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Montag, 24. April 2023

Finanz-Vollmacht zwischen Eheleuten: Auftragsverhältnis oder Gefälligkeit

Die Eheleute hatten sich nach über 50-jähriger Ehe eineVollmacht erteilt. Die Klägerin ist deren Tochter. Nach dem Tod der Mutter war sie Miterbin derselben und machte gegen ihren Vater klageweise einen auf §§ 662, 666 BGB gestützten Auskunftsanspruch geltend. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht (LG) wies die Klägerin darauf hin, dass es gedenke, ihre Berufung als offenbar unbegründet zurückzuweisen, § 522 ZPO.

Ein Auftragsverhältnis ist ein Vertragsverhältnis. Dies zugrundelegend wies das OLG darauf hin, dass die Klägerin ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen ihren Eltern nicht bestritten habe. Es nahm nunmehr die Abgrenzung zwischen einem (rechtsgeschäftlichen) Auftragsverhältnis und einem reinen Gefälligkeitsverhältnis vor, da lediglich im Rahmen des Auftrages nach § 662 BGB eine Auskunftsanspruch des Auftraggebers (hier der Ehefrau und in deren Rechtsnachfolge der Klägerin) bestehen würde. Entscheidend sei für die Abgrenzung der Rechtsbindungswille. Dieser sei im Einzelfall nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände und der Verkehrssitte zu ermitteln (BGH, Urteil vom 22.06.1956 - I ZR 198/54 -). Abzustellen sei dabei darauf, ob der Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste, mithin darauf, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden dargestellt habe.

Ein Rechtsbindungswille könnet sich bei erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung (die hier in Ansehung der Vermögensverhältnisse zweifelhaft erscheine) ergeben. Bedeutung könne dagegen gewinnen, dass mit notarieller Urkunde vom 27.06.1958 eine Vereinbarung der Gütertrennung getroffen wurde, und zum Zeitpunkt der Generalvollmacht nebst Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung die Ehe bereits über 50 Jahre bestanden habe. Ferner sei von Bedeutung, dass weder vorgetragen noch ersichtlich sei, das die Erblasserin zwischen Vollmachtserteilung und ihrem Tod jemals wegen mit der Vollmacht getätigter Geschäfte Auskunft und Rechenschaft vom Beklagten verlangt hätte. In diesem Fall könne ein Abrechnungsverlangen durch Erben gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen (OLG Hamm, Urteil vom 18.10.2018 - 10 U 91/17 -).

In einem Beschluss des OLG Koblenz vom 10.06.2020 - 12 U 7/20 - sei ein Gefälligkeitsverhältnis negiert worden, wenn eine Vertrauensperson ohne verwandtschaftlichem Verhältnis EC-Karte nebst PIN übergeben würden und damit diese Vertrauensperson über erhebliche Vermögenswerte (Bankguthaben von mehr als € 50.000,00) verfügen könne. Dies läge vorliegend anders. Gerade bei Eheleuten könne die Annahme eines Vertragsverhältnisses und damit die Annahme des § 666 BGB unangemessen erscheinen (BGH, Urteil vom 05.07.2000 - XUU ZR 26/98 -; OLG Köln Urteil vom 19.09.2012 - 16 U 196/11 -; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.03.2006 - 4 U 10/05 -).

Zudem käme auch eine konkludente Freistellung von Auskunftspflichten nach § 666 BGB in Betracht, da § 666 BGB dispositiv sei.

Mit Beschluss vom 08.02.2023 wies das OLG die Berufung zurück.

OLG Celle, Beschluss vom 13.01.2023 - 6 U 89/22 -

Montag, 19. Juli 2021

Betriebsgefahr nach § 7 StVG bei Baumfällarbeiten mit Hilfe eines Traktors

Immer wieder haben Gerichte festzustellen, ob sich bei einem Schadensfall die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs als verschuldensunabhängige Betriebsgefahr iSv. § 7 Abs. 1 StVG darstellt. Dabei geht es häufig um die Frage, ob das Kraftfahrzeug als Fortbewegungs- und Transportmittel oder als Arbeitsmaschine genutzt wurde. So auch in dem hier vorliegenden  Fall der Nutzung eines Traktors im Zusammenhang mit einer Baumfällung. 

