Der Kläger hatte seine Ansprüche gegen die Beklagte treuhänderisch an eine f-GmbH (einen Inkassodienstleister) zur außer- und gerichtlichen Geltendmachung abgetreten. Diese machte die Ansprüche des Klägers im Rahmen einer Sammelklage zusammen mit Ansprüchen Dritter gerichtlich geltend. Ihre Klage wurde (wegen fehlender Aktivlegitimation) abgewiesen; eine dagegen eingelegte Berufung nahm sie zurück. Nunmehr klagte der Kläger, nach Rückabtretung seiner Ansprüche, selbst. Das Landgericht wies seine Klage ab; auf seine Berufung hin gab das OLG ihr statt. Auf die vom OLG zugelassene, von der Beklagten eingelegte Revision wurde das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.
Der auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung sei unzulässig (Antrag 1). Insoweit würde dem die materielle Rechtskraft des Urteils im Verfahren der f-GmbH entgegenstehen, §§ 322 Abs. 1, 325 Abs. 1 ZPO.
Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung stünde (als negative Prozessvoraussetzung) einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegen (ne bis in idem), weshalb die diesen Streitgegenstand beinhaltende Klage unzulässig sei (BGH, Urteil vom 18.01.1985 - V ZR 233/93 -). Dieses Prozesshindernis sei in jeder Lage des Verfahrens zu beachten (BGH, Urteil vom 23.02.2006 - I ZR 272/02 -).
Wird die Beklagte wie vorliegend zunächst aus abgetretenen Recht in Anspruch genommen und sodann nach Rückabtretung (wie hier) des Anspruchs vom ursprünglichen Zedenten mit identischer rechtlicher Begründung erneut verklagt, beträfen beide Klagen denselben Streitgegenstand (BGH, Urteil vom 16.10.2020 – V ZR 98/19 -). Bestimmt würde der von der Rechtskraft umfasste Streitgegenstand vom Klageantrag, in dem sich die vom Kläger für sich in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiere, und dem Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Rechtsfolge herleite (BGH, Urteil vom 19.12.1991 - IX ZR 96/91 -). Alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassten Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören würden zum Anspruchsgrund zählen, den der Kläger zur Stützung seines Begehrens dem Gericht vortrage (BGH, Urteil vom 25.10.2012 - IX ZR 207/11 -). Das gelte auch unabhängig davon, ob diese einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhaltes von den Parteien vorgetragen worden wären oder nicht, ferner unabhängig davon, ob die Parteien im Vorprozess die nicht vorgetragenen Tatsachen bereits kannten und hätten vortragen können (BGH, Urteil vom 23.06.2015 - II ZR 166/14 -).
Zwischenanmerkung: Eine andere Sichtweise würde dazu führen, dass ein beendeter Prozess stellt neu aufgerollt werden könnte, wenn er auf neue Tatsachen gestützt würde, die bereits beim Vorprozess mit zum Tatsachenkomplex gehören. Eine Ausnahme davon sieht das Gesetz nur in § 580 ZPO zur Restitutionsklage vor, die z.B. erfordert, dass das Urteil auf einer gefälschten Urkunde beruht oder auf einer beeidigten Aussage des Gegner, die vorsätzlich oder fahrlässig falsch war.
Danach würde der Antrag 1 denselben Streitgegenstand betreffen, der von dem Inkassodienstleister bereits im Vorprozess aus abgetretenen Recht geltend gemacht worden sei und sich der Kläger zur Stützung seines Antrages auf denselben Lebenssachverhalt mit gleichem Klageziel stütze (BGH, Urteil vom 16.10.2020 - V ZR 98/19 -).
Urteile seien nur insoweit der Rechtskraft fähig, als über den durch Klage oder Widerklage geltend gemachten Anspruch entschieden worden sei. Die Rechtskraft beschränke sich mithin auf den unmittelbaren Streitgegenstand, also die Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bilde (BGH, Urteil vom 17.02.1983 - III ZR 184/81 -). Nicht erfasst würden einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die Entscheidung aufbaue (BGH, Urteil vom 26.06.2003 - I ZR 269/00 -). Feststellungen von präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen Vorfragen nähmen als bloße Urteilselemente damit nicht an der Rechtskraft teil.
