Mit dem sogen. Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) wurde auch § 28 Abs. 5 WEG a.F. zu den Rechenwerken des Wirtschaftsplanes und der Jahresabrechnung geändert. Die Beschlussfassung bezieht sich nach dem jetzigen § 28 Abs. 1 S.1 und Abs. 2 S. 1 WEG nur noch auf die Vorschüsse, Anpassung der Vorschüsse und Nachforderungen. Dies führte zu vielen Fehlern in den folgenden Beschlussfassungen und Beschlüssen. Dies hat der zuständige V. Zivilsenat des BGH erkannt und verlangt eine objektive Auslegung der entsprechenden Beschlüsse. Bereits in seinem Beschluss vom 25.10.2023 - V ZB 9/23 - zu einem Beschluss, durch den „der Wirtschaftsplan genehmigt wird“ hatte er ausgeführt, dass dieser Beschluss nächstliegend dahingehend auszulegen sei, dass die Wohnungseigentümer damit lediglich die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Vorschüsse festlegen wollen.
In dem diesem Beitrag zugrunde liegenden Urteil hatte die Wohnungseigentümerversammlung den Beschluss gefasst, dass „die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes für den Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 … genehmigt“ werden und die „Abrechnungsspitzen … zum 01.09.2021 fällig“ würden. Das Amtsgericht hatte die dagegen erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Das Landgericht als Berufungsgericht hatte den Beschluss insoweit für nichtig erklärt, als mit diesem die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen genehmigt wurden. Die dagegen gerichtete Revision sah der BGH unter Fortführung seiner Rechtsprechung gemäß seinem Beschluss vom 25.10.2023 als begründet an.
Das Landgericht hatte die Nichtigkeit angenommen, da der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz nach § 28. Abs. 2 S. 1 WEG gefehlt habe, die sie entgegen der früheren Rechtslage nur zu Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan habe, zustehe, nicht aber für eine Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen. Eine gesetzeskonforme Auslegung käme hier nicht in Betracht, da nicht nur die Abrechnungsspitzen fällig gestellt worden seien, sondern nach dem Beschlusstext auch die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen genehmigt worden seien.
Der BGH stimmte dem Berufungsgericht dahingehend zu, dass nach der seit dem 01.12.2020 gültigen Fassung des § 28 Abs. 1 S. 1 WEG nach Ablauf des Wirtschaftsjahres nur noch über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung von Vorauszahlungen Beschlüsse gefasst werden können und auch nur insoweit entgegen vorheriger Rechtslage nur Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan (für das betroffene Jahr) erforderlich seien. Das Zahlenwerk, aus dem sich die Zahlungsverpflichtungen ergäben, sei nicht mehr Gegenstand der Beschlussfassung, sondern diene nur noch nach § 28 Abs. 2 S. 2 WEG deren Vorbereitung (BT-Drs. 19/18791, S. 77).
Unter Verweis auf seine Entscheidung vom 25.10.2023 verwies der BGH darauf, dass ein in 2020 gefasster Beschluss, durch den „der Wirtschaftsplan genehmigt“ werde, nächstliegend dahingehend auszulegen sei, dass damit lediglich die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Beträge (Vorschüsse) festgelegt würden. Er habe dort bereits darauf hingewiesen, dass Beschlüsse objektiv und „aus sich heraus“ auszulegen seien, wobei es maßgebend darauf ankäme, wie er nach seinem Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen sei. Dies spräche nächstliegend dafür, dass nach Inkrafttreten von § 28 Abs. 1 S. 1 WEG entsprechend dieser Norm nur über die Vorschüsse ein Beschluss gefasst werden sollte, auch wenn nach dem Wortlaut zugleich der Wirtschaftsplan genehmigt werden sollte.
