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Sonntag, 15. Dezember 2024

Bedeutung der Beweiskraft des Protokolls zur Verkündung eines Urteil

Streitgegenständlich war die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung durch die Arbeitgeberin (Beklagte), gegen die sich der Arbeitnehmer (Kläger) wehrte. Das Arbeitsgericht hatte der Klage durch ein „Teilurteil“ stattgegeben, welches aufgrund mündlicher Verhandlung vom12.01.2023 erging. Der in der mündlichen Verhandlung benannte Verkündungstermin wurde zuletzt auf den 23.02.203 verlegt. In der Gerichtsake folgte die Urteilsformel mit der Unterschrift des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, sodann das „Teilurteil“ in vollständig abgefasster Form, untrennbar verbunden mit einem Verkündungsvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle. Es schloss sich eine Verfügung einer Justizangestellten vom 01.03.2023 betreffend die Zustellung des „Teilurteils“ an die Parteien an. Ein Protokoll über eine Verkündung des Teilurteils existierte nicht; solche würden, nach Auskunft der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts seit der elektronischen Führung der Prozessakte nicht mehr erstellt.

Gegen das Teilurteil legte die Beklagte Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) ein, die zurückgewiesen wurde. Gegen dieses Urteillegte die Beklagte Revision ein, mit der sie weiterhin Klageabweisung beantragte. Die Revision wurde – wenn auch nicht aus materiellen Erwägungen – stattgegeben und der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht (nicht an das Landesarbeitsgericht) zurückverwiesen. Die Aufhebung der Entscheidungen des Arbeitsgerichts und LAG sowie die Zurückverweisung an das Arbeitsgericht erfolgten, da das Verfahren bei dem Arbeitsgericht mangels Verkündung noch nicht abgeschlossen sei, es sich bei dem „Teilurteil“ lediglich um einen Urteilentwurf handele.

Die Verkündung eines Urteils erfolge im Namen des Volkes durch Vorlesung der vollständigen Abfassung der vollständigen Urteilsformal einschließlich der Kostenentscheidung, Streitwert und ggf. einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung, jedenfalls aber durch Bezugnahme auf die schriftlich niedergelegte Urteilsformel, und zwar in öffentlicher Sitzung (§ 60 ArbGG, § 311 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG. Erst durch diese förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen würde das Urteil existent. Bis zu diesem Zeitpunkt handele es sich um einen – allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugenden – Entscheidungsentwurf (BAG, Urteil vom 23.03. 2021 - 3 AZR 224/20 -; für Beschlussverfahren BAG, Beschluss vom 17.08.2022 - 7 ABR 3/21 -).

Die Verkündung einer Entscheidung sei im Protokoll festzuhalten, § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO, wobei es sich nach § 165ZPO um eine wesentliche Förmlichkeit handele, die nur durch das Protokoll bewiesen werden könne (BGH, Beschluss vom 08.02.2012 - XII ZB 165/22 -). Sei im Protokoll kein Hinweis auf die Verkündung vorhanden, stünde infolge der Beweiskraft des Protokolls ein Verstoß gegen das aus § 60 ArbGG, § 311 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG folgende Erfordernis einer Urteilsverkündung in öffentlicher Sitzung fest. Die würde auch gelten, wenn (wie hier) kein unterschriebenes Protokoll existiere, da danach nicht die Verkündung – gerade in einem gesonderten Verkündungstermin – bewiesen werde (BAG, Urteil vom 23.03.2021 aaO.). Der Beweis könne nicht durch den Vermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 315 Abs. 3 ZPO erbracht werden (BAG, Urteil vom 14.10.2020 - 5 AZR 712/19 -), was auch bei elektronischer Führung der Prozessakte gelte.

Das „Teilurteil“ sei auch nicht auf andere Art und Weise wirksam verlautbart worden.

Würde gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen, könne nicht mehr von einer Verlautbarung im Rechtssinne gesprochen werden. Würden die Mindestanforderungen gewahrt, würden allerdings auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse des Entstehens eines wirksamen Urteils nicht hindern. Zu den Mindestanforderungen gehöre, dass die Verlautbarung vom Gericht beabsichtigt sei oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet würden (BAG, Urteil vom 23.03.2021 aaO.). Eine wirksame Verlautbarung könne ggf. dadurch erfolgen, dass der Vorsitzende der Kammer dessen Übersendung an die Parteien selbst verfügt habe, so dass sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, außer Frage stünde (BAG, Urteil vom 14.10.2020  5 AZR 712/19 -), was hie nicht der Fall gewesen sei. Dahinstehen könne, ob das auch dann gelten würde, wenn das Gericht die Zustellung in der irrtümlichen Annahme veranlasse, es habe die Entscheidung bereits verkündet (a.A. BGH, Beschluss vom 13.06.2012 - XII ZB 592/11 -; OLG München, Urteil vom 21.01.2022 - 10 U 3446/10 -), da es hier bereits an einer Verfügung zur Übersendung an die Parteien fehlen würde und die Schlussverfügung der Geschäftsstelle die richterliche Verfügung nicht ersetzen könne.