Der Inhalt des Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft seien der Entscheidung im Ganzen zu entnehmen. Auszugehen sei dabei von der Urteilsformel, die allerdings bei einer Klageabweisung regelmäßig nicht erkennen lasse, worüber entschieden worden sei. Reiche die Urteilsformel nicht aus, um den Rechtkraftgehalt festzustellen, seien Tatbestand und Entscheidungsgründe, ggf. auch das Parteivorbringen, ergänzend heranzuziehen (BGH, Urteil vom 17.02. 1983 - III ZR184/81 -). Mit einem Urteil auf Abweisung einer Leistungsklage würde grundsätzlich festgestellt dass die begehrte Rechtsfolge unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden könne, selbst dann, wenn nicht alle erheblichen Tatsachen und in Betracht kommenden Rechtsnomen vorgetragen und geprüft worden seien (BGH, Urteil vom 12.12.2008 - V ZR 49/08 -). Anderes gelte nur dann, wenn den Entscheidungsgründen unmissverständlich der Wille des Gerichts zu entnehmen sei, über den zu Grunde liegenden Sachverhalt abschließend zu entscheiden und so dem Kläger eine erneute Klage zu diesem Anspruch auf der gleichen tatsächlichen Grundlage und aufgrund bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Umständen zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 17.09.2011 - II ZR 221/09 -).
Das Landgericht habe hier im Vorprozess einen Anspruch uneingeschränkt verneint. Hierauf beschränke sich die Rechtskraft. Bei den getroffenen Feststellungen zur fehlenden Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters (so wegen Unwirksamkeit der Abtretung wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz gem. § 134 BGB iVm. §§ 3, 4 RDG) handele es sich lediglich um Vorfragen, aus denen das Gericht den Schluss auf das Nichtbestehen des Zahlungsanspruchs gezogen habe. Sie würden als bloße Urteileelemente nicht von der Rechtskraft des Urteils erfasst, auch wenn das Gericht eine Beschränkung der mündlichen Verhandlung auf die Frage der Aktivlegitimation und angeordnet und nur hierüber in der mündlichen Verhandlung verhandelt habe. Dies deshalb, da sich in dem auf die mündliche Verhandlung ergangenen Urteil weder im Urteil noch in den Gründen eine entsprechende Beschränkung der Klageabweisung (auch nicht durch Auslegung) als derzeit unbegründet entnehmen ließe und es nicht ausreiche, dass die Klage ausschließlich mit der Begründung der fehlenden Aktivlegitimation abgewiesen worden sei.
Die Rechtskrafterstreckung wirke nach § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den Kläger, da er nach Rechtshängigkeit der Klage im Vorprozess infolge der Rückabtretung der Ansprüche Rechtsnachfolger des Inkassodienstleisters geworden sei. Der (hier auch erkennende) Senat des OLG habe nach Erlass des Urteils des Landgerichts im Vorprozess entschieden, dass die Abtretung der Ansprüche der Kunden an den Inkassodienstleister weder nach § 3 RDG iVm. § 134 BGB nach der bis 30.09.3021 geltenden Fassung von § 4 RDG (jetzt § 41 Abs. 1 RDG) iVm. § 134 BGB nichtig gewesen seien da die Tätigkeit von der dem Inkassodienstleister erteilten Erlaubnis von Rechtsdienstleistungen gedeckt waren. Die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess ergäbe nichts anderes, da die Feststellung zur fehlenden Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters als bloßes Urteilselement nach § 322 Abs. 1 ZPO nicht an der Rechtskraft teilnehme (s.o.).
Aufgrund er Bindungswirkung desrechtskräftigen Urteils aus dem Vorprozess stünden auch die weiteren Anträge (Feststellung Annahmeverzug, vorgerichtliche Anwaltskosten) dieser entgegen, ebenso eventuelle Restschadensersatzansprüche des Klägers aus §§ 862, 852 S. 1 BGB oder §§ 823 Abs. 2, 852 BGB iVm. § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV -).
