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Freitag, 25. August 2023

Formale Voraussetzungen für Zwangsgeld wegen unterbliebener Mitwirkung bei Versorgungsausgleich

Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens teilte der zuständigen Versorgungsträgers gegenüber dem Amtsgericht (AG) mit, dass das Versicherungskonto des Antragsgegners nicht geklärt sei. Ungeklärte Zeiten seien diesem erfolglos zur Mitwirkung bei der Feststellung mitgeteilt worden. Dies überließ diese Unterlage dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners formlos „m.B. um Kt u. Erl.“. Mit Verfügung vom 28,02.2023 wies nunmehr das AG den Antragsgegner auf bestimmte Lücken in dessen Versicherungskonto hin und fordert ihn unter Fristsetzung „zur Klärung dieser Auskünfte“ auf. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage der „Unterlagen“ gegen ihn ein Zwangsgeld von bis zu € 25.000,00 festgesetzt werden könne. Da das Versicherungskonto nach Ablauf der Frist weiterhin ungeklärte Zeiten enthielt, setzte das AG gegen den Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von € 500,00 fest. Der Antragsgegner legte dagegen erfolgreich sofortige Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht ging davon aus, dass die formalen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes hier nicht vorliegen würden.

§ 35 Abs. 1 FamFG ermögliche dem Gericht zur Durchsetzung einer gerichtlich angeordneten Pflicht zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung die Anordnung eines Zwangsgeldes (und im Falle, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, die Anordnung einer Zwangshaft). Das OLG verwies darauf, dass  die Norm keine Rechtsgrundlage für eine vollstreckbare Mitwirkungsverpflichtung darstelle, sondern lediglich das Verfahren ihrer Durchsetzung regele. Die geforderte Mitwirkung müsse durch materielles oder Verfahrensrecht normiert sein.

Nach § 220 Abs. 2, 3 und 5 FamFG könne das Gericht die Mitwirkung der Ehegatten gegenüber Versorgungsträgern anordnen, soweit diese zur Feststellung der in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte erforderlich sei.

Die Anordnung bedürfe gemäß § 35 Abs. 2 FamFG eines vorherigen Hinweises (Warnfunktion). Zudem bedürfe es einer vollzugsfähigen gerichtlichen Verfügung, woran es vorliegend ermangele.

Es müsse dem Verpflichteten ein bestimmtes, ohne weiteres verständliches Verhalten aufgegeben werden. Dazu würde bei Klärung des Rentenkontos im Rahmen des Versorgungsausgleichs in der Anordnung gem. § 220 Abs. 3 FamFG auszuführen sein,  zu welchen Fehlzeiten welche Belege vorgelegt werden müssen. Alleine die Angabe der Fehlzeiten mit der Aufforderung zur Aufklärung sei ungenügend, da (insbesondere juristisch nicht vorgebildete) Beteiligte nicht hinreichend deutlich erkennen könnten, was von ihnen verlangt wird. Bei ungeklärten Zeiten sei aufzugeben darzulegen, welche Erwerbstätigkeit der Beteiligte bei welchem Arbeitgeber ausgeübt habe, wann er innerhalb der Zeiträume Leistungen der Arbeitsverwaltung oder Krankengeld bezog und welche Ausbildungszeiten er zurückgelegt habe (u.a. OLG Schleswig, Beschluss vom 27.02.2015 - 10 WF 34/15 -). Dem würden weder die Anordnung des AG vom 28.02.2023 noch die vorherige formlose Übermittlung des Schreibens des Versorgungsträgers (mit der Bitte um Kenntnisnahme und Erledigung genügen, da sich diese Mitteilungen auf die bloße Mitteilung der Lücken im Versorgungsverlauf beschränken würden ohne konkrete Angabe dessen, was im Einzelnen für diese Zeiten darzulegen und nachzuweisen sei. Auch die Aufforderung zur Vorlage von „Unterlagen“ sei danach unbestimmt.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.05.2023 - 20 WF 76/23 -

Montag, 15. Mai 2023

Die virtuelle Mitgliederversammlung des (eingetragenen) Vereins und deren Regelung in der Satzung

Das Vereinsregister hatte die Anmeldung der (einstimmig beschlossenen) satzungsändernden Regelung zur Ausübung von Mitgliedschaftsrechten in einer Mitgliederversammlung im Wege elektronischer Kommunikation des beschwerdeführenden Vereins als zu unbestimmt und daher unzulässig angesehen. Die Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Das OLG wies darauf hin, dass eine Vereinssatzung sehr wohl die Möglichkeit einer virtuellen Versammlung begründet, auch, dass sie alternativ eine reale und eine virtuelle Versammlung vorsehen würde, ebenso wie Mischformen (Teilnahme physisch oder nach Wahl virtuell) denkbar seien. Dies könne mit Begründung des verein sind ei Satzung aufgenommen werden, aber auch nachträglich.

