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Samstag, 3. Juli 2021

Rechtskrafterstreckung des klageabweisenden Urteils gegen Kfz-Haftpflichtversicherung

Der Schwiegersohn der Beklagte parkte im September 2015 deren Fahrzeug VW Touran am Fahrbahnrand in einer Kurve und öffnete die Fahrertür. Der Ehemann der Klägerin fuhr mir einen Pkw Hyundai an dem Fahrzeug der Beklagten unter Inanspruchnahme der Gegenfahrspur vorbei und kollidierte mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer. Zunächst erhob die Klägerin Klage gegen den Schwiegersohn der Beklagten und dem Haftpflichtversicherer (Pflichtversicherer) des VW Touran. Das Amtsgericht wies die Klage ab, da die Klägerin ihr Eigentum an dem VW Touran trotz Bestreitens der dortigen Beklagten nicht konkret dargelegt habe(fehlende Aktivlegitimation). Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Nunmehr erhob die Klägerin Klage gegen die hiesige Klägerin. Die Klage wurde vom Amtsgericht unter Verweis auf § 124 VVG als unzulässig abgewiesen, die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die zugelassene Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.

§ 124 Abs. 1 VVG lautet:

„Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wirkt das Urteil, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zugunsten des Versicherers.“

Der BGH verweist darauf, dass die Beklagte von der Rechtskrafterstreckung des Urteils im vorangegangenen Verfahren persönlich erfasst sei. Würde ein Urteil zwischen einem Dritten und dem Versicherer ergehen, demzufolge dem Dritten ein Anspruch gegen den Versicherer nicht zustehe, würde sich das Urteil auch auf den Anspruch des Dritten gegen den Versicherungsnehmer erstrecken. Über den Wortlaut hinaus würde sich die Bindungswirkung auch auf das Verhältnis des mitversicherten Fahrers erstrecken. Voraussetzung sei stets, dass der Dritte einen Direktanspruch gegen den Versicherer gem. § 115 Abs. 1 VVG habe, § 124 Abs. 3 VVG.

Die Direktklage gegen den Versicherer könne auf einer Haftungsverantwortlichkeit des Halters oder des Fahrers oder von beiden beruhen. Der Geschädigte sei daher nach einer rechtskräftigen Abweisung seiner Klage gegen den Halter nunmehr den Fahrer zu verklagen oder auch nur in Bezug auf dessen Haftung den Versicherer. Der Versicherer könne in diesem Fall wegen einer Haftung des Fahrers aber nicht mehr in Anspruch genommen werden, da durch die rechtskräftige Klageabweisung diesem gegenüber darüber auch im Verhältnis zum Versicherer bindend entschieden worden sei. Würde – wie hier – die Klage gegen den Versicherer abgewiesen, sei denn eine Klage gegen den Halter ausgeschlossen, wenn der Versicherer wegen oder auch wegen der Halterhaftung in Anspruch genommen worden war. Dies entspräche dem Zweck des § 124 Abs. 1 VVG, wonach der Versicherer nicht trotz eines für ihn günstigen Urteils (hier: keine Einstandspflicht, auch nicht gegenüber dem Halter) im Falle der Verurteilung seines versicherten/Versicherungsnehmers aus der Zahlpflicht aus dem versicherungsvertraglichen Deckungsverhältnis doch noch in Anspruch genommen werden könne.

Es könne auch nicht erfolgreich eingewandt werden, die Klageabweisung sei nur aus formellen Gründen erfolgt. § 124 Abs. 1 VVG würde auf ein Urteil abstellen, demzufolge ein geltend gemachter Schadensersatzanspruch der klagenden Partei nicht zustünde. Werden die Schadensersatzansprüche im ersten Prozess wie auch im zweiten Prozess aus dem gleichen Sachverhalt hergeleitet, käme es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Abweisung erfolgte, hier also wegen fehlender Aktivlegitimation.  Entscheidend sei, dass die Abweisung aus sachlichen und nicht aus prozessualen Gründen erfolgte. Die Abweisung wegen fehlender Aktivlegitimation sei ein sachlicher Grund.

BGH, Urteil vom 27.04.2021 - VI ZR 883/20 -