Die E-Mobilität ist auch in der Rechtsprechung angekommen. So hat sich schon mancher die Frage gestellt, wie leicht ein E-Autos Feuer fangen kann und wie schwer es ist, dieses zu löschen. Und die weitergehende Frage daraus ist, ob das Fahrzeug in einer (Tief-) Garage geparkt werden sollte oder nicht. Das AG Wiesbaden musste sich nun damit auseinandersetzen, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss das Abstellen von E-Autos in Tiefgaragen verbieten kann. Dies wurde vom Amtsgericht verneint, welches damit den entsprechenden Beschluss für unwirksam erklärte. Es bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte und Instanzgerichte dem folgen oder anders entscheiden.
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der WEG und Klageerhebung wurde der der Wohnung des Klägers zugeordnete Tiefgaragenstellplatz von einem Mieter des Klägers für ein Hybrid-Fahrzeug genutzt. Nach dem angefochtenen Beschluss wurde das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt. Der Klägervertrat die Ansicht, der Eigentümerversammlung ermangele es an einer Beschlusskompetenz und zudem greife der Beschluss in sein Sondernutzungsrecht ein und verstoße gegen die gesetzgeberische Zielsetzung der Förderung der Elektromobilität. Die Beklagtenseite wies u.a. auf die Gefahr durch die Lithium-Ionen-Batterien hin, mit denen die Fahrzeuge betrieben würden und die sich entzünden könnten. Nicht nur sei die Dauer des Brandverlaufs länger als bei einem Benzinbrand, es könne nicht mit Löschschaum gelöscht werden und das Fahrzeug müsste von der Feuerwehr in einen Container zum Ausbrennen gezogen werden, wobei ein solcher Container nicht in die Tiefgarage verbracht werden könne, weshalb er mit einer weitergehenden Gefahr für das Gemeinschaftseigentum in der Tiefgarage ausbrennen müsse.
Das Amtsgericht bejahte die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung gem. § 19 Abs. 1 WEG. Es handele sich danach vorliegend um Nutzungsreglungen des Gemeinschafts- und Sondereigentums. Zwar sei ein solcher Beschluss nichtig, wenn er das Sondernutzungsrecht aushöhle, doch würde diese Grenze durch den Beschluss nicht überschritten, da nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt würde.
Allerdings verstoße der Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Gesetzgeber habe jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individuelles Recht auf Gestattung baulicher Maßnahmen gegeben, die dem Laden elektrisch beriebener Fahrzeuge dienen, § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Dieses Recht würde mit dem Beschluss ins Leere laufen. Die einzelnen Wohnungseigentümer könnten zwar die Installation einer Ladesäule erzwingen, sie dann aber nicht nutzen. Es läge damit ein Verstoß gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform vor. Vor diesem Hintergrund verstoße der Beschluss selbst dann gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn man zugunsten der Beklagtenseite die besondere Brandgefahr von Elektrofahrzeugen als wahr unterstelle.
Anmerkung: Das Amtsgericht hat sich im Hinblick auf die Grundlage einer gesetzgeberischen Intention, der Norm des § 20 Abs. 2 WEG und den Grundlagen ordnungsgemäßer Verwaltung nicht mit der Frage der akuten Brandgefahr und erhöhten Gefährdung des Gemeinschaftseigentums auseinandergesetzt. Zu fragen wäre hier, ob die gesetzgeberische Intention mit dem Grundrecht der Gewährleistung des Eigentum sin Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar ist. Zwar steht dieses unter Gesetzesvorbehalt, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Grundsätzlich gewährleistet Art. 14 GG einen verfassungsrechtlichen Schutz gegen staatliche Eingriffe in das Eigentum und gewährleistet einen effektiven Rechtsschutz. Danach dürfen solche Sachbereiche nicht der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören (BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 - I BvR 638/64 -). Hier geht es gerade um diesen vermögensrechtlichen Bereich, wenn seitens der Eigentümergemeinschaft eine nicht kalkulierbare Gefährdung des Gemeinschaftseigentums bei Brand derartiger Fahrzeuge geltend macht. So wird teilweise vorgegeben, dass bei Parkern mit Hebebühne der untere Parker nicht unter den Fußboden der Garage gefahren werden darf, damit die Feuerwehr im Brandfall auch Zugriff hat. Der Brandschutz ist ein wesentliches Element des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens, gerade bei Mehrfamilienhäusern, auch in Bezug auf Tiefgaragen. So gilt es auch Regelungen zur Menge der Lagerung von brennbaren Stoffen in Garagen (vgl. 17 Abs. 4 bay. GaStellV). Es dürfte zumindest fraglich sein, ob hier die gesetzgeberische Intention der Förderung der Elektromobilität zu Lasten des Eigentum Dritter vorgeht. Damit hätte sich das Amtsgericht auseinandersetzen müssen.
AG Wiesbaden, Urteil vom 04.02.2022
- 92 C 2541/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Der Beschluss
der Eigentümerversammlung vom 24.08.2021 zu TOP 11 wird für ungültig erklärt.
Die Beklagte
hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beklagte
ist die Wohnungseigentümergemeinschaft A in Wiesbaden. Die Klägerin ist
Eigentümerin des Sondereigentums an einer Erdgeschosswohnung verbunden mit dem
Sondernutzungsrecht an einem Tiefgaragenstellplatz. Die Wohnung der Klägerin
nebst Tiefgaragenstellplatz war zum Zeitpunkt der Klageerhebung vermietet. Der
Mieter nutzte ein Hybrid-Fahrzeug, das er auf dem angemieteten Stellplatz in
der Tiefgarage abstellte. Dieses Mietverhältnis ist zwischenzeitlich beendet.
