Freitag, 31. Oktober 2014

Geldwäschegesetz: Das Zurückhalten von Auszahlungen gem. § 11 Abs. 1a GwG

§ 11 Abs. 1a GwG sieht vor, dass eine Bank eine Auszahlung oder Überweisung bei Verdacht auf Geldwäsche „frühestens“ durchgeführt werden darf, wenn entweder die Staatsanwaltschaft zustimmt oder „der zweite Tag nach dem Abgangstag der Meldung“ verstrichen ist, ohne dass die Durchführung von der Staatsanwaltschaft untersagt wurde. Besagt dies, dass  - meldet sich die Staatsanwaltschaft nicht -  die Bank die Auszahlung/Überweisung nach Gutdünken zurückhalten kann ? Haftet die Bank dem Kunden für einen Schaden, der daraus resultiert, dass die Zahlungen nicht weisungsgemäß durchgeführt wurden, wenn sich der Geldwäscheverdacht nicht bestätigt und die Bank den Zeitraum von zwei Tagen überschreitet ?

Im konkreten Fall hatte die Deutsche Bank Geldwäscheverdacht angenommen und von daher eine Verdachtsanzeige am 23.01.2014 gem. § 11 GwG erstattet. Ihr war bekannt gewesen, dass die Staatsanwaltschaft bereits gegen den Kunden ebenfalls wegen Geldwäsche ermittelte. Eine Mitteilung an den Kunden unterließ die Deutsche Bank (zutreffend, § 12 GwG). Am 11.02.2014 erteilte der Kunde einen Überweisungsauftrag für eine SWIFT-Überweisung von seinem US-Dollar-Konto nach Amsterdam (für einen Schiffstransport); diesen als auch nachfolgende Überweisungs- bzw. Auszahlungsaufträge des Kunden führte die Deutsche Bank (mit verschiedenen „Ausreden“) nicht durch. Schließlich erhob der Kunde unter dem 20.02.2014 Klage gegen die Deutsche Bank auf Auszahlung von insgesamt ca. € 32.000,00, wobei zwischenzeitlich teilweise bereits Zahlungen (wie z.B. der SWIFT-Auftrag) durchgeführt waren. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wurde lediglich materiell noch um Kosten gestritten, einschließlich der Verfahrenskosten. Das Landgericht Frankfurt (2-05 O 87/14 -) hat die Klage kostenpflichtig abgewiesen, da es sich auf den Standpunkt stellte, die Deutsche Bank wäre zum Zurückhalten des Geldes berechtigt gewesen. Dabei hat es sich im wesentlichen auf „Auslegungshinweise“ zu § 11 GwG des Bundesministeriums für Finanzen vom 31.01.2014 bezogen (also nicht auf Gesetzesmaterialien, sondern auf eine reine nachträgliche ministerielle Auslegung der Gesetzesbestimmung), die es immerhin auf drei Seiten der zehnseitigen Entscheidung im Wortlaut zitierte.

Die Entscheidung des Landgerichts verkennt die Bedeutung und Tragweite der Regelung in § 11 Abs. 1a GwG und setzt sich damit auch nicht auseinander. Es geht nicht auf die in der Norm enthaltene Frist von zwei Tagen ein. Darauf hätte es aber eines Eingehens auch vor dem Hintergrund bedurft, dass nach dem eigenen Vortrag der Deutschen Bank die Verdachtsanzeige am 23.01.2014 erfolgte, die nicht durchgeführten Aufträge ab dem 11.02.2014 datierten, also eine Zeit von 2,5 Wochen nach der Verdachtsanzeige.

Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1a GwG kann man auch  davon ausgehen, dass eine Verdachtsanzeige in jedem Einzelfall eines entsprechenden Zahlungseingangs auf dem Konto oder einer Zahlungsanweisung von dem Konto erfolgt. Dafür könnte die Formulierung sprechen, „Eine angetragene Transaktion darf frühestens durchgeführt werden… wenn der zweite Werktag nach dem Abgangstag der Meldung verstrichen ist“. In diesem Fall würde die Sperre der beabsichtigten Transaktion vom Konto zumindest jeweils zwei Tage ab der Verdachtsanzeige betragen. Hier aber hatte die Deutsch
e Bank nach eigenen Angaben lediglich einmal, nämlich am 23.01.2014 die Meldung getätigt. Der 23.01.2014 war ein Donnerstag, weshalb der zweite Werktag der 27.01.2014 war ( § 193 BGB).  Durfte von daher die Deutsche Bank eine Transaktion noch am 11.02.2014 und danach unter (nachträglicher) Berufung auf § 11 GwG unterlassen, nachdem die Staatsanwaltschaft innerhalb dieser Zeit nicht tätig wurde ?

Das Landgericht Frankfurt hat sich in seiner Entscheidung damit nicht auseinandergesetzt sondern lediglich festgestellt, dass Verdachtsmomente im Sinne des Geldwäschegsetzes angenommen werden durften. Alleine das Vorliegen dieser Verdachtsmomente rechtfertigt aber sicherlich nicht ein dauerndes Einfrieren von Kontenguthaben. Es bedarf hier einer weiteren Überlegung, welcher Zeitraum als zulässig angesehen werden kann. Ansonsten könnten sich Banken, wollen Sie z.B. größere Geldbeträge noch einige Zeit bei sich „parken“, schlicht auf das Geldwäschegesetz berufen und (leichthandbare) Kriterien finden, die diesen Verdacht begründen. Gibt dann nicht die Staatsanwaltschaft unverzüglich frei, könnten sie letztlich auf Dauer die Auszahlung verweigern, bis schließlich der Kunde (eventuell qua gerichtlicher Entscheidung) den Negativbeweis führt.

Sinn und Zweck des Gesetzes ist die Verhinderung der Nutzung von Konten zur Terrorismusfinanzierung und Lagerung oder Weitergabe von Geldern aus schweren Straftaten. Nicht beabsichtigt ist die allgemeine Erschwernis der Nutzung von Konten und des wirtschaftlichen Verkehrs im Überweisungswesen. Damit sind die Grundsätze der Strafverfolgung und Maßnahmen zur prophylaktischen Abwehr von Straftaten mit dem Recht des Bürgers auf freie wirtschaftliche Betätigung abzuwägen.  

Das Gesetz nennt eine Mindestsperrzeit von zwei Werktagen nach Absenden der Verdachtsmeldung. Es enthält keine Angaben darüber, nach welchen Kriterien hier eventuell eine weitergehende Sperre geboten sein kann / muss. Damit aber verstößt die Norm gegen das Bestimmtheitsgebot. Es wäre erforderlich, dass das Gesetz selbst Kriterien benennt, die eine eventuelle Verlängerung der Frist rechtfertigen; dies kann nicht im (nicht prüfbaren) Ermessen der Bank liegen, da eine solche Handhabung auch zur Willkür führen kann (die der Bankkunde im Zweifel nicht nachweisen kann). Ermangelt es aber an der Bestimmtheit der Norm, ist diese verfassungswidrig (BVerfGE 126, 170, 208f).
Aber auch unabhängig von der verfassungsrechtlichen Regelung hätte hier das Landgericht die Überschreitung der Frist schon im Hinblick auf die konkreten Umstände zu Lasten der Deutschen Bank berücksichtigen müssen. Zwar wurde von der Deutschen Bank eingewandt, dass teilweise Beträge von über € 600.000,00 eingingen, dass über ein Konto ein Dritter (auch) verfügen konnte pp.; allerdings ergibt sich nirgends, dass der Inhaber eines Kontos die Bank (nachweislich) über den Sinn von Konten und über Geldtransfers und deren Ursprung und Zweck aufklären muss. Vor diesem Hintergrund hätte mithin die Deutsche Bank auch zu berücksichtigen gehabt, dass zwar schon wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen ihren Kunden ermittelt wurde, aber die Ermittlungsbehörden keine Maßnahmen in Bezug auf Konten des Kunden ergriffen hatten (obwohl sie jederzeitige Einsicht aus der gesetzlichen Regelungen hatten). Ferner hatte sich auch die Staatsanwaltschaft nicht (innerhalb von zwei Werktagen, gar über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen) geäußert respektive Maßnahmen ergriffen.

Unter solchen Umständen ist die Nichtdurchführung von Überweisungen / Auszahlungen als reine Willkür anzusehen und nicht mehr über § 11 Abs. 1a GwG gedeckt. Nach der eigenen positiven Kenntnis der Bank, dass bereits wegen Geldwäsche gegen den Kunden ermittelt wird, ohne dass allerdings Maßnahmen im Hinblick auf dessen Konten ergriffen werden, der weiteren Kenntnis, dass auch nach der erfolgten Verdachtsanzeige keine Maßnahmen erfolgten, bestand keine nachvollziehbare Überlegung, hier noch weiter zuzuwarten. Die Abwägung zwischen Verhinderung möglicher strafrechtlich relevanter Geldwäsche und freier wirtschaftlicher Betätigung des Kunden musste daher jedenfalls zu Gunsten des Kunden ausfallen.

Der Rechtsfall verdeutlicht, dass der Gesetzgeber unbeholfen, letztlich sogar für einen freien Wirtschaftsverkehr schädlich agiert. Hier wurde die Klage (wenn auch aus fehlerhaften, da die Rechtsfragen nicht berücksichtigenden Gründen) abgewiesen mit der Folge, dass der Kunde die Kosten des Verfahrens zu tragen hatte. Zwar wurden die Auszahlungen vorgenommen; alleine wegen des Verhaltens der Deutschen Bank war er allerdings veranlasst, Klage zu erheben.


