevorschussten Gerichtskosten einschließlich Kosten des Sachverständigen und machte zusätzlich auch die von ihm gezahlten Kosten für die für die zerstörten Fliesen aufzuwendenden Kosten für die bei der Bauteilöffnung zerstörten Fliesen und deren Lieferung und Einsetzung geltend. Die Festsetzung der geltend gemachten Kosten für die Fliesen und Einsetzung wurden nicht mit festgesetzt, da es sich nicht um Gerichtskosten handele. Die vom Kläger insoweit eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wurde zurückgewiesen.

Nach der Kostenregelung im Vergleich wurden die Gerichtskosten der Beklagten alleine auferlegt, die übrigen Kosten gegeneinander aufgehoben. Zwar sieht § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO für eine sogen. Kostenaufhebung vo4r, dass die Gerichtskosten von den zwei Parteien je zur Hälfte zu tragen sind und im Übrigen eine Kostenerstattung nicht stattfindet, so dass jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen muss. Zwar, so das OLG, hätten die Parteien abweichend von § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO vereinbart, dass die Gerichtskosten nur von der Beklagten auszugleichen sind, also den Kläger nicht belasten. Im Übrigen aber, so im Hinblick auf die die außergerichtlich von den Parteien aufgewandten Kosten, würde es hier bei der Kotenaufhebung verbleiben, weshalb jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen habe.  

Daher stellte sich hier die Frage, ob es sich bei den von dem Kläger aufgewandten Kosten zur Beseitigung der Folgen der Bauteilöffnung um Gerichtskosten oder Parteikosten handelt. Das OLG sah in ihnen Parteikosten des Klägers, weshalb er keinen Erstattungsanspruch habe.

Dabei stellte das OLG darauf ab, dass bei der Auslegung der Kostenregelungen zu berücksichtigen sei, dass das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung „einfacher Fragen“ des Kostenrechts zugeschnitten sei. Komplizierte materiell-rechtliche Fragen seien in diesem Verfahren nicht vorgesehen und auch mangels der notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (BGH, Beschluss vom 14.05.2014 - XII ZB 539/11 -).  Es müsse daher eine streng am Wortlaut der getroffenen Kostenregelung orientierte Auslegung erfolgen (BGH, Beschluss vom 24.02.2021 - VII ZB 55/18 -).

Dabei sei zu berücksichtigen, dass nur die Gerichtsgebühren und die Auslagen des Gerichts zu den Gerichtskosten zählen würden. Bei den Auslagen des Gerichts handele es sich auch um das Honorar des vom Gericht beauftragten Sachverständigen sowie dessen Aufwendungen, z.B. durch Hinzuziehung von Hilfskräften, wie von ihm beauftragte Handwerker (KV-GKG 9005). Alle sonstigen Aufwendungen, die eine Partei habe, würden zu den außergerichtlichen Kosten einer Partei zählen. Vor diesem Hintergrund seien Kosten, die einer Partei durch die von ihr vorgenommene Beauftragung von Handwerkern zur Vor- und Nachbereitung eines Ortstermins mit dem gerichtlich bestellten Sachverständigen entstehen würden, nicht den Gerichtskosten, sondern den außergerichtlichen Kosten der Partei zuzuordnen (BGH, Beschluss vom 24.02.2021 aaO.).

Da hier der Sachverständige keinen Auftrag zur Neuverfliesung erteilt habe, sondern der Kläger, lägen insoweit keine Gerichtskosten vor, für die nach dem Vergleich die Beklagte aufkommen müsste.

Das OLG ging auch auf den Gesichtspunkt der Kostengerechtigkeit ein. Es verwies darauf, dass es die Parteien in der Hand hätten, die Kostentragung ihren Interessen gemäß im Vergleich zu regeln und eine Verteilung auch bestimmter Parteikosten (hier die Kostend er Neuverfliesung) abweichend von der im Übrigen vereinbarten Kostenaufhebung zu regeln (BGH, Beschluss vom 24.02.2021 aaO.). Vorliegend käme hinzu, dass der Kläger die Übernahme der Kosten erklärt hatte, weshalb der Sachverständige diesbezüglich auch nicht tätig geworden sei; zudem habe die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs davon ausgehen dürfen, dass nur die vom Sachverständigen bei seiner Vorschussforderung zugrunde gelegten <Arbeiten als Gerichtskosten anzusehen seien, deren Übernahme im Vergleich die Beklagte erklärte.

Anmerkung: Um eine Auseinandersetzung im Rahmen der Kostenfestsetzung zu den Parteikosten zu vermeiden, sollte die betroffene Partei möglichst versuchen, dass Arbeiten im Zusammenhang mit entsprechenden Gutachten, die zerstörerische Untersuchungen (wie bei Bauteilöffnungen) bewirken, komplett von dem Sachverständigen übernommen werden, da sie dann in die Gerichtskosten einfließen. Selbst wenn nach einer Kostenregelung die Parteikosten (ganz oder teilweise) erstattungsfähig sind, kann ansonsten ein Streit über die Erforderlichkeit entstehen.

Materiell-rechtliche Erwägungen, die eventuell einen materiellen Anspruch begründen könnten, sind (so das OLG mit Verweis auf den Beschluss des BGH vom 06.07.2005 - IV ZB 6/05 -) sind bei der prozessualen Kostenentscheidung nicht zu berücksichtigen, soweit das Gesetz, z.B. im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung, anders bestimmt. Hier wäre mithin ggf. ein neuer Anspruch durch den Kläger gegen die Beklagte geltend zu machen, wenn nicht die Parteien im Vergleich vereinbart haben sollten, dass mit dem Vergleich alle weiteren gegenseitigen Ansprüche ausgeschlossen sind.  Insoweit sollte eine Abgeltungsklausel vorher überlegt sein.

Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 13.03.2024 - 2 W 44/23 -

Samstag, 24. Juni 2023

COVID-19-bedingte fristlose Kündigung des Fitnessstudio-Vertrages durch Nutzer

Der BGH musste sich hier erstmals mit der Frage auseinandersetzen, ob die Coronapandemie den Nutzer das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung gibt, Corona also ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein kann, oder ob der Nutzer erst zum Ende der vertraglich vereinbarten Vertragslaufzeit kündigen kann. Dieses Recht hat der BGH sowohl in Ansehung der hoheitlichen Schließungsanordnungen, von hoheitlich angeordneten Nutzungsbeschränkungen für Sauna und Duschen, als auch der Möglichkeit der Ansteckung verneint.

Zum Sachverhalt: Der Nutzungsvertrag wurde am 06.12.2019 mit einer Laufzeit von 100 Wochen, beginnend 11.12.2019, geschlossen. Im ersten Lockdown vom 17.03.2020 bis Mitte Mai 2020 war das Studio geschlossen, zog aber die beklagte Betreiberin das Nutzungsentgelt weiterhin ein; sie einigte sich mit der klagenden Nutzerin darauf, dass dieser Zeitraum nach dem Lockdown dann kostenfrei sei. In einer Vereinbarung vom 31.05.2020 wurde eine Ruhezeit von zehn Wochen, um die sich der Vertrag nach dessen regulärer Laufzeit verlängern sollte (also bis zum 25.01.2022), festgehalten. Bei Wiedereröffnung des Studios nach dem 1. Lockdown gab es hoheitlich angeordnete Nutzungseinschränkungen (so für Duschen und Sauna). Vom 30.10.2020 bis 31.05.2021 musste das Studio infolge des 2. Lockdowns wieder schließen.  Am 25.11.2020 kündigte die Klägerin zum 30.11.2020, dem die Beklagte widersprach. Die Klägerin erhob Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass durch ihre Kündigung das Nutzungsverhältnis zum 30.11.2020, hilfsweise zum 16.11.2021, hilfs-hilfsweise zum 25.01.2022 endete. Das Amtsgereicht gab der Klage im Hinblick auf das Vertragsende 25.01.2022 statt. Die Berufung beider Parteien wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision beantragte die Klägerin erfolglos weiterhin die Feststellung des Vertragsendes zum 30.11.2020.

Der BGH sh keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung vor dem Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten und auf den 25.01.2022 verlängerten Laufzeit zum 25.01.2022.

Es handele sich bei dem Nutzungsverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis (BGH, Urteil vom 04.05.2016 - XII ZR 62/15 -). Unabhängig von der rechtlichen Einordnung als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag würde die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnis voraussetzen, dass es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden könne, bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist zuzuwarten (§§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1, 314 Abs. 1 BGB). Dies könne allgemein nur angenommen werden, wenn die die Kündigung rechtfertigenden Umstände in der Sphäre des Kündigungsgegners lägen.

Für das Mietrecht habe der BGH bereits entscheiden, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder in die Sphäre des Mieters noch des Vermieters fallen würden. Dies gelte auch für Fitnessstudioverträge. Keine der Vertragsparteien sei für die umfassenden Maßnahmen und staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der Pandemie verantwortlich. Damit kämen Betriebsschließungen und -beschränkungen nur in Ausnahmefällen zur Begründung der außerordentlichen Kündigung in Betracht (Bacher, Die Coronapandemie und allgemeinen Regeln über Leistungsstörungen, in MDR 2020, 514, 519).

Konkret verwies der BGH darauf, dass der Klägerin durch die Schließung keine wirtschaftlichen Belastungen entstünden, da sie während dieser Zeit von einer Zahlungspflicht befreit sei und evtl. erfolgte Zahlungen zurückfordern könne (bereits entschieden im Urteil des BGH vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 -). Sowohl der Betreiber des Studios als auch der Nutzer würden während dieser zeit leistungsfrei. Damit würde ein Festhalten am Vertrag zumutbar sein.

Auch dem Argument der Klägerin, sie sei an einem für sie sinnlos gewordenen Vertrag gebunden und eine Umorientierung zu anderen sportlichen Aktivitäten und Freizeitbeschäftigungen würde blockiert, schloss sich der BGH nicht an. Zwar läge der Zweck eines Fitnessstudiovertrages in der regelmäßigen sportlichen Betätigung, weshalb gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung sei. Dieser sei mit einer pandemiebedingten Schließung nicht mehr erreichbar und bei dem 2. Lockdown auch dessen Dauer nicht voraussehbar gewesen. Allerdings hätte die Klägerin auf andere Fitnessstudios nicht ausweichen können. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit der (für die Schließungszeit entgeltlos gestellte Vertrag) andere sportliche Betätigungen zur Erreichung eines Fitnessziels entgegenstehen würde.