Das OLG stellte auf die Notwendigkeit einer konkreten Fassung der Satzungsregelung ab. Es müssten zwar nicht sämtliche Einzelheiten der virtuellen Durchführung geregelt werden (wie sie der Entscheidung des OLG Hamm vom 27.09.2022 - 27 W 106/11 - zugrunde gelegen hätten), aber es müsse der Satzung der grundsätzliche Durchführungsweg einer virtuellen Mitgliederversammlung entnommen werden können. Dies gelte insbesondere dann, wenn eine Mischform aus realer und virtueller Mitgliederversammlung zugelassen würde, da sichergestellt werden müsse, dass die virtuell anwesenden ebenso wie die physisch anwesenden Mitgliedre partizipieren können.

Die neue Satzungsregelung, dass ein teil der Mitglieder oder alle ihre Mitgliedsrechte im Wege elektronischer Kommunikation und ohne Anwesenheit am Versammlungsort ausüben könnten, sei dahin auszulegen, dass auch eine rein virtuelle Mitgliederversammlung durchgeführt werden könne und sei nicht unbestimmt. Nicht geregelt sei aber, ob es im Rahmen einer virtuellen Mitgliederversammlung erforderlich sei, dass sämtliche Mitgliedre gleichzeitig unter Nutzung der elektronischen Kommunikationsmittel virtuell anwesend sein müssen, oder ob es ausreichend sei, dass diese auf elektronischen Weg Fragen und Anträge stellen und ihre Stimme abgeben könnten, sie aber nicht gleichzeitig virtuell anwesend sein müssten und auch nicht die Möglichkeit einer Diskussion bestehen müsse. Wegen der Wesentlichkeit sei dies aber in der Satzung zu regeln und könne nicht in das Ermessen des Vorstandes gestellt werden.

Weiterhin enthalte die neue Satzungsregelung keine Regelung dazu, wie die vorgesehene Möglichkeit der Wahrnehmung der Mitgliedsrechte auf elektronischen Weg durch den dies nutzenden Teil der Mitglieder umgesetzt werden soll. Letztlich könne es sich entsprechend der Videoverhandlung nach § 128a ZPO nur um eine reale Mitgliederversammlung handeln, bei der den Mitgliedern freigestellt würde, an dieser virtuell teilzunehmen. In diesem Fall der Mischform müsse aber eine vergleichbare Partizipation der virtuell und physisch anwesenden Mitglieder gewährleistet sein. Wie vorliegend die virtuell teilnehmenden Mitglieder ihre Mitgliedschaftsrechte wahrnehmen können, sei aber nicht geregelt. Es würden insbesondere Regelungen dazu fehlen, dass den virtuell Teilnehmenden wie den real Teilnehmenden die Verfolgung der Mitgliederversammlung ermöglicht werden muss und sie Fragen und Anträge stellen und sich an Abstimmungen beteiligen können. Auch das führe zur Unzulässigkeit der Satzungsregelung.

OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.2022 - I-27 W 58/22 -

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Testamentarische Regelung zur Nacherbenbestimmung durch Vorerben

Die Erblasserin bestimmte in ihrem notariellen Testament die Beteiligte zu 1 bis 3 zu ihren Erben. Zu dem Beteiligten zu 3. führte sie aus, dass dieser „nur von den gesetzlichen Beschränkungen befreiter Vorerbe“ sei. Nacherbe seien seine „gewillkürten eigenen Erben, ersatzweise meine Tochter“ (hier die Beteiligte zu 2.; ausgenommen seien als Nacherben der Vater des Beteiligten zu 3. (der Sohn der verstorbenen, dessen Abkömmlinge aus anderen Verbindungen und seine Verwandten aufsteigender Linie. Die Nacherbenanwartschaften seien zwischen Erbfall und Nacherbfall nicht vererblich und übertragbar.

