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Mittwoch, 6. Oktober 2021

Besitz und Haltereigenschaft am Fahrzeug und Aktivlegitimation für Schadensersatzanspruch

Der Kläger beantragte für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe, die ihm das OLG verwehrte mit Hinweis, darauf, dass es keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg der Berufung sah. Dabei stellte das OLG darauf ab, dass das Eigentum des Klägers an dem BMW, für den er Schadensersatz aufgrund von Schäden anlässlich des streitgegenständlichen Unfallereignisses begehrte, nicht feststellbar sei.

Die Eintragung des Klägers in dem rumänischen Fahrzeugschein würde lediglich seine Haltereigenschaft dokumentieren, aber keinen Rückschluss auf sein Eigentum an dem Fahrzeug zulassen. Halter des Kfz sei derjenige, der es für eigene Rechnung in Gebrauch habe und die Verfügungsgewalt darüber besitze. Nicht entscheidend sei, wer Eigentümer sei. Für die Bestimmung des Halters käme es nur auf die wirtschaftliche Betrachtung an, mithin auf die Intensität der tatsächlichen (wirtschaftlichen) Beziehung zum Fahrzeug. Da ein Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung bei Fahrzeugen nicht untypisch sei (Anm.: so z.B. bei Leasing oder bei bankfinanzierten Fahrzeugen durch Sicherungsübereignung), könne aus der Haltereigenschaft nicht auf die Eigentümerstellung geschlossen werden.

Auch könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Vermutung des § 1006 BGB (Besitz streitet für Eigentum) berufen, die vom Anspruchsgegner widerlegt werden müsste. Zwar spräche die Sachherrschaft für den (unmittelbaren) Besitz am Fahrzeug, wenn der Kläger von der herbeigerufenen Polizei mit Fahrzeug und Fahrzeugschlüssel festgestellt worden sei und er sogar später das Sachverständigengutachten zur Feststellung des Schadens am Fahrzeug beauftrage.  Bestreitet in diesem Fall der Prozessgegner den Rechtserwerb, obläge dem Besitzer eine sekundäre Behauptungslast zu den Umständen des Eigentumserwerbs (KG, Urteil vom 30.08.2010 – 12 U 175/09 -). Der Kläger müsste daher die Umstände seines Besitz- und Eigentumserwerbs konkret und schlüssig vortragen, da ohne diesen Vortrag dem Gegner, der außerhalb des Geschehensablaufs stünde, von vornherein jede Möglichkeit des Gegenbeweises genommen würde (OLG Hamm, Beschluss vom 01.02.2012 – 9 U 238/12 -).  Hierzu ermangele es vorliegend an jeglichen Vortrag des Klägers, obwohl die fehlende Aktivlegitimation schon beklagtenseits erstinstanzlich gerügt wurde und der Klägervertreter sogar nach mündlicher Erörterung vor dem Landgericht die Flucht in die Säumnis angetreten ist und ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen ließ (gegen welches er dann Einspruch einlegte, ohne weitergehend zur Aktivlegitimation im dargelegten Sinne vorzutragen) und lediglich den Fahrzeugschein vorlegte. In Ermangelung dieses notwendigen Vortrages nach dem Bestreiten der Beklagtenseite war nicht festzustellen, dass der Kläger Eigentümer des BMW war und konnte er damit keine dem Eigentümer zustehenden Schadenersatzansprüche geltend machen.

Auf eine Verletzung des Besitzes an dem BMW konnte der Kläger seinen Anspruch auch nicht stützen. Bei Nichtfeststellbarkeit seines Eigentums könnte er Ansprüche hinsichtlich des Fahrzeugschadens nebst Sachverständigenkosten auf seinen Besitz nur stützen, wenn wegen der Fahrzeugbeschädigung ein entsprechender Haftungsschaden vorläge (der Anspruch, den der Besitzer wegen Beschädigung der Sache durch Dritte oder Unmöglichkeit der Rückgabe ausgesetzt wäre, BGH, Urteil vom 13.07.1076 – VI ZR 78/75; BGH, Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 481/17 -).