Richtig sei zwar, dass das Verlangen der Beklagten, die Schließungszeit an ein vorgesehenes Vertragsende anzuhängen (und damit die Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung zu verlängern), rechtlich nicht geschuldet würde und mit dem Verlangen die beklagte eine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt habe. Die Verletzung vertraglicher Pflichten würde aber bei einem Dauerschuldverhältnis nur eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sie derart schwerwiegend sei, dass dadurch das Vertrauensverhältnis in einem Maß beeinträchtigt wird, dass dem Kündigendem ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar sei.  Ein solcher Fall könne hier nicht angenommen werden, da die instanzgerichtliche Rechtsprechung in der Zeit des 2. Lockdown verbreitet die Annahme vertrat, dass gemäß § 313 Abs. 1 BGB der Vertrag dahingehend angepasst werden könne, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung verlängert. Das Zueigenmachen dieser Rechtsansicht stelle keine schwerwiegende Vertragsverletzung dar. Dass der BGH mit Urteil vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 - diese Rechtsprechung zur Vertragsanpassung verwarf, würde nicht nachträglich in dem Verlangen eine schwerwiegende Vertragsverletzung begründen.

Aus Rechtsgründen sei auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht mögliche Hygiene- und Abstandsregeln nicht für eine außerordentliche Kündigung als ausreichend ansah. Durch die Einhaltung derartiger regeln sei die Klägerin nicht so schwer belastet, dass ihr ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar gewesen wäre. Auch wenn Duschen pandemiebedingt nicht nutzbar gewesen sein sollten, würde dies keine Kündigung rechtfertigen; in diesem Fall käme allenfalls ein angemessener Interessensausgleich durch Anpassung des Vertrages gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht (z.B. Herabsetzung des Entgelts), was eine außerordentliche Kündigung ausschließt.

Ebenso könne sich die Klägerin nicht auf ein Ansteckungsrisiko berufen. Die Gefahr einer Infizierung mit dem Corona-Virus habe im November 2020 zum allgemeinen Lebensrisiko gehört. Die Klägerin habe auch davon ausgehen können, dass eine Wiedereröffnung des Fitnessstudios erst erlaubt wird, wenn das Infektionsrisiko, ggf.- durch entsprechende Hygienemaßnahmen, auf ein vertretbares Maß reduziert ist. Entschlösse sich die Klägerin dann aus Angst vor einer Infektion gleichwohl, das Studio nicht zu nutzen, würde die ihr Verwendungsrisiko betreffen.

BGH, Urteil vom 19.04.2023 - XII ZR 24/22 -

Montag, 17. Januar 2022

COVID-19: Geschäftsschließung wegen COVID-19 und Einfluss auf Mietverhältnis

Lange wurde eine grundlegende Entscheidung des BGH ersehnt: Wie wirkt sich eine COVID-19 bedingte hoheitliche Maßnahme, die die Schließung von Geschäftslokalen zur Folge hat, auf das Mietverhältnis aus ? Der BGH hat sich der Ansicht angeschlossen, die darin  keinen Mietmangel sehen, auch keine Unmöglichkeit des Vermieters,  die Mietsache in einem Zustand zum vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen. Er stellt auf § 313 Abs. 1 BGB ab und räumt dem Mieter von gewerblichen Räumen das grundsätzliche Recht ein, eine Anpassung der Miete zu begehren. Allerdings soll eine Prüfung des Einzelfalls erfolgen, ob für den Mieter eine Unzumutbarkeit besteht, ab dem unveränderten Vertrag festzuhalten, wobei im Rahmen der Prüfung auch finanziell Vorteile des Mieters (z.B. staatliche Hilfen zum Ausgleich der pandemiebedingten Leistungen ) berücksichtigt werden sollen.

Die Leitsätze der Entscheidung des BGH vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21 – lauten:

„1. Die durch die COVID-19-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich.

2. Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht.

3. Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls. Daher sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat.“

Nachfolgend sollen die wesentlichen Erwägungen des BGH aufgezeigt werden, die der BGH für eine Anpassung des Mietzinses ausführte und welche Konsequenzen dies für die Darlegungs- und Beweislast der Parteien des Mietverhältnisses hat.

1.

Der BGH stellt klar, dass die Regelungen zur Leistungsstörung, so insbesondere in § 313 Abs. 1 BGB (Regelungen zur Veränderung der Geschäftsgrundlage nach Vertragsabschluss) entgegen einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansicht nicht von Art. 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen würden, mit dem der Gesetzgeber Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters wegen eine (coronabedingten) Leistungsverzugs ausschloss.  Er schließt sich der Gegenansicht an und verwies darauf, dass die Regelung in Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB nur eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters bei coronabedingter Nichtleistung enthalte, die Pflicht zur Mietzahlung aber nicht tangiert würde. Zudem sei nach dem Gesetzeszweck den Mietern ein Moratorium für einen bestimmten Zeitraum eingeräumt worden. Entgegen einem in Art. 240 § 1 EGBGB enthaltenen Grundsatz habe der Gesetzgeber aber davon Abstand genommen dem Mieter ein Leistungsverweigerungsrecht einzuräumen. Würde es sich um eine abschließende Regelung handeln, würde sich diese zum Nachteil der Mieter auswirken, da diese auch bei einer coronabedingten Schließung zur Zahlung der vollständigen Miete verpflichtet blieben. Das Risiko, die Räume nutzen zu können, sei in diesem Fall alleine auf den Mieter verlagert, weshalb in der Konsequenz sich diese Norm dann als Schutz des Vermieters darstellen würde. Es lägen aber keine Anhaltspunkte vor, dass hier der Gesetzgeber das Nutzungsrisiko alleine auf den Mieter verlagern wollte.

a)

