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Samstag, 7. Januar 2023

Schenkung einer Eigentumswohnung an Minderjährigen bei Übernahme möglicher Altverbindlichkeiten

Die Beteiligte 1 des Verfahrens übertrug an den minderjährigen Beteiligten zu 2, der durch seine Mutter vertreten wurde, unentgeltlich ihre Miteigentumsanteile an einer Eigentumswohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). In der Gemeinschaftsordnung (GO) vom 24.01.1975 der WEG, auf die im Grundbuch Bezug genommen wurde, hieß es in deren § 11: „Die Rechtsnachfolger einer Gemeinschaft haften neben diesem als Gesamtschuldner für rückständige Lasten und Kosten (…) sowie für andere Forderungen aller Art der Gemeinschaft.“ Die Auflassung wurde in der notariellen Übertragungsurkunde vom 20.09.2021 erklärt. Die gerichtlich bestellte Ergänzungspflegerin genehmigte alle in der Urkunde abgegebenen Erklärungen. Der Notar beantragte danach gemäß § 15 GBO den Vollzug im Grundbuch. In einer Zwischenverfügung monierte das Grundbuchamt das Fehlen der familiengerichtlichen Genehmigung für den Übertragungsvertrag gem. § 1822 Nr. 10 BGB (a.F., heute § 1854 Nr. 4 BGB) vor dem Hintergrund, der minderjährige Beteiligte 2 müsse nach § 11 GO mit dem Vollzug der Urkunde fremde Verbindlichkeiten übernehmen. Gegen diese Zwischenverfügung legte der Notar für die Beteiligten Beschwerde ein mit der Begründung, die Rechtsfolge aus § 11 GO stelle sich nicht als Gegenleistung des Beteiligten 2 dar, sondern sei lediglich eine automatische Folge des Eigentumserwerbs. Das Grundbuchamt half der Beschwerde nicht ab. Die Beschwerde wurde vom OLG als Beschwerdegericht zurückgewiesen.

In seiner Begründung führte das OLG aus, nach § 20 GBO dürfe die Eigentumsumschreibung nur erfolgen, wenn die Auflassung (§§ 873, 925 BGB) nachgewiesen sei. Im Falle einer notwendigen gerichtlichen Genehmigung der Auflassung sei auch diese in grundbuchmäßiger Form nachzuweisen. Hier unterfalle die Auflassung § 1915 BGB iVm. § 1822 Nr. 10 BGB a.F. (heute: § 1854 Nr. 4 BGB). Der Minderjährige übernehme auch dann eine fremde Verbindlichkeit, wenn er gemeinsam mit einem Dritten die gesamtschuldnerische Haftung für die Verbindlichkeit übernehme, auch wenn im Innenverhältnis zwischen ihm und dem Dritten der Dritte die Verbindlichkeit alleine zu tragen habe (BGH, Urteil vom 27.10.1982 - V ZR 177/81 -). Mit der Vorschrift des § 1822 Nr. 10 BGB a.F. (heute § 1854 Nr. 4 BGB) solle verhindert werden, dass wegen der Möglichkeit eines Rückgriffsanspruchs eine Schuld als vermeintlich risikolos übernommen werde. Es bestünde die Gefahr einer Verharmlosung des Rechtsgeschäfts, da ein erfolgreicher Regress aus der Innenhaftung des Dritten nicht gesichert sei.

 Mit dem dinglichen Rechtserwerb (Eigentumsübergang durch im Grundbuch gewahret Auflassung) hafte der Beteiligte 2 als Sonderrechtsnachfolger gem. § 11 GO auch für vor dem Eigentumserwerb begründete Lasten, Kosten und Forderungen aller Art infolge der Verdinglichung der GO gem. § 10 Abs. 2 WEG a.F. (heute: § 10 Abs. 1 WEG; vgl. auch Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Aufl.2021, § 10 Rn. 34) neben der Veräußerin (Beteiligte 1). Auch wenn es nach dem jetzt geltenden Wohnungseigentumsgesetz für eine Haftung von Sonderrechtsnachfolgern für Geldschulden, wie sie hier in § 11 GO normiert wurde, nach § 7 Abs. 3 S. 3 WEG n.F. einer ausdrücklichen Eintragung im Grundbuch bedürfe (die nicht vorliegt), greife dies hier nach § 48 Abs. 3 S. 3 WEG n.F. nicht, da dies nur bei einer Sonderrechtsnachfolge nach dem 31.12.2025 gelte.

