Montag, 28. März 2022

WEG: Folgenbeseitigungsanspruch bei rechtskräftig für unwirksam erklärten Beschlüssen

1. Im Mai 2017 beschloss die Eigentümerversammlung der WEG die Erneuerung der Wohnungseingangstüren und die Vergabe des Auftrags an einen Handwerksbetrieb (unter Zahlung eines Vorschusses in Höhe von € 100.000,00). Der Beschluss wurde angefochten.

Während des laufenden gerichtlichen Anfechtungsverfahrenswurde der Beschluss aufgehoben und ein neuer Beschluss gefasst, der dann auch angefochten wurde und rechtskräftig aufgehoben wurde.

Der Handwerksbetrieb baute nur 31 Türen ein und stellte den Einbau der restlichen 92 Türen mit Hinweis auf das (zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene) Anfechtungsverfahren ein.

Daraufhin fasste die Eigentümerversammlung den Beschluss, den Handwerksbetrieb unter Fristsetzung zum Einbau der restlichen Türen aufzufordern und nach Fristablauf vom Vertrag zurückzutreten, ferner ggf. den gezahlten Vorschuss gerichtlich geltend zu machen. Die Kläger des vorliegenden Verfahrens haben den Beschluss angefochten. Nachdem der Handwerksbetrieb die Türen nicht eingebaut hatte und zwischenzeitlich infolge der im Beschluss vorgesehen und durchgeführten Klage ein rechtskräftiges Versäumnisurteil gegen den Handwerksbetrieb auf Rückzahlung erging, wurde von den Parteien der Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und das Amtsgericht hatte nach § 91a ZPO über die Kosten zu entscheiden. Er hatte den Beklagten die Kosten auferlegt, die dagegen sofortige Beschwerde einlegten.  Diese wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

2. Nach § 91a ZPO ist bei einem in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits vom Gericht nach billigen Ermessen nach dem Sach- und Rechtsstand des aktuellen Streitstandes zu entscheiden.

Der Verwalter sei gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG a.F. nach dem ursprünglichen Beschluss verpflichtet gewesen, den Beschluss umzusetzen, wobei diese Verpflichtung solange bestanden habe, bis der Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt worden sei, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG.  Der Verwalter sei mithin zur Beauftragung verpflichtet gewesen.

Die gerichtliche Feststellung der Ungültigkeit des Beschlusses wirke sich nicht auf das Vertragsverhältnis der WEG zum Handwerksbetrieb aus, da der Beschluss nur die interne Willensbildung der WEG beträfe.

Allerdings sei zu prüfen, ob nach Rechtskraft der Ungültigkeitserklärung des Beschlusses es immer noch ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, die Erfüllung des Vertrages vom Vertragspartner geltend zu machen. Innerhalb der WEG sei bestünde ein Folgenbeseitigungsanspruch mit der Folge, dass die Auswirkungen des unwirksamen Beschlusses soweit wie möglich rückgängig gemacht würden. Beträfe dieser Folgenbeseitigungsanspruch einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt, habe die Gemeinschaft einen weiten Ermessensspielraum, was bei einer entsprechenden Kosten-Nutzen-Analyse es auch rechtfertigen könne, von der Rückgängigmachung der Beschlussfolgen abzusehen. (Ob im Falle eines Absehens von der Rückgängigmachung Nachteile von Eigentümern auszugleichen seien, sei eine Frage des Einzelfalls, heute geregelt in § 14 Abs. 3 WEG).

Vorliegend seien die Baumaßnahmen rechtskräftig als nicht ordnungsgemäß eingestuft worden. Damit sei alles zu unternehmen, um eine Vertiefung des Zustandes im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu verhindern. Sei der unwirksame Beschuss noch nicht vollständig vollzogen, habe eine weitere Beschlussumsetzung zu unterbleiben. Darüber hinaus erfasse der Folgenbeseitigungsanspruch auch Verträge mit Dritten, die noch nicht vollständig tätig geworden seien. In diesem Fall müssten alle zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, weitere Maßnahmen des Vertragspartners zu verhindern. Dazu gehöre das Anstreben einer einvernehmlichen Vertragsauflösung oder bei Werkverträgen (wie hier) auch die Kündigungsmöglichkeit nach § 648a BGB.

Eine derartige Vertragsbeendigung sei aber nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Beschlusses gewesen, wonach dem Handwerksbetrieb zunächst eine Frist zur Leistungserbringung gesetzt werden sollte. Damit habe für die Gemeinschaft ein erhebliches Risiko bestanden, dass die beauftragten Arbeiten durchgeführt würden und diese der Gefahr ausgesetzt, die nutzlosen, gegebenenfalls im Rahmen der Folgenbeseitigung Arbeiten mit entsprechenden Aufwand rückabzuwickeln.

