Die Parteien waren Mitglieder einer Teileigentümergemeinschaft, die aus sieben Einheiten bestand. Nach der Teilungserklärung „dürfen“ die Einheiten „zur beruflichen oder gewerblichen Nutzung“ dienen, „insbesondere als Apotheke oder Arztpraxis genutzt werden“. Der Beklagte war Eigentümer einer als Arztpraxis vermieteten Einheit im Erdgeschoss; nach Errichtung eines Ärztehauses in der Nachbarschaft kündigte der Mieter. Er bildete die Einheit um und vermiete sie als Wohnraum. Das Amtsgericht wies die auf Unterlassung der Vermietung als Wohnraum gerichtete Klage zurück. Die Berufung dagegen war erfolgreich. Mit seiner Revision bei dem BGH drang der Beklagte nicht durch.
Es bestünde ein Unterlassungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG. Danach könne jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechend der Vereinbarung (Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung) verlangen. Die Nutzung der Einheit des Beklagten zu Wohnzwecken widerspreche der Teilungserklärung (TE) bzw. im weiteren Sinne den in der Teilungserklärung enthaltenen Regelungen der Gemeinschaftsordnung.
Soweit es in der TE heiße, die Einheiten „dürfen“ beruflich oder gewerblich genutzt werden, würde es sich trotz des verwandten Verbs „dürfen“ um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter handeln iSv. § 15 Abs. 1 WEG handeln (BGH, Urteil vom 27.10.2017 - V ZR 193/16 -). Dies ergäbe sich aus der Vorbemerkung zu der TE, demzufolge das gesamte Gebäude „zur beruflichen und gewerblichen Nutzung dienen wird“.
Der BGH wies darauf hin, dass eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung sich aber als zulässig erweisen können, wenn sie „bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung“. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, auch wenn die Teilungserklärung jegliche berufliche oder gewerbliche Nutzung als lediglich für Apotheke und Arztpraxis erlauben sollte. Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass die Anlage ausschließlich aus Teileigentumseinheiten bestünde und das gesamte Gebäude gewerblichen oder beruflichen Zwecken diene. Es könne dahinstehen, wie es sich bei einer Anlage mit Wohnungs- und Teileigentum verhalte. Bei der notwendigen typisierenden Betrachtungsweise sei die Nutzung eines Teileigentums zu Wohnzwecken in einem lediglich beruflichen oder gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude schon deshalb störender als die vorgesehene Nutzungsart, da eine Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen (Küchengerüche, Freizeit- und Kinderlärm, Musik pp.) sowie einem anderen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums (wie im Hausflur herumstehender Gegenstände) verbunden sei und ganztägig, auch an Wochenenden, erfolge. Nicht entscheidend sei, on durch die Wohnnutzung ein geringerer Besucherandrang vorläge oder sich die Anlage in einem reinen Wohngebiet befinde. Die Teileigentümer hätten ein berechtigtes Interesse daran, dass der professionelle Charakter der Anlage erhalten bleibe, um mögliche Konflikte durch eine in der TE nicht angelegte gemischte Nutzung von vornherein zu vermeiden. Sie dürften darauf vertrauen, dass sich alle Teileigentümer an die vereinbarten Zweckbestimmungen halten.
Der Umstand, dass eine Heimnutzung, die typischerweise dem Aufenthalt von Menschen rund um die Uhr dient, als in Teileigentumseinheiten grundsätzlich statthaft angesehen würde (BGH aaO.), spreche hier nicht gegen das Unterlassen. Eine Heimnutzung müsse von einer reinen Wohnnutzung abgegrenzt werden, da sie sich von dieser unterscheide.