Es käme auch nicht darauf an, dass die Parteien den Mangel der Verkündung nicht rügten, da dies von Amts wegen zu beachten sei und nicht durch unterlassene Rüge geheilt werden könne (BAG, Urteil vom 23.03.2021 aaO.).

Auch wenn das „Teilurteil“  des Arbeitsgerichts in Ermangelung einer wirksamen Verkündung keine rechtliche Wirkung erzeuge, könne es gleichwohl zur Beseitigung des mit ihm verbundenen Rechtsschein mit der Berufung angefochten werden (BAG, Urteil vom 23.03.2021 aaO.).

Infolge der fehlenden Verkündung des „Urteils“ durch das Arbeitsgericht sei das Verfahren nach wie vor in erster Instanz bei dem Arbeitsgericht anhängig und dort noch nicht abgeschlossen. Mit der Berufung gegen dieses „Urteil“ könne der äußere Anschein einer wirksamen, den ersten Rechtszug beendenden gerichtlichen Entscheidung beseitigt werden, weshalb das LAG auf die Berufung der Beklagten das arbeitsgerichtliche „Teilurteil“ hätte aufheben und den Rechtstreit ausnahmsweise an das Arbeitsgericht zurückverweisen müssen; eine eigene Sachentscheidung sei dem LAG verwehrt gewesen (BAG, Urteil vom 23.03.2021 aaO.).

Vorliegend stünde auch § 68 ArbGG, wonach ein Mangel im Verfahren eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht ausgeschlossen sei (mit § 68 ArbGG würde die Möglichkeit nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO bestehend Möglichkeit ausgeschlossen), nicht der Zurückverweisung an das Arbeitsgericht entgegen. Ausnahmsweise käme dies allerdings in Betracht, wenn wie hier ein Verfahrensfehler in der Berufungsinstanz nicht korrigiert werden könne, da das Berufungsgericht die unterlassene Urteilsverkündung nicht selbst vornehmen dürfe und selbst den Rechtsstreit zurückverweisen müsse.

BAG, Urteil vom 24.10.2024 - 2 AZR 260/23 -

Samstag, 3. September 2016

WEG: Zur Bestimmtheit eines Beschlusses bei Bezugnahme auf ein außerhalb des Protokolls befindliches Dokument

Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien über die Wirksamkeit eines die Wohngeldabrechnung 2012 betreffenden Beschlusses. Anknüpfungspunkte war, dass  der der Abrechnung zugrunde gelegte Verteilungsschlüssel auf einem einige Jahre zuvor gefassten Beschluss der Gemeinschaft aus 2008 basiere, der eine von § 16 Abs. 2 WEG abweichende Kostenverteilung vorsah. Nach Auffassung des Klägers sei der Beschluss über den Verteilungsschlüssel nichtig, da der Abrechnungsschlüssel im Beschlusstext nicht wiedergegeben wurde, sondern auf ein externes Schriftstück verwiesen wurde, weshalb dieser Verteilungsschlüssel bei der Wohngeldabrechnung nicht hätte angewandt werden dürfen.

Der BGH weist zunächst darauf hin, dass eine Änderung des Verteilungsschlüssels nach Maßgabe des § 16 Abs. 3 WEG zulässig sei, wenn dies ordnungsgemäßer Verwaltung entspräche. Dieser Beschluss sei auch nicht deshalb nichtig, da der künftige Verteilungsschlüssel nicht im Beschlusstext selbst aufgenommen wurde, sondern auf den in der Jahresabrechnung 2007 angewandten Verteilungsschlüssel verweise. Beschlüsse müssen, schon in Ansehung der Bindungswirkung für Rechtsnachfolger gem. § 10 Abs. 4 WEG, inhaltlich bestimmt du klar sein. Außerhalb des Beschlusses liegende Umstände dürfen nur insoweit herangezogen werden, wenn diese nach den Umständen für Jedermann klar erkennbar sind. Das bedeute auch, dass der Beschluss auf andere Urkunden oder Schriftstücke verweisen darf, wie dies auch häufig bei einem Beschluss über den Wirtschaftsplan oder die Jahresabrechnung der Fall sei.

Wird in dem Beschluss auf ein Dokument Bezug genommen, welches weder selbst Teil des Beschlusses oder des Protokolls ist,   muss dieses allerdings zweifelsfrei bestimmt sein. Denn nur dann wäre sichergestellt, dass auch ein Rechtsnachfolger den Inhalt feststellen kann. Hierzu ist das Schriftstück in die Beschlusssammlung oder eine Anlage dazu aufzunehmen, auch wenn dies keine konstitutive Wirkung für das Zustandekommen des Beschlusses hat. Vorliegend ergab sich aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung in 2008, dass unter TOP 3 die Gesamt- und Einzelabrechnungen für 2007 beschlossen wurden, und dann unter TOP 4 unter Bezugnahme darauf die Änderung des Verteilungsschlüssels.  Damit war der Verweis wirksam.


BGH, Urteil vom 08.04.2016 – V ZR 104/15 -