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Dienstag, 14. August 2018

Wirkung einer ausländischen Rechtshängigkeit vor einem Gericht in der EU auf eine Klageerhebung in Deutschland


Der klagende Rechtsanwalt hatte seinen Kanzleisitz in Österreich und vertrat 2013 u.a. den in Deutschland wohnhaften Beklagten in einem Zivilprozess vor dem Bezirksgericht Hallein in Österreich. Sein Honorar machte er in Österreich gegen den Beklagten gerichtlich geltend. Die von ihm vor dem Bezirksgericht Hallstein erhobene Klage wurde von diesem an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen, welches sie am 27.02.2015 mangels internationaler Zuständigkeit abwies. Hiergegen legte der Kläger Rekurs (Berufung) zum Landgericht Salzburg ein. Dieses stellte nunmehr mit rechtskräftigem Beschluss vom 20.08.2015 die internationale Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg fest und verwies das Verfahren an dieses zurück, wo sich die Parteien am 06.10.2015 verglichen.

Im März 2015 hatte der Kläger allerdings auch bereits seine Forderung vor dem AG Groß-Gerau in Deutschland geltend gemacht. Dieses hatte das Verfahren bis zur Entscheidung der österreichischen Gerichte über ihre Zuständigkeit ausgesetzt, und, nachdem das Verfahren in Österreich beendet war, nach Hauptsacheerledigungserklärung des Klägers, dem sich der Beklagte nicht anschloss, die Klage kostenpflichtig für den Kläger abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers stellte das LG Darmstadt die Erledigung der Hauptsache fest und erlegte dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auf. Auf die zugelassene Revision stellte der BGH das erstinstanzliche Urteil wieder her.  

Der BGH führt aus, die Rechtshängigkeit einer Streitsache vor einem Gericht habe in Deutschland die zivilprozessuale Wirkung, dass während der Dauer dieser Rechtshängigkeit die Streitsache bei keinem anderen Gericht geltend gemacht werden dürfe, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. So würde verhindert, dass sich mehrere Gericht mit derselben Sache beschäftigen müssten und (insbesondere) dass widerstreitende Urteile ergehen würden. Die fehlende weitere Rechtshängigkeit sei daher eine negative Prozessvoraussetzung, die von Amts wegen zu beachten sei. Deshalb sei eine spätere Klage während der anderweitigen Rechtshängigkeit von Anfang an unzulässig.

Allerdings regele § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nur die doppelte Rechtshängigkeit vor einem deutschen Gericht. Allerdings sei in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass die Rechtshängigkeit vor einem ausländischen Gericht der Rechtshängigkeit vor einem deutschen Gericht gleich komme, wenn das ausländische Urteil anzuerkennen sein würde.

Zudem sei die vor einem deutschen Gericht erhobene Klage nicht „zunächst“ zulässig. Art. 29 Abs. 1 und 3 EuGVVO sehe vor, dass das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aussetzt, bis die Zuständigkeit des zunächst angerufenen Gerichts fest stünde. Sobald dies fest stünde, habe sich das später angerufene Gericht zugunsten des zunächst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären; die doppelte Rechtshängigkeit würde mithin wie im deutschen Zivilprozessrecht auch im Verhältnis zwischen Gerichten verschiedener Staaten der Europäischen Union einer Sachentscheidung entgegenstehen. Die Regelung der EuGVVO habe Vorrang vor dme nationalen Prozessrecht, reiche aber über dessen Regelungen nicht hinaus. Mit der danach gebundenen Entscheidung, bei Feststellung der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts, seine eigene Unzuständigkeit zu erklären, sei nichts über die prozessuale Erledigung nach nationalen Recht und die Kosten ausgesagt. Schon zu den früheren Regelungen in Art. 21 EuGVÜ und Art. 27 EuGVVO a.F. habe der BGH entschieden, dass in diesen Fällen entsprechend § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, wonach die Klage als von Anbeginn an als unzulässig anzusehen sei zu verfahren sei und mithin die Kosten dem Kläger aufzuerlegen seien.

Damit könnten die Kosten auch nicht über eine Erledigungserklärung auf die beklagte Partei abgewälzt werden.  Selbst würde man der vom LG Darmstadt vertretenen Rechtsansicht folgen, Art. 29 EuGVVO regele auch den Zeitpunkt, ab dem die später anhängig gemachte Klage unzulässig sei, würde die Rechtsansicht des Landgerichts nicht zutreffen, dass die spätere Klage bis zum Zeitpunkt der Zuständigkeit durch das ausländische Gericht zulässig sei. Dies könne nicht daraus abgeleitet werden, dass Art. 29 EuGVVO eine Aussetzung des späteren Verfahrens vorsähe. Die zwingende Aussetzung sei nach Art. 8 des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik 1989 aufgenommen worden, da eine mögliche Klageabweisung wegen Unzulässigkeit infolge doppelter Rechtshängigkeit als zu einschneidend angesehen wurde, da diese evtl. wegen drohender Verjährung erfolgt sei und bei Abweisung im ausländischen Staat wegen fehlender Zuständigkeit zu einem Rechtsverlust führen würde. Die Aussetzung besagt also nicht, daß die Klage vorläufig zulässig ist, sondern hindert nur eine Entscheidung über die Zulässigkeit, die bei Abweisung im Ausland wegen Unzulässigkeit nicht mehr bestehen würde.

BGH, Urteil vom 22.02.2018 - IX ZR 83/17 -