Der Beklagte könnte einen Anspruch auf eine Änderung der TE gem. § 10 Abs. 3 S. 2 WEG haben. Dieser fall läge vor, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Eigentümer, unbillig erscheine. Dies ließe sich hiernach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneinen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Kodifizierung des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG die Hürden an die Anpassung bewusst abgesenkt habe, indem nun nur noch „schwerwiegende Gründe“ und nicht mehr „außergewöhnliche Umstände“ erforderlich seien. Solche schwerwiegenden Gründe könnten vorliegen, wenn (wie der beklagte behauptet) eine dauerhafte gewerbliche Vermietung angesichts der Lage und Ausstattung des Gebäudes nicht ernsthaft zu erwarten sei. Darüber hinaus müsse geprüft werden, welche Interessen aus Sicht der anderen Eigentümerneben dem formalen Interesse gegen die Anpassung sprechen würden. Hier könnten bauliche Gegebenheiten bedeutsam sein, da die Einheit des Beklagten im Erdgeschoß läge und so möglicherweise den Eindruck von der Anlage prägen könnte, wobei allerdings auch zu berücksichtigen sei, dass der Beklagte dafür gesorgt haben soll, dass die zwei aus dem Teileigentum hervorgegangenen Wohnungen über einen hinter der Eingangstür gelegenen gemeinsamen Windfang betreten würden. Auch müsse bei der Abwägung nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG bedacht werden, dass sich ein dauerhafter Leerstand für die gesamte Anlage nachteilig erweisen könnte.
Allerdings könne der Beklage einen eventuell danach bestehenden Anpassungsanspruch nach § 10 Abs. 2 S. 4 WEG dem Unterlassungsanspruch nicht einredeweise entgegenhalten (BGH, Beschluss vom 13.07.1995 - V ZB 6/94 -). Die Gemeinschaftsordnung würde solange gelten, bis sie durch Vereinbarung aller Eigentümer oder durch richterliche Entscheidung ersetzt worden sei. Berechtigte Anpassungsbegehren müssten in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden, damit klar und eindeutig ist, welche Vereinbarungen im Verhältnis der Wohnungs-/Teileigentümer untereinander gelten. Dieses Ziel könne nicht erreicht werden, wenn eine entsprechende Einrede geltend gemacht werden könne. Durch eine die Einrede berücksichtigende Entscheidung würde auch nicht eine Anpassung in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden können. Keiner Entscheidung bedürfe es, wie zu verfahren gewesen wäre, wenn der Beklagte Widerklage auf Anpassung der Gemeinschaftsordnung erhoben hätte (da eine Widerklage nicht vorlag).
BGH, Urteil vom 15.07.2022
- V ZR 127/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision
gegen das Urteil des Landgerichts München I - 1. Zivilkammer - vom 14. Dezember
2016 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Die Parteien
sind Mitglieder einer Teileigentümergemeinschaft. Nach der Teilungserklärung
von 1989/1990 dient das aus sieben Einheiten bestehende Gebäude „zur
beruflichen und gewerblichen Nutzung“. Die Einheiten „dürfen ausdrücklich
beruflich oder gewerblich, insbesondere auch als Apotheke oder Arztpraxis
genutzt werden“. Nach der Aufteilung wurden sechs Einheiten als Arztpraxen
genutzt. Die siebte diente als Apotheke. Der Beklagte ist Eigentümer einer der
ursprünglichen Arztpraxen im Erdgeschoss. Im Jahr 2013 wurde in unmittelbarer
Nähe zu der Anlage ein großes Ärztehaus errichtet. Daraufhin kündigten die
Mieter des Beklagten das Mietverhältnis und zogen in das neue Ärztehaus.
Inzwischen befinden sich in der Anlage nur noch drei Arztpraxen. Die Apotheke
ist zu einem Teil an ein Büro für Tierschutzhilfe vermietet und steht im
Übrigen leer. In einer der ehemaligen Arztpraxen wird eine Schülernachhilfe
betrieben. Der Beklagte teilte seine Einheit Nr. 49a auf, baute sie um und
vermietete beide Teile als Wohnraum.