Es käme auch nicht darauf an, ob die Heranziehung des Beteiligten 2 wahrscheinlich sei oder ob die Durchsetzung von Ausgleichansprüchen aus § 426 BGB (Ausgleich zwischen Gesamtschuldnern) gegen die Beteiligte zu 1 möglich erscheine. Im Interesse des Minderjährigen sei ein abstrakter Maßstab anzulegen (OLG München, Beschluss vom 22.08.2012 - 34 Wx 200/12 -).

OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.05.2022 - 15 W 1386/22 -

Sonntag, 9. Oktober 2022

WEG: Anspruch von Nutzung von Teileigentum zu Wohnzwecken ?

Die Parteien waren Mitglieder einer Teileigentümergemeinschaft, die aus sieben Einheiten bestand. Nach der Teilungserklärung „dürfen“ die Einheiten „zur beruflichen oder gewerblichen Nutzung“ dienen, „insbesondere als Apotheke oder Arztpraxis genutzt werden“. Der Beklagte war Eigentümer einer als Arztpraxis vermieteten Einheit im Erdgeschoss; nach Errichtung eines Ärztehauses in der Nachbarschaft kündigte der Mieter. Er bildete die Einheit um und vermiete sie als Wohnraum. Das Amtsgericht wies die auf Unterlassung der Vermietung als Wohnraum gerichtete Klage zurück. Die Berufung dagegen war erfolgreich. Mit seiner Revision bei dem BGH drang der Beklagte nicht durch.

Es bestünde ein Unterlassungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG. Danach könne jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechend der Vereinbarung (Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung) verlangen. Die Nutzung der Einheit des Beklagten zu Wohnzwecken widerspreche der Teilungserklärung (TE) bzw. im weiteren Sinne den in der Teilungserklärung enthaltenen Regelungen der Gemeinschaftsordnung.

Soweit es in der TE heiße, die Einheiten „dürfen“ beruflich oder gewerblich genutzt werden, würde es sich trotz des verwandten Verbs „dürfen“ um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter handeln iSv. § 15 Abs. 1 WEG handeln (BGH, Urteil vom 27.10.2017 - V ZR 193/16 -). Dies ergäbe sich aus der Vorbemerkung zu der TE, demzufolge das gesamte Gebäude „zur beruflichen und gewerblichen Nutzung dienen wird“.

Der BGH wies darauf hin, dass eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung sich aber als zulässig erweisen können, wenn sie „bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung“. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, auch wenn die Teilungserklärung jegliche berufliche oder gewerbliche Nutzung als lediglich für Apotheke und Arztpraxis erlauben sollte. Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass die Anlage ausschließlich aus Teileigentumseinheiten bestünde und das gesamte Gebäude gewerblichen oder beruflichen Zwecken diene. Es könne dahinstehen, wie es sich bei einer Anlage mit Wohnungs- und Teileigentum verhalte. Bei der notwendigen typisierenden Betrachtungsweise sei die Nutzung eines Teileigentums zu Wohnzwecken in einem lediglich beruflichen oder gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude schon deshalb störender als die vorgesehene Nutzungsart, da eine Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen (Küchengerüche, Freizeit- und Kinderlärm, Musik pp.) sowie einem anderen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums (wie im Hausflur herumstehender Gegenstände) verbunden sei und ganztägig, auch an Wochenenden, erfolge. Nicht entscheidend sei, on durch die Wohnnutzung ein geringerer Besucherandrang vorläge oder sich die Anlage in einem reinen Wohngebiet befinde. Die Teileigentümer hätten ein berechtigtes Interesse daran, dass der professionelle Charakter der Anlage erhalten bleibe, um mögliche Konflikte durch eine in der TE nicht angelegte gemischte Nutzung von vornherein zu vermeiden. Sie dürften darauf vertrauen, dass sich alle Teileigentümer an die vereinbarten Zweckbestimmungen halten.

