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Sonntag, 20. Oktober 2024

Falschbeantwortung von Fragen in der Kaskoversicherung

Der Kläger hatte bei der Beklagten für sein Quad eine Kaskoversicherung abgeschlossen. Dieses wurde nach seiner Behauptung am gestohlen und er hatte am 05.12.2019 Anzeige wegen Diebstahl erstattet. Ein Beauftragter der Beklagten befragte den Beklagten am 25.03.2020, so (Frage 8), ob er allgemeine finanzielle Schwierigkeiten habe, eine eidesstattliche Versicherung oder die Vermögensauskunft abgegeben habe (wobei auch angegeben werden konnte, dass keine Vermögensauskunft abgegeben worden sei), was de Beklagte mit „Nein“ beantwortete. Im Schuldnerverzeichnis war allerdings die Nichtabgabe der Vermögensauskunft in 2018 durch Kläger vermerkt. Die Beklagte versagte den Versicherungsschutz. Das Landgericht wies die Klage des Versicherungsnehmers ab; auf seien Berufung wies das OLG nach § 522 ZPO darauf hin, dass beabsichtigt sei, diese wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit zurückzuweisen.

Dabei könne, so das OLG, dahinstehen, ob überhaupt ein Diebstahl vorläge. Die Versagung der Vermögensauskunft sei wegen vorsätzlicher Obliegenheitspflichtverletzung des Klägers im Hinblick auf die Angabe zur Nichtabgabe der Vermögensauskunft berechtigt gewesen.

Ein Versicherungsnehmer ist nach § 28 Abs. 4 VVG über die Folgen einer Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zu belehren, was vorliegend in Textform im Rahmen der Befragung erfolgt sei (weshalb es in Ansehung der Arglist des Klägers auf die Belehrung auch nicht ankäme). Schon in den vertraglich vereinbarten AKB der Beklagten sei ausgeführt, dass Fragen der Beklagten „zu den Umständen des Schadensereignissees, zum Umfang des Schadens und zur Leistungspflicht der Beklagten wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden müssten. Hier habe der Beklagte bei der Beantwortung der Frage 8 verschwiegen, dass er die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802 c ZPO verweigert habe und die gem. § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden sei. Es läge auch Vorsatz vor, der zwar von dem Versicherer zu beweisen wäre, wobei allerdings dem Versicherungsnehmer die Substantiierungslast treffe. Der Versicherungsnehmer müsse mithin die in seiner Sphäre liegenden Umstände dartun und der Nachprüfung zugänglich machen, die zu der objektiven Falschangabe geführt hätten. Hier sei die Fragestellung eindeutig gewesen und der Kläger habe auch nach der Zusendung des Protokolls keine Berichtigung vorgenommen, auch keine Rückfragen gestellt, sondern das Protokoll unterschrieben. Seine Behauptung, mit der Fragestellung habe man ihn „aufs Glatteis“ führen wollen sei – so das OLG – abwegig.  

Arglist läge vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirke, wenn er also vorsätzlich eine Obliegenheit verletze und dabei bewusst gegen die Interessen des Versicherers verstoße, da er damit rechne, dass seine Obliegenheitsverletzung Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Leistungspflicht des Versicherers oder deren Umfang hat oder haben könnte. Auf eine Bereicherungsabsicht käme es nicht an. Ausreichend sei, wenn der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolge, etwa da er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen wolle und wisse, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen könne (BGH, Urteil vom 21.12.2012 - IV ZR 97/11 -). Ausreichend sei, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, die Regulierung zu beschleunigen oder allgemein auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss zu nehmen.

Die Beweislast für Arglist treffe den Versicherer. Aus wissentlich falschen Angaben im Rahmen der Auskunftsobliegenheit im Schadensfall ließe sich allerdings nicht ohne weiteres auf Arglist schließen, da häufig falsche Angaben aus Gleichgültigkeit, Trägheit oder wegen der Annahme ihrer Bedeutungslosigkeit gemacht würden (BGH, Urteil vom 04.05.2009 - IV ZR 62/07 -). Aber auch hier würde dem Versicherungsnehmer die subsidiäre Darlegungslast treffe, weshalb er plausibel darlegen müsse,  wie und weshalb es zu diesen unrichtigen Angaben gekommen ist (BGH, Urteil vom 11.05.2011 – IV ZR 148/09 -).