Das Amtsgericht
hat die auf Unterlassung der Nutzung zu Wohnzwecken gerichtete Klage nach
Beweisaufnahme abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht ihr
stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung
die Kläger beantragen, will der Beklagte die Zurückweisung der Berufung
erreichen.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung
des Berufungsgerichts steht den Klägern ein Unterlassungsanspruch gemäß
§ 15 Abs. 3 WEG zu. Nach der Teilungserklärung dürften die Räume
nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, ohne dass es darauf ankomme, ob sie nur
als Arztpraxis dienen dürften. Eine Wohnnutzung müssten die Kläger auch nicht
ausnahmsweise deshalb hinnehmen, weil sie nicht störender als die zulässige
Nutzung sei; diese Voraussetzungen lägen bei der gebotenen typisierenden
Betrachtung schon deshalb nicht vor, weil eine Wohnnutzung rund um die Uhr und
auch an Wochenenden stattfinde. Zudem sei der Zweck des Gebäudes als Apotheken-
und Ärztehaus zu beachten. Ein solches werde von Kunden bzw. Patienten auch
deshalb als professionell eingeschätzt, weil dort gerade keine private
Wohnnutzung stattfinde, die typischerweise mit Wohngeräuschen und -gerüchen und
im Flur herumstehenden Gegenständen verbunden sei.
Die Änderung
dieser Vorgaben der Teilungserklärung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3
WEG könne der Beklagte nicht verlangen, so dass es nicht auf die umstrittene
Frage ankomme, ob ein solcher Anspruch als Einrede in einem
Unterlassungsverfahren wie dem vorliegenden geltend gemacht werden dürfe.
Sollte es zutreffen, dass dem Beklagten eine gewerbliche Vermietung trotz
Einschaltung von Immobilienmaklern von Mai 2012 bis Juni 2013 nicht gelungen
sei, ergebe sich daraus zunächst nur eine vorübergehende Unmöglichkeit der
zulässigen Nutzung, die eine endgültige Änderung der Teilungserklärung nicht
rechtfertigen könne. Dem stehe das Vertrauen der übrigen Eigentümer auf die
vereinbarte Nutzung entgegen, auf die sie sich mit Erwerb der Einheit hätten
einstellen dürfen. Die Vermietung als Wohnraum müsse auch nicht gemäß
§ 242 BGB wegen einer schwierigen Marktsituation hingenommen werden. Eine
solche Duldungspflicht komme allenfalls vorübergehend in Betracht; der Beklagte
habe die Wohnungen aber dauerhaft und unbefristet vermietet.
II.
Diese
Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nur im Ergebnis stand.
1. Im
Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass den Klägern
ein Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG zusteht. Nach dieser
Bestimmung kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum
stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der u.
a. den Vereinbarungen entspricht. Daraus ergibt sich ein auf die Nutzung der
Einheit des Beklagten zu Wohnzwecken bezogener Unterlassungsanspruch; diese
Nutzung widerspricht nämlich der Teilungserklärung (im weiteren Sinne, also den
in der Teilungserklärung enthaltenen Regelungen der Gemeinschaftsordnung).
a) Nach den
Vorgaben der Teilungserklärung (TE) ist die Nutzung zu Wohnzwecken unzulässig.
Danach „dürfen“ die Einheiten „beruflich oder gewerblich genutzt werden“.
Ungeachtet des Verbs „dürfen“ handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit
Vereinbarungscharakter im Sinne von § 15 Abs. 1 WEG (vgl. hierzu
Senat, Urteil vom 27. Oktober 2017 - V ZR 193/16, NJW 2018, 41 Rn. 6 mwN,
vorgesehen zum Abdruck in BGHZ). Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der
Vorbemerkung zu der Teilungserklärung, wonach das gesamte Gebäude „zur
beruflichen und gewerblichen Nutzung dienen wird“ (so Teil 1 § 1 TE).
b)
Allerdings kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung
als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr
stört als die vorgesehene Nutzung (vgl. dazu Senat, Urteil vom 27. Oktober 2017
- V ZR 193/16, NJW 2018, 41 Rn. 9 mwN, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ). Dass
das Berufungsgericht diese Voraussetzungen verneint, ist entgegen der
Auffassung der Revision auch dann nicht zu beanstanden, wenn die
Teilungserklärung - was das Berufungsgericht offengelassen hat - jegliche berufliche
oder gewerbliche Nutzung, also nicht nur diejenige als Arztpraxis bzw.
