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Sonntag, 12. Januar 2025

Zustellungsverzögerung durch Gericht im WEG-Verfahren und Beschlussanfechtungsfrist

Der Kläger erhob mit Klageschrift vom 19.10.2016 eine Beschlussanfechtungsklage gegen verschiedene Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) vom 17.10.2016. Den angeforderten Kostenvorschuss zahlte er am 16.11.2016. Am 17.11.2016 erweiterte der Kläger die Klage und das Amtsgericht setzte den Streitwert vorläufig fest. Dieser Beschluss wurde dem Kläger zusammen mit einer Kostenrechnung vom 24.11.2016 und dem Hinweis zugestellt, Rechtshängigkeit sei noch nicht eingetreten. Den weiteren Kostenvorschuss zahlte der Kläger nicht und erkundigte sich mit Schriftsatz vom 15.12.2020, wann das Amtsgericht entscheide. Die Klageschrift wurde nunmehr am 25.01.2021 zugestellt. Die Klage wurde abgewiesen; die Berufung war erfolglos. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass die Klagefrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. nicht gewahrt sei, da die Zustellung im Januar 2021 nicht mehr „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgt sei. Der Kläger habe nicht vier Jahre nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses für die zuerst erhobene Klage bis zur Sachstandsnachfrage zuwarten dürfen.

Die zulässige Revision blieb erfolglos. Die Klagefrist des hier noch nach § 48 Abs. 5 WEG anwendbaren § 46 Abs. 1 S. 2 WEG (jetzt § 45 Abs. 1 WEG) in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung sei versäumt.  Die Zustellung sei nicht innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung am 17.10.2016 erfolgt, da sie auch nicht „demnächst“ iSv. § 167 ZPO zugestellt worden sei, so dass die Zustellung nicht auf den Tag des Eingangs der Klageschrift bei Gericht, an dem die Klagefrist noch nicht abgelaufen gewesen wäre, zurückwirke.

„Demnächst“ erfolge eine Zustellung, wenn sich die der Partei zurechenbare Verzögerung in einem hinnehmbaren Rahmen halte. Das werde bei 14 Tagen regelmäßig angenommen, wobei darauf abgestellt werden, um wie viele Tage sich der ohnehin für die Zustellung erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit der Partei verzögert habe. Nicht zuzurechnen seien allerdings Verzögerungen bei der Zustellung durch eine fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht, auch wenn diese fehlerhafte Sachbehandlung durch eine der Partei zuzurechnende Verzögerung erfolgt sei (BGH, Urteil vom 21.07.2023 - V ZR 215/21 -). Unterbleibe allerdings eine Vorschussanforderung durch das Gericht, bestünde eine Nachfrageobliegenheit der Partei innerhalb angemessener Frist (BGH, Urteil vom 25.09.2015 - V ZR 203/14 -). Wenn die Partei allerdings ihre geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht habe, also insbesondere auch den Gerichtskostenvorschuss zahlte, bestünde grundsätzlich keine Veranlassung mehr, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfrage auf eine Beschleunigung hinzuwirken (BGH, Beschluss vom 07.04.2022 - V ZR 165/21 -).

Im Hinblick auf die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses könnten dem Kläger keine Vorwürfe gemacht werden. Auch hätte das Amtsgericht die Zustellung der ursprünglichen Klage nicht von der Einzahlung des weiteren Gerichtskostenvorschusses für die Klageerweiterung abhängig machen dürfen, da Klage und Klageerweiterung sich hier bei der Anfechtung von Wohnungseigentümerbeschlüssen hätten trennen lassen.

Allerdings sei der Kläger trotz der rechtzeitig und ausreichenden Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses gehalten gewesen, sich bei dem Amtsgericht nach dem Sachstand er Zustellung zu erkundigen; dieser seiner Obliegenheit sei er durch die erst am 15.12.2020 erfolgte Nachfrage nicht nachgekommen.

Den Kläger treffe in einem wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren die Obliegenheit, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen, auch wenn er alle geforderten Mitwirkungspflichten (so die Zahlung des Gerichtsostenvorschusses) erbracht habe. Erfülle er diese Obliegenheit nicht, beginne im Rahme der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO („demnächst“) zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.

Zwischen den Miteigentümern einer WEG bestünde ein gesetzliches Schuldverhältnis durch welches Verhaltenspflichten begründet würden (§ 14 WEG a.F., jetzt § 14 WEG), aus dem sich auch darüberhinausgehende Treue- und Rücksichtnahmepflichten iSv. § 241Abs. 2 BGB ergäben. Bei Beschlussanfechtungsklagen ergäben ich Treue- und Rücksichtnahmepflichten aus dem Sinn und Zweck der Ausschlussfristen (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG a.F., § 45 S. 1 WEG). Die Beschlussfassung nach § 23 Abs. 1 S. 1 WEG sei ein zentrales Element der Willensbildung der WEG zur Regelung ihrer Angelegenheiten und die Ausschlussfrist sei Ausdruck des gesetzgeberischen Anliegens, über die Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu gewährleisten. Wohnungseigentümer und Verwalter sollten In Kenntnis der Anfechtungsgründe alsbald Klarheit darüber haben, ob, in welchem Umfang und aufgrund welcher tatsächlichen Grundlagen gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden sollen (BGH, Urteil vom 28.12.2012 - V ZR 251/11 -). Dazu gehöre auch die Frage, ob die Beschlüsse in Bestandkraft erwachsen sind und ab welchem Zeitpunkt nicht mehr mit einer Klage zu rechnen sei. Diesbezügliche Klarheit bestünde aber erst mit Zustellung der Klage. Die Fiktion des § 167 ZPO zur Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung könnte dem zwar entgegenstehen, doch vertrat der BGH die Auffassung, dass das gesetzgeberische Ziel der alsbaldigen Klarheit verfehlt würde, wenn selbst nach längerer Zeit ein Klageverfahren über den Bestand gefasster Beschlüsse noch durchgeführt werden könne. Die Sicherstellung sei geboten, da die Bestandskraft eines Beschlusses für die Durchführung von Maßnahmen (so bauliche Veränderungen) oder Folgebeschlüsse relevant sein könnte.

