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Donnerstag, 15. August 2024

Feststellung der sachlichen Zuständigkeit bei Mietrechtsstreit

Die Klägerin verlangte von den Beklagten die Räumung und Herausgabe von zwei Räumen in einem Büropark sowie Miete. Im Mietvertrag wurden die angemieteten Räume als Büroräume bezeichnet. In 2020 bis 2023 leistete die Beklagte keine Mietzahlungen; eine Kündigung des „Gewerbemietvertrages“ (so die Angabe im Kündigungsschreiben) erfolgte mit Schreiben vom 07.09.2020 und wurde mit der 2023 erhobenen Klage wiederholt.  Die Beklagten wandten ein, die Parteien seien bei Mietvertragsabschluss übereingekommen, dass die Räume zu einer Wohnung ausgebaut werden; sie hätten sich über die Falschbezeichnung als „Geschäftsräume“ im Vertrag keine Gedanken gemacht.

Das Landgericht wies die Parteien auf die von ihm angenommene fehlende sachliche Zuständigkeit hin und wies mangels eines Verweisungsantrages der Klägerin (auf Verweisung an das Amtsgericht, § 23 Nr. 2a GVG) als unzulässig ab. Die dagegen erhobene Berufung führte zur Aufhebung des Urteils und Rückverweisung an das Landgericht, da dieses ausschließlich zuständig sei.

Unabhängig vom Streitwert ist nach § 23 Nr. 2a GVG, § 29a Abs. 1 ZPO das Amtsgericht für alle Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Wohnraummietverhältnis und über Streitigkeiten über das Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses ausschließlich und örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich der Wohnraum befindet. Die sachliche Zuständigkeit, so das OLG als Berufungsgericht, beruhe auf dem zweistufigen ortsnahen Instanzenzug, wie er regelmäßig nur durch die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als Eingangsgericht und des Landgerichts als Rechtsmittelinstanz gewährleistet erscheine (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.07.2005 - I-24 W 20/05 -). Damit korrespondiere die örtliche Zuständigkeit nach § 29a Abs. 1 ZPO.

Die Klärung, ob für die Zuständigkeit ein Wohnraum- oder ein Geschäftsraummietverhältnis zugrunde zu legen ist, ist in den Fällen zu klären, in denen der Streitwert des Verfahrens den Wert von € 5.000,00 überschreitet, § 23 Abs. 1 GVG. Dies war vorliegend der Fall. In diesem Fall käme es für die Zuständigkeitsbestimmung auf den schlüssigen Sachvortrag des Klägers, nicht dessen Rechtsauffassung, an, da sich danach der Streitgegenstand bestimme (so die hM, so z.B. KG, Beschluss vom 06.03.2008 - 2 AR 12/08 -). Ein Bestreiten des entsprechenden Sachvortrags durch den Beklagten sei insofern unbeachtlich, da dies ohne Einfluss auf den Streitgegenstand bleibe. Der dem entgegenstehenden Rechtsansicht des OLG Düsseldorf (im Beschluss vom 08.11.2007 - 24 U 117/07 -) schloss sich das OLG ausdrücklich nicht an. Das OLG Düsseldorf sah in der schlüssigen Geltendmachung von Gegenrechte aus einem Wohnraummietverhältnis die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 23 Nr. 2a GVG als begründet an. Vom OLG wurde im vorliegenden Verfahren (zutreffend) darauf verwiesen, dass dann, wenn die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen eine doppelrelevante Tatsache ist, also diese zugleich auch Voraussetzung für die Begründetheit der Klage, das Vorbringen des Klägers über die Zulässigkeit der Klage als wahr zu unterstellen sei (RGZ 29, 371m 373 f; BGH, Urteil vom 25.11.1993 – IX ZR 32/93 -). Diese „Erleichterung für den Kläger“ für den Kläger sei gerechtfertigt, da für den Fall, dass sich das Vorbringen des Beklagten als wahr erweise und die (auch) die zuständigkeitsbegründende Tatsache nicht vorliege, die Klage als unbegründet abzuweisen sei. Letztlich würde so der Kläger nicht gänzlich von seiner Beweislast bezüglich (auch) der zuständigkeitsbegründenden Tatsache befreit, vielmehr beschränke sich sein Vorteil nur darauf, dass er an einem für ihn (Anm.: zumindest nach seiner subjektiven Auffassung) günstigeren Gerichtsstand streiten dürfe. Zudem wäre es auch für den Beklagten von Nachteil, wenn die Klage nur als durch Abweisung wegen Unzulässigkeit als klageabweisendes Prozessurteil statt als klageabweisendes Sachurteil ergehen würde.

