In diesem Verfahren auf einstweiligen
Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO) ging ist um die Frage, wann noch eine Wohnnutzung vorliegt und wann von
einer Zweckentremdung auszugehen ist. Während die Verwaltung von Berlin und
auch das VG Berlin eine Zweckentfremdung angenommen hatten, sah dies das OVG
Berlin-Brandenburg anders.
Die Antragstellerin (AS) war
Mieterin einer 3-Zimmer-Wohnung in Berlin. Mit einem Vertrag vom 23.05.2017
untervermietete sie ihre möblierte Wohnung vom 31.07.2017 bis 31.07.2918
(verlängert mit Vertrag vom 28.06.2018 um ein Jahr) an die FSP, die diese
Wohnung zur Unterbringung von von ihr für ihre Veranstaltungen engagierten Artistinnen
für die Dauer deren Engagements. In den Arbeitsverträgen war u.a. unter „Vergütung“
geregelt, dass die GSP ihnen für die Dauer von deren Engagement eine
2-Zimmer-Wohnung nach Auswahl durch FSP und auf deren Kosten zur Verfügung
stelle. Mit dem für sofort vollziehbar
erklärten Bescheid des Bezirksamtes Mitte forderte dieses von der AS, die
Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen, da es den Tatbestand der
Zweckentfremdung als gegeben ansah.
In Berlin darf Wohnraum nur mit
Genehmigung des zuständigen Bezirksamtes zu anderen als Wohnzwecken genutzt
werden (§ 1 ZwVbG iVm § 1 Abs. 1 S. 1 ZwVbVO). Eine Zweckentfremdung liegt nach
Ansicht des OVG vor, wenn Wohnraum zum Zweck der widerholten nach Tagen oder
Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung oder Fremdbeherbung,
insbesondere einer Zimmervermietung oder Einrichtung von Schlafstellen,
verwendet würde (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwVbG). Anders als noch das VG nahm
allerdings das OVG an, dass hier die Räume nicht zum Zweck einer Fremdbeherbung,
sondern zu Wohnzwecken genutzt würden.
Ohne dass es auf subjektive
Vorstellungen oder Bedürfnisse der Benutzer ankäme, sei Wohnen die Gesamtheit
der mit der Führung des häuslichen Lebens und des Haushalts verbundenen
Tätigkeiten. Der objektive Begriff fordere ein Mindestmaß an Abgeschlossenheit
der räumlichen Verhältnisse zur eigenständigen Gestaltung des häuslichen Lebens
unter Einschluss einer gewissen Rückzugsmöglichkeit. Es müsse mindestens ein
Raum dem oder den Wohnungsinhaber(n) während des gesamten Tages zur privaten
Verfügung stehen und die Möglichkeit bieten, darin den Tätigkeiten und
Nutzungsweisen nachzugehen, die zum Begriff des Wohnens gehören. Es müsse den
Bewohnern die Möglichkeit gegeben werden, sich von der Außenwelt in einen
Privatbereich zurückzuziehen (OVG Berlin, Urteil vom 26.07.1990 - OVG 5 B 64.89
-).
Eine Fremdbeherbung läge vor,
wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur
Verfügung gestellt würden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis
unabhängig gestalten könnten. Es würde dort idR. an einer Kochmöglichkeit ermangeln
und sie würden sich häufig mangels genügender Sitz- und Essmöglichkeiten eher nicht
für längere Aufenthalte eignen. Ggf. würde auch Nebenleistungen (wie Frühstück)
angeboten.
Daran gemessen sei hier in Bezug
auf die jeweiligen Bewohnerinnen (jeweils zwei) von einer Wohnnutzung auszugehen.