Apotheke, erlauben sollte.
aa)
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Anlage ausschließlich aus
Teileigentumseinheiten besteht und das gesamte Gebäude beruflichen und gewerblichen
Zwecken dient. Wie es sich in Anlagen verhält, in denen sowohl Wohnungs- als
auch Teileigentumseinheiten vorhanden sind, kann dahinstehen. Die Nutzung einer
Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken ist jedenfalls in einem ausschließlich
beruflichen und gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude bei typisierender
Betrachtung regelmäßig schon deshalb störender als die vorgesehene Nutzung,
weil eine Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen (wie Küchengerüchen,
Freizeit- und Kinderlärm oder Musik) sowie einem anderen Gebrauch des
Gemeinschaftseigentums (etwa im Flur herumstehenden Gegenständen) einhergeht
und zu anderen Zeiten - nämlich ganztägig und auch am Wochenende - erfolgt.
Daher ist es ohne Bedeutung, dass - worauf sich die Revision stützt - bei
privaten Wohnungen ein geringerer Besucherandrang als bei einer gewerblich
genutzten Einheit zu verzeichnen ist und sich die Anlage in einem reinen
Wohngebiet befindet. Die Teileigentümer haben ein berechtigtes Interesse daran,
dass der professionelle Charakter einer derartigen Anlage erhalten bleibt, um
Konflikte, die durch eine in der Teilungserklärung nicht angelegte gemischte
Nutzung hervorgerufen werden können, von vornherein zu vermeiden. Die
Nutzungsmöglichkeiten der Teileigentümer werden zwar einerseits beschränkt, sie
dürfen aber andererseits grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich auch die
anderen Teileigentümer an die vereinbarten Zweckbestimmungen halten.
bb)
Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass der Senat eine Heimnutzung - die
typischerweise mit dem Aufenthalt von Menschen rund um die Uhr verbunden ist -
in Teileigentumseinheiten im Grundsatz als zulässig ansieht (vgl. dazu
ausführlich Senat, Urteil vom 27. Oktober 2017 - V ZR 193/16, NJW 2018, 41 Rn.
17 ff., vorgesehen zum Abdruck in BGHZ); dabei kommt es nicht darauf an, ob
eine Heimnutzung in der Anlage zulässig wäre. Denn eine Heimnutzung
unterscheidet sich gerade von einer Nutzung zu Wohnzwecken und muss von dieser
abgegrenzt werden. Deshalb kann sie nicht herangezogen werden, um eine private Wohnnutzung
in einem ausschließlich gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude ausnahmsweise
als erlaubt einzuordnen.
2. Mit
der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch nicht offen
bleiben, ob der Beklagte einen Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung
gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 WEG als Einrede geltend machen darf.
Dieser Bestimmung zufolge kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz
abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen,
soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte
und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Dass ein
solcher Anspruch gegeben ist, lässt sich - anders als das Berufungsgericht
meint - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht verneinen.
a) Zwar
beschränkt sich die revisionsrechtliche Nachprüfung im allgemeinen darauf, ob
das Berufungsgericht die in § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG bestimmten
Rechtsbegriffe zutreffend erfasst und ausgelegt, alle für die Beurteilung
wesentlichen Umstände berücksichtigt sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze
beachtet hat (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 174/09, BGHZ 186, 34
Rn. 22). Das Berufungsgericht ist aber dem Sachvortrag des Beklagten zu den
Gründen für sein Anpassungsverlangen nicht in ausreichendem Maße nachgegangen
und hat deshalb die für die Beurteilung wesentlichen Umstände nicht vollständig
ermittelt. Es legt zugrunde, dass der Beklagte ein Jahr lang vergeblich nach
einem gewerblichen Nachmieter gesucht hat, ordnet dies jedoch als
vorübergehendes Problem ein. Mit Erfolg rügt die Revision, dass der unter
Sachverständigenbeweis gestellten Behauptung des Beklagten, die Einheit sei als
Arztpraxis oder für eine ähnliche Büronutzung nicht mehr vermietbar,
nachgegangen werden müsste, wenn es auf das Bestehen des Anpassungsanspruchs
ankommen sollte. Mit der Kodifizierung des § 10 Abs. 2 Satz 3
WEG sind die Hürden an die Anpassung bewusst abgesenkt worden, indem sie
nunmehr „schwerwiegende Gründe“ und nicht mehr - wie es früher in der
Rechtsprechung vertreten wurde - „außergewöhnliche Umstände“ voraussetzt (vgl.