Die Frist für eine mögliche Berufung ist noch nicht abgelaufen. Es bleibt abzuwarten, ob Berufung eingelegt wird, bei der es materiell nur noch um die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Kunden (die die Berufung ermöglichen würden) und die Kosten des Rechtsstreits gehen würde. Es bleibt zu hoffen, das er Berufung einlegt und auch das OLG Frankfurt eine Revision zulässt, damit diese Fragen, die für den Kunden einer Bank von auch existenzieller Bedeutung sein können, geklärt werden. 

Anwaltsrecht: Nicht das Gericht, der Anwalt hat der Allwissende zu sein

"Jura novit curia" - das Gericht kennt das Gesetz. Dieser römisch-rechtliche Grundsatz, mit dem Generationen von Juristen groß geworden sind, hat seine Gültigkeit endgültig verloren. Früher hieß es, der Anwalt müsste nur sorgfältig die Fakten darlegen, die Rechtsanwendung obläge dem Gericht und er müsse sich darum nicht kümmern. Heute hat der Anwalt, will er eine Haftung vermeiden, darauf zu achten, dass das Gericht das Gesetz tatsächlich kennt.  

Schon der BGH hat festgestellt, dass der Anwalt seinem Mandanten haftet, wenn er auf fehlerhafte rechtliche Hinweise des Gerichts nicht oder nicht ausreichend reagiert und der Prozess für den Mandanten infolge der fehlerhaften rechtlichen Würdigung des Gerichts für den Mandanten negativ verläuft. Das OLG Hamburg hat in seiner Weisheit dem nun noch eines draufgesetzt: Es verlangt hellseherische Kräfte des Anwalts, der  - auch ohne rechtlichen Hinweis des Gerichts -  erkennen muss, dass dieses rechtsfehlerhaft entscheiden wird. Wenn diese Gefahr besteht, hat er umfassend rechtlich auszuführen, letztlich also das Gericht zu belehren. 

Im Ausgangsrechtsstreit ging es, soweit aus der Entscheidung des OLG Hamburg ersichtlich, um die Formunwirksamkeit eines Pachtvertrages. Nach den Entscheidungsgründen hätte der damalige Prozessbevollmächtigte einen Senat des OLG Naumburg darauf hinweisen müssen, "dass der Bereicherungsgläubiger von sich aus die Leistung Zug um Zug gegen die von ihm erlangte Bereicherung anbieten muss und die Saldotheorie anzuwenden sei". Es gehöre zu den Pflichten des Anwalts "vorhersehbaren Fehlern des Gerichts entgegenzuwirken". Da im Berufungsrechtszug die Frage der Formwirksamkeit erstmals thematisiert wurde, in der mündlichen Verhandlung die bereicherungsrechtliche Saldotheorie gar nicht angesprochen worden sei, hätte der Anwalt auf ihre Beachtung hinwirken müssen. 

Es ist (leider) eine Tatsache, dass in einer mündlichen Verhandlung nicht alle Facetten eines Rechtsstreits erörtert werden, sondern nur Grundzüge. So scheint es auch in dem Ausgangsverfahren vor dem OLG Naumburg gewesen zu sein, in dem der Senat des dortigen OLG wohl erstmals die Frage der Formunwirksamkeit erörterte (ohne die Parteien vorab auf diese Rechtsansicht hinzuweisen). Gerade im Berufungsrechtszug erscheint es mir geboten, dass das Gericht die Parteien bzw. Parteivertreter auf einen rechtlichen Umstand hinweist, der neu ist, von ihnen (wie auch von der Vorinstanz) noch nicht berücksichtigt wurde. Aber eine derartige Terminvorbereitung ist die ganz seltene Ausnahme. Immer wieder kommt es vor, dass in Berufungsverhandlungen rechtliche Gesichtspunkte vom Berufungsgericht einfließen, die bisher keiner bedacht hat und mit denen sich daher niemand auseinandergesetzt hat. Es ist nun für einen Prozessbevollmächtigten nicht möglich, während der Verhandlung eventuell zu diesem neuen Problemkreis Literatur nachzulesen o.ä. Unabhängig davon, dass an sich von einem Gericht, gar des höheren Rechtszuges erwartet werden darf, dass es sich mit den Rechtsfragen, die sich aus einer bestimmten (von ihm aufgeworfenen) Rechtsfolge ergeben, selbst ausgiebig auseinandersetzt und bewertet, insbesondere unter Berücksichtigung der dazu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung, könnte hier dem beklagten ehemaligen Prozessbevollmächtigten allenfalls vorgehalten werden, dass er keinen Schriftsatznachlass auf den rechtlichen Hinweis beantragt hat. Hätte er dies getan, hätte er jedenfalls bei Nichtgewährung und (nach Ansicht des OLG Hamburg) rechtlich grob fehlerhafter Bewertung die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erheben.

OLG Hamburg, Urteil vom 11.07.2014 - 8 U 74/13 - 


Mittwoch, 29. Oktober 2014

Mietrecht: Bei Mischmietverhältnissen gilt im Zweifel Wohnraummietrecht

Geregelt sind im Gesetz Kündigungen für jeweils verschiedene Mietformen (so Wohnraum und Gewerberaum). Ein Mischmietverhältnis ist im Gesetz nicht geregelt. Damit ist jeweils zu entscheiden, ob auf den Vertrag Wohnraum- oder Gewerberaummietrecht anzuwenden ist. Das ist gerade für die Frage einer Kündigung bedeutsam, da die Kündigung von Gewerberaum mangels anderweitiger vertraglicher Regelung keines Grundes bedarf.  Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13 – musste sich das OLG Frankfurt erstmals mit dieser gewandelten Rechtsprechung auseinandersetzen, die hier den beklagten Mietern zum Erfolg verhalf.

Die Beklagten zu 1. und  2. mieteten in einem Mehrfamilienhaus zwei Etagen an, die dergestalt getrennt waren, dass die zweite Etage im 3. Obergeschoss des Hauses nur über die Räume der 1. Im 2. Obergeschoss des Hauses belegene Etage mittels einer dortigen Treppe zu erreichen waren.  Die Räume in der unteren Etage wurden als gewerblich nutzbare Räume, die im darüberliegenden Stockwerk befindlichen Räume als Wohnräume vermietet. Es existieren (unter dem gleichen Datum) für jede Etage gesonderte Mietverträge und ein sogenannter Klammermietvertrag betreffend beider Etagen. Die Einzelmietverträge wurden zudem dergestalt verknüpft, dass die Kündigung einer der Mietverträge nur zusammen mit dem anderen Mietvertrag möglich sein sollte. Alle Mietverträge waren auf Formularen aufgesetzt, die in der Überschrift „Wohnraum“ enthielten.

Nach Begründung des Mietverhältnisses wurde das Haus nach WEG geteilt. Der Eigentümer der zwei streitigen Stockwerke kündigte das bzw. die Mietverhältnisse und machte im Räumungsrechtsstreit geltend, es gelte Gewerberaummietrecht.  Er stellte sich auf den Standpunkt, der Schwerpunkt der Mietverhältnisse läge, schon im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit des Beklagten zu 2. (dessen Gesellschaften auch dort ansässig waren) im gewerblichen Bereich. Dem folgte das Landgericht und gab der Klage (mit Ausnahme einer Gesellschaft, die bereits bei Zustellung der Klage ausgezogen war) statt. Auf die von den Beklagten eingelegte Berufung änderte das OLG Frankfurt das Urteil ab und wies die Klage insgesamt ab. Dabei wies das OLG auf die zwischenzeitliche Entscheidung des BGH vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13 – hin, derzufolge nicht mehr an dem bisherigen Kriterium des Lebensunterhaltes nei der Zuordnung eines Mischmietverhältnisses festgehalten würde.

Das dritte Obergeschoss wurde unstreitig als Wohnraum vermietet. Damit sei hier Wohnraummietrecht insgesamt anzuwenden, da der Vertragszweck entscheidend sei. Mangels einer expliziten Regelung im Vertrag selbst, sei der Vertragszweck entsprechend der Rechtsprechung des BGH durch Auslegung zu ermitteln. Indizien wie Größe, Aufbau der vertraglichen Regelungen, aber auch Miethöhe wären zu berücksichtigen. Der Tatrichter habe gemäß der Entscheidung des BGH auf der Grundlage der Einzelumstände den Nutzungsschwerpunkt zu ermitteln.

Nach Auffassung des OLG ließe sich aus den Einzelverträgen und dem Klammermietvertrag selbst weder ein Vorrang für die Wohn- noch für die Gewerbenutzung feststellen. Der Überschrift der Vertragsformulare käme in Ansehung von § 1 derselben, der eine gewerbliche Nutzungsmöglichkeit jeweils standardmäßig vorsehe, nicht zu. Dem Mietpreisunterschied könne hier auch keine tragende Rolle beigemessen werden, da sich dieser schon auf Grund der baulichen Begebenheiten verstehe, im Hinblick auf die schwere Zugänglichkeit des 3. Obergeschosses über das zweite Obergeschoss.  Damit aber wäre im Zweifel nach der älteren Rechtsprechung des BGH (wie vom Landgericht angenommen) von einer gewerblichen Nutzungsart auszugehen, wenn der Mieter in den Räumen auch seinen Lebensunterhalt verdient. Allerdings hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 09.07.2014 dieses Kriterium ausdrücklich aufgegeben. Mithin würde damit im Zweifel ein Wohnraummietverhältnis anzunehmen sein. Da ein Kündigungsgrund für ein Wohnraummietverhältnis nicht angegeben wurde, wäre die Kündigung unwirksam. 

