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Mittwoch, 14. Juni 2023

Darlegung des Zulassungsgrundes Divergenz bei Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH

Die Finanzgerichtsordnung (FGO) gibt den Parteien (Steuerpflichtigen bzw. Finanzverwaltung) die Möglichkeit, gegen Urteile der Finanzgerichte ein Rechtsmittel einzulegen, auch wenn die Revision nicht zugelassen wurde. Dies kann durch eine Nichtzulassungsbeschwerde geschehen, § 116 Abs. 1 FGO. Entscheidend ist hier (auch) die Art bzw. der Inhalt der Darlegung der Zulassungsgründe. Dies verdeutlicht ein Beschluss des BFH vom 14.03.2023, mit dem er eine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verwarf.

Der Beschwerdeführer hatte seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass das angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH abweiche (Divergenz, § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO). Nach dem Wortlaut des § 115 Abs. 2 FGO ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde die Revision (nur) zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (Nr. 2) oder ein vorliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Allerdings ergibt sich aus dieser Auflistung der Zulassungsgründe nicht, wie im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde der Anspruch geltend gemacht werden muss, d.h. was dazu zwingend vorzutragen ist.  § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO (Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) fordert, dass das angefochtene finanzgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines anderen Finanzgerichts, des BFH oder eines sonstigen obersten Bundesgerichts abweiche, so der BFH. Die von der angefochtenen Entscheidung divergierende Entscheidung sei durch Datum und Aktenzeichen bzw. Fundstelle zu bezeichnen. Damit nicht genug: Es müsse ein tragender abstrakter Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil als auch aus der behaupteten Divergenzentscheidung gebildet werden und diese Rechtssätze müssten zur Darstellung der Abweichung gegenübergestellt werden, wobei zusätzlich dargelegt werden müsse, dass es sich in beiden Fällen um den gleichen oder einen vergleichbaren Sachverhalt handelt, so dass sich in der angefochtenen wie auch in der Divergenzentscheidung dieselbe Rechtsfrage stellen würde. Diese Umstände werden vom BFH als Schlüssigkeitserfordernis angesehen.

Den Anforderungen habe der Beschwerdeführer nicht genügt, der zwar drei Urteile des BFH als Divergenzentscheidungen benannt habe, aber die tragenden abstrakten Rechtssätze werde aus diesen Entscheidungen noch aus der angefochtenen Entscheidung gebildet habe und diese gegenübergestellt habe, noch zu vergleichbaren Sachverhalten ausgeführt habe. Das Aufzeigen von angeblich im Widerspruch zur angefochtenen Entscheidung stehenden Entscheidungen würde nicht verdeutlichen, warum der Beschwerdeführer von einer Divergenz und nicht von einem Subsumtionsfehler ausgehe.

Es ist also nicht ausreichend, unter Verweis auf eine oder mehrere Entscheidungen eine Divergenz zu behaupten, sondern erforderlich, diese durch aus der angefochtenen und der benannten Divergenzentscheidung zu bildenden Rechtssätzen und deren Gegenüberstellung darzulegen, wobei auch der Sachverhalt und dessen Identität bzw. Ähnlichkeit. Auch wenn letztlich der BFH selbst entscheidet, ob er eine Divergenz annimmt bzw. die Abweichung billigt oder nicht, ist die Hürde für eine Zulassung aufgrund einer Divergenz sehr hoch gesteckt und erfordert eine akribische rechtliche Bearbeitung.

Ergänzend wies der BFH darauf hin, dass die weiteren Angriffe des Beschwerdeführers sich gegen die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung richten würden, dies aber kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO darstelle (numerus clausus der Zulassungsgründe).

BFH, Beschluss vom 14.03.2023 - IX B 60/22 -

Sonntag, 24. Februar 2019

Prozessrecht: Das „nicht mit Gründen versehene Urteil“ bei Fristüberschreitung


Das Landgericht hatte der Klage der Versicherungsnehmer gegen die beklagte Gebäudeversicherung überwiegend stattgegeben. Im Rahmen der Berufung der Versicherung bestimmte das OLG Termin zur Verkündung einer Entscheidung (nach vorangegangener Verlegung desselben) auf den 20.04.2017. Es verkündete an diesem Tag ein Urteil (ohne Gründe), demzufolge unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Klage insgesamt abgewiesen wurde. Gegen dieses Urteil legten die Kläger am 13.10.2017 Nichtzulassungsbeschwerde, hilfsweise Revision zum BGH ein. Das mit Gründen versehene Urteil des OLG gelangte gemäß Vermerk erst am 07.12.2017 zur Geschäftsstelle des OLG und wurde den Parteien am 11. bzw. 12.12.2017 zugestellt.

Die Revision führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und Zurückverweisung des Rechtstreits an das OLG. Das Urteil sei mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, da es iSv. § 547 Nr. 6 ZPO entgegen § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht mit Gründen versehen worden sei.

Der BGH verwies darauf, dass der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 6 ZPO („wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist“) vorläge, wenn ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil nicht binnen 5 Monaten nach seiner Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sei (grundlegend BGH, Beschluss vom 27.04.2993 - GmS-OGB 1/92 -). Entscheidend hierfür sei die Erkenntnis, dass das richterliche Erinnerungsvermögen abnimmt und nach Ablauf von mehr als 5 Monaten nicht mehr gewährleistet sei, dass der Eindruck von der mündlichen Verhandlung und das Beratene noch zuverlässigen Niederschlag in den wesentlich später abgefassten Gründen finde. Zudem sei es auch der unterlegenen Partei nicht zumutbar, nach einer Verkündung länger als 5 Monate zu warten, um über eine etwaige mündliche Urteilsbegründung hinaus die detaillierten Gründe ihres Unterliegens zu erfahren.

Anmerkung: Das Rechtsmittel der Revision (und damit auch einer Nichtzulassungsbeschwerde) ist binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils einzulegen. Fehlt es an der Zustellung, läuft die absolute Revisionsfrist 5 Monate nach Verkündung des Urteils, § 548 ZPO. Es ist in der Regel angezeigt, rechtzeitig vor Ablauf der Frist der 5 Monate durch Erhebung einer Richterdienstaufsichtsbeschwerde den oder die erkennenden Richter deutlich auf das (drohende) Versäumnis hinzuweisen, um bei einem möglicherweise fristwahrenden Rechtsmittel im Falle dessen Unzulässigkeit (ggf. auch Unbegründetheit) Schadensersatzansprüche nach § 839 BGB geltend machen zu können.

BGH, Urteil vom 23.01.2019 - IV ZR 311/17 -