Der beteiligte zu 1. beantragte die Berichtigung des Grundbuchs durch seine und der Eintragung der Beteiligten zu 2. und 3. Anstelle der Erblasserin. Das Grundbuchamt verlangte mit Zwischenverfügung die Vorlage eines Erbscheins und wies darauf hin, dass Testament verstoße hinsichtlich der Nacherbfolge gegen § 2065 Abs. 2 BGB und der Beteiligte zu 3. würde unzulässig (und damit gegen § 138 BGB verstoßend) in der Freiheit seiner Erbenbestimmung beschränkt. Gegen die entsprechende Zwischenverfügung legte der Beteiligte zu 1. sofortige Beschwerde ein, die erfolgreich war.

Es handele sich hier um einen Antrag auf Berichtigung einer unrichtigen Eintragung im Grundbuch, § 13 Abs. 1 GBO, bei dem die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunde (§ 29 GBO) nachgewiesen würde, § 22 Abs. 1 GBO. Der Nachweis der Erbfolge würde durch einen Erbschein geführt, § 35 Abs. 1 Nr. 1 GBO. Würde aber die Erbfolge auf einem Testament beruhen, welches in einer öffentlichen Urkunde enthalten sei, genüge es, wenn die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werde, § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO. Das Grundbuchamt müsse prüfen, ob e sich daraus das behauptete Erbrecht ergäbe.

Zu den von einem Erblasser zu tätigen Bestimmungen in einem Testament würden die Bestimmung über den Gegenstand der Zuwendung und über die Person des Bedachten gehören, § 2065 Abs. 2 BGB. Allerdings reiche es, wenn er dies nur bedingt äußert. So könne auch die Erbeinsetzung unter einer Bedingung vornehmen, wobei er allerdings die Person des Bedachten und den Gegenstand der Zuwendung so bestimmt angeben müsse, dass die Bestimmung des Erben objektiv durch einen Dritten (ohne dass dessen eigenes Ermessen dabei bestimmend ist) für jede sachkundige Person möglich wäre.

Streitig sei dabei, worauf das Kammergericht verwies, ob eine Regelung zulässig sei, im Wege einer Bedingung Personen zu Nacherben zu bestimmen, die der Vorerbe zu seinen Erben einsetze (bejahend u.a. OLG München, Beschluss vom 05.01.2017 - 34 Wx 324/16 -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.04.2005 - 8 W 10/05 -; verneinend OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.12.1999 - 20 W 224/97 -). Das OLG würde sich hier der erstgenannten Ansicht anschließen, auch wenn es nicht verkenne, dass die vorliegende Regelung einer Bestimmung iSv. § 2065 Abs. 2 Alt. 1 BGB nahekomme. Dabei wies es darauf hin, dass bei dem zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung erst vierjährigen Beteiligten zu 3. Nicht bekannt war (und weiterhin ist), ob und welche Personen er zu seinen Erben bestimmen wird. Zwar könne der Erblasser nicht einen Dritten überlassen. Allerdings sei zu beachten, dass im Falle der Bestimmung seiner Erben der Beteiligte zu 3. unmittelbar nur seine eigenen Erben bestimme, § 1937 BGB, sich seien Anordnung also nicht auf die Bestimmung eines Nacherben beschränken würde; nur dies wäre nach § 2065 Abs. 2 Alt 1 BGB unzulässig (OLG München aO.). Diese Abgrenzung zwischen unmittelbarer und lediglich mittelbarer Bestimmung des (nach-) Erben durch Dritte sei von entscheidender Bedeutung für die Anwendung von § 2065 Abs. 2 BGB. Bei der Errichtung der eigenen letztwilligen Verfügung würde es dem Dritten darauf ankommen, den eigenen Nachlass zu regeln und Erben zu bestimmen; von untergeordneten Interesse sei es, dessen Personen auch den im Rahmen der Vorerbschaft erworbenen Nachlass zukommen zu lassen.

Anders sei dies beim Erblasser selbst. Ihm käme es auf einen Gleichlauf zwischen den Erben seines Vorerben und den eigenen Nacherben an. Hier müsse der Erblasser die Entscheidung treffen, wozu nicht notwendig eine individuelle Benennung des bedachten gehört, wenn sie sich aus den Umständen ergäbe (BGHZ 15, 199, 201). Dies sei hier erfolgt, da entweder Nacherben die vom beteiligten zu 3. Bestimmten Erben oder, bestimmt dieser keinen Erben, die Beteiligte zu 2. (auch) Nacherbin würde.