Der Umstand, dass eine Heimnutzung, die typischerweise dem Aufenthalt von Menschen rund um die Uhr dient, als in Teileigentumseinheiten grundsätzlich statthaft angesehen würde (BGH aaO.), spreche hier nicht gegen das Unterlassen. Eine Heimnutzung müsse von einer reinen Wohnnutzung abgegrenzt werden, da sie sich von dieser unterscheide.

Der Beklagte könnte einen Anspruch auf eine Änderung der TE gem. § 10 Abs. 3 S. 2 WEG haben. Dieser fall läge vor, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Eigentümer, unbillig erscheine. Dies ließe sich hiernach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneinen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Kodifizierung des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG die Hürden an die Anpassung bewusst abgesenkt habe, indem nun nur noch „schwerwiegende Gründe“ und nicht mehr „außergewöhnliche Umstände“ erforderlich seien. Solche schwerwiegenden Gründe könnten vorliegen, wenn (wie der beklagte behauptet) eine dauerhafte gewerbliche Vermietung angesichts der Lage und Ausstattung des Gebäudes nicht ernsthaft zu erwarten sei. Darüber hinaus müsse geprüft werden, welche Interessen aus Sicht der anderen Eigentümerneben dem formalen Interesse gegen die Anpassung sprechen würden. Hier könnten bauliche Gegebenheiten bedeutsam sein, da die Einheit des Beklagten im Erdgeschoß läge und so möglicherweise den Eindruck von der Anlage prägen könnte, wobei allerdings auch zu berücksichtigen sei, dass der Beklagte dafür gesorgt haben soll, dass die zwei aus dem Teileigentum hervorgegangenen Wohnungen über einen hinter der Eingangstür gelegenen gemeinsamen Windfang betreten würden. Auch müsse bei der Abwägung nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG bedacht werden, dass sich ein dauerhafter Leerstand für die gesamte Anlage nachteilig erweisen könnte.

Allerdings könne der Beklage einen eventuell danach bestehenden Anpassungsanspruch nach § 10 Abs. 2 S. 4 WEG dem Unterlassungsanspruch nicht einredeweise entgegenhalten (BGH, Beschluss vom 13.07.1995 - V ZB 6/94 -). Die Gemeinschaftsordnung würde solange gelten, bis sie durch Vereinbarung aller Eigentümer oder durch richterliche Entscheidung ersetzt worden sei. Berechtigte Anpassungsbegehren müssten in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden, damit klar und eindeutig ist, welche Vereinbarungen im Verhältnis der Wohnungs-/Teileigentümer untereinander gelten. Dieses Ziel könne nicht erreicht werden, wenn eine entsprechende Einrede geltend gemacht werden könne. Durch eine die Einrede berücksichtigende Entscheidung würde auch nicht eine Anpassung in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden können. Keiner Entscheidung bedürfe es, wie zu verfahren gewesen wäre, wenn der Beklagte Widerklage auf Anpassung der Gemeinschaftsordnung erhoben hätte (da eine Widerklage nicht vorlag).

BGH, Urteil vom 15.07.2022 - V ZR 127/21 -

Donnerstag, 16. Mai 2019

WEG: „Geburtsfehler“ der Gemeinschaftsordnung und deren Berichtigung


Die Teilungserklärung (TE) der Wohnungseigentümergemeinschaft aus 1984 bestimmte u.a., dass dem „jeweiligen Eigentümer des Teileigentumsrechts G30 die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Abstellräume I, II und II sowie der Wasch- und Trockenräume A und B“ zustehe. Nach Auseinandersetzungen über die Art der Nutzung, wurde dem Kläger u.a. durch Gerichtsurteil untersagt die Räume als Wohnung zu nutzen. Nunmehr, im vorliegenden Verfahren, verlangte der Kläger die Zustimmung zur Berichtigung der TE dahingehend, dass dem „jeweiligen Eigentümer des Teileigentumsrechts G30 die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Räume I, II und II sowie der Wasch- und Räume A und B“ zustehe. Das Amtsgericht wies die Klage als unzulässig, das Berufungsgericht als unbegründet ab. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück.