Eine Rückverweisung sah der BGH als geboten an, da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes erfolgt sei und danach die Sache zur Endentscheidung reif sei (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Schlussbemerkung: Der BGH hat sich vorliegend ausführlich mit der Frage der Rechtskrafterstreckung unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung auseinander gesetzt. Dabei lag die Besonderheit in der hier vorliegenden Abtretung und der rechtskräftigen Abweisung der Klage des Zessionars, der sich die Ansprüche wieder rückabtreten ließ, um sie selbst noch einmal geltend zu machen. Die Reaktion des Zessionars war verständlich, hatte doch das Landgericht im Vorprozess die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen. Die fehlende Aktivlegitimation nahm das Landgericht wegen Unzulässigkeit (Nichtigkeit, § 134 BGB) der Abtretung an. Würde man die Nichtigkeit der Abtretung annehmen, wäre der Anspruch nie wirksam vom Kläger an den Inkassodienstleister abgetreten worden und der Kläger wäre noch originär Inhaber des eventuellen Anspruchs; die Rechtskraft des Vorprozesses würde ihn dann nicht berühren, da die Klage von einem Nichtberechtigten erhoben worden wäre. Indem aber der BGH die Zession an den Inkassodienstleister als wirksam ansah, hier also der Kläger nur durch eine Rückabtretung den Anspruch selbst (wieder) geltend machen konnte, traf ihn die Rechtskrafterstreckung aus dem Vorurteil, der durch die Rückabtretung Rechtnachfolger des Inkassodienstleisters wurde und sich in dem rechtkräftigen Vorurteil kein Vorbehalt befand, welches eine neue Klage ermöglicht hätte. Damit zeigt das Urteil auf, dass Abtretungen an Dritte, wie sie auch häufig vorgenommen werden, um einen Zeugen zu generieren (damit dieser nicht Partei ist und damit als Zeuge ausscheidet), rechtliche Unsicherheiten bei einer Klageabweisung beinhalten, die auf die Zession im Hinblick auf eine Aktivlegitimation zurückgehen.
BGH, Urteil vom 07.08.2024 - VIa ZR 930/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das
Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
10. August 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil
der Beklagten entschieden worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil
der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 27. Januar 2022
wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des
Rechtsstreits.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Der Kläger
nimmt die Beklagte wegen der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen
in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger
erwarb im Jahr 2014 von einem Händler einen Neuwagen Audi A4. Das Fahrzeug ist
mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189
(Schadstoffklasse Euro 5) ausgestattet.
Im Jahr 2017
trat der Kläger seine Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der
Betroffenheit des Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal treuhänderisch an die
f... GmbH (im Folgenden: Inkassodienstleister) zum Zwecke der
außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung ab. Der Inkassodienstleister
erhob im Jahr 2018 beim Landgericht Ingolstadt eine "Sammelklage" (im
Folgenden: Vorprozess) gegen die Beklagte, mit der er unter anderen auch die
vom Kläger abgetretenen Ansprüche geltend machte. Die Klage wurde im August
2020 abgewiesen, wogegen der Inkassodienstleister Berufung einlegte. Im Oktober
2020 wurden die abgetretenen Ansprüche an den Kläger zurückabgetreten. Im Mai
2021 nahm der Inkassodienstleister die Berufung hinsichtlich der Ansprüche des
Klägers zurück.
Im vorliegenden
Verfahren nimmt der Kläger die Beklagte auf Erstattung des Kaufpreises
abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Verzugszinsen (Antrag zu 1),
Feststellung des Annahmeverzugs (Antrag zu 2) und Ersatz von vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten nebst Verzugszinsen (Antrag zu 3) in Anspruch. Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das
Oberlandesgericht die Beklagte unter Berücksichtigung der weiteren Nutzung des
Fahrzeugs während des Berufungsverfahrens im Übrigen antragsgemäß verurteilt.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag aus den Vorinstanzen weiter.
Entscheidungsgründe
Die
unbeschränkt zugelassene (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021
- VII ZR 192/20, NJW 2022, 321 Rn. 17; Urteil vom 9. Mai
2022 - VIa ZR 441/21, NJW 2022, 2028 Rn. 5) Revision der
Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
Zurückweisung der Berufung des Klägers insgesamt.
I. Das
Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von
Bedeutung, wie folgt begründet: Einer Entscheidung über die Klage stehe die
Rechtskraft des im Vorprozess zwischen dem Inkassodienstleister und der
Beklagten ergangenen Urteils des Landgerichts Ingolstadt nicht entgegen. Die
Beklagte verkenne die subjektiven Grenzen der Rechtskraft. Ihre
Rechtsauffassung zur Unwirksamkeit der Abtretung zugrunde gelegt, hätte die
erforderliche Einzelrechtsnachfolge des Klägers nicht stattgefunden. Des
Weiteren beschränke sich die materielle Rechtskraft des Vorprozessurteils auf
die ausgesprochene Rechtsfolge, wonach der Inkassodienstleister mangels
wirksamer Abtretung nicht aktivlegitimiert und deshalb nicht zur Geltendmachung
des Anspruchs berechtigt gewesen sei. Mit dem Bestehen des Anspruchs habe sich
das Landgericht Ingolstadt hingegen nicht befasst, sodass das Nichtbestehen
eines Schadensersatzanspruchs des Klägers nicht einmal im Verhältnis zwischen
den Parteien des Vorprozesses rechtskräftig feststehe. Dem Kläger stehe gegen
die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das
Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil sie im Hinblick auf den
Antrag zu 1 bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet ist.
