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Freitag, 19. Mai 2023

Vergütung des Zwangsverwalters bei Weiterführung eines Gewerbebetriebs

Der Zwangsverwalter wurde in einem von der Gläubigerin in 2018 beantragten Zwangsverwaltungsverfahren vom Gericht bestellt. Auf dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstück befand sich ein Biomassekraftwerk, welches vom Zwangsverwalter weiter betrieben wurde. Für eine Tätigkeit beantragte er für 2020 die Festsetzung einer Vergütung von € 238.437,55 beantragt und hierbei auf § 18 Abs. 1 ZwVwV eine Regelvergütung von 12% der von ihm erzielten Einnahmen sowie von 2,4% im Hinblick auf vertraglich geschuldete, aber nicht eingezogene Forderungen, ferner eine Auslagenpauschale und die gesetzliche Mehrwertsteuer verwiesen Das Amtsgericht setzte die Vergütung antragsgemäß fest. Dagegen wandten sich die Schuldnerin und die Gläubigerin. Das Landgericht hob den Beschluss des Amtsgerichts auf und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde wurde vom Zwangsverwalter gegen die Entscheidung des Landgerichts eingelegt.

Der BGH gab der Rechtsbeschwerde insoweit statt, als es die Beschwerde der Schuldnerin (über deren Vermögen zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet worden war) nicht als unzulässig abgewiesen hatte; im Übrigen wurde die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

1. Durch die Insolvenz der Schuldnerin sei das Verfahren nicht nach § 240 ZPO unterbrochen worden. Wenn die Beschlagnahme (wie hier) bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geworden sei, würde sie gem. § 80 Abs. 2 InsO von der Insolvenz nicht betroffen. Allerdings sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger des Insolvenzschuldners Verfahrensbeteiligter kraft Amtes. Das zulässige Rechtsmittel des Schuldners, eingelegt vor der Insolvenzeröffnung, bleibe zwar wirksam, doch an seien Stele trete der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes. Dies habe das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt.

2. Der Beschwerde des Gläubigers habe das Landgericht zutreffend stattgegeben. Führe der Zwangsverwalter einen auf dem beschlagnahmten Grundstück befindlichen Gewerbebetrieb fort, bemesse sich seine Vergütung nach Zeitaufwand, § 19 Abs. 1 ZwVwV. § 18 Abs. 1 ZwVwV fände nur bei Nutzung des Grundstücks durch Vermieten und Verpachten Anwendung, nicht bei der Fortführung eines Gewerbebetriebs.

Da der Zwangsverwalter hier nicht vermietete oder verpachtete käme von vornherein im Rahmen des Weiterbetriebs des Biomassekraftwerkes allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 18 Abs. 1 ZwVwV in Betracht. Allerdings lägen die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vor, da keine planwidrige Regelungslücke bestünde. § 19 ZwVwV würde zeigen, dass der Verordnungsgeber für den Fall des Nichtgreifens der Regelung des § 18 ZwVwV eine Regelung geschaffen habe. Danach sei eine Vergütung nach Zeitaufwand vorzunehmen, wobei unterschiedliche Stundensätze heranzuziehen seien. Fallen Einnahmen aus Vergütung und Verpachtung nicht an, käme es auf solche nicht an.

Auch habe der Verordnungsgeber nicht übersehen, dass es nicht nur Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung geben könne, sondern auch durch sonstige Verwertungsmaßnahmen.  