Von daher ergäbe sich für jeden Wohnungseigentümer die Notwendigkeit, eine offensichtliche Untätigkeit des Gerichts nicht nur hinzunehmen, sondern ihr zumindest durch eine Sachstandsanfrage entgegenzuwirken.

Diesem Bedürfnis nach alsbaldiger Rechtssicherheit und -klarheit trage die materiell-rechtliche Ausschlussfrist zudem dadurch Rechnung, dass sie nicht disponibel und weder vom Gericht noch die Parteien verlängert werden könne (BGH, Urteil vom 23.06.2023 – V ZR 28/22 -).

Der BGH verkennt nicht, dass für den Rechtssuchenden in Ausnahmefällen wie hier für die Mitwirkungsobliegenheit klar erkennbar sein müsse, was er zu tun habe, um einen Rechtsverlust zu vermeiden (BVerfG, Beschluss vom 07.05.1991 – 2 BvR 215/90 -).  Eine den Anforderungen an Fristenklarheit entsprechende Frist ergäbe sich aus § 46 Abs. 1 S. 3 WEG a.F. (§ 45 S. 2 WEG) iVm. § 234 Abs. 3 ZPO. Danach könne nach Ablauf von einem Jahre, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht mehr beantragt werden. Diese Frist sei auch hier zu beachten und der klagende Wohnungseigentümer habe deshalb innerhalb dieser Frist den Sachstand zu erfragen.

Nicht tangiert wären von der Frist Gründe, die die Nichtigkeit von angefochtenen Beschlüssen begründen würden.  Nichtigkeitsgründe hätten aber nicht vorgelegen.

BGH, Urteil vom 25.10.2024 - V ZR 17/24 -

Montag, 6. Dezember 2021

Schriftformerfordernis (§ 550 BGB) bei wesentlicher Änderung des Mietvertrages ?

Der Rechtsstreit der Mietvertragsparteien erledigte sich im Rahmen des Revisionsverfahrens in der Hauptsache und der BGH hatte nur noch über die Kosten zu entscheiden. Die Kostenentscheidung hat auch im Revisionsverfahren, worauf der BGH hinwies, gem. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu erfolgen. Danach seien die Kosten des Verfahrens hier der Klägerin aufzuerlegen, da sie mit ihrem Räumungs- und Herausgabeanspruch der Mietsache, der auf einen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB gestützt wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durchgedrungen wäre.

Grundlage des Rechtstreits war § 550 BGB, demzufolge ein für einen längeren Zeitraum als einem Jahr abgeschlossener Mietvertrag der Schriftform bedarf. Der Zweck der Norm bestehe darin, einen Erwerber des Grundstücks vor der Gefahr zu schützen, an einen Mietvertrag, dessen Inhalt er nicht zuverlässig kennt, länger als ein Jahr gebunden zu sein (BGH, Urteil vom 12.03.2003 - XII ZR 18/00 -). Ferner würde die Norm auch dazu dienen, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese auch vor einer unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen (BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -). Der Gesetzgeber habe mit der Vorgabe, dass die Schriftform für Verträge über eine Laufzeit von mehr als einem Jahr geltend würde, gleichzeitig postuliert, bis zu welchem Zeitpunkt nicht von einer langfristigen  Bindung auszugehen sei.

Nach dem benannten Zweck der Norm würde das Schriftformerfordernis auch für vertragswesentliche Vereinbarungen (wie z.B. Miethöhe) gelten, wenn diese länger als ein Jahr gelten sollen. Daraus ergäbe sich, dass die Jahresfrist er mit Abschluss einer nicht formgerechten Änderungsvereinbarung zu laufen beginne, die die Schriftform des ursprünglich formwirksamen Vertrages entfallen ließe (BGH, Urteil vom 25.01.2017 - XII 69/16 -), weshalb sich die Vertragsparteien (einschließlich eines evtl. eintretenden Erwerbers) selbst bei einem Schriftformverstoß bei der Änderungsvereinbarung erst nach Ablauf eines Jahres aus der vertraglichen Bindung lösen könnten.

Vorliegend ging es um zwei Vereinbarungen der Vertragsparteien zur Minderung der Miete infolge eines Minderungsgrundes und der Dauer der möglichen Minderungen. Vorliegend käme es nicht darauf an, ob die Vereinbarung zur Minderung der Schriftform unterliege, wenn die Dauer an das Bestehen des Minderungsgrundes geknüpft sei. Die Minderungen hätten jeweils eine Dauer von unter einem Jahr gehabt. Auch wenn beide Minderungen mit 15 Monaten die Jahresfrist überschritten hätten, käme es darauf nicht an, da die Laufzeit jeweils in Bezug auf die einzelne Abrede betrachtet werden müsse. Der von der Klägerin aus den beiden Vereinbarungen abgeleitete Schriftformverstoß des bis zum 31.08.2020 befristeten und mit zwei je fünfjährigen Verlängerungsoptionen für den Mieter versehene Mietvertrag habe mithin nicht an einem Schriftformverstoß gem. § 550 BGB gelitten, weshalb die darauf beruhende Kündigung und damit das gerichtliche Räumungs- und Herausgabeverlangen unberechtigt seien.

BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - XII ZR 60/20 -