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Sonntag, 21. August 2022

Kaufrecht: Anspruch des Gewährleistungsschuldners auf Ausgleichung von „neu für alt“ ?

Die Beklagten verkauften unter Ausschluss der Sachmängelhaftung an die Kläger ein 1979 gebautes Reihenhaus. Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens im Jahr 2022 erfuhren die Beklagten, dass Feuchtigkeit in den Kellerwänden bestand, vornehmlich beruhend auf einer unzureichenden Abdichtung der Wände.  Die Kläger stellten 2013 eine Durchfeuchtung der Kellerwände fest und forderten von den Beklagten die Kosten für eine neue Kellerabdichtung. Das Landgericht hat der Klage nur in einem kleinem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung beider Parteien wies das OLG die Klage insgesamt ab. Die Revision der Kläger war im Wesentlichen erfolgreich, dem Erstattungsanspruch auf die Mängelbeseitigungskosten hätte stattgegeben werden müssen.

Die Kläger könnten dem Grunde nach von den Beklagten Schadensersatz statt der Leistung nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3m § 281 Abs. 1 und 2 BGB wegen einer erforderlichen Neuabdichtung verlangen. Die Feuchtigkeit und die nicht ordnungsgemäß angebrachte Kellerabdichtung würden sich als Sachmangel darstellen. Der im notariellen Kaufvertrag enthaltene Haftungsausschluss der Beklagten reife nicht, da sie selbst Kenntnis von dem Mangel im Rahmen des Beweisverfahrens 2002 erhalten und diesen arglistig (§ 444 BGB) den Klägern gegenüber verschwiegen hätten. 

Die Höhe des Schadens könnten die Kläger anhand der zur Herstellung einer mangelfreien Herstellung der Kellerwandabdichtung erforderlichen Kosten berechnen, auch wenn die Arbeiten noch nicht ausgeführt worden seine. Der  Schadensersatzanspruch statt der Leistung (sogen. Kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB könne anhand der voraussichtlich erforderlichen fiktiven Mängelbeseitigungskoste geltend gemacht werden. 

Fehlerhaft sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, die Kläger könnten wegen eines notwendigen Abzugs „neu für alt“ keinen Schaden geltend machen, wobei das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, dass die Haltbarkeit einer Mauerabdichtung 40 Jahre betrage und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bereits mehr als 40 Jahre vergangen seien. Zwar sei grundsätzlich ein Vermögensvorteil, der erst durch die Ersatzleistung des Schädigers entstünde, nach den Regeln „neu für alt“ auszugleichen. Stünde dabei im Fall des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung der Anspruchsberechtigte besser, als er bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätte, sei grundsätzlich die Differenz vom Anspruchsberechtigten auszugleichen, da der Schadensersatz den Berechtigten nicht bereichern soll. Diese Grundsätze könnten aber nicht auf einen kaufvertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach dem seit dem 01.01.2022 geltenden Recht nicht ohne weiteres übertragen werden. Die Mangelfreiheit der Kaufsache gehöre jetzt zur Leistungspflicht des Verkäufers (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Es müsse bei der Prüfung, ob ein Abzug „neu für alt“ gerechtfertigt sei, berücksichtigt werden, dass der Verkäufer zunächst der Pflicht zur Nacherfüllung unterliege. Der primär auf die Lieferung einer mangelfreien Sache gerichtete Erfüllungsanspruch setze sich im in modifizierter Form in dem Nacherfüllungsanspruch fort, an dessen Stelle der Schadenersatzanspruch nach den §§ 437 Nr. 3, 289, 281 BGB trete. Er richte sich danach, was der Käufer erhalten hätte, wenn der Verkäufer seiner Pflicht zur Nacherfüllung ordnungsgemäß nachgekommen wäre (BGH, Beschluss vom 13.03.2020 - V ZR 33/19 -). 

In Ansehung des Zusammenhangs zwischen dem Schadensersatz statt der Leistung und dem (Nach-) Erfüllungsanspruch müsse der Käufer, wenn er sich unter Berücksichtigung von „neu für alt“ auch bei der Nacherfüllung an den Kosten zu beteiligen hätte, einen entsprechenden Abzug am Schadensersatz hinnehmen. Müsse sich der Käufer nicht an den Kosten der Nacherfüllung beteiligen, müsse dies auch entsprechende Auswirkungen auf den Schadensersatz haben. Diese Frage würde in der Literatur kontrovers erörtert. Darauf käme es aber nicht an, da jedenfalls dann eine Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung an einer (gebrauchten) Kaufsache nach den Grundsätzen „neu für alt“ ausscheide, wenn sich der Vorteil des Käufers darin erschöpfe, dass die Kaufsache durch den zur Mangelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfahre oder der Käufer durch die dadurch bedingte längere Lebensdauer des ersetzten Teils Aufwendungen erspare. Dass die Kläger darüberhinausgehende Vorteile hätten, sei von den Beklagten nicht eingewandt worden. 

Bei der Nachbesserung käme der Verkäufer nur seiner vertraglichen Pflicht nach. Hierfür könne er keinen Ausgleich verlangen (BGH, Urteil vom 17.05.1984 - VII ZR 169/82 -). Dies gelte auch dann, wenn der Verkäufer u.U. eine Leistung erbringen müsse, die eine andere Qualität aufweise als jene, die er bei mangelfreier Leistung zur erbringen gehabt hätte. Da infolge der mangelhaften Leistung des Verkäufers der Vertrag nicht wie vorgesehen abgewickelt werden könne, habe sich die Nacherfüllung an dieser veränderten Situation auszurichten (BGH, Urteil vom 21.07.2021 - VIII ZR 254/20 -). Dies gelte auch bei gebrauchten Sachen. Der regelmäßige Vorteil eines Wertzuwachs der Sache sei ebenso wie der Umstand, dass der Käufer durch eine längere Lebensdauer Aufwendungen erspare, eine unvermeidliche Folge des dem Käufer vom Gesetzgeber eingeräumten Nacherfüllungsanspruchs (zur Abgrenzung zur Anrechnung von Aufwendungen, die der Käufer ohnehin plante BGH, Urteil vom 04.04.2014 - V ZR 275/12 -).   