Erhebe also der Kläger wie vorliegend eine Räumungsklage vor dem Landgericht mit der Behauptung der wirksamen Kündigung eines Geschäftsraummietvertrages und wendet der Beklagte ein, es bestünde ein nicht (wirksam) gekündigter Wohnraummietvertrag, läge eine doppelrelevante Tatsache vor. Es müsse sowohl zur Zulässigkeit als auch zur Begründetheit geprüft werden, ob ein Wohnraummietverhältnis vorliege.

Vor diesem Hintergrund sei das Vorbringen der Klägerin für die Zuständigkeit als wahr zu unterstellen. Da die Klägerin bestritten hebe, es habe niemals ein Wohnraummietverhältnis vorgelegen, ermangele es an einem Vortrag in Bezug auf ein Wohnraummietverhältnis und ergäbe sich damit auch keine amtsgerichtliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG. Der Vortrag der Beklagten könne nur dann zu einer Zuständigkeit des Amtsgerichts für Wohnungsmietsachen führen, wenn die Klägerin dem nicht entgegen getreten wäre (OLG Köln, Urteil vom 12.06.2015 – 1 U 16/14 -), was hier allerdings erfolgt sei.

Das Amtsgericht würde auch nach § 23 Nr. 2a GVG nicht zuständig, da das Bestehen eines Mietverhältnisses (Geschäfts- oder Wohnraum) geprüft werden müsse. Dies würde zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Beklagten führen, da dieser dem Kläger durch unrichtige Behauptungen einen bestimmten Gerichtsstand aufzwingen könne. Eines entsprechenden Schutzes bedürfe der Beklagte auch nicht, da die Klage im falschen Gerichtsstand zur Abweisung der Klage als unbegründet führe.

Anmerkung: Auch wenn eine Räumungsklage z.B. Kündigung wegen Zahlungsrückständen erhoben wird, ist es von Bedeutung, ob es sich um einen Geschäftsraum oder um Wohnraum handelt, da z.B. der Gewerberaummieter keinen Rechtsanspruch auf die Einräumung einer Räumungsfrist nach § 771 ZPO hat.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13.02.2024 - 3 U 96/23 -

Samstag, 22. Februar 2020

Räumungsverfügung gegen Dritte bei Geschäftsräumen bei gekündigten Mietverhältnis (§§ 940, 940a ZPO)


Es gibt bestimmte Rechtsfragen, zu denen bildet sich keine einheitliche Rechtsprechung, da diese Rechtsfragen leider dem Instanzenzug zum BGH entzogen sind. Dazu gehört die Frage, ob § 940a ZPO auch im Bereich von Geschäftsräumen entsprechend anwendbar ist oder im Rahmen des § 940 ZPO zu übertragen ist. Zuletzt nahm dazu jetzt das OLG Celle Stellung, mit der das OLG von den Entscheidungen des KG vom 09.05.2019 - 8 W 28/19 - (dieses wiederum unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung), des OLG Frankfurt vom 13.09.2019 - 2 U 61/19 - und des OLG München vom 12.12.2017 - 32 W 1939/17 - abweicht.  