OLG Frankfurt, Urteil vom 17.10.2014 - 2 U 47/14 -


Samstag, 25. Oktober 2014

Internetrecht: Kein Auskunftsanspruch vom Blogbetreiber über den Verfasser eines Beitrags

Verschiedene Blogs haben sich darauf spezialisiert, Ihren Nutzern die Möglichkeit von Bewertungen bestimmter Einrichtungen / Berufe zu ermöglichen. Vorliegend ging es um einen Blog mit Ärztebewertung. Der klagende Arzt machte gegen den Betreiber des Blogs einen Anspruch auf Auskunft über den Namen und die Anschrift des Verfassers eines Beitrags geltend, in dem ihm u.a. vorgeworfen wurde, Patientenakten in Waschkörben im Behandlungsraum zu lagern, eine Schilddrüsenüberfunktion nicht erkannt und kontraindiziert behandelt zu haben. Nachdem entsprechende Eintragungen zuvor vom Betreiber auf Veranlassung des Klägers gelöscht wurden, wurde die letzte Eintragung nicht gelöscht.

Das Landgericht hatte den Betreiber zur Unterlassung der Verbreitung der beanstandeten Behauptung als auch zur Auskunft über den Verfasser verurteilt.  Das  OLG Stuttgart hat die Berufung des Betreibers zurückgewiesen, aber die Revision in Bezug auf den Auskunftsanspruch zugelassen. Die Revision war erfolgreich.

Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10 – hat es ausgeführt, dass dem Betroffenen  - wie geschehen – durch persönlichkeitsverletzende Inhalte ein Unterlassungsanspruch gegen den Dienstleister (Betreiber) zustehen kann. Darüber hinaus habe die zuständigen Stellen (z.B. die Staatsanwaltschaft) einen Anspruch auf Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten im Einzelfall, §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 5 S. 2 TMG. Mangels einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage i.S.v. § 12 Abs. 2 TMG ist der Betreiber hingegen nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers personenbezogene Daten an den Betroffenen zu übermitteln, auch dann nicht, wenn dieser gegen den Verfasser wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung vorgehen will.

Anmerkung: Dem durch die Persönlichkeitsrechtsverletzung Betroffenen wird in diesen Fällen neben dem jeweiligen Verlangen auf Löschung, will er gegen den Verfasser direkt vorgehen (z.B. wegen auch wegen sittenwidrig vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB), nichts anderes übrig bleiben, als Strafanzeige zu erstatten.


BGH, Urteil vom 01.07.2014 – VI ZR 345/13 -

Dienstag, 14. Oktober 2014

Werkvertrag: Anscheinsbeweis für Ursache eines Leitungswasserschadens

Kann eine Verantwortlichkeit des Handwerkers angenommen werden, wenn es im Zusammenhang mit Trockenstrich- und Parkettverlegearbeiten zu einem Leitungswasserschaden kommt ? Der BGH meint ja und nimmt zu Lasten des Handwerkers auch einen gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis an, den dieser zu widerlegen hat.

Das Handwerksunternehmen baute eine Unterkonstruktion für einen Parkettfußboden und Trockenstricharbeiten ein. Zwei Tage später verlegte es das Parkett. Vier Tage danach wurde Feuchtigkeit an den Wänden des Wohnzimmers festgestellt. Ursächlich dafür war ein in den Trockenestrich geschlagener Stahlnagel, der ein direkt unter dem Trockenstrich verlaufendes wasserführendes Heizungsrohr beschädigte.

Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, , also dann, wenn ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung für eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. In seiner Entscheidung weist der BGH darauf hin, dass der Anscheinsbeweis dann nicht ausscheiden müsse, wenn nicht feststehe, dass sich das schädigende Ereignis während der werkvertraglichen Arbeiten ereignet habe und eine zeitliche Zäsur zwischen den Ausführungsarbeiten und dem Schadenseintritt läge. Der Zweck der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises liege in der Überwindung der Beweisschwierigkeiten im Ursachenzusammenhang, wenn sich nicht völlig ausschließen lasse, dass auch andere als die vom Gläubiger genannten, nach typischen Geschehensabläufen genannten Ursachen für die Schadensverursachung in Betracht kommen.

BGH, Urteil vom 10.04.2014 - VII ZR 254/13 -

Samstag, 27. September 2014

Internet-Shop: Anklicken der Widerrufsbelehrung nicht ausreichend

Dass bei einem Verkauf mittels eine Online-Shops eine Widerrufsbelehrung zu erfolgen hat ist allgemein bekannt. Dass aber der bloße „Zwang“ des Anklickens mit Häkchen eines als Bestätigung Widerrufsbelehrung zur Kenntnis genommen“ selbst mit dem Zusatz „ausgedruckt oder abgespeichert“ nicht ausreichend ist, hat nunmehr der BGH in seinem Urteil vom 15.05.2014 Dass auch bei einem Verkauf über einen Internet-Shop die Widerrufsbelehrung erforderlich ist, ist festgehalten.  

Der Betreiber eines Internet-Shops (Fernabsatzvertrag nach § 312b BGB a.F., § 312c BGB n.F.) muss nicht nur eine korrekte Widerrufsbelehrung erteilen, wobei dringend anzuraten ist, das offizielle Muster einer solchen schon zur Vermeidung einer sonst möglichen Unwirksamkeit zu verwenden. Die Widerrufsfrist läuft erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher (§ 13 BGB) eine den Anforderungen des § 360 BGB entsprechende Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform erhalten hat; dies galt bisher gem. § 360 Abs. 3 BGB und ist nach der Verbraucherrichtlinien 2014 (VRRL, abgedruckt in BGBl I 2013, 3642) nun in § 126b BGB normiert.

Während die Widerrufsfrist bei unterlassener oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung nach der alten, bis zum Inkrafttreten der VRRL zum 13.06.2014 unbeschränkt galt, kann der Verbraucher jetzt nur noch binnen einer Frist von 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen (§ 356a Abs. 3 BGB).

Um die gesetzliche Frist für den Widerruf von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 BGB) in Lauf zu setzen, ist neben der korrekten, den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Widerrufsbelehrung erforderlich, dass diese schriftlich erfolgt (§ 126b BGB). Die Bestätigung mittels des benannten Häkchens  im Kontrollkasten wertet der BGH im Hinblick auf ihre Rechtswirkung als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), was zusätzlich dadurch dokumentiert würde, dass der Verbraucher ohne das setzen den Bestellvorgang nicht abschließen kann. Dabei wird aber gerade diese Methode verwandt, um den vermeintlichen Nachweis einer Kenntnisnahme der Belehrung durch den Verbraucher zu erreichen. In diesem Zwang sieht der BGH eine Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Verbrauchers, die unzulässig sei. Dies unbeschadet dessen, dass ohne nachweislicher Belehrung die Widerrufsfrist nicht bzw. nach der neuen Rechtslage auf 1 Jahr und 14 Tage läuft.

Die Bestätigung durch Setzen des Häkchens habe, so der BGH, eine unzulässige Beweislastumkehr zu Folge und wäre deshalb unwirksam (§ 309 Nr. 12b BGB). Der Unternehmer trage die Beweislast für die Tatsachen, aus denen er die Nichteinhaltung der Frist herleiten will (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F., § 312k Abs. 2 BGB n.F.).  Dies ergibt sich letztlich allerdings auch bereits aus § 309 Nr. 12b BGB.

Zugegangen wäre die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher, wenn er diese ausdruckt oder bei sich abspeichert. Diese dem Verbraucher gegebene Möglichkeit ändert allerdings nichts an der Verpflichtung des Betreibers des Online-Shop (Unternehmer, § 14 BGB) dafür Sorge zu tragen, dass ihm die Widerrufsbelehrung auch ohne sein eigenes Zutun zugeht. Eine Bestätigung über „ausgedruckt“ oder „abgespeichert“ führe aber zu u.U. wahrheitswidrigen Angaben, was vom gesetzlichen Leitbild abweicht.


Ausreichend ist im sogen. E-Commerce die Überlassung der Widerrufsbelehrung auch per E-Mail (§ 312c Abs. 2 BGB).  Da der Betreiber des Online-Shop ohnehin verpflichtet ist, einen eingegangenen Auftrag zu bestätigen, anempfiehlt es sich, die Mail (nicht lediglich als Anhang) um die korrekte und vollständige Widerrufsbelehrung zu ergänzen. 

BGH, Urteil vom 15.05.2014 - III ZR 368/13 -

Sonntag, 14. September 2014

Kauf- und Prozessrecht: Die arglistige Täuschung des Verkäufers und die Beweislast des Käufers

Es ist nicht selten, dass der Käufer einer Immobilie vom Verkäufer getäuscht wird. Eine solche Täuschung liegt vor, wenn Kellerräume entgegen der Baugenehmigung als Wohnräume angepriesen werden.  Behauptet allerdings der Verkäufer, den Käufer über diesen Umstand oder einem von ihm hervorgerufenen Irrtum aufgeklärt zu haben, trägt der Käufer die Beweislast dafür, dass es zu einer solchen Aufklärung nicht kam.

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de
Vorliegend hatten die Käufer auf Rückabwicklung des Kaufvertrages geklagt. Da sie den Arglisteinwand erhoben haben, tragen sie auch die Beweislast für deren Vorliegen. Da zur Arglist auch das Verschweigen offenbarungspflichtiger Angaben und damit negativer Tatsachen gehört, hilft die Rechtsprechung hier der beweisbelasteten Partei durch das Rechtsinstitut der sekundären Darlegungslast. D.h. der Verkäufer muss vorliegend darlegen, dass und wie er die Käufer über die entsprechenden Umstände aufklärte. Allerdings müssen dann die Käufer diese vom Verkäufer substantiiert dargelegten Umstände ausräumen, also darlegen und nachweisen, dass dem so nicht war.

