Mittwoch, 1. August 2018

Festlegung der Kubatur in einem Vorhaben- und Erschließungsplan zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan


Das OVG hatte im Normenkontrollverfahren  die Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes der Antragsgegnerin festgestellt. Bei dem es sich um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan (BPlan) gem. § 13 BauGB handelte. Hierzu führte das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 15.11.2017 - 7 D 55/16.NE - u.a. aus:


„Andererseits steht der Gemeinde das Instrument eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht zur Verfügung, wenn sie nicht nur das konkret zur Realisierung anstehende Vorhaben ermöglicht, sondern von vornherein eine mehr oder weniger breite Palette unterschiedlicher baulicher Nutzungen eröffnet. Hiervon ausgehend erfordert der Vorhabenbezug, dass die Kubatur eines Gebäudes, das Gegenstand des Vorhabens ist – jedenfalls in wesentlicher Hinsicht – festgelegt wird. Daran ermangelt es vorliegend. Die Ausdehnung der durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan zugelassenen Gebäude in der Höhe mag zwar noch hinreichend durch die Geschosszahlen festgelegt sein, obgleich die Festsetzungen zur Höhe üner Normalnull lediglich Maximalwerte enthalten. Unzureichend bestimmt ist aber jedenfalls die Ausdehnung der Gebäude in der Fläche. Der Bebauungsplan und … Vorhaben- und Erschließungsplan setzen im Wesentlichen nur Baugrenzen (vgl. § 23 BauNVO) fest, ohne die Kubatur hinsichtlich der überbaubaren Fläche in den wesentlichen Punkten anderweitig zu bestimmen. In den so festgesetzten Baufernstern sind deshalb Vorhaben Baufenstern sind deshalb Vorhaben wesentlich verschiedener Kubaturen zulässig.

Die Beigeladene, die den Antrag auf Einleitung des Bebauungsplanverfahrens gem. § 12 BauGB stellte, sah im Rahmen der von der Antragsgegnerin (Gemeinde) erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde als klärungsbedürftig an, § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB so auszulegen ist, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan notwendigerweise die Kubatur im wesentlichen Umfang zu erkennen gibt (Frage 1) und ob § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB so ausgelegt werden könne, dass vorhabenbezogene Bebauungspläne mit Darstellung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen sowie durch Festsetzungen zur Geschossigkeit, Bauweise und Höhenfestsetzungen ausreichend bestimmt sind (Frage 2).

Das BVerwG verneinte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und ließ die Revision nicht zu. Die als klärungsbedürftig angesehenen Fragen würden an dem Inhalt des Urteils vorbeigehen und hier nicht klärungsbedürftig sein. Es sei zwischen dem (wenn auch in einer Urkunde zusammengefassten) Vorhaben- und Erschließungsplan und dem angefochtenen Bebauungsplan zu unterscheiden. Dies schließe die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall die Beschreibung im Vorhaben- und Erschließungsplan in ihrer Detailliertheit über die abstrakte Plandarstellung des vorhabenbezogenen BPlans hinausgehen müsse. Diese Differenzierung zwischen den Plänen habe die Beigeladene nicht nachvollzogen.  

Aber auch bei Unterstellung, dass die Beigeladene grundsätzlich geklärt wissen wolle, ob in einem Vorhaben- und Erschließungsplan die Kubatur eines Vorhabens jedenfalls in ihrem wesentlichen Umfang festgelegt werden müsse, sei die Revision nicht zuzulassen. Diese Frage sei, ohne dass ein revisionsverfahren durchzuführen sei, zu bejahen. In diesem Plan würde nicht allgemein irgendeine Bebauung geregelt, sondern ein oder mehrere konkrete Vorhaben iSv. § 29 Abs. 1 BauGB. Es seien daher nicht nur die Art der baulichen Nutzung (mit einer gewissen Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten), sondern auch das Maß der baulichen Nutzung konkretisiert werden. Dem genüge nicht die Bestimmung eines Höchstmaßes. Auch eine Unterschreitung festgesetzter Maßfaktoren sei zu beachten. Sei diese Unterschreitung in einem Umfang möglich, welches die Identität des Vorhabens in Frage stelle und die durch den Vorhabenbegriff begrenzte Variationsbreite verlässt, bedürfe es einer zusätzlichen Festsetzung von Mindestmaßen. Handelt es sich bei dem Vorhaben um ein „aliud“, beurteile sich dies nach den Umständen des Einzelfalls und entzöge sich dies einer grundsätzlichen Klärung. Eine Beschränkung des Maßes nach unten sei auch nicht deshalb entbehrlich, da die Nachbarschaft erfahren wolle, was maximal möglich sei. Die Konkretisierung läge im allgemeinen städtebaulichen Interesse. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass Vorhabenträger (wie die Beigeladene) schon im Eigeninteresse Baugrenzen ausschöpfen würden.

BVerwG, Beschluss vom 02.05.2018 - 4 BN 7.18 -


Aus den Gründen:


Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

1. Die Beigeladene möchte grundsätzlich klären lassen,
ob § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB so auszulegen ist, dass ein wirksamer vorhabenbezogener Bebauungsplan notwendigerweise die Kubatur im wesentlichen Umfang zu erkennen gibt.

Sie kritisiert die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, "dass sich aus dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Kubatur (des Vorhabens) in wesentlicher Hinsicht ergeben müsse" (Beschwerdebegründung S. 2 f.), und macht sich dafür stark, dass "bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan lediglich die Höchstmaße festgesetzt werden müssen" (Beschwerdebegründung S. 3).