Entsprechendes gelte auch für die Jahresabrechnung. Hier sei der Beschluss, durch den „die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes“ genehmigt würden, nächstliegend dahingehend auszulegen, dass damit nur ein Beschluss zu den in den Einzelabrechnungen ausgewiesenen Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorauszahlungen festgelegt werden sollen. Es sei auch hier davon auszugehen, dass die zu einer rechtmäßigen Verwaltung verpflichteten Wohnungseigentümer nicht das Zahlenwerk als solches genehmigen, sondern nur entsprechend der gesetzlichen Vorgabe einen Beschluss über die Abrechnungsspitze fassen wollten. Damit aber sei die Genehmigung auf die Abrechnungsspitzen beschränkt, wofür sich aus § 28 Abs. 2 S. 1 WEG die Beschlusskompetenz ergäbe.
BGH, Urteil vom 19.07.2024
- V ZR 102/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das
Urteil des Landgerichts Stuttgart - 10. Zivilkammer - vom 26. April 2023 im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wird, dass der
Beschluss der Wohnungseigentümer vom 28. Juli 2021 zu TOP 3 insoweit nichtig
ist, als die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen
des Hausgeldes für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020 in der
Fassung mit Druckdatum vom 11. Mai 2021 genehmigt wurden.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung
des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 25. Januar 2022
zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der
Kläger.
Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens beträgt 54.534,54 €.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist
Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) und
Eigentümer von zwei Wohnungen. In der Eigentümerversammlung vom 28. Juli 2021
fassten die Eigentümer zu TOP 3 folgenden Beschluss:
„Die
Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des
Hausgeldes für den Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 werden in der Fassung mit
Druckdatum vom 11.05.2021 genehmigt. Die Abrechnungsspitzen sind zum 01.09.2021
fällig.“
Das Amtsgericht
hat die dagegen gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen. Auf die Berufung des
Klägers hat das Landgericht das Urteil abgeändert und festgestellt, dass der
Beschluss zu TOP 3 insoweit nichtig ist, als die Gesamtabrechnung und die
daraus resultierenden Einzelabrechnungen genehmigt wurden. Mit der von dem
Senat beschränkt auf die Beschlusskompetenz zugelassenen Revision, deren
Zurückweisung der Kläger beantragt, will die Beklagte das Urteil des
Amtsgerichts wiederherstellen lassen.
Entscheidungsgründe
I.
Das
Berufungsgericht hält die Beschlussfassung zu TOP 3 bezüglich der Genehmigung
der Gesamt- und Einzelabrechnungen für nichtig, weil den Eigentümern insoweit
die Beschlusskompetenz gefehlt habe. Gegenstand eines Beschlusses nach
§ 28 Abs. 2 Satz 1 WEG seien im Gegensatz zu der vorherigen
Rechtslage nur Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- oder
Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan erforderlich seien. Für eine Genehmigung
des Abrechnungswerkes fehle daher die Beschlusskompetenz. Eine Auslegung des
Beschlusses, nach der die Eigentümer gesetzeskonform ausschließlich über die
Abrechnungsspitze abgestimmt hätten, komme nicht in Betracht. Im Beschlusstext
würden nicht nur die Abrechnungsspitzen fällig gestellt, sondern vorgehend die
Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen ausdrücklich genehmigt.
II.
Die Revision
ist begründet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der zu TOP 3
gefasste Beschluss nicht wegen mangelnder Beschlusskompetenz der GdWE nichtig.
1. Im
Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass nach der seit dem
1. Dezember 2020 geltenden Fassung des § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG
die Wohnungseigentümer nach Ablauf des Kalenderjahres über die Einforderung von
Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse beschließen.
Richtig ist auch, dass im Gegensatz zu der vorherigen Rechtslage nur
Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem
Wirtschaftsplan erforderlich sind, Gegenstand des Beschlusses nach § 28
Abs. 2 Satz 1 WEG sind (sog. Abrechnungsspitzen). Das
zugrundeliegende Zahlenwerk, aus dem diese Zahlungspflichten abgeleitet werden,
ist nicht mehr - wie zuvor nach § 28 Abs. 5 WEG aF - Gegenstand der
Beschlussfassung, sondern dient nach § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG
lediglich ihrer Vorbereitung (vgl. BT-Drs. 19/18791 S. 77).
