Montag, 8. August 2022

Qual der (gerichtlichen) Verwalterbestellung in zerstrittener Zweier-WEG

Die Antraggegnerin (AG), eine Wohnungseigentümergemeinschaft, hatte keinen Verwalter. Der Antragsteller (AS) war einer der zwei Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, das andere Mitglied lehnte eine Fremdverwaltung ab. Nachdem ein in 2021 mit den Stimmen des AS gewählter wegen unüberbrückbarer Differenzen mit dem zweiten Mitglied der AG sein Amt niederlegte, beantragte der AS per einstweiliger Verfügung die gerichtliche Bestellung eines Verwalters. Das Amtsgericht wies den Antrag wegen fehlender Eilbedürftigkeit zurück. Die eingelegte Beschwerde war zwar zulässig, wurde aber vom Landgericht (LG) in der Sache zurückgewiesen.

Zunächst stellte sich für das LG die Frage, ob für die AG ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist ein selbständiges Rechtsgebilde und aktiv wie auch passiv parteifähig. Allerdings würde vorliegend die AG durch den weiteren Wohnungseigentümer vertreten, wie es auch vom AS in seiner Antragsschrift angegeben worden sei (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.07.2021 - 2-13 S 5/21 -).

Vom Grundsatz her vertrat das LG entgegen dem Amtsgericht die Auffassung, dass zumindest für eine vorübergehende Verwalterbestellung eine Eilbedürftigkeit angenommen werden könnte, da nach § 9b WEG eine Vertretung der AG nur durch einen Verwalter oder alle Eigentümer gemeinschaftlich möglich sei, was vorliegend wegen der Differenzen zwischen dem AS und dem weiteren Eigentümer kaum praktikabel sei.

Auch würde der Verfügungsanspruch bestehen, da in jeder Wohnungseigentümergemeinschaft ein Anspruch auf einen Verwalter bestünde. Auf eine erforderliche Vorbefassung der Eigentümer in einer Eigentümerversammlung könne hier, in einer zerstrittenen Zwei-Personen-WEG mit gleichem Stimmrecht verzichtet werden, zumal die Teilungserklärung für Beschlussfassungen Einstimmigkeit vorsehe.

Allerdings würde es hier an der Angabe eines übernahmewilligen Verwalters ermangeln, ohne dessen Angabe ein Verwalter nicht bestellt werden könne. Die Beschlussersetzung durch das Gericht trete an die Stelle der Beschlussfassung der Eigentümerversammlung. Der Prüfungsmaßstab für die Eigentümer und das Gericht für eine Verwalterbestellung sei damit identisch. Bei der Verwalterbestellung durch die Eigentümer handele es sich um eine Ermessensentscheidung und die Ermessensbasis könne nicht durch eine gerichtliche Beschlussersetzungsklage verringert werden. Mithin müssten die Parteien des Rechtsstreits im Rahmen des prozessualen Beibringungsgrundsatzes die zur Ermessensausübung erforderlichen Tatsachen vortragen, damit das Gericht in der Weise entscheiden könne, wie es an sich Aufgabe der Eigentümerversammlung sei. Es sei deshalb Sache des AS, geeignete Personen für die Verwalterbestellung vorzuschlagen, deren Konditionen für den Verwaltervertrag mitzuteilen und deren Zustimmung zur Übernahme durch gerichtliche Bestellung darzulegen (zumindest einer müsste entsprechend vorgeschlagen werden, LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.11.2019 - 2-13 T 82/19 -).

Der AS hatte vorgetragen keinen zur Übernahme bereiten Verwalter zu finden, da keiner die Verwaltung in einer zerstrittenen Zweier-Gemeinschaft übernehmen wolle.  Auch das Gericht könne niemanden zur Übernahme zwingen; es sei auch nicht Aufgabe des Gerichts, anstelle der Eigentümer einen übernahmebereiten Verwalter zu ermitteln.

Auch wenn man annehmen wollte, dass es sich um ein Gestaltungsurteil handele, bei dem das Gericht einen Ermessenspielraum habe, und ferner die Auffassung vertreten würde, dass der heutige § 44 Abs. 1 S. 2 WEG im Vergleich zu dem alten § 21 Abs. 3 WEG keine inhaltlichen Auswirkungen habe, sei es nicht Aufgabe des Gerichts die für die Entscheidung notwendigen Tatsachen, auch für eine Ermessensentscheidung, beizubringen, sondern Sache der Parteien. Der Vorgang sei nicht vergleichbar mit der Bestellung eines Insolvenzverwalters oder eines Betreuers, da dort das Gericht im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig würde. Die Stellung des WEG-Verwalters sei nicht ansatzweise vergleichbar, wobei auch in der gerichtlichen Praxis übernahmebereite Verwalter dem Gericht nicht bekannt seien.