Soweit teilweise ein Minderungsrecht des Mieters nach § 536 Abs. 1 BGB angenommen würde, sei dem aber zu folgen. Betriebsschließungen, die durch Allgemeinverfügungen des Staates veranlasst wurden, würden keinen Mangel der Mietsache darstellen. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen könnten nur dann einen Mangel der Mietsache nach §§ 536ff BGB begründen, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen würden und nicht ihre Ursache in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache hätten. Gesetzgeberische Maßnahmen währen des Gebrauchs der Mietsache könnten nur dann zu einem Mangel der Mietsache führen, wenn diese Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der geschäftlichen Lage des Mietobjekts in Zusammenhang stünde. Dies sei aber bei den coronabedingten Allgemeinverfügungen nicht der Fall, da diese nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des der Mietsache beruhen würden, sondern an den Geschäftsbetrieb des Mieters anknüpfen. Zwar sei der Zugang zu den entsprechenden Einrichtungen untersagt und der ungehinderte Zugang gerade bei der Vermietung von Gewerberäumen Voraussetzung für eine vertragsgemäße Nutzung, wenn dieser auf den Kundenverkehr angewiesen sei. Allerdings verbiete sich eine Ausuferung des Mangelbegriffs, weshalb auch in diesen Fällen die Zugangsbeschränkung nur dann als Mangel anerkannt werden könne, wenn  die Zugangsbeschränkung mit der Lage oder der Beschaffenheit des Mietobjekts zusammenhängen würde (so bei Baumaßnahmen der öffentlichen Hand im Umfeld der Mietsache), nicht aber wenn die Zugangsbeschränkung allgemein coronabedingt für Geschäfte in dem betroffenen Gebiet ein Öffnungsverbot gilt. Die weitergehende Frage, ob bei einer Beschränkung des Öffnungsverbotes nur für einzelne Geschäftsbereiche (z.B: Gaststätten, Fitnessstudios) anders gelten müsste, ging der BGH nicht ein; man wird aber in Ansehung seiner einschränkenden Darlegung des Mangelbegriffs davon auszugehen haben, dass auch für diesen Fall ein Mangel nicht angenommen werden kann, da es nicht um das Geschäft im Einzelnen gehen würde, sondern um eine unbestimmte Anzahl von Geschäften in dem betroffenen Gebiet. Im Hinblick auf eine Entscheidung des Reichsgerichts zu einem Mangel der Mietsache wegen Verbots von Tanzveranstaltungen während des 1. Weltkriegs für eine Gaststätte mit vorwiegend Tanzveranstaltungen (RGZ 87, 277, 280; RGZ 89, 203, 205) verwies der BGH darauf, dass zum Einen der damalige der Mangelbegriff vom BGH fortentwickelt worden sei, zudem erst später die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage entwickelt wurden.

Entsprechend negierte auch der BGH eine Befreiung von der Mietzahlungspflicht, da dem Vermieter seine vertragliche geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich geworden sei (§§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB). Ob diese Regelungen durch das mietrechtliche Gewährleistungsrecht ((§§ 536ff BGB) ausgeschlossen seien, könne dahinstehen. Dem Vermieter sei es nach den obigen Grundsätzen nicht unmöglich, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem Mietzweck zu gewähren und seine geschuldete Leistung auch während der Zeit der hoheitlich angeordneten Schließung erbracht. Er habe keine (mangels Vereinbarung) keine Einstandspflicht für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie.

b)

In Betracht käme allerdings eine Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 Abs. 1 BGB.

Die Anpassung könne verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert hätten. Diese Anpassung könne nur insoweit gefordert werden, als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der gesetzlichen und vertraglichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne.

Die durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene weitreichende Beschränkung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens habe den abgeschlossenen Mietvertrag (für die betroffen Geschäfte) schwerwiegend geändert, da bei Abschluss des Vertrages keine der Parteien an eine derartige Pandemie und deren verbundenen erheblichen hoheitlichen Eingriffen gedacht habe.  Wegen der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie (Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen) und der damit verbundenen Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben während des 1. Lockdown im Frühjahr 2020 sei die sogenannte große Geschäftsgrundlage betroffen. Unter der großen Geschäftsgrundlage verstünde man die Erwartung der Vertragsschließenden, dass die die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrages nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder (Natur-) Katastrophen ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert würde.  Durch die Schließung des Geschäftslokals durch die coronabedingte hoheitliche Maßnahme sei eine derartige Störung eingetreten.

Allerdings sei für die Anwendung des § 313 BGB insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände gehen würde, die nach der vertraglichen Vereinbarung in den Risikobereich lediglich einer Partei fallen würden. Der Mieter habe aber im vorliegenden Fall nicht alleine das Verwendungsrisiko, wenn nichts anderes vereinbart wurde, wobei derartige Vereinbarungen auch eng auszulegen seien. Es sei auch davon auszugehen, dass die Parteien, hätten sie bei Abschluss des Vertrages eine Pandemie mit der Gefahr hoheitlich angeordneter Schließungen bedacht, den Vertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten.  Es sei davon auszugehen, dass „redliche Mietvertragsparteien“ das Risiko nicht einseitig zu Lasten des Mieters geregelt hätten, sondern in diesem Fall eine Möglichkeit zur Mietanpassung vorgesehen hätten.