In der
Eigentümerversammlung am 24.08.2012 beschlossen die Wohnungseigentümer unter
TOP 11 mehrheitlich, dass das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf
weiteres untersagt wird. Wegen des genauen Wortlauts des Beschlusses wird auf
das Versammlungsprotokoll (Bl. 27 d.A.) Bezug genommen.
Dieser
Beschluss wird von der Klägerin mit der vorliegenden Klage angefochten. Die
Klägerin ist der Auffassung, der Beschluss sei bereits wegen mangelnder
Beschlusskompetenz nichtig. Der Beschluss greife unzulässigerweise in das
Sondernutzungsrecht der Klägerin ein und verstoße gegen das gesetzgeberische
Ziel der Förderung der Elektromobilität.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss der Eigentümerversammlung
vom 24.08.2021 zu TOP 11 für ungültig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten
sind der Auffassung, die Klägerin besitze für die Anfechtungsklage kein
Rechtsschutzbedürfnis, da das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein
Hybrid-Fahrzeug nutzte, mittlerweile beendet ist. Die Beklagte behauptet, es
bestehe die Gefahr, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit den
Elektrofahrzeuge betrieben werden, entzünden. Komme es zu einem Brand, sei die
Dauer des Brandverlaufs länger als bei einem Benzinbrand. Hinzu komme, dass ein
Brand einer solchen Batterie - im Gegensatz zu einem Benzinbrand - nicht mit
Löschschaum gelöscht werden könne. Ein Elektrofahrzeug müsse im Brandfall durch
die Feuerwehr in einen Container gezogen werden, um dort auszubrennen. Das
Hineinfahren mit einem solchen Container sei in der Tiefgarage des Anwesens
nicht möglich. Somit müsste in einem Brandfall das Elektroauto in der
Tiefgarage ausbrennen, was eine nicht hinzunehmende Gefahr für das
Gemeinschaftseigentum darstelle. Somit diene die beschlossene Einschränkung der
Nutzung des Sondernutzungsrechts dem Schutz des Gemeinschaftseigentums und
entspreche daher ordnungsgemäßer Verwaltung.
Wegen des
weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist
zulässig. Das Amtsgericht Wiesbaden ist gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 4
WEG ausschließlich zuständig.
Die Klägerin
besitzt auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Da das Anfechtungsrecht
nicht dem persönlichen Interesse des Anfechtenden dient, sondern dem Interesse
aller Wohnungseigentümer auf ordnungsgemäße Verwaltung, muss der anfechtende
Wohnungseigentümer durch den angefochtenen Beschluss nicht persönlich betroffen
sein (s. BGH Beschluss vom 17.07.2003 Az. V ZB 11/03 zitiert nach juris). Somit
lässt die Tatsache, dass das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein
Hybrid-Fahrzeug nutzt, mittlerweile beendet ist, das Rechtsschutzbedürfnis der
Klägerin nicht entfallen.
Die Klage ist
auch begründet.
Die
Anfechtungsklage wurde fristgerecht eingereicht und begründet (§ 45
S. 1 WEG) und demnächst zugestellt (§ 167 ZPO).
Entgegen der
Auffassung der Klägerin ist der angegriffene Beschluss nicht mangels
Beschlusskompetenz nichtig. Gemäß § 19 Abs. 1 WEG besitzen die
Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz Nutzungsregelungen hinsichtlich des
Gemeinschafts- und des Sondereigentums zu treffen. Der angegriffene Beschluss
ist durch diese Beschlusskompetenz gedeckt. Die Klägerin weist zwar zu Recht
darauf hin, dass ein solcher Beschluss über eine Nutzungsregelung nichtig ist,
wenn sie das Sondernutzungsrecht „aushöhlt“ (s. Hügel/Elzer „WEG“ 3. Aufl. 2021
§ 23 Rdnr. 8 Stichwort „Sondernutzungsrecht“), diese Grenze wird jedoch
durch den angegriffenen Beschluss nicht überschritten, da dieser nur das Abstellen
bestimmter Fahrzeuge untersagt, so dass die zweckbestimmte Nutzung der
Sondernutzungsfläche als Pkw-Abstellfläche erhalten bleibt.
Der
angegriffene Beschluss verstößt jedoch gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer
Verwaltung. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber
jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individuelles Recht auf die Gestattung
baulicher Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen,
gegeben (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Dieser individuelle Anspruch,
der nicht abdingbar ist (s. Hügel/Elzer a.a.O. § 20 Rdnr. 188), würde
durch den angegriffenen Beschluss ins Leere laufen. Der einzelne
Wohnungseigentümer könnte zwar die Installation einer Lademöglichkeit
erzwingen, könnte sie jedoch anschließend nicht nutzen. Damit verstößt der
angegriffene Beschluss gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der
WEG-Reform, da die Schaffung von Ladeinfrastruktur die „Triebfeder“ der
WEG-Reform war (so Dötsch/Schultzky/Zschieschack „WEG-Recht 2021“ Kapitel 6
Rdnr. 169) und macht einen individuellen Rechtsanspruch zunichte. Daher
verstößt der angegriffene Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer
Verwaltung, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten die behauptete besondere
Brandgefahr von Elektrofahrzeugen als wahr unterstellt.
Die Beklagte
hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708
Nr. 11, 711 ZPO.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen