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Freitag, 30. August 2024

WEG: Qualifizierte Mehrheit bei Änderung von Regelungen in Gemeinschaftsordnung und Öffnungsklausel

Die sogen. Öffnungsklausel betrifft Änderungen (zulässiger) Vereinbarungen der Wohnungseigentümer (Teilungserklärung / Gemeinschaftsordnung) nach § 10 Abs. 1 S. 2 WEG. Grundsätzlich bedarf die Änderung einer Vereinbarung der Mitwirkung sämtlicher Wohnungseigentümer. Neben gesetzlichen Öffnungsklauseln, nach denen eine Vereinbarung auch durch Beschluss geändert werden kann (z.B. §§ 16 Abs. 2 S. 2, 12 Abs. 4 und 21 Abs. 5 WEG) kann allerdings auch eine Öffnungsklausel vereinbart werden, also in die Gemeinschaftsordnung aufgenommen werden, nach der die Wohnungseigentümer allgemein oder in bestimmten Fällen nicht nur mittels einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer, sondern im Beschlussweg mit der (qualifizierten) Mehrheit eine Änderung vornehmen können.

Dem Rechtsstreit lag hier eine notariell bei Begründung des Wohnungseigentums 1984 protokollierte   und im Grundbuch gewahrte Gemeinschaftsordnung zugrunde, die u.a.  besagte, dass das Gebäude zu Wohnzwecken und gewerblichen Zwecken diene (Z. 2 Abs. 1) und der Bestimmungszweck des Gebäudes sowie der einzelnen Sondereigentumsräume „nur mit einer Mehrheit von ¾ aller stimmberechtigten Miteigentümer geändert werden kann“ (Z. 2. Abs. 4). Für die Änderung der Gemeinschaftsordnung sei ggf. zusätzlich die Zustimmung von Hypotheken- und Grundschuldgläubigern erforderlich (Z. 21 Abs. 1). Auf Antrag des Beteiligten wurde in einer Eigentümerversammlung vom 14.06.2022 mit Mehrheit der Beschluss gefasst, dass zum Einen die Vertretungsberechtigung in Bezug auf die Ausübung des Stimmrechts nicht mehr auf Miteigentümer oder den Verwalter beschränkt ist, und die Teileigentumseinheiten 02 und 03 in Wohnungseigentum umgewandelt werden können, wird dies vom jeweiligen Sondereigentümer gewünscht. Der Geschäftsführer der Verwaltung beantragte mit notarieller Urkunde die „Änderung der Teilungserklärung“ zu den benannten Beschlüssen in den Grundbüchern der Gemeinschaft einzutragen. Mit Zwischenverfügung wies das Grundbuchamt darauf hin, dass die Zustimmung der dingliche berechtigten in Abt. III der Grundbücher erforderlich sei und setzte zur Behebung eine Frist. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abhalf.

Das Beschwerdegericht hob zwar die Zwischenverfügung auf die Beschwerde hin auf, doch dürfte dies dem Beteiligten nicht weiterhelfen.

Das Beschwerdegericht wies darauf hin, dass dann, wenn der beantragten Eintragung ein Hindernis entgegen stehen würde, den Antrag entweder unter Angabe der Gründe zurückweisen oder (wie hier in der Sache geschehen) dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Behebung des Hindernisses setzen müsse (§ 18 Abs. 1 S. 1 GBO). Eine Zwischenverfügung (Hinweis mit Fristsetzung) käme aber nur dann in Betracht, wenn das Eintragungshindernis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragsstellung bei dem Grundbuchamt behoben werden könne (BGH, Beschluss vom 01.10.2020 - V ZB 51/20 -). Das Hindernis könne hier aber weder durch das vom Grundbuchamt aufgezeigte Abhilfemittel und schon gar nicht auf den Zeitpunkt der Antragsstellung behoben werden.

Dass für die vorgesehene Änderung der Vertretungsberechtigung bei der Stimmabgabe keine Öffnungsklausel für eine Änderung durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss vorläge, sei offenkundig, weshalb der entsprechende Beschluss nicht Grundlage für eine Eintragung im Grundbuch sein könne.  