Die Vorinstanzen haben auf ein Exposé und eine E-Mail des Verkäufers abgestellt, aus denen sich die Einbeziehung des Kellers als Wohnraum ergab. Daraus wollten sie ableiten, dass von daher nunmehr der Verkäufer den Nachweis erbringen müsste, dass er seinen Angaben zufolge aufgeklärt habe. Dem folgt der BGH ausdrücklich unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 22.10.1976 – V ZR 247/75 -  und entgegen einem Urteil des OLG Köln in VersR 1996, 631, 632 nicht. Die Beweislast wird durch ein durch vorangegangenes Tun hervorgerufenen Irrtum im Falle der behaupteten nachträglichen Aufklärung nicht umgekehrt.


Allerdings hält das Gericht im Falle einer entsprechenden Konstellation eine Beweiserleichterung für die Käufer als beweisbelastete Partei für erforderlich. Es erkennt an, dass die Führung des Negativbeweises mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei. „Vor diesem Hintergrund ist bei der Beweiswürdigung der Umstand zu berücksichtigen, dass derjenige, der einen anderen durch arglistiges (positives) Tun zum Vertragsschluss bewegen möchte, hiervon in der Regel nicht zeitnah durch Offenbarung der wahren Verhältnisse wieder abrücken wird. Da das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner abweichenden Rechtsauffassung zu diesem Gesichtspunkt nicht vorgedrungen und die erneute Beweiswürdigung nicht Sache des Revisionsgerichts ist, kann das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.

Während die Vorinstanzen der Klage statt gaben, hob der BGH im Hinblick auf die rechtliche falsche Bewertung das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das OLG zurück. 


BGH, Urteil vom 27.06.2014 - V ZR 55/13 -

Sonntag, 7. September 2014

Einkommensteuer: Rückwirkungsverbot von Steuergesetzen bei Immobilienveräußerung

Zur sogenannten Spekulationssteuer bei Immobilienverkäufen
Der BFH hat zutreffend unter Zugrundelegung der Entscheidung des BVerfG zur Rückwirkung von Steuergesetzen (Beschluss vom 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a.) eine Anweisung in einem BNF-Schreiben vom 20.12.2010 (BStBl I 2011, 14) für unwirksam angesehen und festgestellt, dass nicht nachträglich steuerbefreite Veräußerungserlöse teilweise steuerpflichtig sein können. Zugrunde lag dem, ein Fall, in welchem der Steuerpflichtige eine Immobilie erwarb und innerhalb der damaligen 2-jährigen Spekulationsfrist aber vor Ablauf der zwischenzeitlich geltenden 10-jährigen Spekulationsfrist gewinnbringend veräußerte. Nach Auffassung des BFH können auch Sonderabschreibungen und AfA-Beträge, die in der Zeit bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 zum 31. März 1999 in Anspruch genommen worden sind, dem nicht steuerbaren Zeitraum zuzuordnen.

Damit schloss sich der BFH der Vorentscheidung des Sächsischen Finanzgerichts an und wies die Revision des Finanzamtes zurück. Abzustellen ist für Wertveränderungen auf den Zeitpunkt der Verkündung des die neue Rechtslage begründenden Gesetzes. Vorhergehende Wertveränderungen sind entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung
außer Ansatz zu lassen.

BFH, Urteil vom 06.05.2014 - IX R 39/13 -

Freitag, 5. September 2014

Werkvertrag: Sanierungsauftrag bei Kellerfeuchte beinhaltet als Erfolg einen trockenen Keller

Der Handwerker, der mit der Sanierung eines feuchten Kellers beauftragt wird, schuldet die Herstellung eines trockenen Kellers. Dies gilt auch dann, wenn die Ursache der Feuchtigkeit eine andere ist als zunächst angenommen.

In den Entscheidungsgründen steht das OLG Celle dem Handwerker zu, dass er zunächst vom
Vorhandensein einer Horizontalsperre ausging. Da er allerdings keine solche sichtbar vorfand, hätte er ihr Vorhandensein klären müssen. Eine Aufklärung des Auftraggebers wäre für ihn nur entlastend, wenn er diesem deutlich über die fehlende Klärung des Vorhandenseins einer Horizontalsperre und die damit verbundenen Risiken einer von unten aufsteigende Feuchte aufgeklärt hätte, was so nicht erfolgt sei. Er habe lediglich angegeben, dass an einer bestimmten Stelle eine Horizontalsperre sein könne, er dies nicht wisse. Das reicht aber nach Ansicht des OLG für eine notwendige Aufklärung des Auftraggebers nicht aus, da dieser alleine darauf basierend keine sachgerechte Entscheidung treffen konnte.  Zudem hätte es auch der Schriftform bedurft, da die VOB/B wirksam im Vertrag einbezogen wurden.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Handwerkers zum BGH wurde von diesem verworfen (Beschluss vom 08.01.2014 - VII ZR 148/13 -).

OLG Celle, Urteil vom 16.05.2013 - 16 U 160/12 -

Dienstag, 2. September 2014

Das Recht am eigenen Bild - Veröffentlichung in einer Mieterbroschüre

Eine Wohnungsbaugesellschaft  veranstaltete für die Mieter ein Mieterfest. Auf diesem ließ sie Fotos machen, die sie dann in ihrer an die Mieter gerichteten Informationsbroschüre veröffentlichte. Die Klägerinnen, die auf einem Foto zu sehen waren, machten einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung und Abmahnkosten geltend.

Willi Heidelbach / pixelio.de
Foto: Willi Heidelbach / pixelio.de
Der BGH negierte bereits einen Anspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB iVm. 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG mit der Begründung, BGB mit der Begründung, das Bild falle in den Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und verletze berechtigte Interessen der Abgebildeten nicht. Der Bereich der Zeitgeschichte umfasse alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu würden auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören (so Bereits der BGH im Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 -).  Zwar bestünde kein schrankenloses Informationsinteresse; vielmehr sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dieser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedürfe gerade bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maße einer abwägenden Betrachtung der kollidierenden Rechtspositionen.

Im Hinblick auf das Mieterfest geht der BGH davon aus, dass die Abwägung hier einer Veröffentlichung nicht entgegenstünde. Das Mieterfest würde jährlich veranstaltet, die insgesamt zehn Bilder stellten Gruppen wie auch Einzelpersonen dar und die Bildberichterstattung vermittle den Eindruck, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen hätten und eine gute nachbarliche Beziehung hätten. Das Mieterfest sei eine Veranstaltung von lokaler Bedeutung.


Abschließend weist der BGH aber auch darauf hin, dass auch in den Vorjahren vom Mieterfest jeweils in der entsprechenden an die Mieter (und damit dem eigeladenen Publikum) gerichteten Broschüre mittels Fotos berichtet worden wäre, weshalb die Klägerinnen von einer Veröffentlichung hätten ausgehen müssen. Diese Aussage macht der BGH im Kontext zu seiner Feststellung, dass die Rechte der (namentlich nicht benannten) Klägerinnen nur minimal beeinträchtigt wären. Dieser Zusatz in den Erwägungen lässt offen, ob nun die Rechtsbeeinträchtigung nur deshalb zurücktreten muss, da die Klägerinnen mit der Veröffentlichung hätten rechnen müssen. 

BGH, Urteil vom 08.04.2014 - VI ZR 197/13 -

Freitag, 15. August 2014

Stadt Köln: Duldung grob rechtswidrigen Verhaltens der Verwaltung ?

Die Erlebnisse des A. Barthenheier mit der Marktverwaltung und dem Rechts- und Versicherungsamt der Stadt Köln

Ein Erlebnis, wie man es sich nicht wünscht: Herr A. Barthenheier will morgens nach 6.30 mit seinem Fahrzeug wegfahren, doch es steht nicht mehr dort, wo es abgestellt war. Kein Diebstahl, es wurde abgeschleppt, obwohl nach der Beschilderung dies ausgeschlossen wäre. 

1.  Sachverhalt


Die Vorgeschichte:

Beschilderung 
Herr A. Barthenheier parkte am  22.11.2013 sein Fahrzeug  - wie häufig  an der Kalker Hauptstraße in Höhe Hausnummer 124  in Köln-Kalk. Nach der üblichen Ausschilderung bestand dort ein  eingeschränktes Halteverbot auf dem (von ihm genutzten) Seitenstreifen und konnte im übrigen dort mit Parkschein werktags zwischen 9.00 und 18.00 Uhr geparkt werden.  Zusätzlich waren dort an diesem Tag Schilder aufgestellt, die ein absolutes Halteverbot „auch auf dem Seitenstreifen“ auswiesen, allerdings „nur Samstag am 26.11.2013 bis 04.01.2014 ab 6- h“.

Morgens musste Herr Barthenheier feststellen, dass sein Fahrzeug nicht mehr vorhanden war. Eine anwesende Marktbeschickerin gab ihm gegenüber an, das Fahrzeug sei gegen 6.30 Uhr abgeschleppt worden und übergab ihm die Kopie eines Sicherstellungsscheins. Aufwendig musste er nun den Wagen wieder vom Hof des beauftragten Abschleppunternehmens abholen, gegen Zahlung von € 146,24.
Dort war der Wagen von A. Barthenheier abgestellt

Am 30.11.2013 begab sich Herr Barthenheier noch einmal an den Ort und befragte die dortige Marktbeschickerin zum Vorgang. Sie wollte von ihm den Sicherstellungsschein wieder, da dieser falsch sei. Bei Durchsicht fiel nun auf, dass wohl die Maktbeschickerin selbst diesen als „Mitarbeiter der Stadt Köln“ unterschrieben hatte und damit den Abschleppvorgang veranlasst hätte.

