Der Kläger, der bei der Beklagten
eine Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung hatte, verunfallte mit dem
versicherten Fahrzeug. Ohne die Polizei oder sonstige Dritte zu informieren
verließ er die Unfallstelle. Zwei Stunden später wurde er von Polizeibeamten
bei sich zu Hause aufgesucht, die eine Atemalkoholkontrolle mit einem Wert von
0,22mg/l durchführte (wobei er behauptete, er habe erst nach dem Unfall zu
Hause 1 ¾ Flaschen Bier à 0,5 l getrunken). Es erging gegen den Kläger ein
rechtskräftiger Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Die
Beklagte geht wegen mehrfacher Obliegenheitspflichtverletzungen des Klägers von
einer Leistungsfreiheit aus. Diese wandte sie in der Klage auf Kaskoentschädigung
ein und erhob Widerklage in Bezug auf die von ihr regulierten
Haftpflichtansprüche. Das Landgericht (LG) gab der Klage und der Widerklage zu
je ½ statt. Die Berufung beider Parteien wurde vom OLG zurückgewiesen.
Vom Ausgangspunkt habe, so das
OLG, das LG zutreffend in der Unfallflucht (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) eine
Verletzung der den Kläger treffenden Aufklärungsobliegenheit nach den den
Versicherungsverhältnissen zugrunde liegenden AKB gesehen. Dies sei zwar
vorsätzlich geschehen, nicht aber arglistig. Arglist läge nur vor, wenn der
Versicherungsnehmer (VN) mit der Handlung
und zu diesem Zeitpunkt (Tathandlung des § 142 StGB) einen gegen die
Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolge und wisse, dass sein
Verhalten möglicherweise die Schadensregulierung beeinflussen kann. Grundsätzlich
könne bei einer Unfallflucht nicht pauschal eine Arglist angenommen werden. Entscheidend
seien die Umstände des Einzelfalls: Hier sei er zunächst am das Fahrzeug (welches
nicht mehr gefahren werden konnte) am Unfallort geblieben, weshalb er mit einer
Entdeckung rechnen musste, und er wart auch einige Zeit selbst am Unfallort
verblieben, bis er abgeholt worden sei. Mit dem (vom Kläger organisierten) Abholen
seiner Person vom Unfallort konnte er seine Pflichten nach § 142 StGB nicht
mehr erfüllen, weshalb es auf seine späteren Handlungen nicht mehr ankäme.
Damit wäre die Obliegenheitspflichtverletzung,
die in der Unfallflucht läge, für die Beklagte leistungsbefreiend, wenn diese
kausal für fehlende Feststellungen durch den Versicherer wäre. Die Kausalität
wird vermutet, weshalb der Beklagte den Kausalitätsgegenbeweis führen müsse.
Hier sei zu berücksichtigen, dass
er nicht den Nachweis geführt habe, bei dem Verkehrsunfall nicht alkoholisiert
zu sein. Die Angaben des Klägers in seiner Anhörung durch das Landgericht und
des Zeugen G. sowie der als Zeugin gehörten Ehefrau des Klägers hätten
nachvollziehbar für das LG nicht der erforderliche Gewissheit begründet, dass
ein sogen. Nachtrunk vorgelegen habe. So waren insbesondere die Angaben des G.
von Detailarmut geprägt und weichen bezüglich des jeweiligen Alkoholkonsums von
dem Vortrag des Klägers ab.
Der Kläger habe aber den Nachweis
erbracht, dass die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit jedenfalls teilweise
nicht für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten
ursächlich gewesen sei. Zutreffend habe das LG festgestellt, dass eine
Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nur in dem Umfang, wie eine
Ursächlichkeit anzunehmen ist bzw. ein Kausalitätsgegenbeweis nicht erbracht
würde, zur Leistungsfreiheit führe. Dies ergäbe sich aus den AKB, die auch für
die vorsätzliche Obliegenheitspflichtverletzung vorsähen, dass eine
Verpflichtung zur Leistung weiterhin bestünde, als der VN nachweise, dass die Verletzung
der Obliegenheit u.a. für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht
nicht ursächlich wäre („… insoweit zur Leistung verpflichtet, als ….“).
Da der Beklagte sogleich, als ihn
die Polizei aufsuchte, seine schuldhafte Unfallverursachung eingeräumt habe,
könnten Feststellungsnachteile für die Beklagte nicht entstehen. Auch Nachteile
zu einer etwaigen Haftungsquote seien
nicht ersichtlich (hier: Abkommen von der Fahrbahn in einer Linkskurve). Es sei
auch nicht erkennbar, dass eventuell innerhalb der Zeit, bis die Polizei den
Unfall bemerkte (die schon 2 Stunden später bei dem Beklagten war) Spuren auf
der Fahrbahn o.ä, verlorengegangen sein könnten.
Die Alkoholisierung des Klägers
zum Unfallzeitpunkt könne mit höchstens 0,84 Promille angenommen werden, wie
das LG zutreffend festgestellt. Damit sei nicht auszuschließen, dass es zu dem
Unfall infolge der durch die Alkoholisierung bedingten relativen
Fahruntüchtigkeit des Klägers gekommen sei. Mangels Angaben des diesbezüglich darlegungs-
und beweisbelasteten Klägers dazu, was er wann vor dem Unfall getrunken habe,
könne auch keine Berechnung der Alkoholkonzentration auf den Unfallzeitpunkt
erfolgen, weshalb das angebotene Sachverständigengutachten nicht einzuholen
gewesen sei. Da die Rückrechnung hier zum Unfallzeitpunkt mithin nicht möglich
sei, treffe die Beklagte insoweit ein Feststellungsnachteil. Was gewesen wäre,
wenn erst einige Tage später die Polizei auf den Kläger aufmerksam geworden
wäre, ist hier nicht bedeutsam (Fall des Urteils OLG Stuttgart vom 16.10.2014 –
7 U 121/14 -), da zwei Stunden nach dem Vorfall noch Feststellungen möglich
waren. Die Falschangabe des Klägers, erst nach dem Unfall Alkohol getrunken zu
haben, stelle keine selbständige die Leistungsfreiheit begründende
Obliegenheitspflichtverletzung dar.
Dies führe im Ergebnis zu einer
Kürzung des Anspruchs des Klägers um 50% im Rahmen der Kaskoversicherung und zu
einer Kürzung des widerklagend geltend gemachten Betrages auf Ersetzung des
Haftpflichtschadens auch um 50% (der mit € 1.780,86, also im Rahmen der
Höchstgrenze nach AKB, geltend gemacht worden war).
OLG Stuttgart, Urteil vom 13.12.2018 - 7 U 188/18 -