1. Im Mai 2017 beschloss die Eigentümerversammlung der WEG die Erneuerung der Wohnungseingangstüren und die Vergabe des Auftrags an einen Handwerksbetrieb (unter Zahlung eines Vorschusses in Höhe von € 100.000,00). Der Beschluss wurde angefochten.
Während des laufenden gerichtlichen Anfechtungsverfahrenswurde der Beschluss aufgehoben und ein neuer Beschluss gefasst, der dann auch angefochten wurde und rechtskräftig aufgehoben wurde.
Der Handwerksbetrieb baute nur 31 Türen ein und stellte den Einbau der restlichen 92 Türen mit Hinweis auf das (zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene) Anfechtungsverfahren ein.
Daraufhin fasste die Eigentümerversammlung den Beschluss, den Handwerksbetrieb unter Fristsetzung zum Einbau der restlichen Türen aufzufordern und nach Fristablauf vom Vertrag zurückzutreten, ferner ggf. den gezahlten Vorschuss gerichtlich geltend zu machen. Die Kläger des vorliegenden Verfahrens haben den Beschluss angefochten. Nachdem der Handwerksbetrieb die Türen nicht eingebaut hatte und zwischenzeitlich infolge der im Beschluss vorgesehen und durchgeführten Klage ein rechtskräftiges Versäumnisurteil gegen den Handwerksbetrieb auf Rückzahlung erging, wurde von den Parteien der Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und das Amtsgericht hatte nach § 91a ZPO über die Kosten zu entscheiden. Er hatte den Beklagten die Kosten auferlegt, die dagegen sofortige Beschwerde einlegten. Diese wurde vom Landgericht zurückgewiesen.
2. Nach § 91a ZPO ist bei einem in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits vom Gericht nach billigen Ermessen nach dem Sach- und Rechtsstand des aktuellen Streitstandes zu entscheiden.
Der Verwalter sei gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG a.F. nach dem ursprünglichen Beschluss verpflichtet gewesen, den Beschluss umzusetzen, wobei diese Verpflichtung solange bestanden habe, bis der Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt worden sei, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG. Der Verwalter sei mithin zur Beauftragung verpflichtet gewesen.
Die gerichtliche Feststellung der Ungültigkeit des Beschlusses wirke sich nicht auf das Vertragsverhältnis der WEG zum Handwerksbetrieb aus, da der Beschluss nur die interne Willensbildung der WEG beträfe.
Allerdings sei zu prüfen, ob nach Rechtskraft der Ungültigkeitserklärung des Beschlusses es immer noch ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, die Erfüllung des Vertrages vom Vertragspartner geltend zu machen. Innerhalb der WEG sei bestünde ein Folgenbeseitigungsanspruch mit der Folge, dass die Auswirkungen des unwirksamen Beschlusses soweit wie möglich rückgängig gemacht würden. Beträfe dieser Folgenbeseitigungsanspruch einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt, habe die Gemeinschaft einen weiten Ermessensspielraum, was bei einer entsprechenden Kosten-Nutzen-Analyse es auch rechtfertigen könne, von der Rückgängigmachung der Beschlussfolgen abzusehen. (Ob im Falle eines Absehens von der Rückgängigmachung Nachteile von Eigentümern auszugleichen seien, sei eine Frage des Einzelfalls, heute geregelt in § 14 Abs. 3 WEG).
Vorliegend seien die Baumaßnahmen rechtskräftig als nicht ordnungsgemäß eingestuft worden. Damit sei alles zu unternehmen, um eine Vertiefung des Zustandes im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu verhindern. Sei der unwirksame Beschuss noch nicht vollständig vollzogen, habe eine weitere Beschlussumsetzung zu unterbleiben. Darüber hinaus erfasse der Folgenbeseitigungsanspruch auch Verträge mit Dritten, die noch nicht vollständig tätig geworden seien. In diesem Fall müssten alle zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, weitere Maßnahmen des Vertragspartners zu verhindern. Dazu gehöre das Anstreben einer einvernehmlichen Vertragsauflösung oder bei Werkverträgen (wie hier) auch die Kündigungsmöglichkeit nach § 648a BGB.
Eine derartige Vertragsbeendigung sei aber nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Beschlusses gewesen, wonach dem Handwerksbetrieb zunächst eine Frist zur Leistungserbringung gesetzt werden sollte. Damit habe für die Gemeinschaft ein erhebliches Risiko bestanden, dass die beauftragten Arbeiten durchgeführt würden und diese der Gefahr ausgesetzt, die nutzlosen, gegebenenfalls im Rahmen der Folgenbeseitigung Arbeiten mit entsprechenden Aufwand rückabzuwickeln.
Der Umstand, dass es dazu infolge der endgültigen Arbeitseinstellung des Handwerksbetriebs nicht gekommen sei, ist nicht entscheidend. Abzustellen sei hier für die Ordnungsgemäßheit des Beschlusses nicht der Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren, sondern der Kenntnisstand der Eigentümerversammlung bei der Beschlussfassung. Da zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar war, dass der Handwerksbetrieb seien Arbeiten endgültig einstellen würde und mithin die Gefahr der Erfüllung durch diesen bestanden habe, habe der Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen.
LG Frankfurt am Main,
Beschluss vom 23.11.2021 - 2-13 T 71/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die
sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des AG
Seligenstadt vom 10.09.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten
des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer zu tragen.
3. Die
Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien
bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Mai 2017 hatten die Eigentümer
die Erneuerung sämtlicher Wohnungseingangstüren und die Vergabe des Auftrages
an ein Handwerksunternehmen beschlossen. Während des laufenden
Beschlussanfechtungsverfahrens wurde der Beschluss aufgehoben und neu gefasst.
Auch dieser Beschluss wurde angefochten und rechtskräftig für ungültig erklärt.
Der Verwalter erteilte während des laufenden Anfechtungsverfahrens den Auftrag
an den Handwerker. Dieser erhielt vertragsgemäß einen Vorschuss von rund
100.000 €. Er baute jedoch lediglich 31 Türen ein und stellte die Arbeit dann
unter Verweis auf das laufende Anfechtungsverfahren ein.
Auf der
Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2020 fassten die Eigentümer sodann den
Beschluss, den Handwerker zunächst außergerichtlich zum Einbau der restlichen
92 Türen unter Fristsetzung aufzufordern und nach Fristablauf vom Vertrag
zurückzutreten und den gezahlten Vorschuss gegebenenfalls gerichtlich geltend zu
machen.
Die Kläger
haben diesen Beschluss angefochten, da sie der Auffassung sind, nach
Ungültigerklärung der Beschlüsse über den Einbau der Türen, dürfe die
Eigentümergemeinschaft keine Aktivitäten entfalten, die dazu führen könnten,
dass es zum Einbau kommt. Die Beklagten sind der Auffassung, ohne die
beschlossene Vorgehensweise sei ein Rücktritt nicht möglich.
Nachdem der
Handwerker die Türen nicht eingebaut hat und zwischenzeitlich mit einem
rechtskräftigen Versäumnisurteil zur Rückzahlung der Vorschüsse verurteilt
worden ist, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmen für erledigt
erklärt. Das Amtsgericht hat die Kosten des Verfahrens den Beklagten auferlegt,
da es der Auffassung war, durch die Aufforderung zum Einbau der Türen wäre der
für ungültig erklärte Beschluss weiter vollzogen worden. Hiergegen richtet sich
die sofortige Beschwerde der Beklagten.
II.
Die sofortige
Beschwerde ist gemäß §§ 91a Abs. 2, 569 ZPO statthaft und zulässig.
Sie hat keinen Erfolg.
In Folge der
übereinstimmenden Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO)
war nur noch über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 a ZPO nach
billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes
zu entscheiden. Grundlage der Entscheidung ist lediglich eine summarische
Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen kann, in einer
rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten bedeutsame
Rechtsfragen zu entscheiden (vgl. nur BGH NJW-RR 2009, 422).
Bei Anlegung
dieser Maßstäbe erweist sich die Entscheidung des Amtsgerichts als
ermessensfehlerfrei. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
angefochtene Entscheidung Bezug genommen werden.
Zutreffend ist
allerdings zunächst, dass der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1
WEG aF ursprünglich verpflichtet war, den gefassten Wohnungseigentümerbeschluss
umzusetzen, denn dieser war bis zu seiner rechtskräftigen Ungültigerklärung
wirksam (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG). Daher war der Verwalter
unabhängig von der Frage eines Anfechtungsverfahrens nicht nur berechtigt,
sondern sogar verpflichtet, den Beschluss zu vollziehen (BGH NJW 2018, 3305),
hier also der Vertrag mit dem Handwerkerunternehmen abzuschließen. Zutreffend
ist ebenfalls, dass die Ungültigerklärung des Beschlusses auf das Vertragsverhältnis
der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Handwerksunternehmen keinen Einfluss
hat, so dass die in diesem Verhältnis bestehenden wechselseitigen
Leistungspflichten unberührt bleiben. Denn die Ungültigerklärung eines
Beschlusses betrifft alleine die interne Willensbildung der
Eigentümergemeinschaft und hat daher auf das Außenverhältnis keine Auswirkungen
(näher Zschieschack, FS Riecke, 2019, 477 = ZMR 2020, 387).