§ 5 Abs. 1 ZwVwV sehe vor, dass die Art der Nutzung zum Zeitpunkt der Anordnung der Zwangsverwaltung beibehalte werden soll, was durch § 5 Abs. 2 ZwVwV belegt würde, wonach die „Nutzung“ grundsätzlich durch Vermietung/Verpachtung erfolgt, dies aber nicht zwingend sei. Handele es sich z.B. bei dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstück um eine Ton-, Sand- oder Kiesgrube, sei stets anerkannt, dass der Zwangsverwalter die Rohstoffe ausbeuten und verkaufen könne (OLG Hamm, Beschluss vom 28.09.1994 - 15 W 369/93 -). Hier sei anerkannt, dass sich die Vergütung des Zwangsverwalters nach § 19 ZwVwV und damit nach Stundensätzen richte. Entsprechendes gelte auch bei landwirtschaftlicher Zwangsverwaltung, wenn der Zwangsverwalter (bei Abweichung von § 150b ZVG, wonach der Schuldner zum Verwalter bestellt wird) im Wege der Eigenbewirtschaftung die Ernte einbringe und verkaufe. Es könne nicht angenommen werden, dass dem Verordnungsgeberdiese Praxis üblicher Berechnung bei Erlass der Verordnung unbekannt war, was bedeute, dass die Entscheidung in § 18 ZwVwV bewusst auf Vermietung und Verpachtung beschränkt wurde.  

Eine Regelungslücke ergäbe sich auch nicht im Hinblick auf Insolvenzrechtliche Vergütungsordnung (InsVV). Zwar sei der Zwangsverwalter in seiner Rechtsstellung im Grundsatz einem Insolvenzverwalter vergleichbar (BGH, Urteil vom 05.02.2009 - IX ZR 21/07 -). Dies gelte auch bei einer Betriebsfortführung. Allerdings habe der Verordnungsgeber die Vergütung des Zwangsverwalters anders als jene des Insolvenzverwalters geregelt und gerade nicht an einen bestimmten Prozentsatz einer der Verwaltung unterliegenden Vermögensmasse angeknüpft (so § 2 InsVV), sondern nach §§ 18, 19 ZwVfV danach unterschieden, ob die Zwangsverwaltung durch Vermietung/Verpachtung erfolgt (dann seien die Bruttomieten entscheidend) oder in sonstiger Weise (dann wäre auf Zeitaufwand/Stundensatz abzustellen). Folgerichtig würde es damit an einer Regelung zu einer Berechnungsgrundlage entsprechend § 1 InsVV für eine nach an der Vermögensmasse orientierten Vergütung fehlen.

Die Entscheidung des Verordnungsgebers sei zu respektieren und könne nicht durch eine Analogiebildung abgeändert werden. Da mithin eine Abrechnung gemäß § 18 ZwVwV ausscheide und eine Entscheidungsreife nicht vorläge, habe das Landgericht ermessensfehlerfrei die amtsgerichtliche Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht aufgehoben.

BGH, Beschluss vom 11.01.2023 - V ZB 23/22 -

Freitag, 24. August 2018

Schadensersatzpflicht des Zwangsverwalters (hier: Verweigerung der Herausgabe von Mietverträgen an Ersteher)


Die Klägerin, die eine in der Zwangsvollstreckung befindliche Immobilie ersteigerte, machte gegen die vormalige Zwangsverwalterin Schadensersatzansprüche für entgangenen Mietzins mit der Begründung geltend, Mieter seien von dieser ihr gegenüber unrichtig benannt worden. Das Landgericht wies die Klage ab, wobei es dahinstehen ließ, ob der Klägerin dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zustünde, da sie jedenfalls für einen Schaden beweisfällig geblieben sei.  Demgegenüber sah das OLG im Rahmen der von der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten Berufung einen Haftungsgrund  der beklagten Zwangsverwalterin als gegeben an.  Ein solcher Anspruch sei aus §§ 280 Abs. 1 BGB, 154 ZVG begründet.

§ 154 ZVG begründe ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem heraus die beklagte Zwangsverwalterin  zur vollständigen Übergabe aller im Rahmen der Zwangsverwaltung erhaltenen Objektunterlagen an die Klägerin als Ersteherin im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens verpflichtet sei. Im Rahmen dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses seien die allgemeinen Regeln der §§ 276, 249 BGB anwendbar (OLG Naumburg, Urteil vom 28.02.2012 - 12 U 30/11 -).