Ob hier eine analoge Anwendung des § 29 BGB in Betracht komme könne auf sich beruhen, da der AS diesbezüglich keinen Antrag gestellt habe, der zudem in die freiwillige Gerichtsbarkeit falle und vom Rechtspfleger zu entscheiden sei (§ 3 Abs. 1 Nr. 1a RPflG).  Allerdings sei nach Auffassung der Kammer die Möglichkeit im Wohnungseigentumsrecht durch den Gesetzgeber in Form der Beschlussersetzungsklage abschließend geregelt.

Die Kammer wies in der Entscheidung auf Praxisdefizite der neuen Regelung gegenüber der bisherigen Regelung in § 27 Abs. 3 S. 3 WEG a.F. gerade für Kleinstgemeinschaften hin. Diese müsse aber der Gesetzgeber lösen.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.05.2022 - 2-13 T 26/22 -


Aus den Gründen:

Tenor

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG Fulda vom 6. April 2022 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragstellerin zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf die Gebührenstufe bis 2.000 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Mitglied der Antragsgegnerin, einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die außer dem Kläger nur noch aus einem weiteren Eigentümer besteht, dieser lehnt eine Fremdverwaltung ab. Nachdem ein im Jahre 2021 mit den Stimmen des Antragstellers kurzzeitig bestellter Verwalter sein Amt aufgrund unüberbrückbare Differenzen mit dem anderen Wohnungseigentümer niedergelegt hat, begehrt der Antragsteller mit einer einstweiligen Verfügung die Bestellung eines Verwalters. Der Antragsteller hat verschiedener Hausverwaltungen angeschrieben und ausschließlich Absagen erhalten, der Antragsschrift sind die Ablehnungen von sechs Hausverwaltungen beigefügt. Der Antragsteller ist der Auffassung, es bedürfe aufgrund der Differenzen der Eigentümer dringend einer Verwaltung durch einen neutralen Verwalter. Eine Verwalterbestellung sei erforderlich, weil Rechnungen zu bezahlen seien und es kein Verwalterkonto gebe, zudem habe es einen Wasserschaden gegeben, der einen eiligen Sanierungsbedarf auslöse, letztlich gebe es sicherheitsrelevante Instandhaltungsrückstände.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, da es an einem Verfügungsgrund fehle, eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht dargetan. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 567 Abs.1 Ziff.2, 569 ZPO). Auch wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft nur aus den beiden Eigentümern besteht, bedurfte es eines Verfahrenspflegers nicht, denn im vorliegenden Verfahren wird die Beklagte, wie dies auch der Antragsteller in der Antragsschrift ausgeführt hat, von dem anderen Wohnungseigentümer vertreten (vgl. zusammenfassend Kammer ZWE 2021, 467).

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, ob ein Verfügungsgrund tatsächlich nicht gegeben ist. Angesichts des von dem Antragsteller beschriebenen Verwaltungsbedarfs und der Tatsache, dass eine Vertretung nach § 9b Abs. 1 WEG nur durch den Verwalter oder alle Eigentümer gemeinsam, was vorliegend aufgrund der Differenzen zwischen den Eigentümern kaum praktikabel ist, möglich ist, dürfte allerdings viel dafür sprechen, dass zumindest für eine vorübergehende Verwalterbestellung eine Eilbedürftigkeit nicht von der Hand zu weisen wäre (ebenso BeckOGK/Greiner, 1.12.2021, WEG § 26 Rn. 343).

Der grundsätzliche Verfügungsanspruch besteht auch, denn jedenfalls nach der WEG-Reform 2020 besteht in jeder Gemeinschaft, auch in einer Zwei-Personen-Wohnungseigentümergemeinschaft, ein Anspruch auf einen Verwalter (vgl. zum alten Recht Kammer WuM 2017, 223). Es fehlt ebenfalls nicht an der erforderlichen Vorbefassung, denn auf diese kann in einer - wie hier - zerstrittenen Zwei-Personen-WEG mit gleichem Stimmrecht verzichtet werden, zumal die Teilungserklärung für Beschlussfassungen Einstimmigkeit vorsieht.

Vorliegend fehlt es allerdings an der Angabe übernahmewillige Verwalter, ohne diese kann die Kammer einen Verwalter nicht bestellen.

Denn die gerichtliche Beschlussersetzung tritt nur an die Stelle der Beschlussfassung durch die Eigentümerversammlung, wenn diese entgegen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung nicht einen erforderlichen Beschluss fasst. Demzufolge ist insoweit der Prüfungsmaßstab für die Eigentümer und das Gericht identisch. Insbesondere bei Ermessensentscheidungen, wozu die Verwalterbestellung gehört, kann nicht über die gerichtliche Beschlussersetzungsklage die Ermessensbasis verringert werden. Unter Beachtung des Beibringungsgrundsatzes haben die Parteien dem Gericht die zur Ermessensausübung erforderlichen Tatsachen vorzulegen, um dieses in die Lage zu versetzen, in der Weise zu entscheiden, wie es an sich die Aufgabe der Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung wäre. Dies bedingt, dass die Kläger gehalten sind, geeignete Personen für die Verwalterbestellung vorzuschlagen und die jeweiligen Konditionen des Verwaltervertrages nebst der Zustimmung zur Übernahme des Verwalteramtes durch gerichtliche Bestellung darzulegen (LG Dortmund ZWE 2017, 141; Kammer NZM 2020, 671 Rn. 13; LG Landau ZWE 2022, 94; BeckOK WEG/Elzer, 48. Ed. 1.3.2022, WEG § 44 Rn. 212; BeckOGK/Greiner, 1.12.2021, WEG § 26 Rn. 332; Lehmann-Richter ZWE 2022, 61, 66). Zumindest einen übernahmebereiten Verwalter muss der Antragsteller dem Gericht benennen (vgl. Kammer NZM 2020, 671).