Kammergericht, Beschluss vom 25.08.2022 - 1 W 262/22 -

Montag, 18. Juli 2022

Gebäudeversicherung: Obliegenheitsklausel „Rückstausicherung“ in der Klauselkontrolle (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB)

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Gebäudeversicherung abgeschlossen und verlangte von dieser aus einem Wasserschaden wegen Rückstaus Entschädigung. In den Versicherungsbedingungen zu den grundsätzlich versicherten Überschwemmungs- und Rückstauschäden wurde dem Kläger auferlegt, Rückstausicherungen anzubringen und funktionsbereit zu halten. Die Beklagte machte grobe Fahrlässigkeit wegen unterlassener „Rückstausicherung“ des Klägers geltend und kürzte den Anspruch um 50%. Die Klage auf Zahlung der weiteren 50% wurde vom Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers wurde das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Das OLG stellte fest, dass im Rahmen der Wohngebäudeversicherung Elementarschäden infolge von Rückstau mitversichert seien und ein solcher Rückstauschaden eingetreten sei. Eine Obliegenheitspflichtverletzung des Klägers als Versicherungsnehmer läge nicht vor, da es an einer wirksamen Vereinbarung zu Wartungsobliegenheiten ermangele.

Soweit der Kläger nach den Versicherungsbedingungen zur Vermeidung von Überschwemmungs- und Rückstauschäden bei rückstaugefährdeten Räumen Rückstausicherungen anzubringen und funktionsbereit zu halten habe, habe er diese jedenfalls angebracht. Streitig zwischen den Parteien sei, ob du wie Wartungen vorgenommen worden seien. Das aber kann nach Auffassung des OLG dahinstehen, da diese Regelung „Funktionsbereit“ wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei.  Wegen der einschneidenden Sanktionen, die an die Obliegenheitsverletzung geknüpft seien, müsse das auferlegte Tun oder Unterlassen ausdrücklich so vereinbart sein, dass klar und deutlich erkennbar sei, was verlangt würde (BGH, Urteil vom 16.09.2009 - IV ZR 246/08 -).

Eine entsprechende klare Handlungsregelung würde fehlen. Für den durchschnittlichen um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer sei lediglich erkennbar, dass er über den Einbau einer Rückstausicherung hinaus verpflichtet sei, deren Funktionsbereitschaft aufrechtzuerhalten. „Funktionsbereit“ könne sowohl als Wartungs- als auch als bloße Reparaturverpflichtung verstanden werden, da das „Vorhalten“ gefordert würde. Allerdings sah sich das OLG vorliegend nicht veranlasst, diese hier zu entscheiden. Die die Unwirksamkeit bedingenden Gründe würden sich hier aus einer Regelung des § 23 VGB 2011 der Beklagten ergeben, demzufolge versicherte Sachen (insbes. wasserführende Anlagen/Einrichtungen) stets in ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und Mängel/Schäden unverzüglich zu beseitigen seien. Dem Versicherungsnehmer würde insoweit eine allgemeine Instandhaltungsverpflichtung auferlegt. Im Vergleich zu § 23 VGB 2011 der Beklagten sei die hier fragliche Klausel völlig konturenlos; weder würden Wartungs- noch Instandhaltungsobliegenheiten benannt. Unklar bliebe, welche Verhaltensweisen insoweit vom Versicherungsnehmer erwartet würden. Bei Wartungen wären auch Wartungsintervalle zu benennen, da sonst offen bleiben würde, an welche Voraussetzungen der Kausalitätsgegenbewies des Versicherungsnehmers zu knüpfen sei.

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.05.2022 - 7 U 71/21 -

Freitag, 19. Juli 2019

Testament auf einem kleinen Notizzettel (Voraussetzungen für ein wirksames Testament)


Die kinderlosen Eheleute hatten ein gemeinschaftliches Testament ohne Bestimmung eines Schlusserbens. Nach dem Tot des Ehemanns der Erblasserin wurden zwei Entwürfe notarieller Testamente der Erblasserin zugunsten der Beteiligten zu 1. Als Alleinerbin erstellt. Nach dem Ableben der Erblasserin legte diese die Entwürfe sowie einen undatierten, quadratischen und nur wenige Zentimeter messenden Notizzettel dem Nachlassgericht vor und beantragte für sich einen Erbschein.  Auf dem Zettel, mit vollständiger Unterschrift der Erblasserin, stand: „Wenn sich für mich … einer findet, der für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt der bekommt mein Haus und alles was ich habe.“

Das Nachlassgericht wies den Erbscheinantrag zurück. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass dies deswegen keine letztwillige Verfügung sei, da der erbe nicht namentlich benannt sei. Das Amtsgericht, welcher der dagegen eingelegten Beschwerde nicht abhalf, legte den Vorgang dem OLG vor, welches die Beschwerde als unbegründet zurückwies.

