Die Beklagte, eine Versicherungsgesellschaft, machte im Rahmen der Kostenfestsetzung nach Abschluss des streitigen Verfahrens auch von ihr aufgewandte Kosten für ein von eingeholtes privates Sachverständigengutachten geltend. Dem wurde vom Gericht entsprochen. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte die Klägerseite, soweit es diese Kosten betraf, sofortige Beschwerde ein, die vom OLG als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Das OLG stelle zutreffend darauf ab, ob die Hinzuziehung eines privaten Sachverständigen für die Versicherungsgesellschaft zur (hier) Rechtverteidigung notwendig war, § 91 Abs. 2 ZPO. Dabei berücksichtigte das OLG den Umstand, dass die Beauftragung des medizinischen Sachverständigen durch die Beklagte nah Klageerhebung eggen sie im Februar 2016 erst im Juni 2018 erfolgt sei, nachdem ein für sie negatives gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten vorgelegen habe.
Dabei stellte das OLG auf die Rechtsprechung des BGH ab, derzufolge darauf abzustellen sei, ob eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante betrachtet als sachdienlich angesehen hätte, wobei dies insbesondere bejaht würde, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung eines Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage wäre und mithin – liegt wie hier ein negatives Gerichtssachverständigengutachten vor – dieses selbst nicht zu erschüttern vermag (BGH, Beschluss vom 20.12.2011 - VI ZB 17/11 -). Vorliegend habe auch von einem größeren Versicherungsunternehmen nicht erwartet werden können, dass insoweit interne Sachkunde vorgehalten würde (es ging um Fragestellungen im Zusammenhang mit der Schädigung des Sehnervs); der BGH hatte diesbezüglich zu einem Versicherungskonzern entschieden.
Die Beklagte habe die schriftliche Stellungnahme des privaten Sachverständigen zur Akte gereicht und zur Grundlage ihrer Stellungnahme gemacht. Ob das Gutachten schließlich Eingang in das Urteil findet oder nicht, sich also positiv für die Partei auswirkt oder nicht, sei nicht entscheidend.
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger den Stundensatz des privaten Sachverständigen bei der Festsetzung berücksichtigte. Für den privaten Sachverständigen seien nicht die Stundensätze nach dem JVEG maßgeblich, welches auch nicht entsprechend angewandt werden könne. (BGH, Beschluss vom 25.01.2007 - VII ZB 74/06 -). Lediglich bei einer erheblichen Abweichung sei eine besondere Darlegung der Notwendigkeit von Gebühren in dieser Höhe erforderlich (BGH aaO.), was hier nicht vorläge.
OLG Köln, Beschluss vom 02.04.2024
- I-17 W 42/24 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 19.12.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Nr. I. des Landgerichts Köln vom 29.11.2023 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
1.
Die gemäß
§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG
statthafte sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere
übersteigt der Beschwerdewert den Betrag von 200 € (§ 567 Abs. 2
ZPO).
2.
In der Sache
bleibt die sofortige Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu
Recht zugunsten der Beklagten die geltend gemachten Kosten für den privat
beauftragen Sachverständigen festgesetzt.
a) Die
Kosten für den von der Beklagten privat beauftragten Gutachten Dr. B. sind
notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 ZPO.
Die
Beauftragung des Sachverständigen Dr. B. erfolgte prozessbezogen, da seine
Stellungnahmen erst im Juni 2018 – Klageerhebung war im Februar 2016 – und erst
nach Erstellung des für die Beklagte nachteiligen Gutachten des gerichtlichen
Sachverständigen (Mai 2018) erfolgten.
Der
Bundesgerichtshof hat die Frage, ob eine verständige und wirtschaftlich
vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als
sachdienlich ansehen durfte, insbesondere in Fällen bejaht, in denen die Partei
infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht
zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war; hierzu gehören auch Fälle, in
denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens ein ihr nachteiliges
Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag (vgl. BGH,
Beschluss vom 20.12.2011 – VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 ff. = NJW 2012, 1370;
Senat, Beschluss vom 04.05.2016 – 17 W 216/15, BeckRS 2016, 116881 – jeweils
mwN).
So liegt der
Streitfall. Es ging vorliegend um medizinisch durchaus anspruchsvolle
Fragestellungen im Zusammenhang mit der Schädigung des Sehnervs, was einer
augenärztlichen Bewertung bedurfte. Es kann auch von einem größeren
Versicherungsunternehmen nicht erwartet werden, dass insoweit interne Sachkunde
vorgehalten wird. Auch in dem Fall, welcher der Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vom 20.12.2011 zugrunde lag, war ein Versicherungskonzern
auf Beklagtenseite beteiligt.
Die Beklagte
hat die schriftlichen Stellungnahmen des Dr. B. zur Akte gereicht und auf
dieser Grundlage zum gerichtlich eingeholten Gutachten Stellung genommen. Es
ist für die Erstattungsfähigkeit nicht erforderlich, dass das Gutachten Eingang
in das Urteil gefunden hat oder die Überzeugungsbildung des Gerichts im Sinne
der Beklagten beeinflusst hat.
b)
Soweit sich der Kläger auch bezüglich der Höhe gegen die Kostenfestsetzung
wendet, hat das Rechtsmittel ebenfalls keinen Erfolg.
aa) Es
ist nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger bei der Festsetzung die
gesamte von dem Sachverständigen Dr. B. angesetzte Stundenzahl berücksichtigt
hat. Der klägerseits angestellte Vergleich mit der Bearbeitungszeit des
gerichtlich beauftragten Sachverständige veranlasst den Senat zu keiner anderen
Bewertung, da Bearbeitungszeiten individuell sind. Eine unangemessen lange
Bearbeitungszeit ist nicht ersichtlich, zumal sich die schriftlichen
Ausführungen des Dr. B. auf insgesamt circa 15 Seiten erstrecken und er sich
inhaltlich auch mit dem gerichtlichen Gutachten auseinandergesetzt hat, was
einen zeitlichen Mehraufwand insgesamt plausibel macht. Die Gesamtvergütung von
2.231,50 € steht auch nicht außer Verhältnis zum Streitgegenstand.
bb) Auch
bezüglich des angesetzten Stundenlohns zeig die sofortige Beschwerde keinen
Fehler in der Kostenfestsetzung auf. Bei einem privat beauftragten
Sachverständigen sind hinsichtlich der Frage der Angemessenheit des
Stundenlohns nicht die Stundensätze des JVEG maßgeblich; auch eine
entsprechende Anwendung kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom
25.01.2007 – VII ZB 74/06, juris Rn. 11; Beschluss vom 07.02.2013 – VII ZB
60/11, juris Rn. 30; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2009 – 12 W 11/09,
juris Rn. 12; OLG Köln, Beschluss vom 21.09.2015 – 17 W 64/15, BeckRS 2015,
19513 Rn. 19 ff.; Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 91 Rn.
59c; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 91 Rn. 13.73). Lediglich wenn die
Stundensätze des Privatgutachters ganz erheblich von den im JVEG vorgesehenen
Sätzen abweichen, bedarf es einer besonderen Darlegung ihrer Notwendigkeit
(vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2007 – VII ZB 74/06, juris Rn. 11; OLG Köln,
Beschluss vom 21.09.2015 – 17 W 64/15, BeckRS 2015, 19513 Rn. 19).
Die von dem
Beklagten in Bezug genommenen Gebührensätze des JVEG oder die Vorschrift des
§ 13 JVEG finden für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten im
Streitfall daher keine Anwendung. Im Übrigen weicht der von dem
Sachverständigen Dr. B. angesetzte Stundensatz nicht derart erheblich von den
Sätzen des JVEG ab, dass eine Erstattungsfähigkeit unter diesem Gesichtspunkt
in Frage stehen könnte oder eine gesonderte Erläuterung geboten wäre. Es
handelt sich vielmehr um eine durchaus übliche Abweichung bei der privaten
Beauftragung eines Sachverständigen.
3.
Es besteht
keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die maßgeblichen Fragen
sind – wie aufgezeigt – durch höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung
geklärt; im Übrigen handelt es sich um eine Beurteilung der Umstände des
Einzelfalls.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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