Vorliegend hätten nicht alle Wohnungseigentümer Erklärungen abgegeben noch wären sie übereinstimmend. Streitbefangen seien Beschlüsse seien Beschlüsse die zwar auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung gerichtet seien, aber nicht auf Grund der Gemeinschaftsordnung gefasst worden seien.  Es würde eine entsprechende Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung fehlen.

Offen bleiben könne dabei, ob in Ansehung der Regelung unter Z. 2 Abs. 4 die Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum und umgekehrt durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss überhaupt geregelt sei oder es dort nur um Zweckbestimmungen gehe, also ob Wohnungseigentum auch gewerblich genutzt werden dürfe, was hier (noch) nicht streitgegenständlich sei.

In der Sache sei der Beschluss auf Umwandlung auf die Schaffung einer Öffnungsklausel gerichtet, aufgrund derer der Beteiligte als derzeitiger Eigentümer der Teileigentumsrechte ohne weitere Beteiligung der anderen Miteigentümer eine Umwandlung in Wohnungseigentum vornehmen könne. Ein entsprechender Änderungsvorbehalt sei in der Gemeinschaftsordnung bisher nicht geregelt, was bedeute, dass zunächst eine entsprechende Vereinbarung der Miteigentümer untereinander erforderlich sei. Diese Vereinbarung läge bisher nicht vor.

Unter Verweis auf § 10 Abs. 3 S. 2 WEG verwies das Beschwerdegericht darauf, dass Beschlüsse zur Wirksamkeit gegenüber Sondernachfolgern, die nicht aufgrund einer Vereinbarung ergehen würden, keiner Eintragung im Grundbuch bedürfen. Daraus folge zugleich deren fehlende Eintragungsfähigkeit (BGH, Beschluss vom 16.09.1994 - V ZB 2/93 -; hier wies der BGH auf die Notwendigkeit einer Anfechtung hin). 

An das Grundbuchamt erging durch das Beschwerdegericht der Hinweis, dass nicht eine Zwischenverfügung zur Vorlage einer Vereinbarung ergehen könne, da mittels der Zwischenverfügung nicht auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts hingewirkt werden könne, welches Grundlage einer einzutragenden Rechtsänderung werden könne.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 01.02.2024 - 1 W 378/23 -

Freitag, 10. Mai 2019

WEG: Zur allgemeinen Öffnungsklausel in der Teilungserklärung und Verbot kurzzeitiger Vermietungen


In der Teilungserklärung (TE) der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) war geregelt, dass eine vorübergehende oder wechselnde Vermietung der Wohnungen (z.B. an Feriengäste) gestattet sei. Ein Öffnungsklausel in der TE sah vor, dass mit einer Mehrheit von 75% aller Miteigentumsanteile die TE geändert werden kann. Mit einer entsprechenden Mehrheit fassten die Eigentümer am 29.03.2017 den Beschluss zur Änderung der TE, wonach nunmehr die Wohnungen nur noch zu Wohnzweken genutzt und vermietet werden dürften und die Überlassung an täglich oder wöchentlich wchselnde Feriengäste oder andere Personen zur kurzfristigen Beherbergung von Personen pp. ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Der Kläger hatte diesen Beschluss angefochten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen; auch der BGH wies die zugelassene Revision zurück.

Der Beschluss beinhalte keine Gebrauchsregelung iSv. § 15 Abs. 2 WEG, sondern eine Änderung der Vereinbarung iSv. § 15 Abs. 1 WEG. Würden Einheiten wie vorliegend zu Wohnzwecken dienen, sei dies als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter anzusehen. Die zulässige Wohnnutzung umfasse auch die Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste (BGH, Urteil vom 15.01.2010 - V ZR 72/09 -). Vorliegend sei auch ausdrücklich geregelt gewesen, dass eine entsprechende Vermietung zulässig sei. Die vorgenommene Änderung einer Vereinbarung durch Mehrheitsbeschluss bedürfe der formellen Legitimation durch Kompetenzzuweisung, die im Gesetz geregelt sein könne oder sich aus einer Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 S. 2 WEG) ergeben könne. Vorliegend erlaube die in der Teilungserklärung enthaltene allgemeine Öffnungsklausel, die Regelungen der Gemeinschaftsordnung (als Teil der Teilungserklärung) mit qualifizierter Mehrheit zu ändern, weshalb eine Beschlusskompetenz gegeben sei.