Zunächst wäre eine (gegebenenfalls auch ergänzende) Auslegung der TE vor der Prüfung einer Anpassung derselben nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG zu prüfen. Für die Auslegung maßgebend seien der Wortlaut und Sinn der getroffenen Regelungen in der TE, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergäbe. Umstände außerhalb der TE / des Grundbuchs dürften nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar seien. Eine Nutzung über die mit der Einordnung als Wohnungs- oder Teileigentum verbundene Zweckbestimmung hinaus auf lediglich bestimmte Zwecke müsse sich klar und eindeutig aus der TE bzw. Gemeinschaftsordnung (GO) ergeben. Eine schlichte Bezeichnung in dem Teilungsvertrag (TE) könne allerdings bereits ausreichend sein. Eine Zweckbestimmung ergäbe sich hier aus der Angabe als Abstell-, Wasch- und Trockenraum. Dass bereits zum Zeitpunkt der Teilung in den Räumen 18 Wohnungen vorhanden gewesen seien, wie vom Kläger behauptet, sei nicht für jedermann ersichtlich und von daher nicht berücksichtigungsfähig.

Damit sei eine Prüfung nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG geboten. Zwar sei die sachenrechtliche Zuordnung nicht Gegenstand einer Vereinbarung iSv. § 10 WEG, da diese der Regelung der Innenbeziehung der Wohnungseigentümer untereinander diene, also der Schaffung einer GO, die ähnlich einer Satzung die Grundlage des Zusammenlebens der Wohnungseigentümer bilde. Anders läge dies aber bei der Änderung des Inhalts eines dinglichen Sondernutzungsrechts, da dies die sachenrechtliche Zuordnung unberührt lasse. Gegenstand der Klage sei hier der Inhalt des Sondernutzungsrechts. Der Kläger begehre nicht die Umwandlung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Dachgeschossräume in Sondereigentum, sondern eine Änderung der Zweckbestimmung, womit das dingliche Recht an den Räumen nicht berührt werde.

§ 10 Abs. 2 S. 3 WEG („Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.“) lasse unter den dort benannten Voraussetzungen  eine abweichende Vereinbarung oder die Anpassung der Vereinbarung zu. Die Kodifizierung der Norm habe gegenüber den bis dahin von der Rechtsprechung verlangten „außergewöhnlichen Umständen“ die Hürde bewusst herabgesenkt, indem nunmehr „schwerwiegende Gründe“ vorausgesetzt würden. Nicht erforderlich sei, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert hätten; anwendbar sei dies auch dann, wenn Regelungen der GO von Anfang an verfehlt oder unbillig waren (sogen. Geburtsfehler; vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 19). Die Behebung derartiger, eventuell auch bewusster „Geburtsfehler“ einer GO oder TE zu ermöglichen, sei ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers gewesen.

Schwerwiegende Gründe, die ein Festhalten an der bisherigen Regelung unbillig erscheinen ließen, lägen vor, wenn die von der GO geforderte Zweckbestimmung einer Nutzung der Sondereigentumseinheit entgegenstünde, die nach baulicher Ausstattung der Räume möglich wäre, und wenn ferner objektive Umstände dafür sprächen, dass dem betroffenen Wohnungseigentümer diese Nutzung eröffnet werden sollte. Diese bauliche Ausstattung müsse aber entweder bereits bei Begründung des Wohnungseigentums vorgelegen haben oder im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufteilung vorgenommen und von den übrigen Wohnungseigentümern hingenommen worden sein. Eine eigenmächtige Änderung ohne Zustimmung nach § 22 Abs. 1 WEG wäre nicht ausreichend, da dies auf eigenes wirtschaftliches Risiko erfolge. Ferner müssten objektive Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass die bestehende Regelung die tatsächliche eröffnete Nutzung der Räume nicht wiedergebe, was z.B. dann der Fall sei, wenn die Kostentragungspflicht in einem Missverhältnis zu der wirtschaftlichen Verwertbarkeit stünde, die gegeben wäre, wenn dieses nur dem Inhalts der TE gemäß genutzt werden dürfe. Ferner müsse die verlangte Änderung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Zeitpunkt des Änderungsverlangens zulässig sein. Letztlich müsse die nach der bestehenden Zweckbestimmung zulässige Nutzung zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung führen, die durch die Änderung der Zweckbestimmung behoben werden könne.