Damit im Zusammenhang steht die weitere Frage,
ob § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB so ausgelegt werden kann, dass vorhabenbezogene Bebauungspläne mit Darstellung der überbaubaren Grundstücksfläche, durch Baugrenzen sowie durch Festsetzungen zur Geschossigkeit, Bauweise und Höhenfestsetzungen ausreichend bestimmt sind.

Beide Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie an dem Inhalt des angefochtenen Urteils vorbeigehen und in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wären. Das Oberverwaltungsgericht hat weder verlangt, dass die Kubatur eines Vorhabens - jedenfalls in wesentlicher Hinsicht - im vorhabenbezogenen Bebauungsplan festgelegt werden muss, noch hat es sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 67468/03 zum Maß der baulichen Nutzung zu unbestimmt sind. Vielmehr hat es bemängelt, dass die Kubatur des in Aussicht genommenen Vorhabens im Vorhaben- und Erschließungsplan nicht konkret genug umrissen worden ist (UA S. 10 f.). Zwar sind der angefochtene Bebauungsplan und der Vorhaben- und Erschließungsplan inhaltlich identisch, weil sie beide in einer Urkunde zusammengefasst sind, weshalb die vorinstanzliche Kritik an der mangelnden Bestimmtheit des Vorhaben- und Erschließungsplans in gleicher Weise auch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan trifft (UA S. 11). Rechtlich ist jedoch zwischen Vorhaben- und Erschließungsplan und vorhabenbezogenem Bebauungsplan zu unterscheiden. Das schließt die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall die Beschreibung des beabsichtigten Vorhabens im Vorhaben- und Erschließungsplan in ihrer Detailliertheit über die abstrakte Plandarstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans hinausgehen muss (vgl. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2017, § 12 Rn. 78; Spieß, in: Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 8. Aufl. 2017, § 12 BauGB Rn. 8.). Die Differenzierung zwischen den beiden Plänen, die auch dem angefochtenen Urteil zugrunde liegt, hat die Beigeladene nicht nachvollzogen.

Die Revision ist aber auch dann nicht zuzulassen, wenn zu Gunsten der Beigeladenen unterstellt wird, sie wolle grundsätzlich geklärt wissen, ob in einem Vorhaben- und Erschließungsplan die Kubatur eines Vorhabens jedenfalls in ihrem wesentlichen Umfang festgelegt werden muss. Die Frage ist zu bejahen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Im Vorhaben- und Erschließungsplan, der Gegenstand des Durchführungsvertrags ist, wird nicht etwa allgemein irgendeine Bebauung des Plangebiets, sondern die Errichtung eines oder mehrerer konkreter Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB geregelt (BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 - BVerwGE 119, 45 <52>). Zu konkretisieren ist nicht nur die Art der baulichen Nutzung, wobei das festgelegte Vorhaben von vornherein eine gewisse Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten umfasst (BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 a.a.O.), sondern, ebenfalls mit (begrenzten) Spielräumen, auch das Maß der baulichen Nutzung (Schiller, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 1003; Busse, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand 1. Mai 2018, § 12 Rn. 17). Entgegen der Ansicht der Beschwerde genügt es jedenfalls nicht stets, nur Höchstmaße festzusetzen. Auch eine Unterschreitung der festgesetzten Maßfaktoren ist in den Blick zu nehmen. Ist sie in einem Umfang möglich, der die Identität des vereinbarten Vorhabens in Frage stellt und die durch den Vorhabenbegriff begrenzte Variationsbreite verlässt, bedarf es daher zusätzlich der Festsetzung von Mindestmaßen (Oerder, BauR 2009, 744 <751 f.>), denn es gilt zu vermeiden, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan ein anderes Vorhaben zulässt, als es im Durchführungsvertrag in Verbindung mit dem Vorhaben- und Erschließungsplan vereinbart worden ist (BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 a.a.O.; Funke, BauR 2004, 1882 <1887>). Wann ein Vorhaben gegenüber dem vereinbarten ein "aliud" ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls und entzieht sich grundsätzlicher Klärung.

Eine Beschränkung des Maßes der zulässigen Nutzung nach "unten" ist nicht deshalb entbehrlich, weil die Nachbarschaft nach Einschätzung der Beigeladenen nur daran interessiert ist, zu erfahren, mit welchen maximalen baulichen Nutzungsmaßen sie konfrontiert werde. Denn eine Konkretisierung des Vorhabens liegt im allgemeinen städtebaulichen Interesse. Auf eine Beschränkung des Maßes der zulässigen Nutzung nach "unten" kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht deshalb verzichtet werden, weil davon ausgegangen werden könne, dass ein Vorhabenträger festgesetzte Baugrenzen schon im Eigeninteresse ausschöpfen und nicht wesentlich dahinter zurückbleiben werde. Das Oberverwaltungsgericht hat weder festgestellt, noch ist es allgemeinkundig, dass sich Vorhabenträger so verhalten, wie von der Antragsgegnerin behauptet.

2. Die Frage,
ob bei der Festsetzung von Höchstgrenzen im Bebauungsplan der Durchführungsvertrag zur Bestimmung der konkreten Kubatur herangezogen werden kann,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie im Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat sie zwar verneint, "im Übrigen" aber auch festgestellt, dass der Durchführungsvertrag gegenüber dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan und dem mit diesem Plan in einer Urkunde zusammengefassten Vorhaben- und Erschließungsplan das Vorhaben nicht weiter konkretisiert (UA S. 12). Hieran wäre der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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