Ausgangspunkt ist § 940a ZPO, welcher in Bezug auf Wohnräume die Regelung enthält, dass unter bestimmten Umständen eine auf Räumung gerichtete einstweilige Verfügung (die Räumungsverfügung) gegen Personen erwirkt werden kann, die neben dem (gekündigten) Mieter in den Wohnräumen leben:

"(1) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung nur wegen verbotener Eigenmacht oder bei einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben angeordnet werden.
(2) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat.
(3) Ist Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben, darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch angeordnet werden, wenn der Beklagte einer Sicherungsanordnung (§ 283a) im Hauptsacheverfahren nicht Folge leistet.
(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 hat das Gericht den Gegner vor Erlass einer Räumungsverfügung anzuhören."
Die Norm ist lediglich nach ihrem Wortlaut auf Wohnraum anwendbar, greift mithin nicht für Gewerberäume. Die Norm wurde vom Gesetzgeber eingefügt, da im Rahmen einer einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO grundsätzlich eine Räumung nicht durchsetzbar ist (es würde sich um eine im Verfügungsverfahren unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache handeln, da auf der Grundlage einer entsprechenden Räumungsverfügung das eventuell streitige Räumungsverlangen endgültig durchgesetzt werden könnte). Voraussetzung der Anwendbarkeit ist grundsätzlich, dass der Verfügungskläger (Vermieter) im Besitz eines vollstreckbaren Räumungstitels gegen den Mieter ist und zusätzlich erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor Erlass des Räumungsurteils erfährt, dass sich noch eine weitere Person (oder mehrere Personen) im (Mit-) Besitz der Wohnung befinden (sei es aufgrund eines vom bisherigen Mieter eingeräumten Nutzungsrechts oder nicht bekannten Untermietverhältnisses).

Obwohl in der Norm ausdrücklich nur auf Wohnraum abgestellt wird, besteht in Rechtsprechung und Literatur Streit darüber, ob die Norm nicht doch auch im Rahmen Nutzungsüberlassung von Geschäftsräumen durch den gekündigten Mieter (gegen den ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt) entsprechend oder der Übertragung auf die Regelung in § 940 ZPO angewandt werden kann. Das OLG Celle verneint dies. Obwohl vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ein Räumungs- und Herausgabeanspruch des Klägers angenommen worden sei, darf nach Auffassung des OLG keine darf gerichtete einstweilige Verfügung ergehen, da es dem Verfügungsgrund ermangele.

Der Verfügungsgrund des § 940a ZPO (vollstreckbarer Räumungstitel gegen den Mieter, Kenntnis des Besitzerwerbs durch einen Dritten erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil erging) greift nach Auffassung des OLG nicht. Überschrift und Wortlaut der Norm würden verdeutlichen, dass diese nur für Wohnraumanwendbar sei. Eine analoge Anwendung scheide aus (Anm.: eine Analogie einer Spezialnorm, wie hier § 940a ZPO zu § 940 ZPO, scheidet in der Regel aus, wenn nicht von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist).

Auch könne § 940a ZPO nicht über § 940 ZPO als „Ankernorm“ auf Geschäftsraummietverhältnisse angewandt werden. Die Argumentation des KG sowie des OLG Frankfurt, die die Anwendbarkeit des § 940a ZPO über § 940 ZPO bejahen, würden dem Prinzip der Gewaltenteilung widersprechen und eine unstatthafte Korrektur des Gesetzgebers bedeuten. Für ein „wenn schon, dann erst recht“  sei bei Spezialnormen wie hier kein Raum. Dies gelte auch dann, wenn zwar die Norm nicht analog angewandt würde, deren Wertung aber bei § 940 ZPO herangezogen würde.

Auch der Argumentation des OLG München könne nicht gefolgt werden. § 940 ZPO erfordere ein Werturteil, da ein Sachverhalt erst nach einem zu konkretisierenden „ausfüllungsbedürftigen“ Maßstab beurteilt werden könne, weshalb zwar maßgeblich die Methode der Fallvergleichung und Typisierung Anwendung fände, wobei gleiche Fälle gleich zu behandeln seien. Es bedürfe aber der Herausarbeitung, welche Umstände in welchem Ausmaß für die geforderte Bewertung nach allgemeinem Maßstab von Bedeutung seien. Gerade daran fehle es aber hier: Der signifikante Unterschied bestehe in der rechtlichen Bewertung von Wohnraummietverhältnissen und Gewerberaummietverhältnissen, wie auch § 578 verdeutliche (die Norm überträgt nur einzelne Normen des Wohnraummietrechts auf die Gewerberaummiete). Darin käme bereits eine Wertentscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck, was dagegen spreche, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der Norm des § 940a ZPO eine typisierende Bewertung für alle Arten von Mietverhältnissen vorgenommen hätte. Auch läge damit keine Regelungslücke vor, die nur angenommen werden könne, da es auf der Grundlage des maßgeblichen Wertungsprinzips des Gesetzgebers an einer behebungsbedürftigen Unvollständigkeit ermangele.