Der Umstand, dass es dazu infolge der endgültigen Arbeitseinstellung des Handwerksbetriebs nicht gekommen sei, ist nicht entscheidend. Abzustellen sei hier für die Ordnungsgemäßheit des Beschlusses nicht der Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren, sondern der Kenntnisstand der Eigentümerversammlung bei der Beschlussfassung. Da zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar war, dass der Handwerksbetrieb seien Arbeiten endgültig einstellen würde und mithin die Gefahr der Erfüllung durch diesen bestanden habe, habe der Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23.11.2021 - 2-13 T 71/21 -


Aus den Gründen:

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des AG Seligenstadt vom 10.09.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Mai 2017 hatten die Eigentümer die Erneuerung sämtlicher Wohnungseingangstüren und die Vergabe des Auftrages an ein Handwerksunternehmen beschlossen. Während des laufenden Beschlussanfechtungsverfahrens wurde der Beschluss aufgehoben und neu gefasst. Auch dieser Beschluss wurde angefochten und rechtskräftig für ungültig erklärt. Der Verwalter erteilte während des laufenden Anfechtungsverfahrens den Auftrag an den Handwerker. Dieser erhielt vertragsgemäß einen Vorschuss von rund 100.000 €. Er baute jedoch lediglich 31 Türen ein und stellte die Arbeit dann unter Verweis auf das laufende Anfechtungsverfahren ein.

Auf der Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2020 fassten die Eigentümer sodann den Beschluss, den Handwerker zunächst außergerichtlich zum Einbau der restlichen 92 Türen unter Fristsetzung aufzufordern und nach Fristablauf vom Vertrag zurückzutreten und den gezahlten Vorschuss gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen.

Die Kläger haben diesen Beschluss angefochten, da sie der Auffassung sind, nach Ungültigerklärung der Beschlüsse über den Einbau der Türen, dürfe die Eigentümergemeinschaft keine Aktivitäten entfalten, die dazu führen könnten, dass es zum Einbau kommt. Die Beklagten sind der Auffassung, ohne die beschlossene Vorgehensweise sei ein Rücktritt nicht möglich.

Nachdem der Handwerker die Türen nicht eingebaut hat und zwischenzeitlich mit einem rechtskräftigen Versäumnisurteil zur Rückzahlung der Vorschüsse verurteilt worden ist, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmen für erledigt erklärt. Das Amtsgericht hat die Kosten des Verfahrens den Beklagten auferlegt, da es der Auffassung war, durch die Aufforderung zum Einbau der Türen wäre der für ungültig erklärte Beschluss weiter vollzogen worden. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 91a Abs. 2, 569 ZPO statthaft und zulässig. Sie hat keinen Erfolg.

In Folge der übereinstimmenden Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO) war nur noch über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Grundlage der Entscheidung ist lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten bedeutsame Rechtsfragen zu entscheiden (vgl. nur BGH NJW-RR 2009, 422).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die Entscheidung des Amtsgerichts als ermessensfehlerfrei. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen werden.

Zutreffend ist allerdings zunächst, dass der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG aF ursprünglich verpflichtet war, den gefassten Wohnungseigentümerbeschluss umzusetzen, denn dieser war bis zu seiner rechtskräftigen Ungültigerklärung wirksam (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG). Daher war der Verwalter unabhängig von der Frage eines Anfechtungsverfahrens nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, den Beschluss zu vollziehen (BGH NJW 2018, 3305), hier also der Vertrag mit dem Handwerkerunternehmen abzuschließen. Zutreffend ist ebenfalls, dass die Ungültigerklärung des Beschlusses auf das Vertragsverhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Handwerksunternehmen keinen Einfluss hat, so dass die in diesem Verhältnis bestehenden wechselseitigen Leistungspflichten unberührt bleiben. Denn die Ungültigerklärung eines Beschlusses betrifft alleine die interne Willensbildung der Eigentümergemeinschaft und hat daher auf das Außenverhältnis keine Auswirkungen (näher Zschieschack, FS Riecke, 2019, 477 = ZMR 2020, 387).

Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob es (noch) ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn die Wohnungseigentümer nach rechtskräftiger Ungültigerklärung eines Beschlusses weiterhin gegenüber ihrem Vertragspartner die Erfüllung des eingegangenen Vertrages begehren. Insoweit ein Beschluss für ungültig erklärt worden ist, besteht innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Folgenbeseitigungsanspruch, d.h. die Wohnungseigentümer müssen versuchen die Folgen des nunmehr als nicht ordnungsgemäß erkannten Beschlusses soweit wie möglich rückgängig zu machen (vgl. nur Bärmann/Becker, WEG, § 27 Rn. 23; Jennißen/Zschieschack, WEG, § 27 Rn. 20; Jennißen/Schultzky, WEG, § 23 Rn. 213). Soweit dies bereits abgeschlossene Sachverhalte betrifft, ist allerdings ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum der Gemeinschaft anerkannt, so dass es im Einzelfall auch ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann, im Hinblick auf eine Kosten-Nutzen-Analyse von der Rückgängigmachung von Beschlussfolgen abzusehen (näher auch zum Streitstand LG München I ZMR 2020, 687; vgl. ferner BGH NZM 2019, 788; Kammer NZM 2021, 203 zur Rechtslage bei unzulässigen baulichen Veränderungen).

Ob in einem Fall, indem von der Rückgängigmachung der Beschlusswirkungen abgesehen wird, gegebenenfalls eventuelle Nachteile einzelner Eigentümer, die mit dem nicht ordnungsgemäßen Beschluss verbunden sind, anderweitig auszugleichen sind, dürfte insoweit eine Frage des Einzelfalls sein (vgl. nun § 14 Abs. 3; dazu unter dem Blickwinkel baulicher Veränderungen Dötsch ZWE 2021, 341 (348)).

Hierum geht es im vorliegenden Fall allerdings nicht, denn die Baumaßnahmen, die rechtskräftig als nicht ordnungsgemäß eingestuft waren, sind noch nicht durchgeführt worden. In einem derartigen Fall ist Teil des Folgenbeseitigungsanspruches, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft alles in ihrer Macht Stehende zu tun hat, um eine Vertiefung des Zustandes zu vermeiden, der nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Soweit ein Beschluss daher noch nicht vollständig vollzogen ist, hat eine weitere Beschlussumsetzung in jedem Falle zu unterbleiben. Der Folgenbeseitigungsanspruch geht aber darüber hinaus und erfasst auch Fälle, in denen der Beschluss zwar insoweit vollzogen ist, als ein Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen wurde, dieser aber seinerseits noch nicht (vollständig) tätig geworden ist. Hier muss die Gemeinschaft alle zumutbaren Anstrengungen entfalten, um zu verhindern, dass durch weitere Maßnahmen des Vertragspartners der für sie bestehende Folgenbeseitigungsaufwand erhöht wird oder gar eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes unmöglich wird (näher Jennißen/Schultzky, WEG, § 23 Rn. 213 f.). Dieses bedeutet bei einem noch nicht durchgeführten Vertrag, wie hier, dass alle Möglichkeiten zur Vertragsauflösung ergriffen werden müssen, wozu vor allem auch eine einvernehmliche Vertragsauflösung gehört, oder bei Werkverträgen – wie hier – von der Kündigungsmöglichkeit des § 648 BGB Gebrauch zu machen.

Eine derartige Vertragsbeendigung war vorliegend allerdings nicht Gegenstand der Beschlussfassung, sondern der Handwerker sollte unter Fristsetzung zunächst zur weiteren Leistungserbringung aufgefordert worden, um dann kündigen zu können. In dieser Beschlussfassung lag, worauf das Amtsgericht zutreffend abgestellt hat, für die Gemeinschaft ein erhebliches Risiko, dass die beauftragten Arbeiten durchgeführt werden und sich hierdurch die Gemeinschaft nutzloser, da gegebenenfalls im Rahmen eines Folgenbeseitigungsanspruches rückabzuwickelnder Aufwendungen, ausgesetzt sieht.

Dass es im Ergebnis nicht dazu gekommen ist, sondern der Handwerker die Arbeiten endgültig eingestellt hat, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, denn entscheidend für die Bemessung der Ordnungsgemäßheit eines Beschlusses ist nicht die Sach- und Rechtslage bei Schluss der mündlichen Verhandlung, sondern der Kenntnisstand der Eigentümer zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung (Kammer WuM 2020, 382). Hier war für die Eigentümer weder zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch im Vorfeld erkennbar, dass der Handwerker den Vertrag nicht erfüllen werde, sondern es bestand - worauf die Anfechtungsbegründung zutreffend hinweist - die Erwartung, dass der Auftrag erfüllt werde. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob gegebenenfalls in Ausnahmefällen, wenn ersichtlich ist, dass eine Vertragsauflösung durch einen Rücktritt möglich ist und ausgeschlossen ist, dass die Fristsetzung zur Leistungserbringung führt, ein Beschluss über diesen Weg nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann.

Nach alledem war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Gründe die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestehen nicht, da in Verfahren nach § 91a ZPO die Rechtsbeschwerde nicht zur Klärung von materiellen Fragen zugelassen werden darf.


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