Das OLG ließ es, ebenso wie das Nachlassgericht, dahinstehen, ob der Notizzettel überhaupt eigenhändig von der Erblasserin beschrieben wurde, da dies hier dem Schriftstück auch nicht zur Wirksamkeit als Testament verholfen hätte.

Grundsätzlich würde der hier verwandte beschriebene Zettel die formellen Voraussetzungen des § 2247 BGB erfüllen können (OLG Schleswig, Beschluss vom 16.07.2015 - 3 Wx 53/15 -).

Die fehlende Angabe des Ortes, an dem das Schriftstück erstellt wurde wäre in Ansehung des Umstandes, dass dies in § 2247 Abs. 2 BGB nur als Sollbestimmung vorgesehen ist, grundsätzlich unschädlich, es sei denn, wenn sich gerade daraus Zweifel an der Gültigkeit ergäben, § 2247 Abs. 5 S. 2 BGB (so diskutiert bei Erstellung eines Testaments im Ausland,  OLG Schleswig aaO.).

Auch wenn die Angabe von Tag, Monat und Jahr der Errichtung des Testaments nur als Sollbestimmung in § 2247 Abs. 2 BGB aufgenommen ist, sei hier durch das Fehlen der Angabe bereits die Ungültigkeit eines eventuell in dem Notizzettel liegenden Testaments zu sehen. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass es zeitlich vor dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute vom 28.01.2001 geschrieben wurde. Ein evtl. in dem Notizzettel zu sehendes Testament ließe sich nach § 2247 Abs. 5 S. 1 BGB deshalb nur dann als gültiges Testament ansehen, wenn sich der Zeitpunkt über die Errichtung anderweitig feststellen ließe; der Errichtungszeitpunkt sei erforderlich, wenn mehrere Testamente existieren und deren Gültigkeit von dem jeweiligen Zeitpunkt der Errichtung (wie hier) abhängen. Zwar könne die Formulierung „mein Haus“ ein Indiz für die Errichtung nach dem Ableben des Ehemannes sein, wenn zuvor beide Eigentümer des Hauses gewesen sein sollten; allerdings könne die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung noch Alleineigentümerin gewesen sein oder mit der Formulierung gar nicht die Eigentumsstellung im dinglichen Sinne wiederspiegeln sollte. Wenn damit möglich wäre, dass die Erblasserin den Notizzettel schrieb, bevor das gemeinschaftliche Testament errichtet wurde (nach dem der Ehemann der Erblasserin ihr Alleinerbe werden sollte) wäre mit dem gemeinschaftlichen Testament konkludent das vorherige Testament widerrufen worden.