Der Antragsteller (AS) wurde vom Antragsgegner zu 1. (AG 1) gebeten, mehrere trockene Bäume auf dem Grundstück AS zu fällen. Im Rahmen dessen legte der AG 1 eine Kette um einen Baum und befestigte diese an einer an seinem Traktor befindlichen Stange, um den Baum zu sichern und ich anschließend, nach der Fällung, abzutransportieren. Der Traktor, der bei der Antragsgegnerin zu 2. (AG 2) haftpflichtversichert war, war bei diesem Vorgang auf der an das Grundstück angrenzenden öffentlichen Straße abgestellt. Der AS, der vom AG 1 angewiesen wurde, den Baum möglichst weit unten abzusägen, sägte den Baum ab, der dann auf der (abgesperrten) Straße neben dem Führerhaus des Traktors landete und sich aufgrund seiner Länge an einem Zaun und einem Busch verkeilte. Der Versuch, diesen mit dem Traktor frei zu bekommen scheiterte, weshalb der AG 1 den AS aufforderte, die Spitze der Tanne abzusägen. Bei dieser Arbeit brach der trockene Stamm, dessen Spannung durch den vorangegangenen Versuch der Lösung mittels Traktors erhöht war, wodurch der AS nach hinten geschleudert wurde und sich erhebliche Verletzungen zuzog. Er beabsichtigte eine Schadensersatzklage gegen die AG 1 und AG 2 und beantragte dazu die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), die das Landgericht (LG) versagte. Die dagegen eingelegt Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Der AS stützte seinen Anspruch auf § 7 Abs. 1 StVG (im Hinblick auf die AG 2 iVm. § 115 Abs. 1 VVG). Das OLG folgte der Annahme des LG, dass für die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestünde, was u.a. Voraussetzung für die Bewilligung der PKH wäre.

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung auf das Tatbestandmerkmal des § 7 Abs. 1 StVG ab, wonach sich der den Anspruch begründende Schadensfall „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ ereignet haben müsste. „Bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges sei ein Schaden dann entstanden, wenn sich in dem Schaden die von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr verwirkliche. Dies verlange, dass das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug geprägt oder jedenfalls mitgeprägt sein müsse. Ferner müsse es sich bei dem Schaden um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll; dies setze voraus, dass die Schadensfolge in den Bereich der Gefahren fallen müsse, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sei.

Dies zugrunde legend käme es darauf an, dass der Unfall im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs stünde (BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 158/19 -).  Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion wäre damit erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Fahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Tramsport dienende Maschine bestünde, was sich aus § 1 Abs. 2 StVG ergäbe. Wenn aber die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle spiele und das Fahrzeug nur als Arbeitsmaschine eingesetzt worden sei oder sich eine Gefahr aus einem nicht der Betriebsgefahr zuzuordnenden Gefahrenkreis verwirkliche entfalle die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG (BGH, Urteil vom 24.03.2015 - V ZR 265/14 -). Verwirkliche sich die Gefahr  während der Fahrt bei Verrichtung bestimmungsgemäßer Arbeiten einer fahrbaren Arbeitsmaschine sei allerdings der Betrieb iSv. § 7 StVG zu bejahen.

Danach habe sich hier nicht das Risiko des § 7 StVG verwirklicht. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass die Straße, auf der sich der Traktor befunden habe, für die Arbeiten für den gesperrt gewesen sei. Ein ursprünglich geplanter Abtransport des Baumes mittels des Traktors sei aufgrund der Stammlänge des Baumes nicht möglich gewesen. Deshalb sei der konkrete zum Unfall führende Einsatz des Traktors auf die Arbeitstätigkeit vor Ort beschränkt gewesen. Hinzu käme, dass der Schaden nicht unmittelbar durch den Einsatz des Traktors selbst, sondern erst nach dem erfolglosen Versuch des Wegziehens bzw. -drückens des Stammes bei den nachfolgenden Sägearbeiten des AS eingetreten sei. Bei dem Versuch des Wegziehens bzw. -drückens mittels des Traktors habe die Funktion des Traktors als Arbeitsmaschine im Vordergrund gestanden; de Schadensablauf sei nicht durch den Betrieb des Traktors iSv. § 7 StVG geprägt worden.

Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. Vertrag würden nicht bestehen, da es dafür an den Voraussetzungen ermangele (Anm.: so einem fehlenden Verschulden), was auch im Rahmen der Beschwerde nicht weiter geltend gemacht worden sei.

OLG Hamm, Beschluss vom 18.05.2021 - I-9 W 14/21 -

Sonntag, 20. Juni 2021

Lagervertrag oder Mietvertrag: Abgrenzung der Vertragstypen im Hinblick auf die Obliegenheitspflicht

Die Parteien stritten wegen der Beschädigung von Wohnmöbeln und -accessoires. Die im Eigentum der Streithelferin der Klägerin (ein Möbel-Transport-Unternehmen) befindlichen Gegenstände sollten von der Klägerin eigelagert werden. Die Klägerin nahm die Gegenstände entgegen, konnte sie aber bei sich selbst nicht einlagern und vereinbarte mit der Beklagten (einem Umzugsunternehmen), dass diese in einer von dieser angemieteten Halle abgestellt werden können. Bei Abholung durch die Klägerin in der Halle waren diese durchfeuchtet und zum Teil ausgequollen. Die Streithelferin rügte die Schäden, die ein Sachverständiger im Auftrag der Klägerin mit € 8.300,00 bezifferte. Die Streithelferin verlangte von der Klägerin Schadensersatz in Höhe von € 12.800,00 den auch die Klägerin mit ihrer Klage gegen die Beklagte geltend machte.