Auch wenn die Geschäftsgrundlage danach entfallen ist, bedeutet dies nicht notwendig eine Öffnung für eine Vertragsanpassung, wie der BGH feststellt. § 313 Abs. 1 BGB erfordere weiterhin, dass dem betroffenen Vertragspartner (hier Mieter) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden könne. Das Festhalten müsste zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führen. Ein Festhalten des Mieters am Vertrag zu der dortigen Miethöhe käme damit dann in Betracht, wenn ihm dies nach Abwägen aller Umstände einschließlich der Risikoverteilung zumutbar sei.

Im Verhältnis Vermieter und Mieter trage grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko. Dazu gehöre auch, mit der Mietsache Gewinne erzielen zu können. Erfülle sich dies aufgrund nachträglich eingetretener Umstände nicht, handele es sich um ein typisches Risiko des Mieters; dies würde auch für nachträgliche gesetzgeberische oder hoheitliche Maßnahmen gelten, die zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs führen. Wenn aber die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Eindämmung der COVID-19-Pandemi in Form einer zeitweiligen Betriebsschließung beruhe, gehe dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko hinaus. Die wirtschaftlichen Nachteile würden nicht auf unternehmerischen Entscheidungen beruhen und auch nicht auf enttäuschten Vorstellungen. Sie seien Folge umfassender staatlicher Eingriffe. Es habe sich damit ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne entsprechende Regelung nicht erfasst sei. Es sei eine Systemkrise mit weitreichenden Folgen, die zur Störung der großen Geschäftsgrundlage geführt habe.

2.

Der BGH lehnt eine schematische Teilung des Risikos durch Halbierung der Miete ab, da das Risiko der pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung keine der Mietvertragsparteien alleine träfe.

a)

Bei der vorzunehmenden Abwägung sei zunächst von Bedeutung, welche Nachteile der Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer habe. Diese lägen bei dem gewerblichen Mieter im Umsatzrückgang, wobei auf den Geschäftsumsatz und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen sei. Auch sei zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat bzw. ergreifen könnte, um die möglichen Verluste der Geschäftsschließung zu vermindern.

Um eine Überkompensation von derartigen Verlusten zu vermeiden, seien weiterhin bei der Prüfung der Unzumutbarkeit die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat oder hätte erlangen können, wozu auch Leistungen einer evtl. einstandspflichtigen Betriebsversicherung zählen würden. Hingegen würden staatliche Leistungen, die nur als Darlehen gewährt würden, außer Betracht zu bleiben haben, da durch solche Darlehen keine Kompensation (infolge der Rückzahlungspflicht) entstünde. Für die Anpassung sei aber eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters nicht erforderlich.

Ferner seien bei der Abwägung auch die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen. Welche das im Einzelnen sind, wird vom BGH nicht weiter ausgeführt. Zu denken wäre an den laufenden Unterhalt der Immobilie (Steuern, Versicherungen, Abgaben für Müllabfuhr pp., evtl. Tilgung von Darlehen).

Derjenige, der sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufe, müsse den Nachweis erbringen, dass ihm ein Festhalten am Vertrag zu den bisherigen Konditionen unzumutbar sei. Er müsse daher im Falle einer pandemiebedingten Schließung darlegen und (im Falle des Bestreitens) nachweisen, welche Nachteile ihm aus der Betriebsschließung entstanden sind, die ihm eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen, ferner, welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen. Behauptet er, keine staatliche Unterstützung erhalten zu haben, müsse er darlegen und evtl. beweisen, um welche Hilfeleistungen er sich vergeblich bemühte; gelänge ihm dies nicht, müsste er so behandelt werden, als hätte er die staatliche Unterstützung erhalten. Wenn der Vermieter einwendet, die Verluste würden nicht auf der COVID-19-Pandemie beruhen, so müsse dies der Vermieter darlegen und beweisen. 

b)

Mit der hoheitlichen Maßnahme der Schließung von Geschäften für eine bestimmte Zeit tritt an sich bereits der Zeitpunkt ein, zu dem ersichtlich ist, dass kein Umsatz mehr erzielt werden kann, ggf. Ersatzmaßnahmen getroffen werden müssen. Wann aber soll nun der Mieter sein Verlangen auf Anpassung der Mietkonditionen wegen Wegfalls der großen Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB stellen ?

In seiner Entscheidung geht der BGH auf die Dauer der Schließung und den Verlust währen dieser Zeit ein, ebenso auf die möglichen Unterstützungen durch den Staat, eine Betriebsversicherung pp. Ob und inwieweit staatliche Stellen Zahlungen leisten, ob eine Betriebsversicherung zahlt oder zahlen muss, wird sich regelmäßig erst im Laufe der Zeit feststellen lassen, ebenso wie sich der Erfolg möglicher Ersatzmaßnahmen erst im Laufe der Zeit zeigen wird. Soll nun der Mieter weiter zahlen oder es auf einen Mietrückstand ankommen lassen (der bei dem ersten Lockdown noch - so der BGH - nach Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB ein Kündigungsrecht des Vermieters ausschloss (nicht aber im zweiten Lockdown) ?

In dem vom BGH abgehandelten Fall hatte der Mieter lediglich die Miete für April 2020 nicht gezahlt, alle anderen Mieten in 2020 hatte er gezahlt. Das hätte dem Berufungsgericht nach Auffassung des BGH Veranlassung geben müssen, sich die Frage zu stellen, ob der durch die Geschäftsschließung bedingte Umsatzrückgang tatsächlich so erheblich war, dass für den Mieter die vollständige Bezahlung der Miete für den streitgegenständlichen Zeitraum unzumutbar war.