Mithin käme eine einstweilige Räumungsverfügung nach §§ 935, 940 ZPO nur in Ausnahmefällen Betracht.  Dazu würden die umgehende Rückgängigmachung verbotener Eigenmacht sowie die Fälle zählen, in denen der unberechtigte Besitzer die Sache in einer  vertragswidrigen Weise nutzt und der Sachsubstanz aus diesem Grund konkreter Schaden drohe. Nicht dazu würden die Nichtzahlung von Nutzungsentgelt trotz Nutzung gehören, da es auf die Dringlichkeit ankäme (offen gelassen und in der Rechtsprechung auch streitig für Fälle der wirtschaftlichen Notlage des Vermieters).

OLG Celle, Urteil vom 09.01.2020 - 2 U 116/19 -

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Mietrecht: Bei Mischmietverhältnissen gilt im Zweifel Wohnraummietrecht

Geregelt sind im Gesetz Kündigungen für jeweils verschiedene Mietformen (so Wohnraum und Gewerberaum). Ein Mischmietverhältnis ist im Gesetz nicht geregelt. Damit ist jeweils zu entscheiden, ob auf den Vertrag Wohnraum- oder Gewerberaummietrecht anzuwenden ist. Das ist gerade für die Frage einer Kündigung bedeutsam, da die Kündigung von Gewerberaum mangels anderweitiger vertraglicher Regelung keines Grundes bedarf.  Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13 – musste sich das OLG Frankfurt erstmals mit dieser gewandelten Rechtsprechung auseinandersetzen, die hier den beklagten Mietern zum Erfolg verhalf.

Die Beklagten zu 1. und  2. mieteten in einem Mehrfamilienhaus zwei Etagen an, die dergestalt getrennt waren, dass die zweite Etage im 3. Obergeschoss des Hauses nur über die Räume der 1. Im 2. Obergeschoss des Hauses belegene Etage mittels einer dortigen Treppe zu erreichen waren.  Die Räume in der unteren Etage wurden als gewerblich nutzbare Räume, die im darüberliegenden Stockwerk befindlichen Räume als Wohnräume vermietet. Es existieren (unter dem gleichen Datum) für jede Etage gesonderte Mietverträge und ein sogenannter Klammermietvertrag betreffend beider Etagen. Die Einzelmietverträge wurden zudem dergestalt verknüpft, dass die Kündigung einer der Mietverträge nur zusammen mit dem anderen Mietvertrag möglich sein sollte. Alle Mietverträge waren auf Formularen aufgesetzt, die in der Überschrift „Wohnraum“ enthielten.

Nach Begründung des Mietverhältnisses wurde das Haus nach WEG geteilt. Der Eigentümer der zwei streitigen Stockwerke kündigte das bzw. die Mietverhältnisse und machte im Räumungsrechtsstreit geltend, es gelte Gewerberaummietrecht.  Er stellte sich auf den Standpunkt, der Schwerpunkt der Mietverhältnisse läge, schon im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit des Beklagten zu 2. (dessen Gesellschaften auch dort ansässig waren) im gewerblichen Bereich. Dem folgte das Landgericht und gab der Klage (mit Ausnahme einer Gesellschaft, die bereits bei Zustellung der Klage ausgezogen war) statt. Auf die von den Beklagten eingelegte Berufung änderte das OLG Frankfurt das Urteil ab und wies die Klage insgesamt ab. Dabei wies das OLG auf die zwischenzeitliche Entscheidung des BGH vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13 – hin, derzufolge nicht mehr an dem bisherigen Kriterium des Lebensunterhaltes nei der Zuordnung eines Mischmietverhältnisses festgehalten würde.