1. Der
auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst
Verzugszinsen gerichtete Antrag zu 1 ist unzulässig. Einer Entscheidung
hierüber steht die materielle Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils
des Landgerichts Ingolstadt entgegen, mit dem die Klage des
Inkassodienstleisters gegen die Beklagte abgewiesen worden ist (§§ 322
Abs. 1, 325 Abs. 1 ZPO). Vorprozess und jetzige Klage betreffen
insoweit denselben Streitgegenstand, über den bereits im Vorprozess
rechtskräftig entschieden wurde. Außerdem wirkt die Rechtskraft jenes Urteils
infolge der Rückabtretung der Ansprüche für und gegen den Kläger als
Rechtsnachfolger des Inkassodienstleisters.
a) Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht die materielle
Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung - als negative
Prozessvoraussetzung - einer neuen Verhandlung und Entscheidung über
denselben Streitgegenstand entgegen (ne bis in idem). Unzulässig ist deshalb
eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits rechtskräftig
entschiedenen Rechtsstreits identisch ist (BGH, Urteil vom 18. Januar 1985
- V ZR 233/83, BGHZ 93, 287, 288 f.; Urteil vom
19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50; Urteil vom
22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 13;
Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 253/16, NJW 2018, 2056
Rn. 14). Das Prozesshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft ist in
jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (st. Rspr., vgl. BGH,
Urteil vom 23. Februar 2006 - I ZR 272/02, BGHZ 166, 253
Rn. 22; Urteil vom 7. April 2011 - I ZR 34/09, NJW 2011,
2787 Rn. 13; Urteil vom 16. Oktober 2020 - V ZR 98/19,
juris Rn. 18, insoweit nicht abgedruckt in MDR 2021, 446, jeweils mwN).
b) Der
Streitgegenstand des Vorprozesses ist mit demjenigen des jetzigen Antrags zu 1
identisch. Wird die Beklagte - wie hier - zunächst aus abgetretenem
Recht in Anspruch genommen und sodann, nach Rückabtretung des Anspruchs vom
ursprünglichen Zedenten mit im Übrigen identischer rechtlicher Begründung
erneut verklagt, betreffen beide Klagen denselben Streitgegenstand (vgl. BGH,
Urteil vom 16. Oktober 2020 - V ZR 98/19, MDR 2021, 446
Rn. 20 ff.).
aa) Der
von der Rechtskraft erfasste Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in
dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und
den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte
Rechtsfolge herleitet, bestimmt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom
19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5; Urteil vom
19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50; Urteil vom
22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15). Zum
Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom
Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach
erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex
gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht
vorträgt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012
- IX ZR 207/11, NJW 2013, 540 Rn. 14; Urteil vom 14. März
2017 - VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 17 jeweils mwN). Vom
Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die
sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten
Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen
Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder
nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die im Vorprozess nicht
vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten und hätten
vortragen können (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2003, aaO,
S. 51; Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ
194, 314 Rn. 19; Urteil vom 25. Oktober 2012, aaO; Urteil vom
22. Oktober 2013, aaO; Urteil vom 23. Juni 2015
- II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 14; Urteil vom 14. März
2017, aaO, jeweils mwN).
bb) Nach
diesen Grundsätzen betreffen der Vorprozess und der jetzige Antrag zu 1
denselben Streitgegenstand. Der Inkassodienstleister hat im Vorprozess aus
treuhänderisch abgetretenem Recht den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte
auf Kaufpreiserstattung aus dem Erwerb des mit einem Motor des Typs EA 189
ausgerüsteten und vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs geltend
gemacht. Der Kläger stützt die jetzige gegen die Beklagte gerichtete Klage im
Hinblick auf den Antrag zu 1 nach erfolgter Rückabtretung mit demselben
Klageziel auf denselben Lebenssachverhalt, sodass der Streitgegenstand
identisch ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2020 - V ZR 98/19,
MDR 2021, 446 Rn. 20 f.).
c) Das
Landgericht Ingolstadt hat im Vorprozess zudem rechtskräftig über den
Streitgegenstand entschieden. Auf Grundlage seines die dortige Leistungsklage
abweisenden Urteils steht fest, dass dem Inkassodienstleister gegen die
Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein auf Erstattung des
Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gerichteter Zahlungsanspruch
wegen der Betroffenheit des Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal zusteht.