Davon zu
trennen ist allerdings die Frage, ob es (noch) ordnungsmäßiger Verwaltung
entspricht, wenn die Wohnungseigentümer nach rechtskräftiger Ungültigerklärung
eines Beschlusses weiterhin gegenüber ihrem Vertragspartner die Erfüllung des
eingegangenen Vertrages begehren. Insoweit ein Beschluss für ungültig erklärt
worden ist, besteht innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft ein
Folgenbeseitigungsanspruch, d.h. die Wohnungseigentümer müssen versuchen die
Folgen des nunmehr als nicht ordnungsgemäß erkannten Beschlusses soweit wie
möglich rückgängig zu machen (vgl. nur Bärmann/Becker, WEG, § 27 Rn. 23;
Jennißen/Zschieschack, WEG, § 27 Rn. 20; Jennißen/Schultzky, WEG,
§ 23 Rn. 213). Soweit dies bereits abgeschlossene Sachverhalte betrifft,
ist allerdings ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum der Gemeinschaft
anerkannt, so dass es im Einzelfall auch ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen
kann, im Hinblick auf eine Kosten-Nutzen-Analyse von der Rückgängigmachung von
Beschlussfolgen abzusehen (näher auch zum Streitstand LG München I ZMR 2020,
687; vgl. ferner BGH NZM 2019, 788; Kammer NZM 2021, 203 zur Rechtslage bei
unzulässigen baulichen Veränderungen).
Ob in einem
Fall, indem von der Rückgängigmachung der Beschlusswirkungen abgesehen wird,
gegebenenfalls eventuelle Nachteile einzelner Eigentümer, die mit dem nicht
ordnungsgemäßen Beschluss verbunden sind, anderweitig auszugleichen sind,
dürfte insoweit eine Frage des Einzelfalls sein (vgl. nun § 14
Abs. 3; dazu unter dem Blickwinkel baulicher Veränderungen Dötsch ZWE
2021, 341 (348)).
Hierum geht es
im vorliegenden Fall allerdings nicht, denn die Baumaßnahmen, die rechtskräftig
als nicht ordnungsgemäß eingestuft waren, sind noch nicht durchgeführt worden.
In einem derartigen Fall ist Teil des Folgenbeseitigungsanspruches, dass die
Wohnungseigentümergemeinschaft alles in ihrer Macht Stehende zu tun hat, um
eine Vertiefung des Zustandes zu vermeiden, der nicht ordnungsmäßiger
Verwaltung entspricht. Soweit ein Beschluss daher noch nicht vollständig
vollzogen ist, hat eine weitere Beschlussumsetzung in jedem Falle zu
unterbleiben. Der Folgenbeseitigungsanspruch geht aber darüber hinaus und
erfasst auch Fälle, in denen der Beschluss zwar insoweit vollzogen ist, als ein
Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen wurde, dieser aber seinerseits noch
nicht (vollständig) tätig geworden ist. Hier muss die Gemeinschaft alle
zumutbaren Anstrengungen entfalten, um zu verhindern, dass durch weitere
Maßnahmen des Vertragspartners der für sie bestehende Folgenbeseitigungsaufwand
erhöht wird oder gar eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes
unmöglich wird (näher Jennißen/Schultzky, WEG, § 23 Rn. 213 f.). Dieses
bedeutet bei einem noch nicht durchgeführten Vertrag, wie hier, dass alle
Möglichkeiten zur Vertragsauflösung ergriffen werden müssen, wozu vor allem
auch eine einvernehmliche Vertragsauflösung gehört, oder bei Werkverträgen –
wie hier – von der Kündigungsmöglichkeit des § 648 BGB Gebrauch zu machen.
Eine derartige
Vertragsbeendigung war vorliegend allerdings nicht Gegenstand der
Beschlussfassung, sondern der Handwerker sollte unter Fristsetzung zunächst zur
weiteren Leistungserbringung aufgefordert worden, um dann kündigen zu können.
In dieser Beschlussfassung lag, worauf das Amtsgericht zutreffend abgestellt
hat, für die Gemeinschaft ein erhebliches Risiko, dass die beauftragten
Arbeiten durchgeführt werden und sich hierdurch die Gemeinschaft nutzloser, da
gegebenenfalls im Rahmen eines Folgenbeseitigungsanspruches rückabzuwickelnder
Aufwendungen, ausgesetzt sieht.
Dass es im
Ergebnis nicht dazu gekommen ist, sondern der Handwerker die Arbeiten endgültig
eingestellt hat, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, denn entscheidend für
die Bemessung der Ordnungsgemäßheit eines Beschlusses ist nicht die Sach- und
Rechtslage bei Schluss der mündlichen Verhandlung, sondern der Kenntnisstand
der Eigentümer zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung (Kammer WuM 2020, 382).
Hier war für die Eigentümer weder zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch im
Vorfeld erkennbar, dass der Handwerker den Vertrag nicht erfüllen werde,
sondern es bestand - worauf die Anfechtungsbegründung zutreffend hinweist - die
Erwartung, dass der Auftrag erfüllt werde. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner
Entscheidung der Frage, ob gegebenenfalls in Ausnahmefällen, wenn ersichtlich
ist, dass eine Vertragsauflösung durch einen Rücktritt möglich ist und
ausgeschlossen ist, dass die Fristsetzung zur Leistungserbringung führt, ein
Beschluss über diesen Weg nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann.
Nach alledem
war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Gründe die
Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestehen nicht, da in Verfahren nach § 91a
ZPO die Rechtsbeschwerde nicht zur Klärung von materiellen Fragen zugelassen
werden darf.
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