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Donnerstag, 12. Oktober 2023

Erstattungsfähigkeit der zusätzlichen Kosten durch Anwaltswechsel ?

Immer wieder kommt es im Laufe eines Verfahrens (in einer Instanz) zu einen Anwaltswechsel, sei es, dass der Rechtsanwalt verstirbt, wegen Alters oder aus anderen Gründen seine Zulassung zurückgibt (oder zurückgeben muss), oder wegen Unzufriedenheit des Mandanten mit dem bisherigen Prozessbevollmächtigten. In diesen Fällen stellt sich im Falle des (auch teilweisen) Obsiegens dieser Partei die Frage, ob die dadurch verursachten Kosten (zusätzlich) gegen den Gegner im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt werden können. 

Im Kostenfestsetzungsbeschluss wurden nur die Kosten des zunächst die Beklagte vertretenen Rechtsanwalts berücksichtigt, nicht die Kosten des später mandatieren (neuen) Rechtsanwalts (der nach der neuen – höheren – Gebührenordnung abrechnete). Die dagegen von der Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Das OLG verwies zunächst auf ein die gesamte Privatrechtsordnung und das Prozessrecht beherrschende Prinzip von Treu und Glauben, welches das in § 91 ZPO verankerte Gebot einer sparsamen bzw. ökonomischen Prozessführung präge. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sei Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes kostensparender Prozessführung. Damit können Kosten, die durch einen Anwaltswechsel bedingt würden, nur erstattungsfähig sein, wenn sie notwendig gewesen wären, also nicht auf ein Verschulden der Partei oder ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts beruhen würden (BGH, Beschluss vom 22.08.2012 – XII ZB 183/11 -). Alleine eine objektive Notwendigkeit sei aber nicht ausreichend; hinzukommen müsste zudem deren Unvermeidbarkeit, die dann nicht gegeben sei, wenn die den Anwaltswechsel bedingenden Umstände für die Partei oder deren Rechtsanwalt vorhersehbar gewesen wären oder (willentlich) herbeigeführt worden seien.

Die Beklagte habe vorliegend die Notwendigkeit des Anwaltswechsels nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht.

Vorliegend hatte die Beklagte allerdings nur die Kosten des zweitbeauftragten Rechtsanwalts zur Festsetzung angemeldet, an deren Stelle die Rechtspflegerin nur die Kosten des Erstanwalts berücksichtigte. Das würde nach Auffassung des OLG an den oben benannten Grundsätzen nichts ändern. Aus § 92 Abs. 2 S. 1 ZPO folge nicht, dass diese den Erstattungsanspruch der obsiegenden Partei reduzierende Vorschrift nur zur Anwendung käme, wenn die Kosten von zwei Rechtsanwälten zur Festsetzung angemeldet würden. Es würde ganz allgemein geregelt, welche Rechtsanwaltskosten von dem unterliegenden Gegner zu erstatten seien. Nach den Gründen in der Gesetzgebung habe der Gesetzgeber das Prinzip zum Ausdruck bringen wollen, dass die Erstattungspflicht objektiv auf die Erstattung derjenigen Kosten beschränkt würde, soweit diese nach dem freien Ermessen des Gerichts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig gewesen wären („Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 30. Januar 1877“, S. 197 zu § 85 CPO). Das Ermessen des Gerichts käme nach den Materialien auch in Bezug auf die Anwaltskosten zum Tragen, wenn die Partei „ohne Nothwendigkeit des Wechsels successive sich mehrerer Anwälte bedient“ habe (aaO. S. 198).

Damit sei bei der Kostenfestsetzung stets zu prüfen, ob möglicherweise nicht notwendige Mehrkosten zur Kostenfestsetzung angemeldet würden. Die Frage würde sich unabhängig davon stellen, ob die Kosten für zwei Rechtsanwälte oder für einen von zwei Rechtsanwälten angemeldet würden. Solche Mehrkoten könnten (wie hier) dadurch entstehen, dass die Mandatierung des zweiten Rechtsanwalts nach Änderung der Gebührenordnung (und Erhöhung der Gebühren, die bei dem ersten Rechtsanwalt insoweit nicht angefallen wären) erfolge.