Die Begründung des Vorprozessurteils nimmt nicht an der Rechtskraft des Urteils
teil. Ein Vorbehalt dahingehend, dass die Rechtskraft auf die Ablehnung der
Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters beschränkt ist, lässt sich dem
Urteil nicht entnehmen.
aa)
Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO sind Urteile nur insoweit der Rechtskraft
fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden
ist. Die Rechtskraft wird hiernach auf den unmittelbaren Streitgegenstand
beschränkt, das heißt auf die Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten
Lebenssachverhalts am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der
Entscheidung bildet (BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR
184/81, NJW 1983, 2032; Urteil vom 24. Juni 1993 - III ZR 43/92,
NJW 1993, 3204, 3205; Urteil vom 16. Oktober 2020 - V ZR 98/19,
MDR 2021, 446 Rn. 25; Urteil vom 21. Oktober 2020 - VIII ZR
261/18, BGHZ 227, 198 Rn. 32). Nicht von der Rechtskraft erfasst werden
dagegen einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche
Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut (st. Rspr., vgl.
BGH, Urteil vom 17. Februar 1983, aaO; Urteil vom 26. Juni 2003
- I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Urteil vom 5. November 2009
- IX ZR 239/07, BGHZ 183, 77 Rn. 9; Urteil vom 21. Oktober
2020, aaO, jeweils mwN). Dementsprechend nehmen die Feststellungen von
präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen Vorfragen, aus denen der
Richter den Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der vom Kläger
beanspruchten Rechtsfolge gezogen hat, als bloße Urteilselemente nicht an der
Rechtskraft teil (BGH, Urteil vom 7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92,
BGHZ 123, 137, 140; Urteil vom 13. November 1998 - V ZR 29/98,
NJW-RR 1999, 376, 377; Urteil vom 10. April 2019 - VIII ZR
12/18, NJW 2019, 2308 Rn. 30).
Der Inhalt des
Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft sind der Entscheidung im Ganzen zu
entnehmen. Auszugehen ist von der Urteilsformel, die aber oft, so regelmäßig
bei klageabweisenden Urteilen, nicht erkennen lässt, worüber entschieden ist.
Sofern die Urteilsformel allein nicht ausreicht, um den Rechtskraftgehalt der
Entscheidung zu erfassen, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe,
erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen, ergänzend heranzuziehen (BGH,
Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81, NJW 1983, 2032;
Urteil vom 14. Mai 2002 - X ZR 144/00, GRUR 2002, 787, 788;
Urteil vom 9. Juni 2022 - III ZR 24/21, BGHZ 234, 102
Rn. 22). Ein Urteil, das eine Leistungsklage abweist, stellt grundsätzlich
fest, dass die begehrte Rechtsfolge aus dem Lebenssachverhalt unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann. Das ist auch dann der Fall,
wenn im Vorprozess nicht alle erheblichen Tatsachen und in Betracht kommenden
Rechtsnormen vorgetragen und geprüft wurden (BGH, Urteil vom 12. Dezember
2008 - V ZR 49/08, WM 2009, 501 Rn. 45, insoweit nicht
abgedruckt in BGHZ 179, 146; vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1989
- IVb ZR 19/89, NJW 1990, 1795, 1796; Urteil vom 17. März 1995
- V ZR 178/93, NJW 1995, 1757, 1758; Urteil vom 21. August
2014 - VII ZR 24/12, NJW-RR 2014, 1298 Rn. 11). Etwas anderes
gilt nur, wenn der Entscheidung unmissverständlich der Wille des Gerichts zu
entnehmen ist, über den zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht abschließend zu
erkennen und dem Kläger so eine erneute Klage zu diesem Anspruch auf der
gleichen tatsächlichen Grundlage und aufgrund von bereits im Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Umständen vorzubehalten (BGH,
Urteil vom 14. Mai 2002, aaO; Urteil vom 12. Dezember 2008, aaO; Urteil
vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223
Rn. 21; vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1988 - VI ZR
341/87, NJW 1989, 393, 394; Beschluss vom 11. April 2018
- XII ZB 121/17, BGHZ 218, 213 Rn. 12).
bb) Das
Landgericht Ingolstadt hat einen Kaufpreiserstattungsanspruch des
Inkassodienstleisters aus Anlass des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger und
dessen Betroffenheit vom sogenannten Dieselskandal uneingeschränkt verneint.
