Der Kläger begehrte von der Beklagten Deckungsschutz in Form der Freistellung zu einem Schadensfall. Bei der Beklagten handelte es sich um die Haftpflichtversicherung der Mutter des Klägers, der bereits volljährig war und eine abgeschlossene Berufsausbildung hatte. Das Landgericht wies seine Klage ab. Auf seine Berufung erließ das OLG einen Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO und wies darauf hin, dass beabsichtigt sei, seine Berufung zurückzuweisen, woraufhin er das Rechtsmittel zurücknahm.
Nach den Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) waren auch volljährige Kinder mit abgeschlossener Berufsausbildung mit in der Haftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers (hier der Mutter des Klägers) mitversichert, wenn sie „in häuslicher Gemeinschaft“ mit dem Versicherungsnehmer leben.
In den Entscheidungsgründen wies das OLG darauf hin, dass vom Kläger nicht ausreichend dargelegt worden sei, dass er noch in den Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung seiner Mutter eingeschlossen gewesen sei. Nach den Versicherungsbedingungen sei nach den einschlägigen AHB für die Einbeziehung von volljährigen Kindern mit abgeschlossener Berufsausbildung Voraussetzung, dass sie mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben würden, sie auch dieselbe Meldeadresse wie der Versicherungsnehmer hätten.
Das bestehen derselben Meldeanschrift begründe aber nicht bereits die Annahme der häuslichen Gemeinschaft, wovon der Kläger ausging, der eine entsprechende Meldebescheinigung vorgelegt habe, aber weiteres zu den häuslichen Verhältnissen nicht mitteilte. Die häusliche Gemeinschaft bestünde bei einem nicht ganz vorübergehenden Verhältnis der Wohngemeinschaft, das vor allem in einer einheitlichen Wirtschaftsführung zum Ausdruck käme; als Indizien benannte das OLG die zumindest teilweise gemeinsame Nutzung von Hausrat und Räumen, die Gewährung von Kost und Logis, die Dauer des gemeinsamen Wohnens und das Befinden persönlicher Gegenstände in der Wohnung.
Damit schloss sich das OLG den Urteilen des BGH vom 12.11.1985 - VI ZR 234/84 - und des Brandenburgischen OLG vom 18.08.2016 - 12 U 134/15 - an. Der BGH hatte die Problematik der "häuslichen Gemeinschaft" in einem Fall des § 67 Abs. 2 VVG (heute: § 86 Abs. 2 VVG) getroffen, in dem er klären musste, ob die Person, gegen die sich der auf den Versicherer übergehende Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers richtet, mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt, da die häusliche Gemeinschaft den Regress des Versicherers hindert. Der BGH wandte die vom OLG in der besprochenen Entscheidung benannten Merkmale an, um die Kriterien für eine solche festzustellen. Im Hinblick auf das Familienprivileg im Rahmen des Entschädigungsanspruchs des Sozialversicherers nach § 116 SGB X, welches die Geltendmachung des Anspruchs durch den Sozialversicherer hindert, setzte sich das Brandenburgische OLG auch mit der häuslichen Gemeinschaft als Kriterium des Familienprivilegs im obigen Sinne auseinander.
Da es an einer substantiierten Darlegung des Klägers zu der „häuslichen Gemeinschaft“ ermangelte, sah auch das OLG die Klage als nicht begründet an.
OLG Dresden, Hinweisbeschluss
vom 04.04.2023 - 4 U 2595/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung
des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb
von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der
Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.04.2023 wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert auf 26.7115,- EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat
beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne
mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen.
Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine
Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung
noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch
Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Der Kläger kann
von der Beklagten die Freistellung von der Inanspruchnahme wegen des
Schadensereignisses vom 04.08.2018 nicht verlangen.
1. Dem
Anspruch steht nicht bereits entgegen, dass der Kläger nicht
Versicherungsnehmer des Familien-Haftpflichtversicherungsvertrages Nr. H 000-000000000000/35
und damit dem Grund nach nicht befugt ist, Rechte aus dem Versicherungsvertrag
geltend zu machen (vgl. Späte/Schimikowski/Schimikowski, 2. Aufl. 2015, BB PHV
Rn. 89, 90). Da die Beklagte sich hierauf erstinstanzlich nicht darauf berufen
hat, ist dies als Einverständnis mit ihrer unmittelbaren Inanspruchnahme zu
werten und für das Berufungsverfahren bindend (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1966,
481; OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 1480; HK-VVG/Schimikowski Ziff. 27 AHB Rn. 4;
Späte/Schimikowski/Harsdorf-Gebhardt, 2. Aufl. 2015, AHB § 27 Rn. 6-8
m.w.N.).