Selbst wenn man annehmen wolle, dass § 92 Abs. 2 S. 2 ZPO tatbestandlich nicht einschlägig sei, wenn nicht Kosten mehrerer Rechtsanwälte im Rahmen der Kostenfestsetzung erstattet verlangt würden, würde dies keine andere Entscheidung rechtfertigen (entgegen OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.07.2011 – OVG 1 K 118.08 -), da der Grundsatz kostensparender Prozessführung auch neben § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO selbständige Bedeutung habe. Es wäre also auch in diesem Fall zu fragen, ob das Verfahren kostensparender durch einen Rechtsanwalt hätte betrieben werden können.

OLG Celle, Beschluss vom 19.06.2023 - 2 W 75/23 -

Dienstag, 7. März 2023

Unterschied zwischen Kostenregelung im gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleich

Zwar sollte zwischen den Parteien zunächst ein Vergleich geschlossen werden, der im laufenden Rechtsstreit vom Gericht protokolliert wird. Allerdings erfolgte dies dann nicht, und der Vergleich wurde außerhalb des Verfahrens geschlossen. In diesem außergerichtlichen Vergleich trafen sie eine Regelung über die „Kosten des Rechtsstreits“, die eine Kostenentscheidung des Gerichts vorsah. Dieses erlegte nach übereinstimmender Erledigungserklärung des Rechtsstreits gemäß den Vorgaben im außergerichtlichen Vergleich der Klägerin 37%, der Beklagten 63% der „Kosten des Rechtsstreits“ auf. Im Rahmen der Kostenausgleichung und -festsetzung wurde die Einigungsgebühr zu Lasten der Beklagten festgesetzt, die dagegen erfolgreich Rechtsmittel einlegte.

Das OLG kam bei der Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Einigungsgebühr bei beiden Parteien nicht zu berücksichtigen sei und mithin zu Lasten keiner der Parteien im Rahmen der Kostenausgleichung festgesetzt werden könne. Der Tenor der Kostenentscheidung des Landgerichts auf der Grundlage des § 91a ZPO (Erledigung der Hauptsache) laute auf eine Quotelung der „Kosten des Rechtsstreits“, wie es auch im außergerichtlichen Vergleich vorgesehen war.  

Grundsätzlich sind die Kosten des Vergleichs auch „Kosten des Rechtsstreits“. Auf der Grundlage des § 98 ZPO hatte das OLG Hamburg (Beschluss vom 24.07.2014 - 4 W 83/14 -) entscheiden, dass dann, wenn in einem gerichtlich protokollierten Vergleich von den Kosten des Rechtsstreits gesprochen würde, die Parteien damit alle Kosten, also auch jene des Vergleichs meinen würden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, dass die Parteien diese mit in die Kostenregelung (entgegen § 98 S. 1 ZPO, welcher eine wechselseitige Aufhebung der Kosten des Prozessvergleichs vorsieht) einbeziehen wollten. Entsprechendes könne regelmäßig bei einem gerichtlichen Vergleich angenommen werden, da diese Kosten mit zu dem Prozessgeschehen zählen würden (so bereits BGH, Beschluss vom 25.09.2008 - V ZB 66/08 -).

Grundsätzlich sieht § 98 S. 1 ZPO bei einem Prozessvergleich die wechselseitige Aufhebung der Kosten des Vergleichs vor. Das, so das OLG Frankfurt, würde auch für die den außergerichtlichen Vergleich gelten, wenn dieser (wie hier) zur Prozessbeendigung führe (BGH, Beschluss vom 15.03.2011 - VI ZB 45/09 -). Eine davon abweichende Regelung läge durch die den Prozess beendende Vereinbarung der Parteien nicht vor. Zwar sei zunächst ein Prozessvergleich mit der Regelung „Kostend es Rechtsstreits und dieses Vergleichs“ beabsichtigt gewesen, doch sei dann außergerichtlich nur über die „Kosten des Rechtsstreits“ eine Vereinbarung geschlossen worden. Angesichts dieser Änderung der Wortwahl könnten vorangegangene Erwägungen nicht mehr uneingeschränkt Grundlage einer Auslegung werden. Damit würden die Erwägungen des BGH wieder greifen und die Kosten des Vergleichs nicht entgegen § 98 S. 1 ZPO als Kosten des Rechtsstreits bei der Quotelung berücksichtigt werden.

Als Fazit ergibt sich, dass durch die Beschränkung im außergerichtlichen Vergleich auf die Kosten des Rechtsstreits die Partei, die nur mit einer Kostenquotelung von 37% beteiligt sei, durch den Wegfall der Quotelung der Vergleichs-/Einigungskosten finanziell benachteiligt wird gegenüber einer Regelung, dass die Quotelung auch für den Vergleich gilt (wie ursprünglich von den Parteien für den gerichtlichen Vergleich angedacht).

OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.08.2022 - 28 W 1/22 -

Freitag, 17. Juni 2022

Vor und im Gerichtsverfahren eingeholtes Privatgutachten in der gerichtlichen Kostenfestsetzung

Immer wieder holen Parteien eines künftigen Prozesses bereits vorprozessual Sachverständigengutachten ein (insbesondere in Bausachen), um in einem späteren Verfahren auf sicheren Grundlagen zu stehen, sei es im Hinblick auf vom Auftraggeber behaupteten Mängeln, sei es zur Sicherung der (Rechts-) Ansicht durch den Auftraggeber, gemäß der eine Zahlung an den Auftragnehmer nicht erfolgen muss. Dabei gibt es verschiedene Zeitpunkte der Einholung: Dies kann schon sehr früh erfolgen (z.B. aus Anlass eines Abnahmeverlangens oder nach einem Abnahmetermin), sei es im Rahmen der folgenden Korrespondenz über streitige Mängel, im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Klage bzw. nach deutlicher Klageandrohung, aber auch durch den Beklagten nach Klagezustellung oder im Laufe des gerichtlichen Verfahrens durch eine der Parteien oder beide Parteien. Immer wieder kommt es dann nach einem Urteil zum Streit, ob derartige Sachverständigenkosten für die obsiegende Partei erstattungsfähig sind (bei einem teilweise Obsiegen, ob sie bei einer Urteil oder Vergleich festgestellten Kostenquotelung bei der Kostenausgleichung und -festsetzung zu berücksichtigen sind).

Vorliegend hatte der Beklagte zwei Privatgutachten vor dem Prozess und eines begleitend während des Prozesses eingeholt. Im Rahmen der Kostenfestsetzung hatte der Rechtspfleger die Kosten von keinem der Gutachten berücksichtigt. Die dagegen vom Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Das zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufene OLG Hamm wies auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hin, demzufolge diejenigen Kosten des Rechtstreits erstattungsfähig seien, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Auch eingeholte Privatgutachten könnten zu diesen Kosten zählen, wenn es der Partei an einer eigenen Sachkunde ermangele und das Gutachten prozessbezogen sei. Prozessbezogenheit setze einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem gerichtlich ausgetragenen Rechtsstreit voraus.

1. Zu den vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachten sei erforderlich, dass sich der Rechtsstreit konkret abzeichne. Dass sei anzunehmen, wenn das Gutachten zur Beurteilung der Prozessaussichten, der Einstandspflicht und der Anspruchsmöglichkeiten eingeholt würde. Die Beauftragung müsse das „Wie“ der Prozessführung dienen. Die Einholung müsse von der Partei ex ante (also zum Zeitpunkt der Beauftragung) als sachdienlich angesehen werden dürfen.

a) Zum Zeitpunkt der Beauftragung des ersten Gutachtens durch den Beklagten habe es an der Prozessbezogenheit gefehlt, da - wie nachfolgende Schreiben dokumentieren würden - die außergerichtlichen Einigungs- und Erledigungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft gewesen seien. Das Gutachten habe der Feststellung von Mängeln der Werkleistungen gedient, die zur Grundlage von Schadenersatzansprüchen gegen die Klägerin gemacht werden könnten, und damit zur Feststellung von Gegenrechten. Dies gehöre zur Sphäre, „ob“ ein solches eingeholt werden soll, nicht aber „wie“ die Prozessführung erfolgen soll.

Anm. 1: Diese Ansicht des OLG ist richtig. Letztlich verhandelten die Parteien noch und der Beklagte war bemüht, sich Argumente für seine Verhandlungsposition zu verschaffen. Auch wenn damit die Möglichkeit bestand, einen Rechtsstreit abzuwenden, diente es nicht der späteren Prozessführung, auch wenn es bei dieser nützlich werden könnte, da ein solcher Rechtsstreit gerade noch nicht abzusehen war. Ob gegebenenfalls ein materieller Kostenerstattungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin bestand (z.B. § 631 BGB iVm. § 280 BGB) ist für die Beurteilung im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 91 ZPO bzw. der Kostenausgleichung nach § 92 ZPO ohne Bedeutung.