BT-Drucks. 16/887, S. 18 f.; Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR
114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 30). Dass solche schwerwiegenden Gründe vorliegen,
kommt in Betracht, wenn - wie es der Beklagte vorträgt - eine dauerhafte
gewerbliche Vermietung angesichts von Lage und Ausstattung des Gebäudes nicht
ernsthaft zu erwarten ist; dann verhinderte das Festhalten an der vereinbarten
Nutzung jegliche wirtschaftliche Verwertung der Einheit. Vor dem Hintergrund,
dass in der Nachbarschaft ein modernes Ärztehaus entstanden ist, drei der
ehemaligen Arztpraxen leer stehen, die Apotheke nicht mehr als solche genutzt
wird und das Amtsgericht nach Zeugenvernehmung mehrerer Makler zu der
Überzeugung gelangt ist, dass eine Vermietung als Praxis oder für ähnliche
Zwecke trotz längerer intensiver Bemühungen des Beklagten unabhängig von dem
geforderten Mietzins nicht möglich gewesen sei, weil es keine Interessenten
gegeben habe, lässt sich ohne die beantragte sachverständige Begutachtung nicht
ausschließen, dass schwerwiegende Gründe für das Begehren des Beklagten
streiten.
b)
Darüber hinaus müsste geklärt werden, welche Interessen aus Sicht der Kläger
gegen die geforderte Anpassung der Gemeinschaftsordnung sprechen. Insoweit
stützt sich das Berufungsgericht allein auf die Überlegung, die Kläger dürften
auf die Einhaltung der Teilungserklärung vertrauen. Das ist zwar richtig; aber
das abstrakte Vertrauen auf die Teilungserklärung (bzw. die
Gemeinschaftsordnung) muss stets überwunden werden, wenn ein Anpassungsanspruch
geltend gemacht wird. Dem trägt das Gesetz insbesondere dadurch Rechnung, dass
auf Seiten des Anspruchsstellers schwerwiegende Gründe gegen das Festhalten an
der geltenden Regelung sprechen müssen. Daher wäre zu klären, welche konkreten
Interessen auf Seiten der Anspruchsgegner über das formale Interesse an der
Einhaltung der Gemeinschaftsordnung hinaus gegen die Anpassung sprechen;
insbesondere wäre zu prüfen, welche konkreten Nachteile den Klägern daraus
erwachsen, dass die Einheit des Beklagten zu Wohnzwecken genutzt wird. Dabei
könnten unter anderem die baulichen Gegebenheiten von Bedeutung sein. Da die
Einheit des Beklagten im Erdgeschoss liegt, prägt sie den Eindruck von der
Anlage möglicherweise stärker als weiter oben gelegene Einheiten. Insoweit wäre
aber auch der Vortrag der Revision einzubeziehen, wonach der Beklagte für eine
räumliche Abschirmung der beiden aus der Unterteilung hervorgegangenen
Wohnungen gesorgt haben soll, indem diese über einen hinter der Eingangstür zum
Treppenhaus gelegenen gemeinsamen Windfang betreten werden. Bei der von
§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG geforderten umfassenden Interessenabwägung
müsste ggf. auch in den Blick genommen werden, dass sich ein dauerhafter
Leerstand für die gesamte Anlage - und damit auch für die Kläger - als
nachteilig erweisen kann.
