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Sonntag, 4. August 2019

Zurückbehaltungsrecht des Mieters und Behauptung der Mängelbeseitigung durch Vermieter


Die Beklagten (Mieter) hatten in den Monaten ab April 2015 bis Oktober 2015 die Miete um 40% gemindert und weiterhin von April bis August 2017 ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 60% wegen von ihnen behaupteter Mängel geltend gemacht; ab Oktober 2015 beschränkten sich die Beklagten auf eine Minderung von 20%. Von der Klägerin (Vermieterin) wurde daraufhin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs unter Verweis auf die benannten Monate das Mietverhältnis fristlos gekündigt. Im Rahmen des Räumungsprozesses sprach die Vermieterin am 01.07.2017 eine weitere fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs im Berufungsverfahren aus; mit bereits erstinstanzlichen Schriftsatz vom 16.03.2017 hatte sie geltend gemacht, sie habe den von den Beklagten gerügten, allerdings auf deren Wohnverhalten zurückzuführenden Schimmelbefall im Juni 2016 beseitigen lassen. Das Amtsgericht hatte unter Abweisung der Räumungsklage der Zahlungsklage teilweise stattgegeben; auf die Berufung der Klägerin wurde dem Zahlungs- und Räumungsantrag umfassend stattgegeben. Mit ihrer zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Revision führte zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und Rückverweisung.

Der BGH folgt dem Landgericht, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegt, wenn der Mieter über einen Zeitraum von mehr als zwei Terminen mit der Entrichtung des Mietzinses in Höhe eines Betrages in Verzug sei, der zwei Monatsmieten entspräche.

Für den relevanten Kündigungszeitpunkt 01.07.2017 ergäbe sich daraus und aus dem Umstand, dass die Beklagten ihre Anschlussberufung gegen die amtsgerichtliche Entscheidung zurückgenommen hätten, nicht, dass sie sich mit der Zahlung eines kündigungsrelevanten Betrages in Verzug befunden hätten.  Die durch die Rücknahme der Anschlussberufung erfolgte Rechtskraftwirkung erstrecke sich hier nicht gem. § 322 ZPO auf die Frage eines kündigungsrelevanten Verzugs. Dann, wenn es Gericht in einem Vorprozess bereits über einen Streitgegenstand rechtskräftig entschieden habe und dies Vorfrage für einen aktuellen Prozess sei, trete die Bindungswirkung ein, die sich aber ausschließlich auf die im Vorprozess ausgesprochene Rechtsfolge beziehe. Diese Präjudizialität nahm der BGH aber für das rechtskräftige Zahlungsurteil des Amtsgerichts (durch Rücknahme der Berufung der Beklagten bewirkt) nicht an. Die Rechtskraft des Zahlungsurteils würde das Gericht nicht davon entbinden, im Rahme des Streitgegenstandes Kündigung das Vorliegen eines kündigungsrelevanten Zahlungsverzugs am 01.07.2017 zu prüfen. Diese Vorfrage sei durch die Rechtskraft des Zahlungsurteils noch nicht bindend festgestellt. Festgestellt wurde lediglich, dass ein bestimmter Betrag an Mieten offen sei, der der Klägerin zugesprochen worden sei. Hieraus ließe sich für die mit entscheidende Vorfrage für den Räumungsprozess nicht schließen, dass zu den jeweiligen Kündigungszeitpunkten eine fristlose Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB gerechtfertigt sei.

Ob ein verzugsausschließendes Leistungsverweigerungsrecht des Mieters nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB bestünde liegt nach Darlegung des BGH im Beurteilungsermessen aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Trau und Glauben durch den Tatrichter. Insoweit bestünde nur eine eingeschränkte Prüfungsmöglichkeit durch den BGH im Rahmen der Revision, der allerdings das Urteil des Landgerichts nicht standhalten würde.  