2. Bei dem zweiten Gutachten soll es sich um die Kosten des Sachverständigen für seine Teilnahme an einem Ortstermin vor dem Rechtsstreit gehandelt haben, in dem der Sachverständige die Kosten seiner Teilnahme, die Erstellung einer Beweissicherung und Dokumentation abrechnete. Erst im Ortstermin habe sich herausgestellt, dass sich die Parteien nicht über die Verantwortlichkeit der Klägerin hätten einigen können. Die Erstellung der Beweissicherung und Fotodokumentation sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen. Es hätte ausgereicht, die am Tag des Ortstermins noch fortbestehenden Mängel, die im vorherigen Gutachten benannt wurden, zum Gegenstand des Rechtstreits zu machen. Über das vorgehende Gutachten hinaus habe der Sachverständige nur einen Zustand beschrieben; es sei auch dem Beklagten möglich gewesen, diese Symptome für einen Mangel in das Verfahren ohne gutachterlichen Beistand einzuführen.

Anm. 2: Damit handelt es sich hier ersichtlich auch nur um Aufwendungen des Beklagten, mit denen er seine Rechtsposition sichern wollte, nicht aber „wie“ er den Prozess führen will. An dieser Stelle - wenn es dem Beklagten um eine gerichtsverwertbare sichere Beweissicherung ging - hätte er ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 ZPO durchführen können, also einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellen müssen. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahren sind Kosten des (späteren) gerichtlichen Verfahrens, wenn sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen beruft, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens waren, §§ 493 Abs. 1 iVm. 91 ZPO

3. Die weiteren vom Beklagten geltend gemachten Sachverständigenkosten betrafen ein prozessbegleitend eingeholtes Privatgutachten (Zustellung der Klageschrift am 25.07.2012, gutachterliche Stellungnahme vom 04.09.2912). Es handele sich, so das OLG, um notwendige Kosten, wenn dies unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit geboten sei, da der Partei andernfalls eine gerichtlich geforderte Substantiierung nicht möglich wäre oder die Partei ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten nicht überprüfen, insbesondere Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht formulieren könne (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO).

Das OLG sah keinen Grund darin, dass der Beklagte durch dieses Gutachten eine detaillierte mangelbezogene Kostenschätzung erstellen ließ, da bereits im ersten Gutachten eine Mangelsumme von € 30.000,00 geschätzt hatte, worauf sich der Beklagte hätte beziehen können. Über die detaillierten Mängel habe das Gericht Beweis zu erheben und in diesem Zusammenhang die Beweisaufnahme auch auf die Höhe der geltend gemachten Gegenansprüche erstrecken müssen. Die detaillierte Aufstellung habe zwar auch Kosten beinhaltet, die in der Kostenschätzung nicht enthalten gewesen seien, doch könne das OLG im Rahmen einer Schätzung (§ 287 ZPO) nicht ermitteln welcher Zeitaufwand darauf entfallen sei.

Anm. 3: Hier wirken sich für den Beklagten die vorgerichtlich eingeholten Gutachten zu seinem Nachteil aus. Da das erste Gutachten bereits eine Kostenschätzung enthielt, kam es auf die (detaillierte) Kostenschätzung im dritten Gutachten nicht an, da offensichtlich auch das Landgericht im Verfahren keine Detaillierung verlangte. Wäre das dritte Gutachten nach einem Hinweis des Landgerichts (§ 139 ZPO) zu einer seiner Ansicht nach notwendigen Detaillierung eingeholt worden, wären die Kosten des Gutachtens erstattungsfähig gewesen. Zwar waren im dritten Gutachten auch Mängelpositionen mit Kostenbeträgen versehen worden, die bei dem ersten Gutachten noch nicht berücksichtigt wurden, doch konnte hier das OLG Kosten für dieses Gutachten auch nicht teilweise zusprechen, da nicht ersichtlich war, welcher Zeitaufwand (gegenüber dem abgerechneten Gesamtzeitaufwand für das Gutachten als solches) auf diese Positionen entfiel. Auch wenn das OLG von einer Schätzung spricht, gilt auch hier, dass eine Schätzung nach § 287 ZPO nicht ins Blaue hinein erfolgen darf, sondern konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen, die gegebenenfalls vorzutragen sind (BGH, Urteil vom 08.05.2012 - VI ZR 37/11 unter II.3.a).