Zudem würde vorliegend nicht zweifelsfrei feststehen, dass die Erblasserin den Notizzettel mit Testierwillen verfasst habe. Zwar könne der letzte Wille, eigenhändig geschrieben und unterschrieben, in einem Brief oder auf einem Notizzettel verfasst werden, ohne dass nach der äußeren Form dies eindeutig als Testament erkannt werden müsse. Auch wenn so den Voraussetzungen des § 2247 BGB genüge getan ist, wäre doch die Feststellung eines entsprechenden Testierwillens erforderlich, der als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus § 2247 Abs. 3 S. 2 BGB abzuleiten sei.  Es müsse mithin zweifelsfrei feststehen, dass die Erblasserin die Urkunde als letztwillige Verfügung ansah oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament und nicht bloß als einen Entwurf, eine Ankündigung oder ähnliches darstellen. Die entsprechende Feststellung des Testierwillens habe im Wege der Auslegung nach § 133 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände, auch außerhalb der Urkunde, zu erfolgen. Entspricht das Schriftstück nicht üblichen Gepflogenheiten für Testamente, seien strenge Anforderungen zu stellen und wäre § 2084 BGB (wonach im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen ist, bei der die Verfügung Erfolg haben kann) nicht anwendbar (hier bezieht sich das OLG auf eine ständige Rechtsprechung, so z.B. OLG Schleswig aaO.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.07.2014 - 3 Wx 95/13 -). Damit aber würden Zweifel daran verbleiben, ob hier mit Testierwillen gehandelt wurde. So sei zu beachten, dass die Erblasserin aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments (wenn dieses vorher verfasst wurde) die übliche Gepflogenheit beim Abfassen eines privatschriftlichen Testaments gekannt habe (Anmerkung: Diese Annahme des OLG ist zweifelhaft, da alleine durch den einmaligen Gebrauch, bei dem nicht ersichtlich ist, dass er auf die Erblasserin zurückgeht, wissen kann, dass dies eine „übliche Gepflogenheit ist). Zudem würde die Formulierung auf dem Notizzettel, dass derjenige „der auf mich aufpasst und nicht ins Heim schickt“ das Haus „bekommen“ solle, ließe die Interpretation zu, dass dies auch schon zu Lebzeiten erfolgen soll, nicht erst nach dem Tod (das Wort „erben“) sei nicht enthalten. Auch die notariellen Testamentsentwürfe würden Zweifel am Vorliegen des Testierwillens begründen, da danach die Erblasserin wohl kurz vor ihrem Tod notarielle testieren wollte, was nicht erforderlich gewesen wäre, wenn sie zuvor den Notizzettel mit Testierwillen verfasst habe. Auch die Angabe der Beteiligten zu 1. unterstellt, die Erblasserin habe ihr erklärt, sie als Erbin einzusetzen, trage nicht, da eine mündliche Äußerung zur wirksamen Erbeinsetzung nicht ausreiche und in dem Dokument keinen Widerhall fände.

Darüber hinaus wäre eine eventuelle letztwillige Verfügung auf dem Notizzettel unbestimmt und daher nichtig. Der Erblasser müsse sich über den Inhalt aller wesentlichen Teile seines letzten Willens selbst schlüssig sein, § 2065 BGB. Dazu gehöre die Bestimmung der Person, die bedacht werden soll. Dies müsse nicht namentlich erfolgen müsse und ausreichend sei, dass die Person anhand des Inhalts und ggf. außerhalb der Urkunde liegender Umstände erst zuverlässig festgestellt werden könne. Die Bestimmung sei aber so im Testament aufzunehmen, dass jede Willkür eines Dritten ausgeschlossen sei (Bay ObLG, Beschluss vom 23.05.2001 - IZ BR 10/01 -). Der Erblasser könne nicht die Bestimmung, sondern nur die Bezeichnung der Person einem Dritten überlassen (BGH, Urteil vom 18.11.1954 - IV ZR 142/54 -). Es sei eine Auslegung nach § 2084 BGB vorzunehmen; bleibe der Wortlaut der letztwilligen Verfügung aber so unklar, dass eine Auslegung ergebnislos verlaufe, sei die Verfügung nichtig. Nach der hier verwandten Formulierung „aufpassen“ und nicht ins Heim „gesteckt“ werden, sei wohl die Ermöglichung eines Lebens außerhalb eines Heimes gemeint. Damit ergäbe sich ein breites Spektrum: Der Nachbar, der klingelt und nachfragt, wenn er die Erblasserin einige Zeit nicht wie gewohnt sieht, Personen, die der Erblasserin bei Schriftverkehr und in finanziellen Angelegenheiten oder bei der körperlichen Pflege helfen. Die Hilfe könne gelegentlich, regelmäßig oder ständig erfolgen, auch durch mehrere Personen mit unterschiedlich hohem Anteil. Damit sei der Begriff „aufpassen“ für eine Bestimmung der Person des Bedachten nicht auslegungsfähig. Anders wäre es, wenn sich die Formulierung auf eine einzige Pflegekraft bezöge, die der pflegebedürftige Erblasser selbst bestimmt, aber namentlich im Testament nicht nennt.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.03.2019 - 1 W 42/17 -