Die Würdigung des Landgerichts zum Zurückbehaltungsrecht sei verfehlt. Die Angabe der Klägerin über eine Mängelbeseitigung im Juni 2016 ließe nach Auffassung des Landgerichts nicht erwarten, dass die Klägerin weitere Mängelbeseitigungsmaßnahmen vornehmen würde, weshalb der Zweck des Zurückbehaltungsrechts nicht erfüllt sei. Zwar diene das Zurückbehaltungsrecht dazu, Druck zur Mängelbeseitigung auf den Vermieter auszuüben, was dann nicht möglich sei, wenn der Zweck verfehlt würde oder nicht mehr erreicht werden könne. Es ende bei Beseitigung des Mangels und bei Beendigung des Mietverhältnisses sowie dann, wenn der Mieter seine Mitwirkung (so Zutrittsgewährung zur Wohnung) verweigere. Ein solcher Fall läge aber hier nicht vor. Alleine die klägerische Behauptung zur Mängelbeseitigung würde das Recht nicht ausschließen können; andernfalls könnte der Vermieter dieses Recht alleine dadurch hindern, dass er den Mangel bestreitet oder Beseitigung behaupte. Auch würde die Behauptung der Mängelbeseitigung im Prozess nicht bedeuten, dass der Vermieter, sollte der Bestand des Mangels festgestellt werden, nicht doch noch den Mangel beseitigt. Entscheidend sei daher, ob die Behauptung der Mängelbeseitigung zutreffe oder sonstige Gründe den Schluss zulassen würden, dass das Zurückbehaltungsrecht dazu dient, Druck auf den Vermieter auszuüben. Feststellungen dazu, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wurde, habe das Landgericht nicht getroffen. Sonstige Umstände, die gegen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sprechen könnten, lägen nicht vor. Sie lägen weder in Bezug auf die Höhe des in 2015 zurückbehaltenen Betrages (€ 2.301,00) noch im Hinblick auf den seitherigen Zeitablauf vor. Zwar unterliege das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB in Ansehung des Umstandes, dass das Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung durch Minderung wiederhergestellt sei, einer zeitlichen und  betragsmäßigen Begrenzung, wobei der zurückbehaltene Betrag in einer angemessenen Relation zur Bedeutung des Mangels stehen müsse.

Bei hier zugunsten der Beklagten im Revisionsverfahren (mangels nachzuholender Feststellungen nach der Rückverweisung) anzunehmender zumindest auch bauseitiger Ursachen von Schimmelbefall in Küche und Schlafzimmer sei der Betrag noch als angemessen anzusehen. Die Zeitdauer (bis zur Kündigung am 01.07.2017) könne auch nicht die Annahme rechtfertigen, das Leistungsverweigerungsrecht habe seinen Zweck verfehlt. De Mieter könne zwar von dem Leistungsverweigerungsrecht nicht unbegrenzt Gebrauch machen sondern ist nach einem gewissen Zeitraum verpflichtet, seine sonstigen Rechte (BGH, Urteil vom 17.06.2015 - VII ZR 19/14 -) neben der Minderung) geltend zu machen. Vorliegend sei aber zu berücksichtigen, dass die Klägerin noch während der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts im August 20915 bei Bestreiten des Mangels Klage auf Zahlung und wegen Kündigung wegen Zahlungsverzugs Räumungsklage erhoben.  Das Amtsgericht habe ein Gutachten eines Bausachverständigen eingeholt und die Klägerin habe sich dann auf eine Mängelbeseitigung berufen, wobei sie Fehler des Gutachtens rügte. Aus diesem Bestreiten der Klägerin ließe sich angesichts des laufenden Prozesses gerade nicht folgern, das Zurückbehaltungsrecht verfehle jetzt seinen Zweck. Auch von der Klägerin wurde selbst im Berufungsverfahren ausgeführt, das Leistungsverweigerungsrecht verfehle deshalb hier seien Zweck, da der Mangel, soweit er vorhanden gewesen sei, beseitigt worden sei.

BGH, Urteil vom 10.04.2019 - VIII ZR 39/18 -