Es ist zwar verständlich, dass bei zu befürchtenden hohen Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung der Besteller einer Werkleistung (wie hier) sicher gehen will, dass die von ihm angenommenen Mängel tatsächlich bestehen, wenn sie vom Auftragnehmer nicht anerkannt werden. Er läuft aber in diesem Fall Gefahr, dass er die Kosten des Gutachtens selbst zu tragen hat, jedenfalls nicht über eine Kostenfestsetzung erstattet verlangen kann, wobei ein möglicher materieller Anspruch im vorliegenden Fall möglicherweise verjährt sein dürfte. Die Einholung mehrerer Gutachten, gar vor einem Prozess, zu denselben Themenbereich ist auch unverständlich, ebenso ein Gutachten, in dem der Sachverständige zwar Symptome aufzeigt (die auch die Partei selbst sieht), aber nicht den Mangel (mangels Prüfung) feststellt. Hätte der Beklagte nach Zustellung der Klage oder endgültiger Mitteilung der Gegenseite, dass nunmehr Zahlungs- oder Abnahmeklage erhoben würde, ein Gutachten zur Feststellung der Mängel und zu den Kosten der Beseitigung eingeholt, um so seine Verteidigung an Hand des Gutachtens einzurichten, wäre eine Erstattungsfähigkeit zu bejahen gewesen, da der Beklagte offensichtlich keine eigenen Erfahrungen hatte. Im Übrigen hätte vor einem Rechtstreit bereits ein selbständiges Beweisverfahren beantragen können (s.o. Anmerkung 2), was - selbst wenn es für ihn ungünstig verläuft - jedenfalls nicht Mehrkosten verursacht hätte, sondern bei günstigen Ausgang erstattungsfähige Kosten gesichert hätte.

OLG Hamm, Beschluss vom 08.02.2022 - I-25 W 214/21 -

Freitag, 21. Mai 2021

Beweiserhebung: Was ist mit eigenen Kosten für die Durchführung des Beweisbeschlusses ?

Im Rahmen einer Werklohnklage kam es zu Ortsterminen, die zu Vor- und Nachbereitungen durch von der Beklagten beauftragte Handwerker führten. Dies kommt z.B. dann vor, wenn der beauftragte Bausachverständige Bauteil e geöffnet haben will, dies nicht selbst durchführt sondern den Parteien überlässt. Dann wird die Partei die entsprechenden Bauteile durch einen vor ihr beauftragten Handwerker öffnen und nach der Besichtigung durch den Sachverständigen wieder schließen lassen. Aber was ist mit den Kosten für diesen Handwerker ?

Das Verfahren kam im konkreten Fall durch einen Vergleich zum Abschluss, bei dem die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden. Vergeblich versuchte die Beklagte die ihr entstandenen Kosten für den Handwerker in Höhe von € 2.293,97 im Rahmen der Ausgleichung der Gerichtskosten mit festsetzen zu lassen. Das Landgericht glich nur die Gerichtskosten einschl. der vom Gericht an den Sachverständigen zu erstattenden Kosten aus, berücksichtigte aber den eigenen Aufwand der Beklagten nicht. Auf die Beschwerde der Beklagten berücksichtigte das OLG 50% der geltend gemachten Aufwendungen der Beklagten und setzte diese gegen die Klägerin fest. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH die ergänzende Kostenfestsetzung des OLG wieder auf.

Der BGH stellte darauf ab, dass Grundlage die vereinbarte Kostenaufhebung sei.. Welche Bedeutung dies für die in Streitbefindlichen Kosten habe, sei durch Auslegung festzustellen. Zu berücksichtigen sei dabei, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein auf die formale Prüfung von Kostentatbeständen ausgerichtetes Verfahren sei, welches auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und daher dem Rechtspfleger übertragen worden sei. Es sei daher eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung notwendig, weshalb ein bestimmter Parteiwille zumindest andeutungsweise in dem Wortlaut des Vergleichs zum Ausdruck gekommen sein müsste.  Danach beurteilt würde Kostenaufhebung bedeuten, jede Partei trage ihre Kosen alleine und nur die Gerichtskosten sollen hälftig geteilt werden. Zu den Gerichtskosten würden die Gerichtsgebühren und Auslagen des Gerichts zählen. Zu den Auslagen des Gerichts würden die von dem Sachverständigen nach dem JVEG geltend gemachten Entschädigungsansprüche und Aufwendungen gehören, wobei es sich bei den Aufwendungen des Sachverständigen gem. § 12 JVEG (und Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) auch um Handwerkerkosten handeln könnte, die er als Hilfskraft zur Durchführung des Beweisbeschlusses bezahlt habe. Nicht dazu würden aber Aufwendungen einer Partei gehören, da es sich dabei um deren außergerichtliche Kosten handele. Dies gelte unabhängig davon, welchen Zweck die Partei mit den Aufwendungen bezweckte. Beauftragte nicht der Sachverständige den Handwerker für die Vor- und Nacharbeiten, verbliebe es bei den Handwerkerkosten um außergerichtliche Kosten der Partei und würden diese nicht durch die Zweckbestimmung zu Gerichtskosten werden.