Sie hätten jeweils ein eigenes Schlafzimmer, was hinreichend Rückzugsmöglichkeit
biete; es stünden ein Wohnraum, Küche Bad und Flur zur gemeinsamen Nutzung zur
Verfügung. Die Räume seien auch nicht derart unzureichend ausgestattet, dass
dort ein längerer Aufenthalt (auch tagsüber) nicht möglich sei. Die gemeinsame Nutzung eines Wohnraums, Küche,
Bad und Flur würde dem „Wohnen“ nicht entgegenstehen; vielmehr sei die
Wohngemeinschaft als Zusammenleben einer Gruppe von Personen, die eine Wohnung
gemeinsam bewohnen, ohne miteinander verwandt zu sein, nicht ungewöhnlich und
erfülle zweifelslos den Begriff des Wohnens, wobei jede der zwei Bewohnerinnen
ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten könne.
Zwar vergäbe die Antragstellerin
die Räume nur zur vorübergehenden Nutzung. Jedoch überschreite die Dauer des
Aufenthalts der jeweils untergebrachten Künstlerinnen das Maß der „ständig
wechselnden Gäste“, wie es für Fremdenbeherbungen üblich sei. Auch wenn sich „Wohnen“
und „Fremdenbeherbung“ nicht über das Zeitmaß abgrenzen ließe, stelle es doch
ein Indiz dar und es sei auch ersichtlich, dass die Künstlerinnen für die Dauer
ihres längerfristigen Engagements bei der FSP ihren Lebensmittelpunkt nach
Berlin verlegt hätten.
Der vom VG als streitentscheidend
angesehene Gesichtspunkt, dass es an einem Vertrag zwischen der FSP und den
Nutzerinnen fehle, der ihnen ein Nutzungsrecht an dem Wohnraum als Grundlage
einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit einräume, könne ein Abgrenzungskriterium
nicht darstellen, da die Nutzung hier gerade nur für eine begrenzte Zeit und
nicht auf Dauer angelegt war, was allerdings an der vorliegenden Erfüllung des
Begriffs des Wohnens nichts ändere. Auch sei der Begriff des Wohnens nicht an
eine Rechtsform gebunden, so insbesondere auch nicht an einem
Wohnraummietvertrag. Die hier getroffene Vereinbarung zwischen den FSP und den
Nutzerinnen genüge, im letzteren die Führung eines eigenständigen Haushalts zu
ermöglichen. Auch wenn nach dem Vertrag die FSP gegenüber den Künstlerinnen ein
Zuweisungsrecht habe, diese also den Künstlerinnen also im Bedarfsfall auch
eine andere Wohnung zuweisen könnte, stünde dieser von der FSP benötigten
Flexibilität bei der Zuweisung von Wohnung und Mitbewohner (z.B. für den Fall
einer vorzeitigen Beendigung des Engagement-Vertrages) jedenfalls nicht der
Annahme entgegen, die Künstlerinnen würden in den fraglichen Räumen wohnen. Dagegenspräche
auch nicht die Möblierung, die es den Künstlerinnen vereinfache, in Berlin zu
wohnen und ein später ohne großen Umzug ein Engagement in einem anderen Ort
anzunehmen.
Zwar sei vorliegend auch von
einer erheblichen Gewinnspanne für die Antragstellerin (auch unter Berücksichtigung
der Möblierung durch die Antragstellerin) auszugehen (eigene Miete € 9,00qm,
Untermiete € 30,00/qm, jeweils brutto). Dies sei zwar sicherlich auch ein
(weiteres) Indiz für die Abgrenzung von Wohnen zur Fremdbeherbung. Lägen aber,
wie hier, alle Voraussetzungen für ein Wohnnutzung vor, käme es darauf nicht
mehr an. Auch wenn nach dem Konzept der AS (möbliertes Apartment, Verbot der
Untervermietung, erhebliche Gewinnspanne, Vereinbarung über die
Übernachtungssteuer) vieles für den Zweck der Fremdbeherbung spräche, käme es
darauf nach dem Gesetzeszweck nicht an, der eine Nutzung von Wohnraum zu
anderen als Wohnzwecken verhindern wolle. Lägen wie hier die Kriterien für die
Wohnnutzung vor, käme es auf das Konzept des Vermieters nicht an.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.04.2019 - OVG 5 S 24.18 -