2.
Dagegen hält die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beschluss lasse sich
nicht dahingehend auslegen, dass die Eigentümer gesetzeskonform und in Einklang
mit § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG ausschließlich über die
Abrechnungsspitzen abgestimmt hätten, der insoweit uneingeschränkten
Nachprüfung durch den Senat (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 17. April
2015 - V ZR 12/14, NJW-RR 2015, 847 Rn. 12) nicht stand.
a) Der
Senat hat bereits entschieden, dass ein nach dem 30. November 2020 gefasster
Beschluss, durch den „der Wirtschaftsplan genehmigt wird“, nächstliegend
dahingehend auszulegen ist, dass die Wohnungseigentümer damit lediglich die
Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Beträge (Vorschüsse)
festlegen wollen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Oktober 2023 - V ZB 9/23, NZM
2024, 42 Rn. 14). Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass Beschlüsse
objektiv und „aus sich heraus“ auszulegen sind. Dabei kommt es maßgebend darauf
an, wie der Beschluss nach seinem Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen
Betrachter nächstliegend zu verstehen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass
die Wohnungseigentümer im Zweifel keinen rechtswidrigen Beschluss fassen
wollen. Dies spricht nächstliegend dafür, dass die Wohnungseigentümer nach
Inkrafttreten des § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG entsprechend dieser
Vorschrift nur über die Höhe der Vorschüsse beschließen möchten, auch wenn nach
dem Wortlaut (zugleich) der Wirtschaftsplan genehmigt werden soll.
b) Diese
Überlegungen zur Auslegung eines auf den Wirtschaftsplan bezogenen Beschlusses
nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG gelten entsprechend für eine auf die
Jahresabrechnung bezogene Beschlussfassung gemäß § 28 Abs. 2
Satz 1 WEG. Ein nach dem 30. November 2020 gefasster Beschluss, durch den
„die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des
Hausgeldes“ genehmigt werden, ist nächstliegend dahingehend auszulegen, dass
die Wohnungseigentümer damit lediglich die Höhe der in den Einzelabrechnungen
ausgewiesenen Nachschüsse oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse
festlegen wollen. Auch insoweit ist davon auszugehen, dass die zu einer
rechtmäßigen Verwaltung verpflichteten Wohnungseigentümer nicht das Zahlenwerk
als solches genehmigen, sondern nur - wie gesetzlich vorgesehen - einen
Beschluss über die Abrechnungsspitze fassen möchten.
c) Daran
gemessen ist der zu TOP 3 gefasste Beschluss dahingehend auszulegen, dass er
sich auf die Genehmigung der Abrechnungsspitzen beschränkt. Die hierfür
erforderliche Beschlusskompetenz ergibt sich aus § 28 Abs. 2
Satz 1 WEG.
III.
1. Das
Berufungsurteil ist damit nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Da die
Beschlusskompetenz gegeben und die Sache zur Endentscheidung reif ist
(§ 563 Abs. 3 ZPO), ist die Berufung des Klägers insoweit
zurückzuweisen, als sie sich gegen die Abweisung der auf den Beschluss zu TOP 3
bezogenen Klage richtet.
2. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92
Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit der Kläger mit seiner Anfechtungsklage
hinsichtlich des zu TOP 4b gefassten Beschlusses obsiegt hat, war das damit
verbundene (Teil-)Unterliegen der Beklagten verhältnismäßig geringfügig und hat
keine höheren Kosten verursacht.
3. Die Wertfestsetzung beruht auf § 49 Satz 1 GKG. Bei Beschlussklagen der vorliegenden Art bemisst sich der Streitwert grundsätzlich nach dem Nennbetrag der Jahresabrechnung (vgl. Senat, Urteil vom 24. Februar 2023 - V ZR 152/22, ZWE 2023, 284 Rn. 21 ff.; Beschluss vom 9. November 2023 - V ZB 67/22, NJW 2024, 761 Rn. 8).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen