Die Klägerin hatte die Wiederwahl der Beklagten als Verwalterin der Wohnungseigentümer-gemeinschaft (WEG) vom März 2019 angefochten. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Da die Klägerin nach Einleitung des Berufungsverfahrens durch die Beklagte ihr Wohnungseigentum aufgab und auf einen Dritten übertrug und zudem auch die Bestellzeit der beklagten Verwalterin aus dem angefochtenen Beschluss ablief, wurde die Hauptsache für erledigt erklärt. Das Landgericht verneinte die Erfolgsaussichten der Beklagten und erlegte dieser die Kosten des Verfahrens auf.
Die Beklagte war bereits vormals Verwalterin gewesen. Der Bestellzeitraum endete zum 31.12.2017. Allerdings wurde kein anderer Verwalter von der WEG berufen und die Beklagte führte das Amt unstreitig faktisch weiter aus. So habe sie, so das Landgericht, die Abrechnungen erstellt, Eigentümerversammlungen einberufen und geleitet und die Beschluss-Sammlung geführt. Si sei damit faktische Verwalterin gewesen. Auch wenn zwischen den Parteien die Einzelheiten des Rechtsverhältnisses zwischen der beklagten als (faktische) Verwalterin und der WEG streitig seien, würden die Parteien doch darin übereinstimmen, dass das Pflichtenprogramm eines bestellten Verwalters (einschließlich seiner Haftung) hier zugrunde liegen würde, entweder da von einem Auftragsverhältnis gem. § 662 BGB auszugehen sei, oder da die Grundsätze der fehlerhaften Anstellung heranzuziehen seien.
Vor diesem Hintergrund könnten Fehler bei der Verwaltertätigkeit der Beklagten nach dem 31.12.2017 zur Prüfung der angefochtenen Verwalterwahl herangezogen werden wie in dem Fall, dass der wiederbestellte Verwalter bis zu seiner Wahl ordnungsgemäß bestellter Verwalter gewesen wäre.
Voraussetzung für die Anfechtung der Wiederwahl sei, dass ein wichtiger Grund vorliegen würde, der gegen die Bestellung der Beklagten als Verwalterin sprechen würde. Wie bei der Abberufung des Verwalters nach § 26 Abs. 1 S. 3 WEG a.F. könne ein wichtiger Grund nur bejaht werden, wenn unter Berücksichtigung aller (nicht einmal notwendigerweise vom Verwalter verschuldeter) Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Zusammenarbeit mit dem gewählten Verwalter unzumutbar wäre und das erforderliche Vertrauensverhältnis von vornherein nicht zu erwarten sei. Dies sei u.a. dann anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die dafür sprächen, dass der Gewählte unfähig oder ungeeignet für das Amt erscheine. Ein solcher Grund würde aber die Wohnungseigentümer noch nicht ohne weiteres dazu verpflichten, den Verwalter abzuberufen (§ 26 Abs. 1 S. 3 WEG a.F.), vielmehr sei (auch im Rahmen einer Wiederwahl) eine Prognose vorzunehmen , ob er das Amt ordnungsgemäß ausüben wird, was einen Beurteilungsspielraum einräume. Erst bei Überschreitung dieses Beurteilungsspielraums würde nach altem Recht die Nichtabberufung und (auch nach geltendem Recht) die Wiederwahl den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen. Erforderlich sei deshalb, dass es objektiv nicht mehr vertretbar erscheine, den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände (hier) erneut zu bestellen. Dies sei dann der Fall, wenn die Mehrheit der (abstimmenden) Wohnungseigentümer aus der Sicht eines vernünftigen Dritten gegen ihre eigenen Interessen handele, weil sie – etwa aus Bequemlichkeit – massive Pflichtverletzungen tolerieren solle (BGH, Urteil vom 10.02.2012 - V ZR 105/11 -; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.12.2019 - 2-12 S 143/18 -).
Das Amtsgericht hatte darauf abgestellt, dass das Gebäude über einen längeren Zeitraum ohne Gebäudeversicherung gewesen sei. Dies stelle, so das Landgericht, eine Lücke im Versicherungsschutz mit einem Totalverlustrisiko dar, welches die Eigentümer nicht hinnehmen müssten. Hinzu käme hier, das die Eigentümer auf der von der Beklagten geleiteten Eigentümerversammlung vom 22.10.2018 den Abschluss einer Gebäudeversicherung beschlossen hätten, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerer Zeit eine solche nicht bestanden habe. Im März 2019, zum Zeitpunkt der Wiederwahl, sei immer noch keine Gebäudeversicherung abgeschlossen gewesen. Damit sei es von den Eigentümern objektiv nicht mehr hinnehmbar, diesem Verwalter weiterhin die Verwaltung eines erheblichen Teils ihres Vermögens anzuvertrauen. Kein Eigentümer müsse gegen seinen Willen hinnehmen, wenn gleichwohl die Mehrheit der Eigentümer unter diesen Umständen meinen, diesem Verwalter gleichwohl vertrauen zu können (LG Frankfurt am Main aaO.).
Der Verweis der Berufung darauf, dass eine Gebäudehaftpflichtversicherung bestanden habe, verkenne, dass § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG a.F. (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 WEG n.F.) nicht nur eine Haftpflichtversicherung sondern auch die für die Eigentümer von besonderen Interesse Gebäudeversicherung erfordere, um das Risiko im Schadensfall abzuwenden (Anm.: Wird der Kauf einer Eigentumswohnung finanziert, sehen die Darlehensbedingungen der Finanzierungsinstitute in der Regel vor, dass eine Gebäudeversicherung bestehen muss).
LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.06.2021 - 2-13 S 25/20 -
Tenor
Die Berufung
der Berufungsklägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom
17.01.2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass sich
der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt hat.
Die
Berufungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
Die Revision
wird nicht zugelassen.
Streitwert für
das Berufungsverfahren: bis 3.000 €
Gründe
I.
Von der
Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2
ZPO in Verbindung mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung
hat keinen Erfolg, allerdings ist nach der Erledigungserklärung der Klägerin
der Rechtsstreit erledigt, was auszusprechen war, da sich die Berufungsklägerin
der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat.
Das Verfahren
ist nach dem bisherigen Verfahrensrecht - gegen die übrigen Eigentümer - weiter
zu führen (§ 48 Abs. 5 WEG). Materiell ist der gefasste Beschluss im
Grundsatz nach dem bei Beschlussfassung geltenden Recht zu beurteilen (Kammer,
NZM 2021, 45; LG Rostock ZMR 2021, 63; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht
2021, Kap. 14 Rn. 223; Riecke MDR 2021, 213 (214)), für die hier entscheidenden
Fragen enthält das neue Recht allerdings ohnehin keine Änderung.
Allerdings
dürfte in der Veräußerung der Wohnung durch die Klägerin während des Rechtsstreits
noch keine Erledigung liegen, da hier der Rechtsstreit gem. § 265 ZPO
fortgeführt werden kann.
In dem
zwischenzeitlich erfolgten Ablauf des Bestellungszeitraums hat die Kammer
bislang jedoch immer eine Erledigung der Anfechtung des Bestellungsbeschlusses
gesehen. Dem ist der BGH allerdings nicht gefolgt und sieht im Grundsatz ein
Rechtsschutzbedürfnis als fortbestehend an, da nicht sicher sei, dass ein
Erfolg der Klage keinen Nutzen bringt, denn es sei möglich, dass das Ergebnis
der Anfechtungsklage für Folgeprozesse Relevanz haben könne (BGH NJW 2020, 988
Rn. 11).
Erforderlich
dafür ist aber nach Auffassung der Kammer, dass aus Sicht der Parteien ein
derartiger Nutzen für Folgeprozesse zumindest denkbar ist. Dies ist hier nicht
gegeben. Die Klägerin hat ihre Wohnung veräußert, sie hat als einzige
Eigentümerin Vorbehalte gegen die Verwalterin gehabt, der Erwerber wünscht
offenbar die Fortführung des Prozesses auch nicht (§§ 265, 325 ZPO), die
Verwalterin und ihr Ehemann haben die Mehrheit in der WEG. Dass irgendwelche
Ansprüche auf die vermeintlich zu Unrecht erfolgte Bestellung gestützt werden,
erscheint daher nicht ersichtlich, zumal es ohnehin als fernliegend erscheint,
dass auf eine für ungültig erklärte Bestellung – und nicht auf das Vertragsverhältnis
– überhaupt mit Erfolg Ansprüche gestützt werden könnten. Jedes andere Ergebnis
würde zudem bedeuten, dass man die Klägerin an einer Klage festhalten würde,
die sie selbst nicht führen möchte.
In der Sache
hätte die Anfechtung der Verwalterbestellung jedoch Erfolg gehabt, so dass die
Erledigung des Rechtsstreits festzustellen war.
Aus der
Majorisierung kann die Klägerin allerdings nichts herleiten, denn der BGH hat
entschieden, dass ein Stimmrechtsausschluss wegen rechtsmissbräuchlichen
Verhaltens nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen in Betracht kommt.
Es reicht nicht aus, dass der mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers
gefasste Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, oder dass ein
Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmgewichts Beschlussfassungen blockiert,
obwohl es ein Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung wäre, einen positiven Beschluss
zu fassen (ZWE 2017, 411).
Allerdings
liegen inhaltlich Beschlussmängel vor, denn die Berufungsklägerin hat ihr Amt
in der Vergangenheit nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
Dabei ist zwar
zutreffend, dass die Berufungsklägerin seit dem Auslaufen der Bestellung am
31.12.2017 nicht mehr ordentlich bestellte Verwalterin war. Sie hat das Amt
aber unstreitig weiter ausgeübt, was sich etwa daran zeigte, dass sie
Abrechnungen erstellte, zu Eigentümerversammlungen einlud, diese leitete und
eine Beschluss-Sammlung führte. Rechtlich ist sie damit als faktische
Verwalterin einzuordnen.
Auch wenn die
Einzelheiten dieses Rechtsverhältnisses streitig sind, besteht im Ergebnis
Einigkeit, dass das Pflichtenprogramm (und auch die Haftung) dem eines
bestellten Verwalters entsprechen, entweder weil ein Auftragsverhältnis iSv
§ 662 BGB vorliegt, oder aber die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze der
fehlerhaften Anstellung heranzuziehen sind (umfassend zum Ganzen
BeckOGK/Greiner § 26 Rn. 235 mwN).
Demzufolge
können die Fehler der Verwaltertätigkeit nach dem 31.12.2017 auch bei der
Prüfung der angefochtenen Verwalterwahl herangezogen werden.
Allerdings kann
der Beschluss über die Weiterbestellung der ehemaligen Verwaltung nur dann für
ungültig erklärt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegen würde, der gegen
die Bestellung dieser Verwaltung gesprochen hätte. Ein solcher Grund ist ebenso
wie bei der Abberufung nach § 26 Abs. 1 S. 4 WEG aF aus
wichtigem Grund zu bejahen, wenn unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig
vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Zusammenarbeit
mit dem gewählten Verwalter unzumutbar und das erforderliche Vertrauensverhältnis
von vornherein nicht zu erwarten ist. Dieses kann der Fall sein, wenn Umstände
vorliegen, die den Gewählten als unfähig oder ungeeignet für das Amt erscheinen
lassen. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes verpflichtet die
Wohnungseigentümer aber noch nicht ohne weiteres dazu, den Verwalter auch
tatsächlich abzuberufen. Ebenso haben die Wohnungseigentümer auch bei der
(neuerlichen) Bestellung des Verwalters, bei der sie eine Prognose darüber
anstellen müssen, ob er das ihm anvertraute Amt ordnungsgemäß ausüben wird,
einen entsprechenden Beurteilungsspielraum. Die Bestellung des Verwalters
widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung deshalb erst, wenn die
Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum überschreiten, wenn es also
objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, den Verwalter ungeachtet der gegen
ihn sprechenden Umstände zu bestellen. Dieses ist jedoch der Fall, wenn die
Mehrheit aus der Sicht eines vernünftigen Dritten gegen ihre eigenen Interessen
handelt, weil sie – etwa aus Bequemlichkeit – massive Pflichtverletzungen des
Verwalters tolerieren will (BGH NZM 2012, 347 = ZWE 2012, 221; ZMR 2014, 904;
Kammer ZWE 2020, 196 Rn. 16).