Auch habe das Landgericht zu Recht sein Urteil auch darauf gestützt, dass der Fahrzeugschaden nicht schlüssig dargelegt worden sei. Geltend gemacht sei ein Totalschaden, ohne dass die Vorschäden an dem Fahrzeug konkret dargelegt worden seien. Damit genügte sein Vortrag zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes, mit dem er sich nur auf die Ausführungen des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens bezog nicht, da sich dort nur Vorschäden im Bereich der Vordertüren ergäben (der unfallbedingte Schaden war ein Heckschaden). Die Darlegung des Wiederbeschaffungswertes sei auch bei abgrenzbaren Vorschäden im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO erforderlich (OLG Hamm, Beschluss vom 16.10.2019 – 31 U 115/19 -). Für die Schadensberechnung müsste bekannt sein, welchen Wert das Fahrzeug vor dem streitbefangenen Unfall (unter Berücksichtigung der Vorschäden) habe.

(Anm.: Die Berufung ist nachfolgend vom OLG Hamm mit Beschluss vom 06.07.2021 zurückgewiesen worden.)

OLG Hamm, Beschluss vom 26.05.2021 - 7 U 55/20 -

Samstag, 3. Juli 2021

Rechtskrafterstreckung des klageabweisenden Urteils gegen Kfz-Haftpflichtversicherung

Der Schwiegersohn der Beklagte parkte im September 2015 deren Fahrzeug VW Touran am Fahrbahnrand in einer Kurve und öffnete die Fahrertür. Der Ehemann der Klägerin fuhr mir einen Pkw Hyundai an dem Fahrzeug der Beklagten unter Inanspruchnahme der Gegenfahrspur vorbei und kollidierte mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer. Zunächst erhob die Klägerin Klage gegen den Schwiegersohn der Beklagten und dem Haftpflichtversicherer (Pflichtversicherer) des VW Touran. Das Amtsgericht wies die Klage ab, da die Klägerin ihr Eigentum an dem VW Touran trotz Bestreitens der dortigen Beklagten nicht konkret dargelegt habe(fehlende Aktivlegitimation). Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Nunmehr erhob die Klägerin Klage gegen die hiesige Klägerin. Die Klage wurde vom Amtsgericht unter Verweis auf § 124 VVG als unzulässig abgewiesen, die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die zugelassene Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.

§ 124 Abs. 1 VVG lautet:

„Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wirkt das Urteil, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zugunsten des Versicherers.“

Der BGH verweist darauf, dass die Beklagte von der Rechtskrafterstreckung des Urteils im vorangegangenen Verfahren persönlich erfasst sei. Würde ein Urteil zwischen einem Dritten und dem Versicherer ergehen, demzufolge dem Dritten ein Anspruch gegen den Versicherer nicht zustehe, würde sich das Urteil auch auf den Anspruch des Dritten gegen den Versicherungsnehmer erstrecken. Über den Wortlaut hinaus würde sich die Bindungswirkung auch auf das Verhältnis des mitversicherten Fahrers erstrecken. Voraussetzung sei stets, dass der Dritte einen Direktanspruch gegen den Versicherer gem. § 115 Abs. 1 VVG habe, § 124 Abs. 3 VVG.

Die Direktklage gegen den Versicherer könne auf einer Haftungsverantwortlichkeit des Halters oder des Fahrers oder von beiden beruhen. Der Geschädigte sei daher nach einer rechtskräftigen Abweisung seiner Klage gegen den Halter nunmehr den Fahrer zu verklagen oder auch nur in Bezug auf dessen Haftung den Versicherer. Der Versicherer könne in diesem Fall wegen einer Haftung des Fahrers aber nicht mehr in Anspruch genommen werden, da durch die rechtskräftige Klageabweisung diesem gegenüber darüber auch im Verhältnis zum Versicherer bindend entschieden worden sei. Würde – wie hier – die Klage gegen den Versicherer abgewiesen, sei denn eine Klage gegen den Halter ausgeschlossen, wenn der Versicherer wegen oder auch wegen der Halterhaftung in Anspruch genommen worden war. Dies entspräche dem Zweck des § 124 Abs. 1 VVG, wonach der Versicherer nicht trotz eines für ihn günstigen Urteils (hier: keine Einstandspflicht, auch nicht gegenüber dem Halter) im Falle der Verurteilung seines versicherten/Versicherungsnehmers aus der Zahlpflicht aus dem versicherungsvertraglichen Deckungsverhältnis doch noch in Anspruch genommen werden könne.