Zu den Verfahrensbeteiligten nach § 154 S. 1 ZVG würden über die formell am Zwangsveraltungsverfahren hinaus Beteiligten nach § 9 ZVG auch jene Personen zählen, denen gegenüber das Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) spezifische Pflichten auferlege (BGH, Urteil vom 13.10.2011 - IX 188/10 -). Ab dem Zuschlag würde dazu auch der Erwerber zählen (BGH, Urteil vom 11.10.2007 – IX ZR 156/06 -). Dieser trete mit dem Zuschlag in Bezug auf das Grundstück in die Rechtsstellung des Schuldners ein, auch wenn er das Eigentum originär und nicht als Rechtsnachfolger des Schuldners erwerbe. Da damit der Zwangsverwalter ab dem Zeitpunkt des Zuschlags, solange die Zwangsverwaltung fortdauere, nicht mehr Pflichten gegenüber dem Schuldner sondern dem Erwerber zu erfüllen habe, mit dem keine vertraglichen Beziehungen bestünden, wäre er nicht haftungsfrei sein, sondern würde nach den Grundsätzen der unerlaubten Handlung haften (BGH vom 11.10.2007 aaO.). Der Zuschlagsbeschluss liege zeitlich vor dem Beschluss über die Aufhebung der Zwangsverwaltung, da der Zuschlagsbeschluss Voraussetzung für die Aufhebung der Zwangsverwaltung sei, was für die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses ausreichend sei.

Die Pflichten des Zwangsverwalters nach § 154 S. 1 ZVG würden auch nicht insgesamt mit der Zustellung des Aufhebungsbeschlusses enden. Er bliebe über diesen Zeitpunkt hinaus zur Abwicklung der Zwangsverwaltung verpflichtet. Damit habe er nach rechtskräftigen Zuschlagsbeschluss und Aufhebung der Zwangsvollstreckung das Grundstück und die mitbeschlagnahmten Gegenstände sowie die nach Zuschlagserteilung gezogenen Nutzungen an den Ersteher herauszugeben (BGH vom 11.10.2007 aaO.).  Diese Pflicht folge aus der entsprechenden Anwendung des § 667 BGB, wonach der Beauftragte verpflichtet sei, dem Auftraggeber alles, was er zur Auftragserfüllung erhalten und aus der Geschäftsbesorgung erlangt habe, herauszugeben, wozu auch Mietverträge und Zusatzvereinbarungen dazu zählen würden. Diese Urkunden habe der Zwangsverwalter zur Wahrung seiner Pflichten nach § 152 S. 1 ZVG, das Grundstück in seinem Bestand zu erhalten und zu benutzen, erlangt. Da der Ersteher originär als Vermieter in bestehende Mietverträge eintrete, entspräche die Herausgabepflicht der durch den Zuschlagsbeschluss entstehenden Interessenslage. Er würde diese Unterlagen (sowie Versicherungsunterlagen, Bauunterlagen) nicht für eine von ihm vorzunehmende Rechnungslegung nach § 154 S. 2 ZVG benötigen.

Anders verhalte es sich lediglich mit Belegen und Unterlagen, die für eine Betriebskostenabrechnung benötigt würden (diesbezüglich zur verneinenden Herausgabepflicht OLG Dresden, Urteil vom 23.11.2011 - 13 U 1137/11 -). Diese würde der Zwangsverwalter nach dem Zuschlag für die von ihm nach § 154 S. 2 ZVG vorzunehmende Rechnungslegung benötigen. Das begründe für den Ersteher keinen Nachteil, da das Gericht nach Prüfung dem Ersteher Kopien vorlegen oder die Einsichtnahme in die Akten ermöglichen müsse (Böttcher-Keller, ZVG, 6. Aufl. § 154 Rn. 11), wodurch dem Ersteher die notwendigen Kenntnisse verschafft würden.

Durch die Pflichtverletzung sei der Klägerin ein Schaden entstanden, da sie in den Monaten Januar und Februar nur einen Mietzins von € 7,30/qm statt von € 11,00/qm erzielt habe. Die Differenz von € 3,70/qm stelle sich als Schaden nach §§ 249 Abs. 1, 252 BGB dar.

OLG Braunschweig, Urteil vom 11.05.2018 - 9 U 18/17 -