Was nun folgte:

Stand der Marktfrau
Herr Barthenheier beschwerte sich bei der Marktverwaltung, die nach dem ihm von der Marktfneschickerin übergebenen äußeren Anschein des Sicherstellungsauftrag das Abschleppen veranlasst haben soll. Er wies darauf hin, dass das absolute Halteverbot erst ab 26.11.2014 gelten würde, nicht bereits am 23.11.2014 galt.

Mit Schreiben vom 05.12.2013 teilte das Rechts- und Versicherungsamt der Stadt Köln Herrn Barthenheier mit, die Abschleppkosten von € 108,24 wären an ihn angewiesen worden. Nach einem anwaltlichen Schreiben des Verfassers wurde am 11.12.2013 mitgeteilt, dass ein Schreiben an Herrn Barthenheier betreffend der Erstattung der restlichen € 38,00 leider fehlerhaft adressiert worden sei und retourniert wurde; der Betrag würde („aus technischen und arbeitsorganisatorischen Gründen“) „heute“ angewiesene. Der Sachbearbeiter der Stadt Köln bat ferner um Mitteilung, ob „die von unglücklichen Umständen begleitete Angelegenheit … nunmehr als erledigt betrachtet werden kann“. Der Verfasser wies darauf hin, dass bisher nicht erklärt wurde, wie es zu der unrechtmäßigen Aktion gekommen sei und dass im übrigen auch die Anwaltsgebühren an ihn zu zahlen wären. Nachdem bis zum 19.12.2013 der Betrag von € 38,00 (wohl Verwarngeld und Kosten der Verwaltung) nicht gezahlt waren, wurde die Behörde an diesem Tag an die Erledigung erinnert. Zusätzlich erfolgte die Aufforderung mitzuteilen, woraus sich die Ermächtigung der handelnden Personen zur Durchführung der Abschleppmaßnahme ergeben hätte. Am 20.12.2013 teilte der zuständige Sachbearbeiter der Kölner Stadtverwaltung mit, die Stadtkasse wäre veranlasst, den Betrag von € 38,00 zu zahlen. Zusätzlich bat er im Hinblick auf „die Festtage“ um eine Fristerstreckung vom 27.12.2013 auf den 17.01.2014.  Am 20.12.2013 wurde dann Herrn Barthenheier der Betrag von € 38,00 gutgeschrieben, am 27.01.2014 schließlich die Anwaltsgebühren.

2. Rechtliche Konsequenzen und Stellungnahme


2.1. Mit Schreiben vom 09.02.2014 wurde Strafanzeige erstattet (StA Köln 83 UJs 24/14). Im Hinblick auf ein Schreiben der Stadt Köln vom 13.01.2014 ging der zuständige Oberstaatsanwalt davon aus, dass damit der Vorgang aufgeklärt sei und eine strafbare Handlung nicht gegeben sei. In diesem an den Verfasser als anwaltlichen Bevollmächtigten adressierten Schreiben wurde u.a. ausgeführt:

In der Annahme, die Beschilderung durch die zuständige Behörde sei korrekt vorgenommen worden, musste im Rahmen der Veranstaltungsverantwortung gegen den Zustandsstörer die Maßnahme der Fahrzeugabschleppung ergriffen werden. Erst im Nachhinein wurde festgestellt, dass der Fahrzeugführer aufgrund der fehlerhaften Beschilderung nicht hat wissen können, dass am 23.11.2013 das Absolute Halteverbot an dieser Stelle galt. Es war somit ein Versehen des verantwortlichen Marktaufsehers. … Da die Stadt Köln derzeit 38 Veranstaltungsplätze unterhält, haben die diensthabenden Marktaufsichtsbeschäftigten über mehrere Veranstaltungen am selben Tag die Verantwortung über die rechtzeitige Freistellung. Aufgrund eines personellen Engpasses am besagten Tag hatte der Marktaufseher nicht mehr auf das relativ späte Eintreffen des beauftragten Unternehmens (Anm: gemeint ist das Abschleppunternehmen) gewartet. Statt dessen hatte eine vor Ort anwesende Veranstaltungsteilnehmerin respektive Marktbeschickerin die veranlasste Maßnahme „vertretungsweise“ beobachtet. Dieses Verfahren wird nur in Ausnahmefällen von Seiten der Dienststelle akzeptiert. Dass hier der Sicherstellungsauftrag fälschlicherweise von der Marktbeschickerin abschließend abgezeichnet wurde, war von der Verwaltung weder beabsichtigt noch veranlasst worden.“

Vorausgegangen war der Mitteilung des Oberstaatsanwalts eine Besprechung bei der Marktverwaltung, bei der aber der zuständige Marktaufseher nicht anwesend war; einen Aktenvermerk über die Besprechung stellte der Oberstaatsanwalt dem Verfasser zur Verfügung. In diesem Vermerk heißt es u.a.:

"Die Wochenmärkte müssen vor ihrer jeweiligen Eröffnung von einem Mitarbeiter der Marktverwaltung kontrolliert bzw. eröffnet werden- Dieser Mitarbeiter ist auch verantwortlich / berechtigt Abschleppvorgänge zu veranlassen."

Der Verfasser wies die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass nicht ersichtlich sei, dass überhaupt eine Prüfung der Beschilderung vor der Abschleppmaßnahme vorgenommen wurde. Er wies ferner darauf hin, dass der Sicherstellungsauftrag von einem verantwortlichen Mitarbeiter der Stadt zu unterschreiben ist, und ein Marktbeschicker dazu nicht berechtigt ist. Insoweit ist hier anzumerken, dass es sich um einen hoheitlichen Vorgang handelt, der nicht nach Gutdünken Dritten (die nicht als "beliehene Unternehmer" hoheitlich tätig werden dürfen)  übertragen werden kann.

Nach dieser Stellungnahme des Verfassers vom 05.04.2014 erfolgte die Mitteilung des Oberstaatsanwalts am 17.07.2014 (abgesandt am 04.08.2014), dass der damals zuständige Marktaufseher im Mai verstorben sei und deshalb nicht mehr hätte vernommen werden können, die Marktbeschickerin angegeben habe, sie wäre von diesem zur Unterschrift des Abschleppprotokolls (Sicherstellungsauftrag) veranlasst worden und hätte lediglich versehentlich im falschen Kästchen unterschrieben.

2.2. Es drängt sich hier der Eindruck auf, dass ein rechtswidriges Handeln der Stadt Köln (Marktverwaltung) gedeckt werden soll. Wie sollte der Abschleppvorgang durchgeführt werden, wenn der Sicherstellungsauftrag nicht einmal von einen Verantwortlichen unterschrieben wird ? Schon diese Frage spricht gegen ein Versehen der Marktbeschickerin (auch wenn diese eventuell durch den verstorbenen Marktaufseher oder die Abschleppfirma, deren Mitarbeiter wohl nicht verantwortlich vernommen wurden, dazu veranlasst wurde, um den Vorgang durchzuführen.

Es ist suspekt, dass derartige Maßnahmen ohne konkrete vorherige Kontrolle und lediglich in „Annahmen“ durchgeführt werden, obwohl doch vor Ort ohne weiteres die Beschilderung festgestellt werden kann. Unabhängig davon, dass der 26.11.2013 der erste Tag des „Samstags-" Verbots ein Dienstag war, stand die Beschilderung mir einer Autolänge hinter dem Fahrzeug des Herrn Barthenheier. Dass sich die Marktbeschickerin am Samstag, 23.11.2013 über den abgestellten Wagen geärgert hatte (nachdem es bereits im Vorfeld zwischen Händlern und Verwaltung Streit um den Standort für diesen Markt gab), mag sein. Dass sie von daher wollte, dass das Fahrzeug abgeschleppt wird, ist emotional nachvollziehbar. Dass sich hier allerdings die Verwaltung über alle rechtlichen Grundlagen hinwegsetzt und eine Maßnahme vollzieht, die schlicht grob rechtswidrig ist, ist unentschuldbar. Ein derartiges Gebaren der Verwaltung lässt allenfalls ein gehöriges Misstrauen gegen diese zu, da nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass sie rechtsstaatlich handelt.

Wenn dann noch ein Ermittlungsverfahren derart geführt wird, dass der Eindruck entsteht, es würde  lediglich nach Einstellungsgründen gesucht, um nicht die staatliche Verwaltung zu diskreditieren, fördert dies auch nicht den Glauben an einen Rechtsstaat.

Betrachtet man zudem die verzögerliche Handhabung bei der Verwaltung (z.B. was die Erstattung der Gelder anbelangt),  wäre man froh, wenn diese staatliche Verwaltung bei entsprechenden Vorgängen bei ihren Bürgern mehr Nachsicht hätte, nämlich die gleiche Latte anlegen würde wie in eigenen Dingen.

Als Erkenntnis aus diesem Vorgang bleibt festzuhalten:

Es wurde eine Abschleppmaßnahme durchgeführt, obwohl diese nach der Beschilderung nicht zulässig war. Entweder haben sich der oder die Verantwortlichen über die tatsächliche Rechtslage gemäß der Beschilderung hinweggesetzt oder aber es wird durch die zuständige Verwaltung nicht sichergestellt, dass vor der Durchführung derartiger Maßnahmen geprüft wird, ob der beschilderte Zustand demjenigen entspricht, der bestehen sollte. Bedenkt man, dass der zuständige Marktaufseher den Markt kontrollieren bzw. eröffnen muss, ergibt sich schon daraus seine Pflicht, die Beschilderung zu prüfen. Ein Unterlassen derartiger Prüfungen ist nicht nur leichtfertig, sondern stellt m.E. einen dolus eventualis in Bezug auf rechtswidrige Maßnahmen dar, die in der angeblichen Annahme einer anderweitigen Beschilderung erfolgen. 