Die
Ausführungen des Amtsgerichts, dass eine derartige Pflicht verletzt ist, weil
das Gebäude über einen längeren Zeitraum ohne Gebäudefeuerversicherung war,
sind nach Auffassung der Kammer zutreffend. Eine derartige Lücke im
Versicherungsschutz führt zu einem Totalverlustrisiko, dieses muss ein
Eigentümer nicht hinnehmen. Insoweit kann in vollem Umfang auf die Ausführungen
des Amtsgerichts Bezug genommen werden. Hinzu kommt, dass die Eigentümer auf
der Versammlung am 22.10.2018, die von der Berufungsführerin geleitet wurde,
beschlossen haben, eine Gebäudeversicherung abzuschließen, wobei zu diesem
Zeitpunkt offenbar schon längere Zeit (nach Vortrag der Klägerin seit 2014)
kein Versicherungsschutz mehr bestand. Wenn eine derartige Versicherung dann im
März 2019 immer noch nicht abgeschlossen wurde, ist es für einen Eigentümer
objektiv nicht mehr hinzunehmen, diesem Verwalter weiter die Verwaltung eines
erheblichen Teils seines Vermögens anzuvertrauen. Die Wahl eines derart
ungeeigneten Verwalters muss ein Eigentümer gegen seinen Willen nicht
hinnehmen, denn der Verwalter hat durch seine Tätigkeit Zugriff auf wesentliche
Vermögenswerte der Eigentümer. Einen in diesem Bereich unzuverlässigen
Verwalter muss ein Eigentümer auch dann nicht hinnehmen, wenn die Mehrheit der
Eigentümer meint, ihm gleichwohl vertrauen zu können (Kammer ZWE 2020, 196 Rn.
18).
Hiergegen wendet
sich die Berufung auch ohne Erfolg. Soweit sie meint, eine
Gebäudehaftpflichtversicherung habe bestanden, verkennt sie, dass § 21
Abs. 5 Nr. 3 WEG aF nicht nur eine Haftpflichtversicherung, sondern
auch – und für die Eigentümer von besonderem Interesse – eine
Gebäudefeuerversicherung erfordert, um das Risiko eines Totalverlustes im
Schadensfall abzuwenden.
Dass die
Klägerin weitere Mängel der Verwaltung geltend machte, ändert auch nichts
daran, dass bereits dieser Punkt genügt, um das Vertrauen der Klägerin in die
Verwaltung durch die Berufungsführerin nachhaltig zu erschüttern. Insoweit kann
sich die Berufungsführerin auch nicht darauf berufen, die Verwaltung nicht
professionell durchzuführen. Dabei kann dahinstehen, ob überhaupt für nicht
professionelle Verwalter in diesen elementaren Bereichen der Verwaltung andere
Maßstäbe gelten, als für Berufsverwalter. Denn die Berufungsführerin hat selbst
vorgetragen, dass sie seit mehreren Jahren ein Gewerbe für den Bereich
Immobilienbewirtschaftung angemeldet hat, daher muss sie sich auch entsprechend
behandeln lassen, zumal die Vergütung ... sich durchaus im üblichen Bereich
professioneller Hausverwaltungen bewegt.
Nach alledem
war die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Erledigung des
Rechtsstreits festzustellen war.
Die
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Streitwertfestsetzung
folgt aus § 49a GKG aF, § 71 Abs. 1 GKG.
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