Praxistipp: Hätten die Parteien vorliegend nicht Kostenaufhebung vereinbart, sondern eine Kostenquotelung von 50%  zu 50%, so hätte die Beklagte 50% ihrer eigenen Aufwendungen gegen die Klägerin festsetzen lassen können. An der Verteilung der Gerichtskosten hätte sich nichts geändert. Allerdings ist zu beachten, dass  - unabhängig von den benannten Aufwendungen - die außergerichtlichen Kosten der Parteien schon in Bezug auf Anwaltsgebühren durch möglicherweise anfallende Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder unterschiedlich hoch ausfallen können, weshalb in Höhe der Differenz bei einer Quotelung die zu Lasten der Partei geht, die geringere Kosten hat. 

BGH, Beschluss vom 24.01.2021 - VII ZB 55/18 -

Freitag, 29. Januar 2021

Kostenerstattung für zwei Anwälte bei Klage und Widerklage nach einem Verkehrsunfall ?

 

Der Kläger verklagte den Beklagten nach einen Verkehrsunfall auf Schadensersatz. In der Folge erhob der Beklagte gegen den Kläger Widerklage. Während sich der Kläger im Rahmen der Klage von den Rechtsanwälten W vertreten ließ, wurde er im Rahmen der Widerklage von den Rechtsanwälten F vertreten. Im Rahmen der Kostenfestsetzung versagte der Rechtspfleger einen Kostenerstattungsanspruch für zwei Anwälte, da such nach seiner Ansicht der Kläger bei Klage und Widerklage vom gleichen Anwalt hätte vertreten lassen können (was auch kostenmäßig günstiger gewesen wäre).  Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde war begründet.

Allerdings, so das OLG, sei es vom Grundsatz her richtig, dass in dem Fall, dass (wie hier) der beklagte eine Widerklage erhebt, der Kläger nicht deshalb einen Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten habe, da er mit der Verteidigung gegen die Widerklage einen anderen Anwalt betraut. Grundsätzlich seien in einem solchen Fall leidglich die fiktiven Kosten eines Anwalts erstattungsfähig.  Dies würde grundsätzlich auch dann gelten, wenn der Kläger nach den Versicherungsbedingungen mit seinem Haftpflichtversicherer im Falle eines gegen ihn gerichteten Rechtsstreits die Führung desselben dem Versicherer überlassen müsse und dem von diesem beauftragten Rechtsanwalt Vollmacht erteilen müsse.

Die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten durch Beauftragung von zwei Anwälten im Falle eines „normalen Verkehrsunfalls“ scheide aus. Anders verhalte es sich aber bei dem Vorwurf eines manipulierten Unfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 20.01.2004 - VI ZB 76/03 -), bei dem eine Interessenskollision bestünde. Zur Begründung des Erstattungsanspruchs könne deshalb nicht auf ein Prozessführungsrecht des Haftpflichtversicherers oder ein besonderes Vertrauensverhältnisses verwiesen werden, um derartige Mehrkosten gegen den Gegner festsetzen zu lassen.

Vorliegend sei als Besonderheit zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Haftpflichtversicherer des Klägers auch um den Haftpflichtversicherer des Beklagten handelte, den der Kläger bei seiner Klage auch aus dem Haftpflichtverhältnis zum Beklagten mitverklagt hatte.  Daraus resultiere eine Interessenskollision: Der vom Kläger beauftragte Anwalt würde den Kläger mitvertreten bei der Klage gegen den eigenen Haftpflichtversicherer in dessen Eigenschaft als Versicherer des Beklagtenfahrzeuges. Würde er nun den Kläger im Rahmen der Widerklage mitvertreten, müsste er Ansprüche abwehren, die Wiederum vom Haftpflichtversicherer des Klägers als Haftpflichtversicherer auch des Beklagten zu tragen hätte. Da er damit auch in der Abwehrrolle zugunsten des verklagten Haftpflichtversicherers wäre, würde er im gleichen Verfahren sowohl auf Seiten Versicherers als auch gegen diesen stehen. In diesen Fällen sei bei einer Streitgenossenschaft von Fahrer/Halter und Versicherer ausnahmsweise die Beauftragung verschiedener Anwälte gerechtfertigt.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.08.2020 - 8 W 143/20 -