Wer als Kraftfahrer ein Verbotszeichen übersieht (sei es in Bezug auf die Geschwindigkeit, aber auch in Bezug auf ein Halteverbot) hat mit einer Ahndung zu rechnen. Sein Versehen zählt nicht. Wird aber geahndet, mit weitreichenden Folgen für den Betroffenen, soll dies wohl hinzunehmen sein, auch wenn die Maßnahme rechtswidrig ist. Diese Zweiteilung der Ansicht zur Befolgung von Verkehrszeichen ist nicht plausibel und lässt sich unter dem Stichwort Behördenwillkür subsumieren. 

Nachfolgend ein Vorgang aus Frankfurt am Main aus dem Jahr 2009.


Mittwoch, 6. August 2014

Einkommensteuer: Nicht jedes Fahrzeug kann als betriebliches Fahrzeug steuerlich zu berücksichtigen sein

Im Streitfall hatte der Kläger (ein Tierarzt) einen Ferrari Spider, bei dem er gewissenhaft ein Fahrtenbuch führte und so die Berechnung des Privatanteils vornahm. Das Finanzamt hatte den betrieblichen Charakter nicht anerkannt und die dargelegten Fahrten auf Kilometerbasis abgerechnet. Dem folgten das Finanzgericht (FG) und der Bundesfinanzhof (BFH).

Bild: Thomas Siekmann / pixelio.de
Der BFH bestätigte, dass vom Grundsatz zwar der Unternehmer den Umfang seiner Erwerbsaufwendungen selbst bestimmen dürfe. Allerdings bezieht sich der BFH auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG, wonach  andere als die in den Nummern 1 bis 6 und 6b bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind“ den Gewinn nicht mindern dürfen. Ob ein unangemessener Repräsentationsaufwand in diesem Sinne vorläge orientiere sich daran, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer angesichts der zu erwartenden Vorteile und Kosten entsprechende Aufwendungen auch auf sich genommen hätte. Da vorliegend der klagende Tierarzt ausweislich des Fahrtenbuchs nur wenige Fahrten dienstlich mit dem Fahrzeug durchführte, handele es sich bei diesem zwar noch um Betriebsvermögen und wäre (anders als vom FG angenommen) nicht dem Privatvermögen zuzuordnen, könnte aber gleichwohl nur der für berufliche Fahrten tatsächliche Anteil berücksichtigt werden, wobei für die Bemessung des Entgelts je Kilometer auf im Internet ermittelte Duchschnittswerte (hier: € 2,00/km) zurückgegriffen werden.  

BFH, Urteil vom 29.04.2014 - VIII R 20/12 -



Dienstag, 5. August 2014

Tierhalterhaftung und Schaden: Mitverschulden und Abnutzung einer Brille


Der Kläger begab sich auf einen rheinhessischen Winzerhof um dort Wein zu kaufen. Er beugte sich zu einem dort befindlichen Hund runter, der auf ihn zukam und dessen Halter der Winzer war. Der Hund war so wild, dass er dem Kläger die Brille vom Gesicht riss und diese dabei zerstört wurde. Der Haftpflichtversicherer hatte vorgerichtlich eine Teilzahlung geleistet. Im gerichtlichen Verfahren wurden vom verklagten Winzer über seinen Haftpflichtversicherer ein Mitverschulden des Klägers durch seinen gedankenlosen Umgang mit dem Hund und im übrigen ein Abzug für Gebrauchsvorteile für die neue Brille eingewandt. Nach Einholung eines Gutachtens zur Brille wies das Amtsgericht die Klage ab. 

Mit der Beklagtenseite und gestützt durch das dies bestätigende Sachverständigengutachten sah das Amtsgericht die Anwendung der Grundsätze des Abzugs "neu für alt" als gegeben an. Zwischen dem Erwerb der beschädigten Brille und dem Schadensfall hatte sich die Sehstärke des Klägers verschlechtert, weshalb er bereits jetzt eine neue Brille mit den richtigen Dioptrien erhielt. Damit wurde die Neuanschaffung aufgrund eine Verschlechterung der Sehstärke weiter hinausgeschoben, was den Abzug "neu für alt rechtfertigt".

Im Hinblick auf das Mitverschulden stellte das Amtsgericht darauf ab, das der Kläger sich ohne Not zum Hund beugte und erst dadurch den Schadensfall ermöglichte. 


AG Alzey, Urteil vom 11.07.2014 - 23 C 69/13 -

Mittwoch, 16. Juli 2014

Wohnungseigentum: Des Verwalters Problem mit der Vollmacht und ihrem Nachweis

Der Verwalter kümmert sich um die Wohnungseigentümergemeinschaft und regelt alles, was damit im Zusammenhang steht. So die Vorstellung gemeinhin, Da es sich hier um Rechtsgeschäfte handelt, die der Verwalter regelmäßig nicht für sich sondern für die Wohnungseigentümergemeinschaft als Dritten vornimmt, handelt er als Vertreter auf Grund einer Vollmacht. Dieses Handeln kann auch  - z.B. bei einer Kündigung eines Hausmeistervertrages -  in der Abgabe einer einseitigen Willenserklärung bestehen.  Gerade in diesen Fällen muss der Verwalter darauf achten, dass seine Rechtshandlung (Ausspruch der Kündigung) auch wirksam ist.

In dem vom BGH mit Urteil vom 20.02.2014 – III ZR 443/13 -  entschiedenen Fall ging es um die Kündigung eines Hausbetreuungsservices in einer Wohnungseigentumsanlage (WEG). Die Eigentümergemeinschaft hatte einen neuen Verwalter berufen und in derselben Versammlung die Kündigung des Hausbetreuungsvertrages beschlossen. Der neue Verwalter sprach unter Bezugnahme  auf den Eigentümerbeschluss die Kündigung aus, der der Hausbetreuer (und Kläger) u.a. unter Rüge der fehlenden Vollmacht widersprach. Die Zahlungsklage des gekündigten Hausbetreuers (auf Zahlung der ursprünglich vereinbarten Vergütung) hatte letztlich beim BGH im wesentlichen Erfolg, da der Verwalter die Kündigung nicht korrekt ausgesprochen hatte, d.h. eine Vollmacht nicht beigefügt hatte und aus diesem Grund die Kündigung auch unverzüglich vom Kläger zurückgewiesen wurde.

Der BGH hat in seiner Entscheidung ausgeführt, was vom Verwalter zur Vermeidung der Zurückweisung seiner Bevollmächtigung zu beachten ist. Zwar ergibt sich die Vollmacht des Verwalters zunächst aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG. Zwar bedarf es keiner Vollmachtsvorlage im Falle gesetzlicher Vertretung wie hier und scheide daher eine Zurückweisung nach § 174 BGB aus. Doch wäre die Organstellung bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und auch bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft anders als bei juristischen Personen nicht aus Registern zu entnehmen, weshalb § 174 BGB bei einseitigen Willenserklärungen auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG anzuwenden ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hätte zwar seit der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes vom 26.03.2007 eine (Teil-) Rechtsfähigkeit und der Verwalter sei gesetzlicher Vertreter derselben und Organ nach Maßgabe des § 27 Abs. 2 und 3 WEG. Aber die Eigentümergemeinschaft könne bei der Bevollmächtigung auch über die Regelung des § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG hinausgehen, ohne dass dies in einem Register erfasst wäre. Damit aber greife zur Rechtsicherheit des Schutzzweck des § 174 BGB. Dies ergäbe sich auch aus der gesetzlichen Regelung des § 27 Abs. 6 WEG, demzufolge der Verwalter von der Gemeinschaft die Ausstellung einer Vollmacht verlangen könne.


Anmerkung: Letztlich fängt es schon damit an, dass der Empfänger der Willenserklärung in der Regel nicht wissen kann, wer tatsächlich Verwalter und damit nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 WEG berechtigt ist. Spricht also der Verwalter eine Kündigung aus, muss er schon im Zusammenhang mit der Abgabe der Willenserklärung seine entsprechende Berechtigung nachweisen (wenn nicht im Einzelfall der Empfänger Kenntnis von der Vollmacht hat). Es ist also sinnvoll, dem Verwalter eine Urkunde iSv. § 27 Abs. 6 WEG zu überlassen, aus der sich seine Vollmacht umfassend ergibt. Sie ist bei Beendigung der Tätigkeit zurückzugeben bzw. wäre öffentlich zu widerrufen. Die Vollmacht muss bei Abgabe der Willenserklärung im Original beigefügt werden. Eine Nachholung der Vorlage genügt nicht, vielmehr muss in diesem Fall die Willenserklärung erneut erfolgen (was bei fristlosen Kündigungen im Hinblick auf den Zeitablauf eventuell zur Unwirksamkeit derselben führen kann).

BGH, Urteil vom 20.02.2014 - III ZR 443/13 -

Dienstag, 15. Juli 2014

Zugangsverweigerung für Briefträger in der Regel unzulässig

Bild: w.r.wagner / pixelio.de
Der klagende Eigentümer hatte den Briefkasten an dem Haus angebracht und einem Postunternehmen den Zutritt zu seinem Grundstück mit der Folge untersagt, dass dieses die Post nicht mehr in den Briefkasten werfen könnte. Nachdem sich das Postunternehmen nicht an das Verbot hielt, erhob der Eigentümer Klage. Die Berufung des Eigentümers gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts wurde vom Landgericht Köln zurückgewiesen.