Das dritte Obergeschoss wurde unstreitig als Wohnraum vermietet. Damit sei hier Wohnraummietrecht insgesamt anzuwenden, da der Vertragszweck entscheidend sei. Mangels einer expliziten Regelung im Vertrag selbst, sei der Vertragszweck entsprechend der Rechtsprechung des BGH durch Auslegung zu ermitteln. Indizien wie Größe, Aufbau der vertraglichen Regelungen, aber auch Miethöhe wären zu berücksichtigen. Der Tatrichter habe gemäß der Entscheidung des BGH auf der Grundlage der Einzelumstände den Nutzungsschwerpunkt zu ermitteln.

Nach Auffassung des OLG ließe sich aus den Einzelverträgen und dem Klammermietvertrag selbst weder ein Vorrang für die Wohn- noch für die Gewerbenutzung feststellen. Der Überschrift der Vertragsformulare käme in Ansehung von § 1 derselben, der eine gewerbliche Nutzungsmöglichkeit jeweils standardmäßig vorsehe, nicht zu. Dem Mietpreisunterschied könne hier auch keine tragende Rolle beigemessen werden, da sich dieser schon auf Grund der baulichen Begebenheiten verstehe, im Hinblick auf die schwere Zugänglichkeit des 3. Obergeschosses über das zweite Obergeschoss.  Damit aber wäre im Zweifel nach der älteren Rechtsprechung des BGH (wie vom Landgericht angenommen) von einer gewerblichen Nutzungsart auszugehen, wenn der Mieter in den Räumen auch seinen Lebensunterhalt verdient. Allerdings hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 09.07.2014 dieses Kriterium ausdrücklich aufgegeben. Mithin würde damit im Zweifel ein Wohnraummietverhältnis anzunehmen sein. Da ein Kündigungsgrund für ein Wohnraummietverhältnis nicht angegeben wurde, wäre die Kündigung unwirksam. 

OLG Frankfurt, Urteil vom 17.10.2014 - 2 U 47/14 -


Donnerstag, 15. Mai 2014

Mietrecht: Laufende Schönheitsrenovierung und Rückgabeverpflichtung in bezugsfertigen Zustand

Renovierungsklauseln werden ständig neu der AGB-Kontrolle unterworfen. „Schuld“ daran ist die Rechtsprechung, insbesondere auch des BGH, die hier ständig neue Anforderungen stellt. In seiner Entscheidung vom 12.03.2014 – XII ZR 108/13 – musste sich das Gericht mit einem Formularmietvertrag (AGB) auseinandersetzen, in dem zum einen der Mieter zur bedarfsabhängigen laufenden Schönheitsrenovierung verpflichtet wurde, ihm zum anderen auferlegt wurde die Räume zum Mietvertragende in einen “bezugsfertigen Zustand“ zu versetzen.
Bild: Petra Bork / pixelio.de

Dass die laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt werden dürfen ist bereits seit langem in der Rechtsprechung anerkannt. Nur wenn der Mieter (z.B. im Rahmen von starren Fristenplänen) zur Vornahme von Leistungen zu bestimmten Zeiten verpflichtet wird , wird die entsprechende Klausel (insgesamt) als ungültig angesehen. Da hier allerdings der Mieter nur „bedarfsabhängig“ verpflichtet wurde, stieß die Klausel beim BGH (vorhersehbar) auf keine Bedenken.
Allerdings hätte sich daran etwas aus der Summierung der Pflichten im Zusammenhang mit der Klausel über den Zustand bei Rückgabe ändern können, wie auch die Klausel über den Zustand bei Rückgabe für sich bedenklich ist. Letzteres vor dem Hintergrund, dass der BGH bereits entschieden hat, dass eine Endrenovierungsklausel (jedenfalls in Kombination mit laufenden Renovierungsverpflichtungen)  unzulässig ist (auch bei der Gewerberaummiete, zuletzt BGH vom 06.04.2005 – XII ZR 308/02 -).

