Dienstag, 5. August 2014

Tierhalterhaftung und Schaden: Mitverschulden und Abnutzung einer Brille


Der Kläger begab sich auf einen rheinhessischen Winzerhof um dort Wein zu kaufen. Er beugte sich zu einem dort befindlichen Hund runter, der auf ihn zukam und dessen Halter der Winzer war. Der Hund war so wild, dass er dem Kläger die Brille vom Gesicht riss und diese dabei zerstört wurde. Der Haftpflichtversicherer hatte vorgerichtlich eine Teilzahlung geleistet. Im gerichtlichen Verfahren wurden vom verklagten Winzer über seinen Haftpflichtversicherer ein Mitverschulden des Klägers durch seinen gedankenlosen Umgang mit dem Hund und im übrigen ein Abzug für Gebrauchsvorteile für die neue Brille eingewandt. Nach Einholung eines Gutachtens zur Brille wies das Amtsgericht die Klage ab. 

Mit der Beklagtenseite und gestützt durch das dies bestätigende Sachverständigengutachten sah das Amtsgericht die Anwendung der Grundsätze des Abzugs "neu für alt" als gegeben an. Zwischen dem Erwerb der beschädigten Brille und dem Schadensfall hatte sich die Sehstärke des Klägers verschlechtert, weshalb er bereits jetzt eine neue Brille mit den richtigen Dioptrien erhielt. Damit wurde die Neuanschaffung aufgrund eine Verschlechterung der Sehstärke weiter hinausgeschoben, was den Abzug "neu für alt rechtfertigt".

Im Hinblick auf das Mitverschulden stellte das Amtsgericht darauf ab, das der Kläger sich ohne Not zum Hund beugte und erst dadurch den Schadensfall ermöglichte. 


AG Alzey, Urteil vom 11.07.2014 - 23 C 69/13 -

 Das Urteil im Wortlaut:


     Amtsgericht Alzey

     IM NAMEN DES VOLKES

      Urteil





In dem Rechtsstreit
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX 

- Kläger -

Prozessbevollmächtigter:   RA XXXXXXX

gegen
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX


- Beklagter -

Prozessbevollmächtigte:                                Rechtsanwälte Niehus & Ruppel, Gerbermühlstra­ ße 9, 60594 Frankfurt am Main

wegen Forderung




hat das Amtsgericht Alzey durch den Richter am Amtsgericht Dr. Minthe im schriftlichen Verfah­ren mit Schriftsatzende am 11 07.2014 für Recht erkannt:


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.



Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten restlichen Schadenersatz wegen eines Brillenscha­dens.

Der Kläger befand sich am 26.11.2012 bei dem Beklagten in Framersheim. Der Kläger beugte sich zu dem jungen Hund des Beklagten, der sofort freudig in seine Richtung sprang und ihm dabei die Brille von der Nase stieß.

Die Brille wurde - zumindest was die Gläser betrifft - am 2.10.2008 zu einem Neupreis von 1.110,50 brutto (BI. 11 der Akte) beschafft. Am 27.11.2012 kaufte sich der Kläger eine neue Brille im Wert von 1.140 (BI. 12 der Akte) . Die Beklagte zahlte vorgerichtlich an den Kläger 400 €. Den Differenzbetrag zu der neu angeschafften Brille verfolgt der Kläger mit der vorliegenden Klage.

Der Kläger trägt vor, die zerstörte Brille habe im Juni 2010 eine Neufassung erhalten. Er ist der Ansicht, dass ein Abzug neu für alt nicht vorzunehmen sei, weil es keinen Gebraucht­markt gebe und eine Brille grundsätzlich, sofern sich das Sehvermögen ihres Trägers nicht ändere und dieser Modeerscheinungen nicht folge, ein Leben lang unverändert ihre Funkti­on erfüllen könne.

Er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 740 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über
·dem jeweiligen  Basiszinssatz hieraus seit 8.3.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, 
            die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Nutzbarkeit der alten Brille, die beidseitig um bis zu 0,50 dpt von der neu­ en Brille abwich, habe maximal etwa sechs Monate, und ihr Zeitwert wegen einer Reduzie­ rung der Sehschärfe um ca. 17 % bei einem Anschaffungspreis  von 1167 und einem Alter von vier Jahren und einem Monat 361 betragen. Sie ist der Auffassung, dass sich der Klä­ ger zumindest ein Mitverschulden anzurechnen  habe, sie aber schon dem Grunde nach we­ gen § 840 Abs. 3 BGB nicht schadenersatzpflichtig  sei.

Das Gericht  hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom  11.7.2013 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens,   das  aufgrund  Beschlusses vom  19.2.2014  einmal er­gänzt worden \st. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das ergänzte Gutachten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der klägerisch geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 831BGB.

Der Kläger ist mit den vorgerichtlich  gezahlten 400 ausreichend  bezahlt 362 Abs.  1 BGB).

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen aufgrund seines ergänzten Gutachtens, denen die Parteien nicht entgegen getreten sind und die das Gericht daher seinem Urteil zu Grunde legt, ergibt sich ein Gebrauchswert der beschädigten Brille von insgesamt 461,08 €. Das Gericht ist mit dem Sachverständigen der Auffassung, dass der Kläger sich einen Abzug neu für alt anrechnen lassen muss. Dies ergibt sich rechtlich jedenfalls daraus, dass seine Sehstärke abgenommen hat, wie ein Vergleich der Dioptrien-Anzahl seiner alten mit derjenigen der neuen Brille ergibt.

Es kann dabei offen bleiben, ob der Kläger den Nachweis geführt hat, dass die beschädigte Brille im Jahr 2010 eine Neufassung erhielt, denn zu seinen Gunsten hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vor dem Hintergrund dieser Information seinen zunächst ermittelten Betrag i.H.v. 440,05 € wie oben angegeben erhöht.

Der Kläger hat sich ferner ein Mitverschulden i.H.v. 20% anrechnen zu lassen (§ 254 BGB). Generell darf sich der Verletzte nicht ohne besonderen Grund in die Gefahr bringende Nähe eines Tieres begeben haben oder sonst besondere Risiken heraufbeschworen haben (BGH JZ 1955, 87). Dadurch, dass sich der Kläger zu dem jungen Hund bückte, hat er die Realisierung des konkreten Schadens erst ermöglicht.

Der klägerische Schaden beläuft sich damit auf 368,86 €. Dieser ist durch die Beklagte bereits überzahlt. 

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Ans. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Rechtsbehelfsbelehrung:

...........




Dr. Minthe
Richter am Amtsgericht


Verkündet am 31.07.2014

Mauer,  Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle


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