3. Das
Urteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Das Berufungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Selbst
wenn nämlich ein Anpassungsanspruch gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG
bestehen sollte, dürfte der Beklagte ihn dem Unterlassungsanspruch nicht als
Einrede entgegenhalten.
a) Nach
einem Beschluss des Senats vom 13. Juli 1995 (V ZB 6/94, BGHZ 130, 304, 312 f.)
kann ein Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung nicht im Wege der
Einrede geltend gemacht werden; denn die in der Gemeinschaftsordnung getroffene
Regelung gilt, solange sie nicht durch eine Vereinbarung aller
Wohnungseigentümer oder durch Ersetzung der Zustimmung durch Richterspruch
abgeändert ist. Diese Ausführungen bezogen sich auf ein
Beschlussanfechtungsverfahren, das die Erhebung einer Sonderumlage zum
Gegenstand hatte; im Wege der Einrede wurde die Unbilligkeit des
Kostenverteilungsschlüssels geltend gemacht.
b) Im
Anschluss daran wird vertreten, dass der Anpassungsanspruch des § 10
Abs. 2 Satz 3 WEG allgemein nicht im Wege der Einrede geltend gemacht
werden dürfe (Riecke/Schmid/Lehmann-Richter, WEG, 4. Aufl., § 10 Rn. 226).
Nach anderer Ansicht darf eine solche Einrede zwar nicht in
Beschlussanfechtungsverfahren, wohl aber gegenüber anderen Ansprüchen, etwa
einem auf § 1004 BGB gestützten Beseitigungsverlangen, erhoben werden
(vgl. OLG Hamburg, ZWE 2002, 186, 187; Bärmann/Suilmann, WEG, 13. Aufl.,
§ 10 Rn. 162; für grundsätzliche Zulässigkeit der Einrede BeckOK
WEG/Dötsch, 33. Edition [1.1.2018], § 10 Rn. 328 ff.).
c)
Richtigerweise kann auch einer Unterlassungsklage, mit der sich Wohnungseigentümer
- wie hier - gegen die zweckwidrige Nutzung einer Einheit wenden, nicht im Wege
der Einrede entgegengehalten werden, dass der Beklagte die Änderung der in der
Gemeinschaftsordnung enthaltenen Nutzungsregelung beanspruchen kann. Berechtigte
Anpassungsbegehren müssen nämlich in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden,
damit klar und eindeutig ist, welche Vereinbarungen im Verhältnis der
Wohnungseigentümer untereinander gelten. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn man
den Anpassungsanspruch im Wege der Einrede geltend machen dürfte. Die
Unterlassungsklage würde zwar wegen des bestehenden Anpassungsanspruchs
abgewiesen; die Änderung der Gemeinschaftsordnung unterbliebe aber. Es stünde
auch nicht rechtskräftig fest, dass der Anpassungsanspruch besteht, weil sich
die Wirkungen der Rechtskraft nicht auf Einreden erstrecken (vgl. Senat, Urteil
vom 13. November 1998 - V ZR 29/98, ZfIR 1999, 20, 21; Zöller/G. Vollkommer,
ZPO, 32. Aufl., vor § 322 Rn. 34a; MüKoZPO/Gottwald, 5. Aufl., § 322
Rn. 108). Ließe man die Einrede zu, würden zudem die übrigen Wohnungseigentümer
durch die eigenmächtige Nutzungsänderung in die Klägerrolle gedrängt.
Grundsätzlich muss aber derjenige, der gegen den Willen der übrigen
Wohnungseigentümer die Anpassung der Nutzungsregelung erreichen will, eine
darauf gerichtete Klage erheben und darf die neue Nutzung erst dann aufnehmen,
wenn er ein rechtskräftiges Urteil zu seinen Gunsten erstritten hat. Bis dahin
muss die bislang geltende Gemeinschaftsordnung beachtet werden, so dass Nutzungen,
die den darin vereinbarten Zweckbestimmungen widersprechen, unterbleiben
müssen. Wie zu verfahren ist, wenn der Beklagte in einem Verfahren wie dem
vorliegenden eine auf Anpassung der Gemeinschaftsordnung gerichtete Widerklage
erhebt (vgl. dazu Riecke/Schmid/Lehmann-Richter, WEG, 4. Aufl., § 10 Rn.
226), bedarf hier keiner Entscheidung.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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