Es ist sicherlich im Nachhinein leicht festzustellen, welcher Umsatz ausgefallen ist, welche Maßnahmen hätten ergriffen werden können, um eine n Umsatzverlust einzudämmen oder gar zur verhindern, welche staatlichen Leistungen möglich gewesen wären und ob eine Betriebsversicherung hätte zahlen müssen. Zweifelhaft ist aber, ob dies bereits zu Beginn der pandemiebedingt angeordneten Schließung für einen längeren Zeitraum möglich ist.

BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21 -

Montag, 23. November 2020

Rechtfertigt die staatlich angeordnete (coronabedingte) Ladenschließung Nichtzahlung der Miete oder eine Anpassung des Mietvertrages ?

Streitig war der von der beklagten Mieterin nicht gezahlte Mietzins für das aufgrund der Corona-Epidemie nach Verordnung zu schließende angemietete Ladenlokal der Beklagten für April 2020. Die verordnungsbedingte Schließung dauerte vom 18.03. bis 20.04 2020. Von der beklagten wurde geltend gemacht, sie habe bei allen Filialen bundesweit gegenüber 2018 und 2019 im März 2020 einen Umsatzverlust von 54%, im April 2020 von 41% gehabt und die Schließung der Filialen führe zu einer erheblichen Liquiditätslücke, weshalb sie die Miete April nicht zahlen könne. Si e nutze die Kurzarbeit; staatliche Unterstützung erhalte sie nicht. Sie sei daher zur Mietzahlung nicht verpflichtet.

Das Landgericht gab der Zahlungsklage der vermietenden Klägerin statt.

Weder sei die Beklagte nach §$ 536 Abs. 1 S. 1 BGB von einer Mietzahlungsverpflichtung befreit noch nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB zur Herabsetzung der Miete berechtigt. Denn die staatlich angeordnete Maßnahme stelle sich nicht als Mangel der Mietsache nach § 536 BGB dar. Ein Mangel sei die Abweichung der Ist- von der vereinbarten Soll-Beschaffenheit. Zwar könnten auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse einen Mangel bewirken, doch setze dies voraus, dass die Beschränkung der konkreten Mietsache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt habe und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Hoheitliche Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen würden, würden in den Risikobereich des Mieters fallen. Der Vermieter sei nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nur verpflichtet, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehen Nutzung ermögliche, wobei das Verwendungsrisiko bei dem Mieter verbliebe. Damit aber scheide ein Sachmangel aus, da die hoheitliche Maßnahme dem Schutz der Bevölkerung gedient habe und nicht an die Beschaffenheit der Mietsache als solche anknüpfe.

Eine Befreiung von der Mietzahlungsverpflichtung ergebe sich auch nicht aus § 326 Abs. 1 S. 1 iVm. § 275 Abs. 1 BGB da durch die staatlich verordnete Schließung kein Fall der Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung durch den Vermieter vorläge. Die Schließung stelle sich als Verwendungsrisiko dar, welches alleine bei dem Mieter läge.

Letztlich könnte der Mieter auch nicht auf der Grundlage des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) eine Anpassung des Mietzinses verlangen. Es sei dazu nicht einmal klar, ob die Parteien den Vertrag (abgeschlossen 2015) nicht oder anders abgeschlossen hätten, wenn sie sich damals bewusst gemacht hätten, dass die Verkaufsstätte auf Grund staatlicher Maßnahmen für einen Monat geschlossen würde. Darauf käme es aber auch nicht an, da jedenfalls der Beklagten das Festhalten am bisherigen Vertrag nicht unzumutbar sei.

Die Vertragsanpassung habe zur Voraussetzung, dass dies zur Vermeidung eines ansonsten untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zumutbaren Ergebnisses unabweislich erscheine. Dies sei hier nicht der Fall. Zu berücksichtigen sei bei der Abwägung die vertragliche Risikoverteilung. Die Mieterin trage danach das Verwendungsrisiko. Dieses Risiko könne sie nicht, abgesehen von extremen Ausnahmefällen, über das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ganz oder teilweise abwälzen.

Dass die staatlich erzwungene Schließung hier zu existenziell bedeutsamen Folgen für die Beklagte geführt habe, sei von dieser nicht dargelegt. Es würden lediglich Liquiditätsengpässe benannt, denen hier Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB Rechnung trage, insoweit der Mieter vor Kündigungen geschützt wird, soweit er (in einem bestimmten Zeitraum, nämlich 01.04. – 30.06.2020) seine Miete vorübergehend nicht pünktlich zu leisten im Stande gewesen sei. Zudem habe die Schließung nur einen Monat angedauert und in dieser Zeit habe die beklagten durch Kurzarbeit Kosteneinsparen können und nach Ablauf des Monats ihren Geschäftsbetrieb wieder ohne wesentliche Einschränkungen aufnehmen können. Es sei auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte immer noch einen Liquiditätsengpass habe.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.10.2020 - 2-15 O 23/20 -

Donnerstag, 30. April 2020

BVerfG: Keine einstweilige Anordnung gegen Schließung von Fitnessstudios (Corona)


Es war letztlich nach den bisherigen Entscheidungen des BVerfG zu Restriktionen im Zusammenhang mit Corona zu erwarten, dass auch die beantragte Anordnung einstweilige Anordnung gegen eine Rechtsverordnung (hier des Landes Baden-Württemberg) gegen eine Rechtsverordnung zur Abwehr des Coronavirus abgewiesen wurde, mit der der Betrieb von Fitnessstudios für den Publikumsverkehr bis (vorläufig) zum 03.05.2020 untersagt wurde.