2. Das
Landgericht hat den Anspruch jedoch zu Recht zurückgewiesen, da der Kläger
nicht ausreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, dass er zum
Zeitpunkt des Schadensereignisses in den über den
Familien-Haftpfllichtversicherungsvertrag vermittelten Versicherungsschutz mit
einbezogen war.
Ausweislich der
Versicherungsbedingungen unter 2.1.(4) und 2.1.(5) setzt die Einbeziehung von
volljährigen Kindern (mit abgeschlossener Berufsausbildung) des
Versicherungsnehmers in den Versicherungsschutz voraus, dass sie mit dem
Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben. Dies ergibt sich schon
aus dem Wortlaut der Bedingungen, da „unabhängig von den vorgenannten
Bestimmungen, (...) die Mitversicherung erhalten (bleibt), solange die
häusliche Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer besteht. Daneben wird für
den in Ziffer 2.1.(5) aufgeführten weiteren Personenkreis zusätzlich gefordert,
dass eine mitversicherte Person dieselbe Meldeadresse wie der
Versicherungsnehmer hat. Entgegen der Ansicht der Berufung kann nicht bereits
dann, wenn ein volljähriges Kind als ehemals (mit-)versicherte Person dieselbe
Meldeadresse wie der Versicherungsnehmer hat, ohne weiteres auf das Bestehen
einer häuslichen Gemeinschaft im Sinne der Versicherungsbedingungen geschlossen
werden.
Eine häusliche
Gemeinschaft besteht bei einem nicht ganz vorübergehenden Verhältnis der
Wohngemeinschaft, das vor allem in einer einheitlichen Wirtschaftsführung zum
Ausdruck kommt. Indizien hierfür sind insbesondere die gemeinsame Nutzung von
zumindest Teilen des Hausrats und der Räume, die Gewährung von Kost und Logis
oder finanzieller Mittel, die Dauer des gemeinsamen Wohnens und das Befinden
persönlicher Gegenstände in der Wohnung (BGH, VersR 1986, 333; vgl. auch
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 18. August 2016 – 12 U 134/15
–, juris, HK-VVG/Jens Muschner, 4. Aufl. 2020, VVG § 86 Rn. 51, 52
m.w.N.).
Hinreichende
Anhaltspunkte dafür, dass zum Zeitpunkt des Schadensereignisses der
Lebensmittelpunkt des Klägers im Sinne einer gemeinsamen Lebens- und
Wirtschaftsführung im Haushalt seiner Mutter als Versicherungsnehmerin gelegen
hat, lassen sich seinem Vortrag an keiner Stelle entnehmen. Der Kläger hat sich
vielmehr darauf beschränkt, eine Meldebescheinigung (Anlagen K14, K15) vorzulegen,
ohne auf das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft näher einzugehen. Allein
eine Meldebescheinigung ist jedoch nicht geeignet, das Bestehen einer
häuslichen Gemeinschaft zu belegen und stellt auch vorliegend kein
hinreichendes Indiz für das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft dar. Zweifel
an der Aussagekraft der vorgelegten Bescheinigung ergeben sich zudem bereits
daraus, dass der Kläger ausweislich der Meldebescheinigung vom 08.09.2020 seit
dem 01.10.2018 mit alleiniger Wohnung in ... N., K.-M.-Straße ... gemeldet ist,
in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Riesa am 16.05.2019 aber angegeben
hat, noch bei den Eltern in ... N., M. Str. ... in einem eigenen Zimmer
wohnhaft zu sein und dafür 300,- EUR Kostgeld zu bezahlen (vgl. Bl. 98/99 eA LG
Dresden), obwohl er dort laut Meldebescheinigung bereits am 01.10.2018
ausgezogen ist.
3. Die
Einstandspflicht folgt auch nicht daraus, dass eine Sachbearbeiterin der
Beklagten gegenüber der Versicherungsnehmerin in einem Telefonat bestätigt
haben soll, dass Versicherungsschutz für den Kläger bestehe. Die
Versicherungsnehmerin konnte eine solche Auskunft nicht so verstehen, dass eine
Sachbearbeiterin ein in den Versicherungsbedingungen nicht vereinbartes, die
Beklagte bindendes Anerkenntnis einer der Voraussetzungen der
Leistungspflichtpflicht abgegeben hat und abgeben wollte. Die Vernehmung der
Versicherungsnehmerin als Zeugin ist daher nicht geboten.
Der Senat rät
daher zur Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.
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