Hierauf beschränkt sich die Rechtskraft des Urteils. Bei den getroffenen
Feststellungen zur fehlenden Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters,
insbesondere wegen der Unwirksamkeit der Abtretungen der Kunden aufgrund eines
Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz gemäß § 134 BGB in
Verbindung mit §§ 3, 4 RDG, handelt es sich dagegen um bloße Vorfragen,
aus denen das Gericht den Schluss auf das Nichtbestehen des Zahlungsanspruchs
gezogen hat. Sie werden als bloße Urteilselemente nicht von der Rechtskraft des
Urteils erfasst. Ferner enthält das Urteil keinen ausdrücklichen Vorbehalt,
nach dem über den streitgegenständlichen Sachverhalt nur eingeschränkt
entschieden werden sollte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass
das Landgericht Ingolstadt eine Beschränkung der mündlichen Verhandlung nach
§ 146 ZPO auf die Frage der Aktivlegitimation angeordnet und nur hierüber
in der mündlichen Verhandlung verhandelt hat, weil sich dem auf die mündliche
Verhandlung ergangenen Urteil weder im Tenor noch in den Gründen eine
Beschränkung der Klageabweisung als derzeit unbegründet mit der erforderlichen
Sicherheit entnehmen lässt, auch nicht im Wege der Auslegung. Denn dafür reicht
es nicht aus, dass das Gericht die Klage ausschließlich mit der Begründung der
fehlenden Aktivlegitimation abgewiesen hat.
d) Die
Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Ingolstadt wirkt nach § 325
Abs. 1 ZPO für und gegen den Kläger, da er nach Rechtshängigkeit der Klage
im Vorprozess infolge der Rückabtretung der Ansprüche Rechtsnachfolger des
Inkassodienstleisters geworden ist.
Die Abtretungen
sind hier wirksam. Denn der Senat hat nach Erlass des Urteils des Landgerichts
Ingolstadt im Vorprozess entschieden, dass die Abtretung der Ansprüche der
Kunden an den Inkassodienstleister weder nach § 3 RDG in Verbindung mit
§ 134 BGB noch nach § 4 RDG in der bis zum 30. September 2021
geltenden Fassung (nunmehr: § 4 Satz 1 RDG) in Verbindung mit
§ 134 BGB nichtig war, weil die Tätigkeit des Inkassodienstleisters durch
die ihm nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG und § 2
Abs. 2 Satz 1 RDG in der Fassung vom 12. Dezember 2007 erteilte
Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich
Inkassodienstleistungen gedeckt war (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2022
- VIa ZR 418/21, BGHZ 234, 125 Rn. 8 ff.; Urteil vom
10. Oktober 2022 - VIa ZR 184/22, VersR 2022, 1603
Rn. 17 ff.; Urteil vom 24. Oktober 2022 - VIa ZR
162/22, juris Rn. 15 ff.; Urteil vom 5. Dezember 2022
- VIa ZR 998/22, juris Rn. 13 ff.). Aus der Rechtskraft des
Urteils des Landgerichts Ingolstadt im Vorprozess ergibt sich insoweit nichts
anderes, weil die Feststellungen zur fehlenden Aktivlegitimation des
Inkassodienstleisters als bloße Urteilselemente an der Rechtskraft nach
§ 322 Abs. 1 ZPO nicht teilnehmen.
2. Die
Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Ingolstadt im
Vorprozess nach §§ 322 Abs. 1, 325 Abs. 1 ZPO steht auch einer
Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Antrag zu 2) und der Erstattung
von vorgerichtlichen Anwaltskosten (Antrag zu 3) entgegen. Entsprechendes gilt
für eventuelle Restschadensersatzansprüche des Klägers aus §§ 826, 852
Satz 1 BGB oder §§ 823 Abs. 2, 852 BGB in Verbindung mit
§ 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV (vgl. BGH, Urteil vom
21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 19 mwN).
III. Das
Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), da es sich
auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der
Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur
wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den
festgestellten Sachverhalt erfolgt und danach die Sache zur Endentscheidung
reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen