Freitag, 13. September 2024

Privatgutachterkosten (auch) für Versicherer notwendige Prozesskosten

Die Beklagte, eine Versicherungsgesellschaft, machte im Rahmen der Kostenfestsetzung nach Abschluss des streitigen Verfahrens auch von ihr aufgewandte Kosten für ein von eingeholtes privates Sachverständigengutachten geltend. Dem wurde vom Gericht entsprochen. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte die Klägerseite, soweit es diese Kosten betraf, sofortige Beschwerde ein, die vom OLG als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Das OLG stelle zutreffend darauf ab, ob die Hinzuziehung eines privaten Sachverständigen für die Versicherungsgesellschaft zur (hier) Rechtverteidigung notwendig war, § 91 Abs. 2 ZPO. Dabei berücksichtigte das OLG den Umstand, dass die Beauftragung des medizinischen Sachverständigen durch die Beklagte nah Klageerhebung eggen sie im Februar 2016 erst im Juni 2018 erfolgt sei, nachdem ein für sie negatives gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten vorgelegen habe.

Dabei stellte das OLG auf die Rechtsprechung des BGH ab, derzufolge darauf abzustellen sei, ob eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante betrachtet als sachdienlich angesehen hätte, wobei dies insbesondere bejaht würde, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung eines Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage wäre und mithin – liegt wie hier ein negatives Gerichtssachverständigengutachten vor – dieses selbst nicht zu erschüttern vermag (BGH, Beschluss vom 20.12.2011 - VI ZB 17/11 -). Vorliegend habe auch von einem größeren Versicherungsunternehmen nicht erwartet werden können, dass insoweit interne Sachkunde vorgehalten würde (es ging um Fragestellungen im Zusammenhang mit der Schädigung des Sehnervs); der BGH hatte diesbezüglich zu einem Versicherungskonzern entschieden.  

Die Beklagte habe die schriftliche Stellungnahme des privaten Sachverständigen zur Akte gereicht und zur Grundlage ihrer Stellungnahme gemacht. Ob das Gutachten schließlich Eingang in das Urteil findet oder nicht, sich also positiv für die Partei auswirkt oder nicht, sei nicht entscheidend.

Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger den Stundensatz des privaten Sachverständigen bei der Festsetzung berücksichtigte. Für den privaten Sachverständigen seien nicht die Stundensätze nach dem JVEG maßgeblich, welches auch nicht entsprechend angewandt werden könne. (BGH, Beschluss vom 25.01.2007 - VII ZB 74/06 -). Lediglich bei einer erheblichen Abweichung sei eine besondere Darlegung der Notwendigkeit von Gebühren in dieser Höhe erforderlich (BGH aaO.), was hier nicht vorläge.

OLG Köln, Beschluss vom 02.04.2024 - I-17 W 42/24 -


Aus den Gründen:

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 19.12.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Nr. I. des Landgerichts Köln vom 29.11.2023 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1.

Die gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG statthafte sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere übersteigt der Beschwerdewert den Betrag von 200 € (§ 567 Abs. 2 ZPO).

2.

In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht zugunsten der Beklagten die geltend gemachten Kosten für den privat beauftragen Sachverständigen festgesetzt.

a) Die Kosten für den von der Beklagten privat beauftragten Gutachten Dr. B. sind notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 ZPO.

Die Beauftragung des Sachverständigen Dr. B. erfolgte prozessbezogen, da seine Stellungnahmen erst im Juni 2018 – Klageerhebung war im Februar 2016 – und erst nach Erstellung des für die Beklagte nachteiligen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen (Mai 2018) erfolgten.

Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte, insbesondere in Fällen bejaht, in denen die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war; hierzu gehören auch Fälle, in denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens ein ihr nachteiliges Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.2011 – VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 ff. = NJW 2012, 1370; Senat, Beschluss vom 04.05.2016 – 17 W 216/15, BeckRS 2016, 116881 – jeweils mwN).

So liegt der Streitfall. Es ging vorliegend um medizinisch durchaus anspruchsvolle Fragestellungen im Zusammenhang mit der Schädigung des Sehnervs, was einer augenärztlichen Bewertung bedurfte. Es kann auch von einem größeren Versicherungsunternehmen nicht erwartet werden, dass insoweit interne Sachkunde vorgehalten wird. Auch in dem Fall, welcher der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.12.2011 zugrunde lag, war ein Versicherungskonzern auf Beklagtenseite beteiligt.

Die Beklagte hat die schriftlichen Stellungnahmen des Dr. B. zur Akte gereicht und auf dieser Grundlage zum gerichtlich eingeholten Gutachten Stellung genommen. Es ist für die Erstattungsfähigkeit nicht erforderlich, dass das Gutachten Eingang in das Urteil gefunden hat oder die Überzeugungsbildung des Gerichts im Sinne der Beklagten beeinflusst hat.

b) Soweit sich der Kläger auch bezüglich der Höhe gegen die Kostenfestsetzung wendet, hat das Rechtsmittel ebenfalls keinen Erfolg.

aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger bei der Festsetzung die gesamte von dem Sachverständigen Dr. B. angesetzte Stundenzahl berücksichtigt hat. Der klägerseits angestellte Vergleich mit der Bearbeitungszeit des gerichtlich beauftragten Sachverständige veranlasst den Senat zu keiner anderen Bewertung, da Bearbeitungszeiten individuell sind. Eine unangemessen lange Bearbeitungszeit ist nicht ersichtlich, zumal sich die schriftlichen Ausführungen des Dr. B. auf insgesamt circa 15 Seiten erstrecken und er sich inhaltlich auch mit dem gerichtlichen Gutachten auseinandergesetzt hat, was einen zeitlichen Mehraufwand insgesamt plausibel macht. Die Gesamtvergütung von 2.231,50 € steht auch nicht außer Verhältnis zum Streitgegenstand.

bb) Auch bezüglich des angesetzten Stundenlohns zeig die sofortige Beschwerde keinen Fehler in der Kostenfestsetzung auf. Bei einem privat beauftragten Sachverständigen sind hinsichtlich der Frage der Angemessenheit des Stundenlohns nicht die Stundensätze des JVEG maßgeblich; auch eine entsprechende Anwendung kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2007 – VII ZB 74/06, juris Rn. 11; Beschluss vom 07.02.2013 – VII ZB 60/11, juris Rn. 30; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2009 – 12 W 11/09, juris Rn. 12; OLG Köln, Beschluss vom 21.09.2015 – 17 W 64/15, BeckRS 2015, 19513 Rn. 19 ff.; Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 91 Rn. 59c; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 91 Rn. 13.73). Lediglich wenn die Stundensätze des Privatgutachters ganz erheblich von den im JVEG vorgesehenen Sätzen abweichen, bedarf es einer besonderen Darlegung ihrer Notwendigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2007 – VII ZB 74/06, juris Rn. 11; OLG Köln, Beschluss vom 21.09.2015 – 17 W 64/15, BeckRS 2015, 19513 Rn. 19).

Die von dem Beklagten in Bezug genommenen Gebührensätze des JVEG oder die Vorschrift des § 13 JVEG finden für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten im Streitfall daher keine Anwendung. Im Übrigen weicht der von dem Sachverständigen Dr. B. angesetzte Stundensatz nicht derart erheblich von den Sätzen des JVEG ab, dass eine Erstattungsfähigkeit unter diesem Gesichtspunkt in Frage stehen könnte oder eine gesonderte Erläuterung geboten wäre. Es handelt sich vielmehr um eine durchaus übliche Abweichung bei der privaten Beauftragung eines Sachverständigen.

3.

Es besteht keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die maßgeblichen Fragen sind – wie aufgezeigt – durch höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung geklärt; im Übrigen handelt es sich um eine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.


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