Der Umstand, dass eine Nachbesserung wegen arglisten Verschweigens des Mangels nicht angeboten werden müsse, führe zu keiner anderen Betrachtung. 

Die Grenze für den Nacherfüllungsanspruch und dem folgend für den auf Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigung gerichteten Schadensersatzanspruch ergäbe sich bei einer Unverhältnismäßigkeit, abgeleitet aus § 439 Abs. 4 S. 2 BGB.  Sie verhindere eine Überkompensation des Käufers. Könne der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern, da sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, beschränke sich der Schadensersatzanspruch des Käufers auf den mängelbedingten Minderwert. Dieser Fall wurde hier vom BGH nicht angenommen. 

BGH, Urteil vom 13.05.2022 - V ZR 231/20 -

Mittwoch, 23. Januar 2019

Das Aus für den fiktiven Schadensersatz im Vertrags- und Deliktsrecht ?


Den Anfang machte der BGH. In seiner Entscheidung vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 - hatte er über Schadensersatzansprüche bei Werkmängeln und gegen den Architekten bei sich im Bauwerk bereits verwirklichten Planungs- und Überwachungsfehlern zu urteilen. Unter Abänderung der bis dahin herrschenden Meinung und seiner eigenen Rechtsprechung, entschied er nun, dass, jedenfalls für Bauwerksverträge, die ab dem 01.01.2002 abgeschlossen wurde, bei Mängeln der Besteller nicht mehr seinen Schaden fiktiv nach dem möglichen Aufwand für die Mängelbeseitigung berechnen könne. Entweder lässt er den Mangel beseitigen und hat deshalb einen Anspruch auf den dafür erforderlichen Aufwand (§§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB), oder er behält das Werk mit den Mängeln und bemisst den Schaden nach der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, Im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit dem Mangel; im Falle einer Veräußerung ohne Mängelbeseitigung kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös bemessen.

Nun haben zwei Kammern des LG Darmstadt in drei Entscheidungen im Anschluss an die benannte Entscheidung des BGH diese Rechtsprechungsänderung auch auf deliktische Ansprüche (Urteile vom 15.06.2018 - 8 O 134/16 -, vom 24.10.2018 -23 O 356/17 - sowie vom 05.09.2018 – 23 O 386/17 -) übertragen; die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig (Berufungen zum OLG Frankfurt am Main wurden eingelegt).

Der Entscheidung der 8. Zivilkammer vom 15.06.2018 lag ein Schaden an einem Grundstück zugrunde: Bei Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück wurde der dortige (ungesicherte) Bauzaun gegen die Fassade des Hauses des Klägers gedrückt. Auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags machte der Kläger Schadensersatz in Höhe der voraussichtlichen Nettokosten für die Schadensbeseitigung geltend. Vom Grundsatz erkannte das Landgericht einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der §§ 906 Abs. 2 S. 2, 823 Abs. 1 BGB zu. Allerdings sei der klägerseits geltend gemachte fiktive Schadensersatzanspruch nicht nach §§ 249ff BGB als erstattungsfähig anzusehen. Unter Bezugnahme auf die benannte Entscheidung des BGH hätte hier der Kläger entweder die Reparatur durchführen lassen müssen und den dafür erforderlichen Aufwand einklagen können, oder er hätte den tatsächlichen Wert der unbeschädigten Sache zum tatsächlichen Wert der beschädigten Sache ermitteln und geltend machen müssen. Dies sei auch hier nicht unbillig, da die Erstattung von fiktiven Schadensersatz nicht notwendig sei, um den Geschädigten seine Dispositionsfreiheit zu belassen, auch zu einem späteren Zeitpunkt den Schaden noch beseitigen zu lassen. Insoweit könnte er einen Antrag auf Freistellung von möglicherweise tatsächlich noch entstehenden Schadensbeseitigungskosten stellen.

In Ansehung der Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung wird im Urteil festgehalten, dass der BGH seine Argumentation zur Vermeidung auf eine Überkompensation zwar auf das Werkvertragsrecht bezog, doch ließe sich dies auf alle fiktiven Schadensbeseitigungskosten im vertraglichen und deliktischen Bereich übertragen. Ebenso argumentierte die 23. Zivilkammer in den zwei benannten Urteilen vom 05.09. und 24.10.2018. In denen waren Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen streitgegenständlich und die Kammer negierte eine Möglichkeit des Geschädigten, den Schaden am Fahrzeug auf der Grundlage eines Gutachtens fiktiv geltend zu machen. Die 23. Zivilkammer hat im Urteil vom 05.09.2018 ausdrücklich ausgeführt, dass diesfür alle Schadensersatzansprüche gelte, so bei Beschädigungen von Sachen wie auch jedenfalls gewährleistungsrechtlich begründeten Schadensersatzansprüchen (z.B. kaufvertragliche oder mietvertragliche).

Es bleibt abzuwarten, wann zu dieser Fragestellung der Tragweite der Entscheidung des BGH durch diesen eine weitere Entscheidung erfolgt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird derjenige, der aus Delikt oder z.B. Kaufvertrag oder Mietvertrag Schadensersatzansprüche geltend macht, nicht sicher sein können, dass er insoweit weiterhin den Schaden fiktiv in Höhe des mutmaßlichen Aufwandes für die Beseitigung bemessen kann.