Soweit dies dem Antragsteller nicht möglich war, weil - wie er ausführlich dargelegt hat - alle von ihm angefragten Verwalter (nachvollziehbar) zur Übernahme der Verwaltung in dieser Kleinstgemeinschaft, bei welcher ein Eigentümer eine Fremdverwaltung kategorisch ablehnt, nicht bereit waren, kann auch das Gericht keinen Verwalter zur Übernahme zwingen (Kammer ZWE 2020, 56 Rn. 10; LG Hamburg ZMR 2016, 724). Es ist auch nicht Aufgabe der Gerichte hier an Stelle der Eigentümer Ermittlungen zu betreiben, ob es einen übernahmebereiten Verwalter gibt.

Etwas anderes folgt, auch nicht daraus, dass es sich insoweit um ein Gestaltungsurteil handelt, bei dem das Gericht einen Ermessensspielraum hat (so aber Bruns ZWE 2022, 67, 71). Selbst wenn man der Auffassung ist, dass die Änderung des Wortlautes des § 44 Abs. 1 S. 2 WEG im Vergleich zu § 21 Abs. 8 WEG aF insoweit keine inhaltlichen Auswirkungen hat (dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 14 Rn. 139 ff.), ist es im Zivilverfahren Aufgabe der Parteien, dem Gericht die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachen beizubringen, dies betrifft auch Ermessensentscheidungen. Soweit hierzu darauf verwiesen wird, dass etwa bei der Bestellung eines Betreuers oder eines Insolvenzverwalters der Antragsteller die Auswahl dem Gericht überlassen kann (so Bruns aaO), so sind die Sachverhalte nicht miteinander vergleichbar. In diesen Fällen wird das Gericht im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig und bestellt einen – auch der gerichtlichen Kontrolle unterworfenen – Betreuer oder Insolvenzverwalter, die zudem üblicherweise auch ihre Bereitschaft zur generellen Amtsübernahme dem Gericht angezeigt haben. Eine entsprechende Stellung hat der WEG-Verwalter nicht ansatzweise, es gibt auch keine Praxis, dass übernahmebereite Verwalter den Gerichten bekannt sind.

Ob dem durch die WEG-Reform 2020 gesteigerten Bedürfnis nach einem Verwalter für die Handlungsfähigkeit einer Wohnungseigentümergemeinschaft insoweit durch eine analoge Anwendung des § 29 BGB nachgekommen werden kann (so Jennißen/Suilmann § 44 Rn. 176 mwN), bedarf hier keiner Entscheidung, denn ein derartiger Antrag im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der dann auch in die Zuständigkeit des Rechtspflegers fiele (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 a RPflG), ist vorliegend nicht gestellt worden. Nach Auffassung der Kammer dürften allerdings die besseren Argumente dafürsprechen, dass das Wohnungseigentumsgesetz die Möglichkeiten durch gerichtliche Hilfe einen Verwalter einzusetzen mit der Beschlussersetzungsklage aus Sicht des Gesetzgebers abschließend regelt (Jennißen/Zschieschack § 9b Rn. 79; ebenso Bruns ZWE 2022, 67, 71).

Die insoweit in der Praxis zu Tage tretenden Defizite, die vor allem mit der Abschaffung des § 27 Abs. 3 S. 3 WEG aF gerade für Kleinstgemeinschaften verbunden sind, lassen sich insoweit von der Rechtsprechung ohne einen Eingriff des Gesetzgebers sachgerecht nicht lösen. Jedenfalls besteht keine Handhabe durch die Gerichte einen tatsächlich bestehenden Mangel übernahmebereiter Verwalter für zerstrittene (Kleinst-)gemeinschaften zu beheben. Vorliegend besteht daher allenfalls die Möglichkeit, dass die Eigentümer sich (ggf. abwechselnd) zum Verwalter bestellen, wie dies auch hier in der Teilungserklärung angelegt ist, was dem Rechtsschutzziel des Antragstellers aber nicht entspricht, der ausdrücklich einen „neutralen“ Verwalter wünscht, weshalb die Kammer hiervon abgesehen hat. Insofern ist es Aufgabe der Eigentümer sich unter diesem Aspekt mit der Angelegenheit erneut zu befassen, zumal dies der andere Eigentümer auch nicht ablehnt.

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