1. Grundlage der Rechtsverordnung war auch hier § 32 iVm §§ 28 Abs. 1 S. 1 und 2, 31 InfSG (idF. vom 20.07.2000m zuletzt geändert mit Gesetz vom 27.03.2020). Gerügt wurde von der Beschwerdeführerin als Betreiberin eines Fitnessstudios ihr verfassungsrechtlich garantiertes Recht zur freien Berufsausübung gem. Art. 12 Abs. 1 GG.

Standardmäßig verweist das BVerfG darauf, dass eine vorläufige Regelung durch einstweilige Anordnung erforderlich sein kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gefahren oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringen geboten sei. Bei offenen Ausgang seien die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg versagt bliebe. Darauf basierend erkennt das BVerfG, dass bei einer Versagung des begehrten Rechtsschutzes die Betreiber solcher Einrichtungen einen schwerwiegenden und teilweise irreversiblen Eingriff in ihr nach Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht der Berufsfreiheit mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen hinzunehmen hätten. Auf der anderen Seite hätte, sollte der Verfassungsbeschwerde der Erfolg versagt bleiben, zur Konsequenz die Wiedereröffnung zahlreicher Fitnessstudios (hier in Baden-Württemberg), was mit einer Zunahme sozialer Kontakte und damit des Risikos erneuter Infektionsketten den von Menschen übertragbaren Coronavirus einherginge mit der Gefahr der Erkrankung vieler Personen mit teilweise schwerwiegenden und tödlichen Krankheitsverläufen sowie der Gefahr der Überlastung gesundheitlicher Einrichtungen. Dem könne durch Untersagung des Betriebs von Fitnessstudios entgegengewirkt werden.  Unter Beachtung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG, das zu schützen der Staat habe, müssten die allerdings schwerwiegend Beeinträchtigung der Berufsfreiheit  und die wirtschaftlichen Interessen der Betreiber der Fitnessstudios zurücktreten. Ohne dass dem die Beschwerdeführerin in ihrer Verfassungsbeschwerde entgegen getreten sei, habe der VGH Baden-Württemberg darauf verwiesen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsuntersagung durch staatliche Hilfsprogramme „etwas abgemildert würden“. Zudem sei durch die Befristung sichergestellt, dass neuere Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden müssten.

2. Die Entscheidung des BVerfG setzt sich, wie die bereits zuvor zu Betriebsuntersagungen im Zusammenhang mit Rechtsverordnungen zur Abwehr des Coronavirus, nicht mit Art. 19 GG auseinander. Art. 19 GG verlangt, dass im Falle einer Einschränkung eines Grundrechts (hier betroffen jenes aus Art. 12 Abs. 1 GG) durch ein Gesetz (hier das Infektionsschutzgesetz – InfSG) diese Grundrecht unter Angabe des Artikels im Gesetz zu benennen ist, Art 12 Abs. 1 S. 2 GG. Daran ermangelt es hier, da im InfSG weder das Grundrecht noch der Artikel benannt wurden, vgl. § 19 Abs. 1 S. 4 GG. Art. 19 GG gilt als formelle Sicherung der Grundrechte und Rechtsschutzgarantie. Mit der Regelung sollten auch versteckte Grundrechtsbeschränkungen unmöglich gemacht werden. Im Zusammenhang mit der Änderung der Strafprozessordnung zu § 112a StPO hatte das BVerfG entschieden, dass der dort unterlassene Hinweis auf die Einschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG zulässig sei (Beschluss vom 30.05.1973 - 2 BvL 4/73 -). Auch hat das BVerfG entschieden, dass berufsregelnde Gesetze keine Einschränkung iSv, Ar 19 Abs. 1 GG darstellen würden und damit keines Hinweises bedürfen (Beschluss vom 04.05.1983 - 1 BvL 76/80 -). In dem letztgenannten Verfahren ging es um die Regelung, dass die Anerkennung als Prüfingenieur für Baustatik mit Vollendung des 70. Lebensjahres ende. Das Zitiergebot, so das BVerfG, würde nicht gelten, wenn der Gesetzgeber „in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt“. Dies ist nicht vergleichbar mit der hier vorgenommen Einschränkung, die die Berufsausübung, wenn auch (zunächst) zeitlich befristet, vollständig verbietet. Die Berufsausübung kann zwar durch Gesetzes oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden; eine „Regelung“ dahingehend, dass sie vollkommen untersagt wird, greift in den Kernbereich ein (nach Art. 19 Abs. GG untersagt), die nicht die Art oder den Umfang der Berufsausübung regelt, sondern diese verhindert.

Erfolgte damit kein Hinweis in dem Infektionsschutzgesetz zum Eingriff in die Berufsausübung, kann dieses Gesetz auch nicht Grundlage einer die Schließung vorsehenden Rechtsverordnung sein. Es lässt sich hier zudem auch nicht annehmen, dass der Gesetzgeber diesen Eingriff  vor Augen hatte. § 28 Abs. 1 InfSG weist auf die Zielgruppe hin und verweist für die Schutzmaßnahmen auf die §§ 28 – 31 InfSG. In § 31 InfSG ist ein Tätigkeits-/Berufsverbot vorgesehen, aber nur beschränkt auf Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider sowie für Personen, die den Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr der Weitverbreitung besteht. Ein Generalverdacht ist nicht normiert.