Das Hausverbot könnte der Eigentümer aus § 1004 BGB ableiten. Zweifel hatte das Landgericht bereits daran, ob eine das Hausverbot rechtfertigende relevante Beeinträchtigung darin liegen könnte, dass das Grundstück zur Postzustellung von Mitarbeitern der Beklagten betreten wird. Ob dieser Gedanke  tatsächlich ausreichend wäre, das Recht des Eigentümers zu negieren, ist allerdings zweifelhaft, weshalb hier wohl auch das Landgericht sich nicht darauf berief, vielmehr eine Duldungspflicht des Eigentümers annahm, die dem Unterlassungsbegehren entgegenstünde.

Diese Duldungspflicht meint das Landgericht aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB herleiten zu können. Rechtsmissbräuchlich ist es, sich eine formale Rechtsposition zunutze zu machen, um andere Interessen zu verfolgen (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2010, 117). Diesen Rechtsmissbrauch nimmt das Landgericht hier an.

Dabei berücksichtigt es den Umstand, dass der Kläger seinen Bekundungen zufolge den Briefkasten unterhält um Zustellungen von Briefsendungen, die von anderen Postdienstleistern angeliefert werden, zu erhalten. Alleine die Behauptung, der Kläger wolle mit seiner Maßnahme seine Missbilligung der Arbeitsbedingungen bei der Beklagten Ausdruck verleihen, ist nach Auffassung des Landgerichts kein Rechtfertigungsgrund. Denn das Abwehrrecht des § 1004 BGB beruhe auf dem Eigentum, nicht aber der Verwirklichung sozialpolitischer Vorstellungen. Damit würde es an einem notwendigen Zusammenhang zwischen dem aus dem Eigentum fließenden Verbot und der Begründung dafür ermangeln. Da andere Postdienstleister den Briefkasten nutzen dürften und damit ein Betretungsrecht hätten,  ginge es dem Kläger ersichtlich nicht um die Eigentumsstörung und sei deshalb das Verbot rechtsmissbräuchlich.

Dabei berücksichtigt das Landgericht auch den Umstand, dass die Einlegung von Schriftstücken in den Briefkasten zu den in § 33 Abs. 1 Satz 1 PostG genannten Aufgaben gehört, die dem öffentlichen Interesse an rechtssicheren Zustellungen dient. Dem hätte der Kläger kein vergleichbares Interesse, welches überwiegen würde, entgegengehalten.

In diesem Zusammenhang merkt das Landgericht noch an, dass auch nach der Entscheidung des BGH zwar der Eigentümer im Rahmen seines Haurechts frei darüber entscheiden könne, wem er Zutritt gestattet, was aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG abgeleitet würde (BGH NJW 2012, 1275). Allerdings würde auch der BGH eine Abwägung der beteiligten Interessen auf Basis der betroffenen Grundrechte zulassen, was hier zu Gunsten des beklagten Postdienstleisters spricht. 

LG Köln, Urteil vom 16.10.2013 - 9 S 123/13 -

Samstag, 12. Juli 2014

Wohnungseigentum: Bis zur Feststellung der der Ungültigkeit eines Beschlusses ist dieser bindend

Es ist leider ein häufiger Irrglaube, dass ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft erst mit seiner endgültigen Bestandskraft verbindlich ist. Auch wenn nach dem angefochtenen Beschluss Zahlungsverpflichtungen begründet werden, sind diese zunächst zu erfüllen. Denn die Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung, wie der BGH in seinem Urteil vom 04.04.2014 – V ZR 167/13 – festhält. Ausdrücklich weist der BGH auch darauf hin, dass eine Aussetzung des Verfahrens (in dem der den Beschluss anfechtende Eigentümer auf Zahlung n Anspruch genommen wird) gem. § 48 ZPO nicht in Betracht kommt, da die Beschlüsse bis zur rechtskräftigen Feststellung ihrer Ungültigkeit gültig sind und daher das Ergebnis der Beschlussanfechtungsklage nicht für die Zahlungsklage vorgreiflich ist.

BGH, Urteil vom 04.04.2014 - V ZR 167/13 -

Freitag, 11. Juli 2014

Wohnungseigentum: Teilweise Kostentragung trotz Obsiegens im Prozess

Wie das, werden sich viele fragen. Nach § 91 ZPO trägt derjenige die Kosten eines Rechtsstreits, der unterliegt.  Klage die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer auf Zahlung von Wohnungsgeld bzw. Schadensersatz und unterliegt, ergeht auch eine der Norm des § 91 ZPO entsprechende Entscheidung. Aber gleichwohl muss sich, so der BGH, der obsiegende Wohnungseigentümer an den Kosten des Verfahrens beteiligen. In seinem Urteil vom 04.04.2014 – V ZR 168/13 – hat er festgehalten, dass nach § 16 Abs. 2 WEG die der Wohnungseigentümergemeinschaft entstehenden Prozesskosten „von allen Wohnungseigentümern“ zu tragen sind, also auch von dem obsiegenden Wohnungseigentümer, weshalb dieser im Rahmen der Abrechnung dieser Kosten im Verhältnis der Wohnungseigentümer nicht freigestellt wird. Durch § 16 Abs. 8 WEG würde nichts anderes bestimmt, da diese Regelung nur für Mehrkosten anwendbar sei, die darauf beruhen, dass der beauftragte Rechtsanwalt auf Grund einer Vereinbarung mehr erhalte als nach der gesetzlichen Grundlage des RVG geschuldet.

Dieser Entscheidung kann nicht gefolgt werden. Sie verkehrt letztlich das Prinzip des § 91 ZPO. Zwar lässt der BGH zunächst den obsiegenden Wohnungseigentümer seinen Erstattungsanspruch gegen die Gemeinschaft, fordert dann aber im Rahmen des Innenausgleichs der Gemeinschaft (so über die Jahresabrechnung) den obsiegenden Eigentümer zu Beteiligung an den Kosten des Verfahrens auf, welches hier fehlerhaft (da abweisend) gegen ihn geführt wurde. Der BGH setzt sich nur mit der Regelung in § 16 WEG auseinander, nicht aber mit der Koexistenz des § 91 ZPO, der damit (teilweise) indirekt unterlaufen wird. Schon deshalb überzeugt nicht die teleologische Auslegung des BGH zu den Regelungen im WEG, da diese von den übrigen gesetzlichen Regelungen, hier in § 91 ZPO, getrennt gesehen werden können.


Wollte man dem BGH folgen, wäre von dem obsiegenden Eigentümer in Ansehung der teilweisen Kostentragung eventuell zu prüfen, ob eine Haftung des die Eigentümergemeinschaft vertretenen Anwalts besteht, da dieser nicht abgeraten hat (resp. der WEG ihm gegenüber, wenn diese das Verfahren trotz Abratens gegen ihn aufgenommen haben sollte). Besteht ein Anwaltsverschulden, müsste er den Antrag stellen, den Anwalt auf Regress zu verklagen und dies gegebenenfalls wiederum klageweise geltend machen. Eine never ending story; aber nur so könnte es der betroffene und zunächst zu Unrecht in Anspruch genommene Eigentümer vermeiden, für von ihn nicht schuldhaft verursachten kosten „hängen zu bleiben“. 

BGH, Urteil vom 04.04.2014 - V ZR 168/13 - 

Mittwoch, 2. Juli 2014

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR): Haftung der Erben für Gesellschaftsschulden

Bild: Thorsten Freyer / pixelio.de
Bei der GbR handelt es sich um eine Personengesellschaft, die seit der Entscheidung des BGH vom
29.01.2001 – II ZR 331/00 - grundsätzlich als Außengesellschaft eine eigene Rechtsfähigkeit besitzt, also klagen kann und verklagt werden kann. Allerdings haften die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft als dem Wesen der Personengesellschaft entsprechend persönlich, also mit ihrem gesamten Vermögen, §§ 705 BGB, 128 HGB analog; eine Haftungsbeschränkung ist nicht durch Zusätze wie „mit beschränkter Haftung“ möglich, sondern lediglich durch Individualvereinbarung mit Vertragspartnern (BGH, Urteil vom 27.09.1999 – II ZR 371/98 -).  Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Erben eines Gesellschafters anlog § 130 HGB für Altschulden der Gesellschaft haften, worauf der BGH in seinem Beschluss vom 17.12.2013 – II ZR 121/12 – unter Verweis auf sein Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 56/02 -  hinwies.  

Streitig ist lediglich, ob für die GbR auch § 139 HGB für den Erben des GbR-Gesellschafters herangezogen werden kann. § 139 ZPO bestimmt für die Offene Handelsgesellschaft, dass der Erbe, der nach dem Gesellschaftsvertrag ein Eintrittsrecht hat, verlangen kann, dass er als Kommanditist (und damit nicht als Vollhafter) aufgenommen wird, was eine Umwandlung von der OHG in eine KG (Kommanditgesellschaft) erforderlich macht. Diese Streitfrage hat der BGH, da nicht entscheidungserheblich, zwar in seinem Beschluss aufgezeigt, aber nicht beantwortet.  

Zu beachten ist, dass der Erbe, auch wenn er nicht in die Gesellschafterstellung einrückt, sondern z.B. durch eine qualifizierte Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag die Beteiligung quasi am Erbe vorbei auf einen anderen Gesellschafter übergeht, nach § 736 BGB für die bis zum Todeszeitpunkt entstanden Gesellschaftsschulden ebenfalls haftet (anschaulich im Fall LG Köln, Urteil vom 21.06.2013 - 2 O 667/05 -).