Es könne auch nicht erfolgreich eingewandt werden, die Klageabweisung sei nur aus formellen Gründen erfolgt. § 124 Abs. 1 VVG würde auf ein Urteil abstellen, demzufolge ein geltend gemachter Schadensersatzanspruch der klagenden Partei nicht zustünde. Werden die Schadensersatzansprüche im ersten Prozess wie auch im zweiten Prozess aus dem gleichen Sachverhalt hergeleitet, käme es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Abweisung erfolgte, hier also wegen fehlender Aktivlegitimation.  Entscheidend sei, dass die Abweisung aus sachlichen und nicht aus prozessualen Gründen erfolgte. Die Abweisung wegen fehlender Aktivlegitimation sei ein sachlicher Grund.

BGH, Urteil vom 27.04.2021 - VI ZR 883/20 -

Samstag, 29. April 2017

Umfang der Tierhalterhaftpflicht im Rahmen der Allgemeinen Haftpflichtversicherung

Die Antragstellerin begehrte Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegnerin auf Freistellung und Feststellung deren Einstandspflicht aus einem Verkehrsunfall mit zwei bei ihr eingestellten Eselinnen. Das OLG wies die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die ablehnenden Entscheidung des Landgerichts zurück.

Die Antragsgegnerin hatte  Versicherungsschutz unter Bezugnahme auf die Besonderen Bedingungen der privaten Haftpflichtversicherung (BBPHV) versagt. Als Halterin falle die Antragstellerin bereits unter den Risikoausschluss von A. Nr. 9 Abs. 1 BBPHV und könnte von daher nur bei Abschluss einer gesonderten Tierhalterhaftpflichtversicherung Deckung verlangen. Unabhängig davon könne sich die Antragstellerin auch nicht auf A. Nr. 9 Abs. 2 BBPHV berufen, da diese Klausel zum Hüten fremder Tiere „pferdeartige Säugetiere“ ausnehme.

LG und OLG folgen der Auffassung der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin sei Halterin. Der Halterbegriff in der Haftpflichtversicherung sei deckungsgleich mit jenem in § 833 BGB zur Tierhalterhaftung. Da die Antragstellerin das alleinige Bestimmungsrecht über die Tiere habe, über die Weideverbringung der Eselinnen entscheide, für sie Sorge traget und alle Kosten trage, sei sie rechtlich als Halterin anzusehen. Die Bestimmung in A. Nr. 9 Abs. 1 BBPHV besage aber, dass die Tierhaltereigenschaft nicht von der privaten (allgemeinen) Haftpflichtversicherung umfasst sei. Sie hätte damit eine gesonderte Tierhalterhaftpflichtversicherung abschließen müssen.

Im übrigen sei auch die Annahme der Antragstellerin unzutreffend, A. 9 Abs. 2 BBPHV enthalte keinen Risikoausschluss für Esel. Zwar sei der Risikoausschluss nicht weiter auszulegen, als es der Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Zwecks und der Ausdrucksweise erfordere. Hier sei aber bereits die Aufzählung der Tiergruppen eindeutig. Zudem würde auch der Zweck des Risikoausschlusses für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich. Es wird nämlich an den grundlegenden Risikoausschluss in der privaten Haftpflichtversicherung mit der Aufnahme von Rückausnahmen angeschlossen. Vor diesem Hintergrund sind bestimmte Haustiere ausgenommen, nicht aber Reit- und Zugtiere. Zu dieser ausgeschlossenen Gruppe der reit- und Zugtiere gehören aber Esel, selbst dann, wenn diese, wie die Antragstellerin behauptet, alleine zum Spiel und Zeitvertreib für die Kinder gehalten würden.

Auch könne die Antragstellerin nicht damit gehört werden, die Tiergefahr der Esel habe sich nur deshalb verwirklichen können, da die Stromzufuhr nicht eingehangen wurde. Zwar hätten Gerichte in der Vergangenheit eine Deckung in der privaten (allgemeinen) Haftpflichtversicherung in Fällen der Verwirklichung der Tiergefahr auch dann angenommen, wenn der Versicherungsnehmer (wie hier durch das Nichteinhängen der Stromzufuhr) einen eigenen Haftungsbetrag gesetzt habe. Allerdings habe der BGH mit Urteil vom 25.04.2007 – IV ZR 85/05 – diese Ansicht verworfen.


OLG Dresden, Beschluss vom 13.10.2016 – 4 W 977/16 -