3. § 56 InfSG regelt den Entschädigungsanspruch für Personen, die nach § 28 Abs. 1 InfSG von Maßnahmen betroffen sein können. Für den Verdienstausfall können sie eine Entschädigung in Geld verlangen, § 56 Abs. 1 InfSG. Die Entschädigung richtet sich nach dem Verdienstausfall und soll bis zu sechs Wochen dem entgangenen Verdienst (§ 56 Abs. 3 InfSG), danach in Höhe des Krankengeldes (soweit nicht das Jahresarbeitsentgelt die Grenze der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht übersteigt, gewährt, § 56 Abs. 2 InfSG.

Ersichtlich ging der Gesetzgeber, soweit nicht expressis verbis auf bestimmte Einrichtungen wie Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen abgestellt wird, in § 56 Abs. 2 InfSG, davon aus, dass Arbeitnehmer betroffen sind. Soweit Selbständige betroffen sind, regelt § 56 Abs. 4 S. 2 wird unter Bezugnahme auf Abs. 2 geregelt, dass neben der dortigen Entschädigung weiterhin auf Antrag Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben „in angemessenen Umfang“ zu gewähren ist. Ferner „können“ bei Existenzgefährdung gem. §  56 Abs. 4 S. 1 InfSG die während der Verdienstausfallzeit entstehenden Mehraufwendungen in angemessenen Umfang erstattet werden.

Werden hier die Fitnessstudios auf der Grundlage der §§ 28ff InfSG geschlossen, so wäre jedenfalls entsprechend § 56 InfSG eine Entschädigung zu leisten. Die betroffenen Betreiber werden prüfen müssen, ob die staatlich zur Verfügung gestellten Mitteln dem entsprechen, was sie nach § 56 Abs. 4 InfSG geltend machen könnten. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre zu überlegen, den weitergehenden Anspruch geltend zu machen. Sollten sich die auf dem Infektionsschutzgesetz zur Begründung der Rechtsverordnungen zur Schließung als verfassungswidrig erweisen, hätten die Betroffenen einen weitergehenden Schadensersatzanspruch. Weiterhin ist § 65 InfSG zu beachten, wonach bei einem nicht unwesentlichen Vermögensnachteil durch eine behördliche Maßnahme eine Geldentschädigung zu erfolgen hat.

BVerfG, Beschluss vom 28.04.2020 - 1 BvR 899/20 -

Donnerstag, 19. März 2020

Pflicht zur Mietzahlung bei Schließung von Geschäftsräumen auf Grund von Rechtsverordnungen /behördlichen Verfügungen im Rahmen der Corona-Bekämpfung


Im Rahmen des Mietverhältnisses haben die Mietparteien die Verpflichtung, das Mietobjekt zur Verfügung zu stellen (Vermieter) und die Miete zu zahlen (Mieter), § 535 BGB. Bei Mängeln der Mietsache kann der Mieter die Miete mindern ggf. auf Null, § 536 BGB.

Beruht die Schließung des Geschäftslokals auf einer (eventuell vernünftigen) Erwägung des Mieters, da er anders meint eine Sicherheit für Angestellte und Kunden vor dem Corona-Virus nicht leisten zu können, liegt kein Mangel vor, da es sich nicht um eine Maßnahme des Vermieters handeln würde. Anders wäre dies, wenn der Vermieter die Schließung vom Mieter verlangt und dieser derselben folgen würde.

Damit bleibt die Frage, ob eine behördliche Anordnung die Minderung der Miete rechtfertigt. Zu einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit durch Rauchverbote in Gaststätten hatte das OLG Koblenz mit Urteil vom 18.11.2009 – 1 U 579/09 – entschieden, dass diese auf § 7 Abs. 1 Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz beruhende Maßnahme keine Minderung des Mietzinses begründen würde. Dem folgte der BGH mit Urteil vom 13.07.2011 – XII ZR 189/09 -, mit dem er die Revision gegen die Entscheidung des OLG Koblenz zurückwies und bestätigte, dass der Mieter weder die Miete mindern könne noch der Vermieter die baulichen Maßnahmen treffe müsse, um einen zulässigen Raucherbereich herzustellen. Ein nachträglicher Mangel der Miet- bzw. Pachtsache läge nur dann nach §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 S. 1 BGB vor, wenn die Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Miet-/Pachtobjekts im Zusammenhang stünde. Andere gesetzgeberischen Maßnahmen, die den Betrieb tangieren, würden in den Risikobereich des Mieters/Pächters fallen. Der Vermieter/-pächter sei lediglich verpflichtet, einen Zustand zu erhalten, der die vertraglich vereinbarte Nutzung ermögliche. Das Verwendungsrisiko bei Gewerberaummiete trage der Mieter/Pächter.  Dazu gehöre auch das Risiko, mit dem Miet-/Pachtobjekt Gewinne zu erzielen. Erfülle sich die Erwartung des Mieters/Pächters in seiner Gewinnerwartung aufgrund eines nachträglichen Umstandes nicht, für den nicht der Vermieter/Verpächter verantwortlich sei, so würde sich das Risiko des Mieters/Pächters verwirklichen. Dies würde auch in den Fällen gelten, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes komme.

Eine Einschränkung der Nutzbarkeit der Räume durch Schließung derselben kann hier zur Abwehr von Infektionsrisiken auf gesetzlicher Grundlage mittels Rechtsverordnungen pp. erfolgen. Liegt eine derartige Grundlage vor, und muss daher der Gewerbetreibende sein Geschäftslokal schließen, ist er gleichwohl weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet.

vgl. auch BGH, Urteil vom  13.07.2011 - XII ZR 189/09 -