Die Klägerin, die eine in der Zwangsvollstreckung
befindliche Immobilie ersteigerte, machte gegen die vormalige Zwangsverwalterin
Schadensersatzansprüche für entgangenen Mietzins mit der Begründung geltend, Mieter
seien von dieser ihr gegenüber unrichtig benannt worden. Das Landgericht wies
die Klage ab, wobei es dahinstehen ließ, ob der Klägerin dem Grunde nach ein
Schadensersatzanspruch zustünde, da sie jedenfalls für einen Schaden beweisfällig
geblieben sei. Demgegenüber sah das OLG
im Rahmen der von der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten
Berufung einen Haftungsgrund der
beklagten Zwangsverwalterin als gegeben an. Ein solcher Anspruch sei aus §§ 280 Abs. 1
BGB, 154 ZVG begründet.
§ 154 ZVG begründe ein
gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem heraus die beklagte Zwangsverwalterin zur vollständigen Übergabe aller im Rahmen der
Zwangsverwaltung erhaltenen Objektunterlagen an die Klägerin als Ersteherin im
Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens verpflichtet sei. Im Rahmen dieses
gesetzlichen Schuldverhältnisses seien die allgemeinen Regeln der §§ 276, 249
BGB anwendbar (OLG Naumburg, Urteil vom 28.02.2012 - 12 U 30/11 -).
Zu den Verfahrensbeteiligten nach
§ 154 S. 1 ZVG würden über die formell am Zwangsveraltungsverfahren hinaus Beteiligten
nach § 9 ZVG auch jene Personen zählen, denen gegenüber das Zwangsversteigerungsgesetz
(ZVG) spezifische Pflichten auferlege (BGH, Urteil vom 13.10.2011 - IX 188/10
-). Ab dem Zuschlag würde dazu auch der Erwerber zählen (BGH, Urteil vom
11.10.2007 – IX ZR 156/06 -). Dieser trete mit dem Zuschlag in Bezug auf das
Grundstück in die Rechtsstellung des Schuldners ein, auch wenn er das Eigentum
originär und nicht als Rechtsnachfolger des Schuldners erwerbe. Da damit der
Zwangsverwalter ab dem Zeitpunkt des Zuschlags, solange die Zwangsverwaltung
fortdauere, nicht mehr Pflichten gegenüber dem Schuldner sondern dem Erwerber zu
erfüllen habe, mit dem keine vertraglichen Beziehungen bestünden, wäre er nicht
haftungsfrei sein, sondern würde nach den Grundsätzen der unerlaubten Handlung
haften (BGH vom 11.10.2007 aaO.). Der Zuschlagsbeschluss liege zeitlich vor dem
Beschluss über die Aufhebung der Zwangsverwaltung, da der Zuschlagsbeschluss
Voraussetzung für die Aufhebung der Zwangsverwaltung sei, was für die
Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses ausreichend sei.
Die Pflichten des
Zwangsverwalters nach § 154 S. 1 ZVG würden auch nicht insgesamt mit der
Zustellung des Aufhebungsbeschlusses enden. Er bliebe über diesen Zeitpunkt
hinaus zur Abwicklung der Zwangsverwaltung verpflichtet. Damit habe er nach
rechtskräftigen Zuschlagsbeschluss und Aufhebung der Zwangsvollstreckung das
Grundstück und die mitbeschlagnahmten Gegenstände sowie die nach
Zuschlagserteilung gezogenen Nutzungen an den Ersteher herauszugeben (BGH vom
11.10.2007 aaO.). Diese Pflicht folge
aus der entsprechenden Anwendung des § 667 BGB, wonach der Beauftragte verpflichtet
sei, dem Auftraggeber alles, was er zur Auftragserfüllung erhalten und aus der
Geschäftsbesorgung erlangt habe, herauszugeben, wozu auch Mietverträge und
Zusatzvereinbarungen dazu zählen würden. Diese Urkunden habe der
Zwangsverwalter zur Wahrung seiner Pflichten nach § 152 S. 1 ZVG, das
Grundstück in seinem Bestand zu erhalten und zu benutzen, erlangt. Da der
Ersteher originär als Vermieter in bestehende Mietverträge eintrete, entspräche
die Herausgabepflicht der durch den Zuschlagsbeschluss entstehenden
Interessenslage. Er würde diese Unterlagen (sowie Versicherungsunterlagen,
Bauunterlagen) nicht für eine von ihm vorzunehmende Rechnungslegung nach § 154
S. 2 ZVG benötigen.
Anders verhalte es sich lediglich
mit Belegen und Unterlagen, die für eine Betriebskostenabrechnung benötigt
würden (diesbezüglich zur verneinenden Herausgabepflicht OLG Dresden, Urteil
vom 23.11.2011 - 13 U 1137/11 -). Diese würde der Zwangsverwalter nach dem
Zuschlag für die von ihm nach § 154 S. 2 ZVG vorzunehmende Rechnungslegung
benötigen. Das begründe für den Ersteher keinen Nachteil, da das Gericht nach
Prüfung dem Ersteher Kopien vorlegen oder die Einsichtnahme in die Akten
ermöglichen müsse (Böttcher-Keller, ZVG, 6. Aufl. § 154 Rn. 11), wodurch dem
Ersteher die notwendigen Kenntnisse verschafft würden.
Durch die Pflichtverletzung sei
der Klägerin ein Schaden entstanden, da sie in den Monaten Januar und Februar
nur einen Mietzins von € 7,30/qm statt von € 11,00/qm erzielt habe. Die
Differenz von € 3,70/qm stelle sich als Schaden nach §§ 249 Abs. 1, 252 BGB
dar.
OLG Braunschweig, Urteil vom 11.05.2018 - 9 U 18/17 -