Würden die schwerwiegenden Gründe (die vom Berufungsgericht nicht geprüft wurden) bejaht, wäre zu prüfen, welche Interessen der übrigen Wohnungseigentümer gegen die geforderte Anpassung sprächen. Alleine ein abstraktes Vertrauen der übrigen Wohnungseigentümer auf Einhaltung der GO würde die Unbilligkeit iSv. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG nicht entfallen lassen. Diesem Vertrauen auf den Bestand würde durch das Erfordernis des schwerwiegenden Grundes Rechnung getragen.

Nach diesen Grundsätzen käme ein Änderungsanspruch des Klägers auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 S. 3 WEG in Betracht: Die 18 Wohnungen seien bereits mehr als zwei Jahre vor der Teilung fertiggestellt und vermietet worden; zugewiesen worden sei aber dem Kläger ein Sondernutzungsrecht, das keine Wohnnutzung, sondern nur eine untergeordnete Verwertung der Räume zuließe. Neben der baulichen Ausstattung spräche auch die Größe der dem Kläger zugewiesenen Miteigentumsanteile von 15.013,730/100.000 (dem größten Miteigentumsanteil) und die damit verbundene Kostentragungspflicht, die sich nach der TE nach Miteigentumsanteile richte, was nahelegen würde, dass der wirtschaftliche Wert des Anteils von vorherein in der Wohnnutzung bestanden habe. Dass hier die bestehende Regelung zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung des Sondernutzungsrechts führe, sei klar.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung habe besonderes Gewicht, dass die Wohnungen nach dem Vortrag des Klägers bereits seit über 30 Jahren bestanden, ohne dass es Beanstandungen durch die übrigen Wohnungseigentümer gegeben habe. Soweit sich in den letzten Jahren gegen die Wohnungsnutzung gewandt hätten, solle dies nur seinen Grund in der Zweckbestimmung, nicht in möglichen nachteiligen Auswirkungen gehabt haben. Dann aber dürften keine Interessen der übrigen Wohnungseigentümer bestehen, sich der Änderung zu verschließen und den Kläger statt dessen auf eine Änderung des unbilligen Kostenverteilungsschlüssels zu verweisen.

Damit erweise sich das Berufungsurteil als fehlerhaft, welches keine Feststellungen nach § 10 Abs. 3 S. 2 WEG getroffen habe. Allerdings dürfe es nicht „Räume“ heißen, da diese allgemeine Bezeichnung keine Wohnnutzung zuließe; die unbestimmte Bezeichnung „Raum“ würde noch nicht dem Rechtsschutzziel der Wohnnutzung entsprechen (es handelt sich hier ersichtlich um einen bisher von den Instanzgerichten unterlassenen Hinweis an den Kläger nach § 139 ZPO, seinen Antrag entsprechend nach Zurückverweisung zu ändern).

BGH, Urteil vom 22.03.2019 - V ZR 298/16 -

Freitag, 10. Mai 2019

WEG: Zur allgemeinen Öffnungsklausel in der Teilungserklärung und Verbot kurzzeitiger Vermietungen


In der Teilungserklärung (TE) der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) war geregelt, dass eine vorübergehende oder wechselnde Vermietung der Wohnungen (z.B. an Feriengäste) gestattet sei. Ein Öffnungsklausel in der TE sah vor, dass mit einer Mehrheit von 75% aller Miteigentumsanteile die TE geändert werden kann. Mit einer entsprechenden Mehrheit fassten die Eigentümer am 29.03.2017 den Beschluss zur Änderung der TE, wonach nunmehr die Wohnungen nur noch zu Wohnzweken genutzt und vermietet werden dürften und die Überlassung an täglich oder wöchentlich wchselnde Feriengäste oder andere Personen zur kurzfristigen Beherbergung von Personen pp. ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Der Kläger hatte diesen Beschluss angefochten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen; auch der BGH wies die zugelassene Revision zurück.

Der Beschluss beinhalte keine Gebrauchsregelung iSv. § 15 Abs. 2 WEG, sondern eine Änderung der Vereinbarung iSv. § 15 Abs. 1 WEG. Würden Einheiten wie vorliegend zu Wohnzwecken dienen, sei dies als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter anzusehen. Die zulässige Wohnnutzung umfasse auch die Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste (BGH, Urteil vom 15.01.2010 - V ZR 72/09 -). Vorliegend sei auch ausdrücklich geregelt gewesen, dass eine entsprechende Vermietung zulässig sei. Die vorgenommene Änderung einer Vereinbarung durch Mehrheitsbeschluss bedürfe der formellen Legitimation durch Kompetenzzuweisung, die im Gesetz geregelt sein könne oder sich aus einer Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 S. 2 WEG) ergeben könne. Vorliegend erlaube die in der Teilungserklärung enthaltene allgemeine Öffnungsklausel, die Regelungen der Gemeinschaftsordnung (als Teil der Teilungserklärung) mit qualifizierter Mehrheit zu ändern, weshalb eine Beschlusskompetenz gegeben sei.

 Die Öffnungsklausel habe lediglich die Funktion, zukünftige Mehrheitsentscheidungen formell zu legitimieren, ohne sie materiell zu rechtfertigen. Daher sei ein Änderungsbeschluss auf der Grundlage einer Öffnungsklausel nicht bereits deshalb rechtmäßig, da er die Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfülle. Vielmehr seien insbesondere zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Diese ergäben sich aus §§ 134, 138m 242 BGB und den zum Kernbereich  des Wohnungseigentumsrechts zählenden Vorschriften, wozu auch unentziehbare und unverzichtbare Individualrechte gehören würden. Was nicht durch Vereinbarung geregelt werden könne, entziehe sich auch einer Regelung im Beschlussweg aufgrund einer Öffnungsklausel., weshalb ein gleichwohl gefasster Beschluss aus materiellen Gründen nichtig sei (BGH, Urteil vom 10.10.2014 - V ZR 315/13 -). Aber auch wenn es sich um ein unentziehbares, wohl aber verzichtbares Mitgliedschaftsrecht handele, sei der Beschluss aufgrund der Öffnungsklausel nur wirksam, wenn die hiervon nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen würden (BGH, Urteil vom 10.10.2014 - V ZR 315/13 - zur Überbürdung der bisher der Gemeinschaft obliegenden Instandhaltungspflicht auf einen Sondernutzungsberechtigten).

Vorliegend würde es sich um ein verzichtbares Individualrecht handeln, da die Wohnungseigentümer auf das ihnen bisher eingeräumte Recht zur kurzzeitigen Vermietung verzichten könnten, weshalb dies einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer zugänglich wäre.  

Die Zweckbestimmung würde vorgeben, wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden dürfe. Daher träfen Änderungen oder Einschränkungen in substanzieller Weise die Nutzung des Sondereigentums. Sie würden deshalb der Zustimmung des Eigentümers der Einheit bedürfen, deren Zweckbestimmung geändert werden soll, was sich aus einer verfassungskonformen Auslegung der allgemeinen Öffnungsklausel ergäbe, die dem Umstand Rechnung trage, dass das Sondereigentum als echtes Eigentum iSv. § 903 BGB und Art. 14 GG ausgestaltet sei. Gleiches gelte für Teileigentum.

Vermietungsverbote würden in die Zweckbestimmung des Wohnungseigentums eingreifen. Es würde zu einer massiven Einschränkung des in § 13 Abs. 1 WEG gewährleisteten Rechts jedes Wohnungseigentümers eingreifen, mit dem in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben zu verfahren und sie insbesondere zu vermieten. Dies Einschränkung könnte daher nur rechtmäßig sein, wenn nicht nur die aktuell vermietetenden, sondern alle Wohnungseigentümer zustimmen würden, denn auch die nicht vermietenden Eigentümer seien im Hinblick auf eine künftige Nutzung eingeschränkt.

 Dabei käme es nicht darauf an, dass zwar kein generelles, sondern nur ein spezielles Vermietungsverbot beschlossen worden sei. Auch dieses würde die zuvor weite Zwekbestimmung einschränken.

Das Eigentumsrecht der übrigen Wohnungseigentümer sei auch nicht außer Acht gelassen. Diesen würden bei Störungen durch Feriengäste durch Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigung durch Feriengäste Unterlassungsansprüche gem. § 15 Abs. 3 WEG zur Seite stehen.

Auch der Hinweis der Beklagten, die Regelung zu Feriengästen sei in die TE aufgrund eines „kollusivem Zusammenwirkens“ des Klägers mit dem Bauträger erst aufgenommen worden, verhelfe hier den Beklagten nicht weiter, da auch ohne diese Regelung die entsprechende Vermietung zulässig sei.  

Damit sei der Beschluss rechtswidrig, da der Kläger ihm nicht zugestimmt habe.

BGH, Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 112/18 -

Donnerstag, 8. März 2018

WEG: Fehlende Beschlusskompetenz des Verbandes zum Verlangen auf Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung


In einem Vorprozess wurde die Kostenverteilungsregelung der Gemeinschaftsordnung des Wohnungseigentümergemeinschaft, der die Parteien angehören, als unwirksam eingestuft. Einige Miteigentümer haben daraufhin eine Vereinbarung notariell beurkunden lassen, nach der Umlagenschlüssel als auch Regelungen zu Sondernutzungsrechten, Instandhaltungspflichten u.a. geändert wurden. Sie forderten die übrigen Miteigentümer zur notariellen Zustimmung auf. Mit Ausnahme des Klägers waren diese dem nachgekommen. Im Rahmen einer Wohnungseigentümerversammlung wurde dann der auf der Tagesordnung angekündigte Beschluss gefasst, die Hausverwaltung zu beauftragen und zu ermächtigen, außergerichtlich und nötigenfalls gerichtlich die noch fehlende Zustimmung des Klägers einzuholen und durchzusetzen. Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger Anfechtungsklage.

Das Amtsgericht wies die Klage ab, das Landgericht gab ihr statt. Die zugelassene Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft habe keine Beschlusskompetenz gehabt. § 23 Abs. 1 WEG regele die Beschlussfassung zu Angelegenheiten, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) oder der Vereinbarung (Teilungserklärung / Gemeinschaftsordnung) qua Beschluss entschieden werden könne. Es fehle daher an der Beschlusskompetenz, wenn diese Voraussetzung nicht gegeben sei mit der Folge, dass ein dennoch gefasster Beschluss wegen absoluter Unzuständigkeit nichtig sei.

Vorliegend sei die Hausverwaltung beauftragt und ermächtigt worden, von dem Kläger die Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung  einzuholen und auch ggf. gerichtlich durchzusetzen. Der Beschluss sei so zu verstehen, dass eine alleinige Ausübungsbefugnis des Verbandes für die Individualansprüche der Wohnungseigentümer aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG begründet werden sollte. Nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung (Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung) verlangen, wenn ein Festhalten an der bisherigen Regelung aus besonderen Gründen im Einzelfall unbillig erscheint. Die mögliche Kompetenzgrundlage des § 10 Abs. 6 S. 3 WEG käme aber vorliegend nicht zum Tragen, da es sich bei § 10 Abs. 2 S. 3 WEG um einen Individualanspruch handele und für einen solchen die Kompetenz des Verbandes nicht begründet werden könne.

Der BGH weist darauf hin, dass § 10 Abs. 6 S. 3 WEG sich nur auf Rechte und Pflichten aus der Verwaltung beziehe, nicht aber auf das Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer oder deren individuelle Mitgliedsrechte. Die Regelung in § 10 Abs. 2 S. 3 würde dem Einzelnen einen Anspruch im Einzelfall bei besonderen Umständen zuerkennen, der sich nicht auf das Gemeinschaftseigentum und dessen Veraltung bezöge, sondern ausschließlich auf die inhaltliche Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses. Zudem beträfe § 10 Abs. 2 S. 3 WEG den Kernbereich des Mitgliedschaftsrechts, der generell der Vergemeinschaftung entzogen sei. Der Änderungsanspruch diene gerade dem individuellen Schutz des Einzelnen im Innerverhältnis der Wohnungseigentümer und dieser Schutz würde zur Disposition der Mehrheit gestellt, wenn die Wohnungseigentümer den Änderungsanspruch auf den Verband gem. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG übertragen könnten.

Die eine Änderung der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung wünschenden  Wohnungseigentümer könnten hier zwecks Vermeidung widerstreitender Entscheidungen gemeinsam klagen oder sich darauf verständigen, dass nur einer klagt. Im übrigen bliebe offen, ob hier überhaupt (gar insgesamt) die beabsichtigten Änderungen Inhalt des Individualanspruchs nach § 20 Abs. 2 S. 3 WEG sein könnten.

BGH, Urteil vom 13.10.2017 - V ZR 305/16 -