 Die Öffnungsklausel habe lediglich die Funktion, zukünftige Mehrheitsentscheidungen formell zu legitimieren, ohne sie materiell zu rechtfertigen. Daher sei ein Änderungsbeschluss auf der Grundlage einer Öffnungsklausel nicht bereits deshalb rechtmäßig, da er die Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfülle. Vielmehr seien insbesondere zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Diese ergäben sich aus §§ 134, 138m 242 BGB und den zum Kernbereich  des Wohnungseigentumsrechts zählenden Vorschriften, wozu auch unentziehbare und unverzichtbare Individualrechte gehören würden. Was nicht durch Vereinbarung geregelt werden könne, entziehe sich auch einer Regelung im Beschlussweg aufgrund einer Öffnungsklausel., weshalb ein gleichwohl gefasster Beschluss aus materiellen Gründen nichtig sei (BGH, Urteil vom 10.10.2014 - V ZR 315/13 -). Aber auch wenn es sich um ein unentziehbares, wohl aber verzichtbares Mitgliedschaftsrecht handele, sei der Beschluss aufgrund der Öffnungsklausel nur wirksam, wenn die hiervon nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen würden (BGH, Urteil vom 10.10.2014 - V ZR 315/13 - zur Überbürdung der bisher der Gemeinschaft obliegenden Instandhaltungspflicht auf einen Sondernutzungsberechtigten).

Vorliegend würde es sich um ein verzichtbares Individualrecht handeln, da die Wohnungseigentümer auf das ihnen bisher eingeräumte Recht zur kurzzeitigen Vermietung verzichten könnten, weshalb dies einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer zugänglich wäre.  

Die Zweckbestimmung würde vorgeben, wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden dürfe. Daher träfen Änderungen oder Einschränkungen in substanzieller Weise die Nutzung des Sondereigentums. Sie würden deshalb der Zustimmung des Eigentümers der Einheit bedürfen, deren Zweckbestimmung geändert werden soll, was sich aus einer verfassungskonformen Auslegung der allgemeinen Öffnungsklausel ergäbe, die dem Umstand Rechnung trage, dass das Sondereigentum als echtes Eigentum iSv. § 903 BGB und Art. 14 GG ausgestaltet sei. Gleiches gelte für Teileigentum.

Vermietungsverbote würden in die Zweckbestimmung des Wohnungseigentums eingreifen. Es würde zu einer massiven Einschränkung des in § 13 Abs. 1 WEG gewährleisteten Rechts jedes Wohnungseigentümers eingreifen, mit dem in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben zu verfahren und sie insbesondere zu vermieten. Dies Einschränkung könnte daher nur rechtmäßig sein, wenn nicht nur die aktuell vermietetenden, sondern alle Wohnungseigentümer zustimmen würden, denn auch die nicht vermietenden Eigentümer seien im Hinblick auf eine künftige Nutzung eingeschränkt.

 Dabei käme es nicht darauf an, dass zwar kein generelles, sondern nur ein spezielles Vermietungsverbot beschlossen worden sei. Auch dieses würde die zuvor weite Zwekbestimmung einschränken.

Das Eigentumsrecht der übrigen Wohnungseigentümer sei auch nicht außer Acht gelassen. Diesen würden bei Störungen durch Feriengäste durch Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigung durch Feriengäste Unterlassungsansprüche gem. § 15 Abs. 3 WEG zur Seite stehen.

Auch der Hinweis der Beklagten, die Regelung zu Feriengästen sei in die TE aufgrund eines „kollusivem Zusammenwirkens“ des Klägers mit dem Bauträger erst aufgenommen worden, verhelfe hier den Beklagten nicht weiter, da auch ohne diese Regelung die entsprechende Vermietung zulässig sei.  

Damit sei der Beschluss rechtswidrig, da der Kläger ihm nicht zugestimmt habe.

BGH, Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 112/18 -