Montag, 19. Juni 2017

WEG: Unzulässige unbestimmte Beschlussanfechtung versus Vorratsanfechtung

Die Entscheidung kreist um die Problematik der Verhaltensweise eines Eigentümers innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft, der zum Zeitpunkt des Ablaufs der Anfechtungsfrist (1 Monat nach Beschlussfassung) noch nicht weiß, ob er gegen alle oder nur einzelne Beschlüsse vorgehen will. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte Klage „gegen Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung“ einer bestimmten Eigentümerversammlung erhoben, verbunden mit der Ankündigung, mit der Klagebegründung noch mitzuteilen, gegen welche Beschlüsse sich die Klage konkret richten soll. In der nach Ablauf der Anfechtungsfrist eingereichten Klagebegründung (die Frist für die Klagebegründung beträgt in WEG-Sachen zwei Monate nach der Beschlussfassung; die Frist für die Anfechtung beträgt einen Monat nach der Wohnungseigentümerversammlung) beschränkte der Kläger die Klage auf einige der Beschlüsse.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zurückgewiesen. Die Beschwerde des Klägers beim BGH gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landgericht wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH wies in den Gründen seines Zurückweisungsbeschlusses darauf hin, dass alleine der Umstand, dass ohne nähere Präzisierung sich die Anfechtung „gegen Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft“ richten  würde, noch nicht die Unzulässigkeit wegen fehlender Bestimmtheit gefolgert werden könne. Die Auslegung dürfe bei der Beschlussanfechtung nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern es müsse der wirkliche Willen der klagenden Partei erforscht werden. Es ist die wohlverstandene Interessenslage des Klägers festzustellen. Dies würde in der Regel einer Auslegung entgegenstehen, die zu einer Unzulässigkeit der Prozesshandlung (hier: Klage) führt (Senat im Beschluss vom 10.10.2013 - V ZB 132/13 -). 

Eine Klage, die wie hier als Anfechtungsklage nach der Formulierung gegen alle Beschlüsse der Versammlung erhoben wird, könnte nach Auffassung des BGH von vornherein nur als sogen. Vorratsanfechtung zulässig sein. Im Rahmen der Auslegung wäre aber zu berücksichtigen, dass diese Klage von vornherein höhere Kosten verursacht als nur die Anfechtung einzelner Beschlüsse. Bei der Vorratsanfechtung ist der Wert nach allen Beschlüssen zu berechnen; selbst wenn der Kläger später die Klage auf einige Beschlüsse beschränkt und im Übrigen zurücknimmt, hat er die Kosten jedenfalls bezüglich des zurückgenommenen Teils zu tragen, was erheblich sein kann. Von daher besteht auch bei der grundsätzlich zulässigen Vorratsanfechtung die Möglichkeit, dass dies nicht dem Willen des Klägers entspricht, wobei er nach Auffassung des BGH für diesen Fall billigend in Kauf nähme, die Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG nicht zu wahren, zumal ihm (möglicherweise) noch die Möglichkeit bliebe, späterhin die Nichtigkeit der Beschlüsse geltend zu machen. Gegen den Willen des Klägers, tatsächlich alle Beschlüsse anzufechten, würde bereits sprechen, dass er bereits in der Klageschrift eine Einschränkung der Beschlussanfechtung ankündigte.

Vorliegend könne vom Kläger auch nicht geltend gemacht werden, dass er nur insoweit eine Teilrücknahme der Klage erklärt habe, als es sich um kostenmäßig nicht ins Gewicht fallende Beschlüsse gehandelt habe. Abzustellen sei nicht auf ein späteres Verhalten des Klägers, so der BGH; entscheidend sei, welche Beschlüsse als zum Zeitpunkt des Ablaufs der Anfechtungsfrist als angefochten anzusehen sind. Dies müsse erkennbar sein. Zu diesem Zeitpunkt sei aber nicht erkennbar, ob eine Auslegung der Klageschrift, die zu einer hohen Kostenschuld geführt hätte, seinem Willen entsprach.

Anmerkung: Entscheidend für die Unzulässigkeit war vorliegend nicht der Umstand, dass „alle Beschlüsse“ angefochten wurden, da dies noch nicht zur Unbestimmtheit führte. Auch ist die Vorratsanfechtung vom Grundsatz her nicht unzulässig. Da aber die Klage nicht expressis verbis alle Beschlüsse benannte, die angefochten werden sollte, sich auf die Angabe „alle Beschlüsse“ beschränkte, kam der Angabe in der Klageschrift, es würde in der Klagebegründung mitgeteilt, auf welche Beschlüsse sich die Klage beschränken soll, entscheidende Bedeutung zu. Denn mit dieser Mitteilung machte der Kläger deutlich, dass er nicht beabsichtige, die Anfechtungsklage tatsächlich gegen alle Beschlüsse zu erheben. 


BGH, Beschluss vom 16.02.2017 - V ZR 204/16 -