BGH, Beschluss vom 17.12.2013 - II ZR 121/12 -

Dienstag, 1. Juli 2014

Impressumspflicht im Netz

Bild: flown / pixelio.de
Dass ein Impressum auf der eigenen Homepage, aber auch auf den Seiten von facebook, google+ und twitter anzugeben ist, wenn die Seite nicht rein privat genutzt wird, ist zwischenzeitlich allgemein bekannt. Aber die Pflicht besteht auch darüber hinaus, wie die Entscheidung des LG Stuttgart vom 24.04.2014 – 11 O 72/14 – zeigt. Wenn jemand auf einem Portal sich selbst darstellen kann, er also nicht lediglich von Dritten aufgenommen wird und er selbst keinen Einfluss auf sein Profil nehmen kann, sondern Informationen selbst online stellen kann, hat er auch ein Impressum für diesen Teil einzustellen.

Der Entscheidung lag der Eintrag eines Rechtsanwalts auf dem Internetportal kanzlei-seiten.de zugrunde. Die Veröffentlichung sah das Landgericht als eigenständiges Informations- und Kommunikationsangebot des Rechtsanwalts an, der damit für seine anwaltliche Tätigkeit werben wollte.

LG Stuttgart, Urteil vom 24.04.2014 - 11 O 72/14 -

Mietkaution - eine bei Wohnraum nicht jederzeit zugängliche Sicherheit

Bild: Claudia Hautumm / pixelio.de
Der Mieter minderte die Miete. Die Berechtigung zur Minderung war zwischen Mieter und Vermieter streitig. Der Vermieter ließ sich zur Ausgleichung der offenen Mietforderung, bedingt durch die Minderung, die Kaution auszahlen. Der Mieter klagte auf Wiedergutschrift der ausgezahlten Kaution auf das Kautionskonto geklagt, obwohl nach der Regelung im Mietvertrag (§ 7) sich der Vermieter wegen fälliger Ansprüche aus dem Mietverhältnis aus der Kaution befriedigen darf und der Mieter zur Aufstockung des Kautionskontos in diesem Fall verpflichtet wäre.


Amts- und Landgericht Bonn gaben der Klage des Mieters statt; die zugelassene Revision des Vermieters wurde vom BGH mit Urteil vom 07.05.2014 – VIII ZR 234/13 – zurückgewiesen. Vom BGH wurde darauf hingewiesen, dass die Kaution nicht dazu diene, dem Vermieter eine Verwertungsmöglichkeit zur schnellen Befriedigung behaupteter Ansprüche zu eröffnen. Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der treuhänderischen Absonderung des Kautionsbetrages vom Vermögen des Vermieters eine Insolvenzfestigkeit für den Fall der Beendigung des Mietverhältnisses ohne fällige Forderungen des Vermieters erreichen. Dies würde umgangen, wenn während eines laufenden Mietverhältnisses der Zugriff des Vermieters auf die Kaution ermöglicht würde, weshalb auch die benannte Vereinbarung in § 7 des Mietvertrages gem. § 551 Abs. 4 BGB unwirksam sei. Der mit Urteil vom 12.01.1972 – VIII ZR 26/71 – entschiedene Fall wäre hier nicht einschlägig, da es sich dort um ein Geschäftsraummietverhältnis gehandelt habe, auf welches § 551 BGB über die Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten nicht anwendbar war und ist.

BGH, Urteil vom 07.05.2014 - VIII ZR 234/13 -

Sonntag, 22. Juni 2014

AGB und Aushandeln einer Vereinbarung - kein Beweis für Individualvereinbarung durch entsprechende Klausel

Bild: Thorben Wengert / pixelio.de
Um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB iSv. §§ 305ff BGB) handelt es sich bei Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden. Sie unterliegen der AGB-Kontrolle nach §§ 305ff BGB. Inhalt und Gestaltung des Vertrages können für die Annahme sprechen, dass es sich hier um einen solchen handelt, der für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert wurde.  Der Umstand, dass der Vertragstext späterhin nicht wieder verwandt wurde,  ist nicht von Relevanz. Auch soweit in dem Vertrag der Text aufgenommen wird „dass es sich bei dem Generalunternehmervertrag um einen Individualvertrag handelt“ (oder ähnliche Formulierungen) ist dies nicht bedeutsam, worauf der BGH in seinem Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13 – hinwies. Zur Begründung wies der BGH darauf hin, dass (auch im unternehmerischen) Rechtsverkehr die §§ 305ff BGB nicht der Disposition der Parteien unterliegen, sondern zwingendes Recht sind. Individualrechtlich können, so der BGH, diese Zwingenden Bestimmungen nicht ausgeschlossen werden, da dadurch die Prüfung verhindert wird, ob eine gleichberechtigte Verhandlungsposition bestand. Die Vertragsfreiheit über Art. 2 Abs. 1 GG steht dem nicht entgegen,  da dies eine freie Selbstbestimmung zur Voraussetzung hat. Ob also eine Klausel im Vertrag tatsächlich ausgehandelt wurde, lässt sich nicht mit einer dies bestätigenden Klausel beweisen. 

BGH, Urteil vom 20.03.2014 - VII ZR 248/13 -

Samstag, 14. Juni 2014

Einkommensteuer: Haushaltsnahe Dienstleistung auch außerhalb der Grundstücksgrenze möglich

Bild: Thomas Max Müller / pxelio.de
§ 35a EStG sieht eine Steuerbegünstigung für haushaltsnahe Dienstleistungen vor. Repariert z.B. ein Handwerker den Wasserhahn in einer Wohnung, können diese Kosten (unter Ausschluss der Materialkosten) in der Steuererklärung steuermindernd geltend gemacht werden. Die Finanzverwaltung wollte § 35a EStG allerdings nur für Dienstleistungen außerhalb des Grundstücks und damit des eigentlichen Haushalts anwenden.  In zwei Entscheidungen des BFH vom 20.03.2014 hat der zuständige 6. Senat allerdings festgehalten, dass die Definition der haushaltsnahen Dienstleistungen in § 35a EStG nicht räumlich sondern funktionsbezogen auszulegen ist ((VI R 55/12 und VI R 56/12).

In dem einen Fall (VI R 55/12) ging es um Schneeräumung im öffentlichen Bereich. Da hier der Eigentümer qua Satzung der Kommune zur Schneeräumung verpflichtet ist (und dies qua Mietvertrag auch auf den Mieter übertragen kann), würde es sich um Arbeiten handeln, die zum Nutzen des Haushalts erbracht würden und üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht werden. Damit sind die Kosten unabhängig davon nach § 35a EStG begünstigt, ob die Schneeräumung auf dem eigenen Grundstück oder auf Grund satzungsgemäßer Zuweisung auch im öffentlichen Bereich erfolgt.


Konsequent hat der BFH dann auch in der weiteren Entscheidung (VI R 56/12) die Anwendbarkeit des § 35a EStG für Arbeiten im Bereich außerhalb der Grundstücksgrenze bejaht, bei dem der Haushalt des Steuerpflichtigen nachträglich an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wurde. Die Kosten für den Haushaltsanschluss sind damit nicht nur insoweit begünstigt, als dieser auf dem eigenen Grundstück verläuft, sondern auch, soweit dieser im öffentlichen Bereich (zum Hauptanschluss hin) verlegt wird. Damit widersprach der BFH ausdrücklich einer von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben BStBl 2010 I, 140 Tz. 12, 15 und BStBl 2014 I, 75 Tz. 12, 15 vertretenen Auffassung: „Denn über diesen wird der auf dem Grundstück gelegene Haushalt des Steuerpflichtigen über das öffentliche Versorgungsnetz mit den für eine Haushaltsführung notwendigen Leistungen der Daseinsfürsorge versorgt. Ein Hausanschluss stellt sich damit als notwendige Voraussetzung eines Haushalts dar.

Freitag, 13. Juni 2014

Mietrecht: Schlüsselverlust und Kosten für Schließanlage

Schließanlagen sind eine feine Sache: Ein Schlüssel für viele Türen (Haus-, Keller- und Wohnungstür, eventuell auch Tiefgarage pp.). Aber was passiert, wenn dieser Schlüssel verloren geht ? Es besteht für den Mieter eine Obhuts- und Rückgabepflicht, §§ 241 Abs. 2, 546 Abs. 1 BGB. Verletzt der Mieter dies, ist er dem Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet, wobei der Vermieter einer Eigentumswohnung diesen Schaden insgesamt geltend machen kann; gem. § 280 BGB hätte sich der Mieter vom Verschuldensvorwurf zu entlasten. Neben den Kosten für einen neuen Schlüssel können so erhebliche Kosten auf den Mieter zukommen, wenn die Schließanlage auf Grund des Verlustes ersetzt wird.

In einem entsprechenden Fall hatte der BGH allerdings mit seinem Urteil vom 05.03.2014 – VIII ZR 205/13 -  die Klage des Vermieters abgewiesen. Zwar hätte der Vermieter einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Mieter  im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft in Ansehung des abhanden gekommenen Schlüssels. Auch könne der Verlust eines Schlüssels den Austausch der Schließanlage erforderlich machen, falls eine missbräuchliche  des Schlüssels durch Unbefugte zu befürchten ist. Allerdings könne nicht fiktiv ein entsprechender Schaden berechnet werden, da es sich entgegen der teilweise vertretenen Ansicht bei dem Verlust des Schlüssels nicht um einen Schaden an der Schließanlage (als Sachgesamtheit) handele. Der Verlust führe nicht zu einer Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage als solcher. Das rein abstrakte gefährdungspotential stelle keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar.  Der ersatzfähige Schaden hat, so der BGH, zur Voraussetzung, daß sich der geschädigte (Vermieter / Wohnungseigentümergemeinschaft) „aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt“.

BGH, Urteil vom 05.03.2014 - VIII ZR 205/13 -