Der Kläger habe widersprüchliche Angaben gemacht. So habe er bei der Befragung (Frage 11) erklärt, er wolle einfach keine Finanzierung haben, da er das nicht möge, demgegenüber schriftsätzlich vorgetragen wurde, dass er bei Banken o.ä. ohnehin keinen Kredit bekommen hätte; tatsächlich wurde das Quad aber über eine Bank durch einen Dritten finanziert, da der Kläger keinen Kredit bekam. Bei der Beantwortung der Frage 11 sei es ihm darum gegangen, die Regulierung zu beschleunigen und weitere Nachforschungen zu seiner finanziellen Situation zu vermeiden. Auch wenn der Kläger als juristischer Laie seine finanzielle Situation als von den Fragen nicht umfasst angesehen haben sollte, käme es darauf nicht an, da er eine zulässige Frage auch dann beantworten müsse, wenn er die befragten Umstände als unerheblich ansehe. Das OLG sei überzeugt, dass dem Kläger nicht nur bewusst gewesen sei, dass seine Täuschung Einfluss auf das regulierungsverhalten haben könnte, sondern dass es ihm auch darauf angekommen sei.

Da damit Arglist vorläge, käme es nicht darauf an, ob die Obliegenheitsverletzung für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles oder für den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich gewesen wäre, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG.

Allerdings kann es unter Umständen vom Versicherer rechtsmissbräuchlich sein, die völlige Leistungsfreiheit für sich in Anspruch zu nehmen, § 242 BGB. Das, so das OLG, könne der Fall sein, wenn die Täuschung nur einen geringen teil des versicherten Schadens betreffe und weitere Billigkeitsgründe zugunsten des Versicherungsnehmers berücksichtigt werden könnten. Bruchteilsgrenzen gebe es nicht. Es sei der Hintergrund der Regelung zu beachten, wonach bei der Schadensregulierung nach einem Versicherungsfall die Vertragspartner auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen seien. Um das Vertrauensklima zu schützen, solle der Versicherungsnehmer von vornherein durch Androhung einer harten Sanktion von der Versuchung abgehalten werden, das Vertrauensverhältnis durch Täuschung zu missbrauchen (Hinweisbeschluss des OLG Rostock vom 08.01.2020 - 4 U 136/19 -).

Anmerkung: Nicht problematisiert hat hier das OLG den Umstand, dass zwar nach dem mitgeteilten Sachverhalt eine Eintragung im Schuldnerregister wegen Nichtabgabe des Vermögensauskunft erfolgte, aber eine solche nicht abgegeben wurde. Die konkrete Fragestellung bezog sich nicht darauf, ob die Vermögensauskunft verlangt wurde. Offenbar ist das OLG der Ansicht, dass die Eintragung im Schuldnerregister der Abgabe derselben gleichzusetzen ist, da damit die grundlegende Pflicht zu Abgabe einer solchen festgestellt wurde. Die Frage bezieht sich auf finanzielle Verhältnisse des Versicherungsnehmers, die natürlich von Interesse sind, wenn es zu einem behaupteten Diebstahl gekommen sein soll. Entzieht sich der Schuldner der gesetzlichen Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft, soll er nicht demjenigen gleichgestellt werden, der nicht zu einer aufgefordert wurde und/oder keine abgegeben hat. Ob dem aber die Fragestellung durch den Versicherer gleichgestellt werden kann, gar – wie das OLG meint – deutlich sei, dürfte zu bezweifeln sein. Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass auch die Antwort hätte abgegeben werden können, dass keine Vermögensauskunft abgegeben wurde, was der Kläger nicht bejahte, sondern nur verneinte, dass er eine abgeben habe.

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.04.2024 - 4 U 67/24 -