Während die Klägerin von einem Lagervertrag gem. § 467 HGB ausging, bei dem die Beklagte ihrer Obhutspflicht nicht nachgekommen sei, ging die Beklagte von einem Mietvertrag aus und führte aus, dass die Halle ordnungsgemäß und das Dach intakt gewesen sei, nur die Verpackung er Klägerin (Wellpappe) anstelle von Paletten nicht fach- und sachgerecht gewesen sei.

Das Landgericht ging von einem Mietvertrag aus und wies die Klage ab.

Das Oberlandesgericht sah in dem Vertrag auch einen Mietvertrag. Miet- und Lagervertrag würden sich dadurch unterscheiden, dass bei Lagervertrag der Lagerhalter oder ein von ihm beauftragter Dritter die Lagerung und Aufbewahrung selbst besorge, während beim Mietvertrag (über die Lagerfläche) der Mieter selbst lagern und aufbewahren würde. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal wäre damit, ob im Rahmen der Vereinbarung eine Obhuts- und Verwahrungspflicht als Hauptpflicht übernommen würde.  Nach diesem Kriterium sei nach §§ 133, 157 BGB der Vertrag als Mietvertrag über eine Lagerfläche anzusehen.

Das Lagerübernahmeprotokoll sei kein Kriterium für die Annahme eines Lagervertrages. Es spräche sogar dagegen, da in ihm keine Liste der eingelagerten Gegenstände aufgenommen worden sei. An dieser Aufnahme würde aber der Lagerhalter ein wesentliches Interesse haben, da sich daran Art und Umfang seiner Obhutspflicht orientiere. Hier enthalte die Liste lediglich eine oberflächliche Beschreibung der Art der von der Klägerin mitgebrachten Gegenstände, nicht aber eine Lager-/Inventarliste.

Auch der fehlende eigene Zugang der Klägerin zur Lagerhalle begründe nicht die Annahme eines Lagervertrages. Zwar sei kennzeichnend für den Mietvertrag, dass der Mieter die Mietsache ausschließlich, unter Ausschluss des Vermieters benutzen könne; allerdings spiele dies in einem Fall wie dem Vorliegenden keine Rolle, da sich die überlassene Fläche innerhalb eines anderen Gebäudes befände als Teilfläche der Halle. Die alleinige Nutzung der Teilfläche würde nicht dadurch vereitelt, dass der Zugang nur mit Mitwirkung des Vertragspartners möglich sei. Die Zugangsregelung sei erkennbar dem Umstand geschuldet, dass abgesichert wird, dass die Klägerin den Zugang nur zur Nutzung der überlassenen Fläche nutzt. Dies sei vergleichbar mit einem Bankschließfach (bei dem auch Mietrecht angenommen würde, bei dem der Mieter häufig nur mit Hilfe des Vermieters die Möglichkeit habe, Zugriff auf das eigene Schließfach zu nehmen.

Entscheidend seien hier auch die Umstände unter denen die Vereinbarung zustande kam. Auch wenn die Klägerin selbst mit der Streithelferin einen als Mietvertrag bezeichneten Vertrag geschlossen habe, ergäbe sich doch aus den Umständen des Vertragsabschlusses, dass die Klägerin die Obhutspflicht für die Gegenstände als Hauptpflicht übernommen habe. So habe die Streithelferin die Gegenstände an die Klägerin zum einlagern übergeben, ohne dass bereits eine bestimmte Lagerfläche, die hätte vermietet werden können, in Aussicht genommen worden sei. Es sei sogar in der Vereinbarung ein Lager der Klägerin vorgesehen gewesen. Zu der Vereinbarung mit der beklagten sei es lediglich wegen fehlender eigener Lagerkapazitäten der Klägerin gekommen. Die Klägerin habe dann der Beklagten auch nicht die Gegenstände in vergleichbarer Weise wie die Streithelferin ihr anvertraut, sondern nach telefonischer Rücksprache mit der Beklagten zu der betreffenden Halle verbracht und auf die ihr bezeichnete Fläche abgestellt. Damit bestünde kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die von ihr übernommene Obhutspflicht (im Rahmen eines Lagervertrages) an die Beklagte weitergegeben habe. Dazu passe auch die Preisgestaltung (sie selbst verlangte von der Streithelferin ein Entgelt von € 6,00/m², die Beklagte nur von € 4,50/m²), was nicht erklärlich sei, wenn die Beklagte auch die Obhutspflicht übernommen hätte.

Da ein Mangel der Mietsache nicht vorgelegen habe (die Rauluftfeuchte würde sich hier nicht als Mangel darstellen) und auch keine Nebenpflicht nicht verletzt worden sei, sei der Anspruch nicht begründet.

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 08.03.3032 - 5 U 2247/20 -