Die Endrenovierungsverpflichtung, unabhängig vom Zustand der Mietsache zum Mietende, ist nach § 307 BGB unwirksam (BGH vom 03.06.1998 – VIII ZR 317/97 -).  Es wird darin, was auch vorliegend der BGH betont, eine unangemessene Benachteiligung des Mieters gesehen. Allerdings enthalte die hier verwandte Klausel zum „bezugsfertigen Zustand“  keine verdeckte Endrenovierungsverpflichtung. Ausreichend wäre es vielmehr, wenn der Mieter die Räume an den Vermieter in einem Zustand zurückgibt, die es diesem ermöglichen, die Räume einem neuen Mieter in einem bezugsfertigen und vertragsgemäßen Zustand zu überlassen.  Daher wären nach dieser Klausel nur Renovierungsleistungen zu erbringen, wenn der Mieter in der Vergangenheit keine Schönheitsreparaturen vorgenommen hätte oder trotz auch eventuell zeitnaher Schönheitsreparaturen eine übermäßig starke Abnutzung vorliegt, die eine Weitervermietung hindert.
Die (danach) zulässigen Klauseln des Formularmietvertrages lauteten:
„Der Mieter ist verpflichtet, die Schönheitsreparaturen in einem angemessenen Turnus auszuführen. Im Hinblick auf das Gewerbe des Mieters gehen die Parteien davon aus, dass alle drei Jahre Renovierungsbedürftigkeit eintreten kann. …“
„Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist das Mietobjekt in bezugsfertigem Zustand und mit sämtlichen - auch vom Mieter selbst beschafften - Schlüsseln zurückzugeben.“
Auch wenn diese Entscheidung zu Gewerberäumen erging, kann man davon ausgehen, dass der BGH die entsprechenden Grundsätze auf Wohnraummietverhältnisse anwendet, da er seine Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen unabhängig von der Nutzungsart entwickelt hat.
BGH, Urteil vom 12.03.2014 - XII ZR 108/13 -

Sonntag, 29. Dezember 2013

Räumung Dritter nach § 940a Abs. 2 ZPO - auch für Gewerberäume ?

Die Vorschrift des § 540a Abs. 2 ZPO ist an sich klar und unzweideutig:

“Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat.”
Vor diesem Hintergrund haben auch sowohl das LG Köln mit Beschluss vom 12.06.2013 – 1 T 147/13 – als auch das Kammergericht mit Beschluss vom 05.09.2013 – 8 W 64/13 -  die Zulässigkeit einer einstweiligen verfügung gegen Dritte auf Räumung von Gewerberäumen negiert. Das LG Hamburg hat mit Urteil vom 27.06.2013 – 334 O 104/13 – die Zulässigkeit einer entsprechenden einstweiligen Verfügung bejaht. Die Abweichung vom Gesetzeswortlaut wird damit begründet, dass die Wertunen des § 940a Abs. 2 ZPO auch für Gewerberäume zu berücksichtigen sei und von daher, wenn entsprechendes für Wohnraum gilt, es erst recht bei Gewerberäumen möglich sein müsse.
Die Entscheidung des LG Hamburg verkennt Grundprinzipien der zulässigen Analogiebildung und der Beachtung der Deutlichkeit des Gesetzes. § 940a ZPO ist nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich für Wohnräume normiert. Der Gesetzgeber hätte bei der Regelung ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, die Vorschrift auch auf Gewerberäume auszudehnen. Davon hat er keinen Gebrauch gemacht.
Die Judikative ist an Recht und Gesetz gebunden. Sie hat nicht die Aufgabe eines “zweiten Gesetzgebers”. Zwar hinder dies den Richter nicht, das Recht fortzuentwickeln (BverfG vom 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07 -). Die maßgebliche gesetzgeberische Grundentscheidung, an die die Gerichte verfassungsrechtlich gebunden sind, trifft aber der Gesetzgeber (BVerfG vom 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 -).  Unzulässig ist es, auf Grund allgemeiner Überlegungen (wie sie hier das LG Hamburg anstellte) eine gesetzgeberische Regelung geradezu auf den Kopf zu stellen (BGH vom 19.04.1987 – VIII ZR 251/86 -).  Die Ausdehnung der Norm auch auf Gewerberäume lässt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien heraus begründen. Dies aber wäre notwendig, um für die Entscheidung im Rahmen einer Rechtsfortbildung eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage zu haben.  Es liegt ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot vor,