Der klagende Rechtsanwalt hatte
seinen Kanzleisitz in Österreich und vertrat 2013 u.a. den in Deutschland wohnhaften Beklagten in einem
Zivilprozess vor dem Bezirksgericht Hallein in Österreich. Sein Honorar machte
er in Österreich gegen den Beklagten gerichtlich geltend. Die von ihm vor dem
Bezirksgericht Hallstein erhobene Klage wurde von diesem an das Bezirksgericht
Salzburg verwiesen, welches sie am 27.02.2015 mangels internationaler Zuständigkeit
abwies. Hiergegen legte der Kläger Rekurs (Berufung) zum Landgericht Salzburg ein.
Dieses stellte nunmehr mit rechtskräftigem Beschluss vom 20.08.2015 die internationale
Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg fest und verwies das Verfahren an
dieses zurück, wo sich die Parteien am 06.10.2015 verglichen.
Im März 2015 hatte der Kläger
allerdings auch bereits seine Forderung vor dem AG Groß-Gerau in Deutschland
geltend gemacht. Dieses hatte das Verfahren bis zur Entscheidung der
österreichischen Gerichte über ihre Zuständigkeit ausgesetzt, und, nachdem das
Verfahren in Österreich beendet war, nach Hauptsacheerledigungserklärung des
Klägers, dem sich der Beklagte nicht anschloss, die Klage kostenpflichtig für
den Kläger abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers stellte das LG Darmstadt die
Erledigung der Hauptsache fest und erlegte dem Beklagten die Kosten des Verfahrens
auf. Auf die zugelassene Revision stellte der BGH das erstinstanzliche Urteil
wieder her.
Der BGH führt aus, die
Rechtshängigkeit einer Streitsache vor einem Gericht habe in Deutschland die
zivilprozessuale Wirkung, dass während der Dauer dieser Rechtshängigkeit die
Streitsache bei keinem anderen Gericht geltend gemacht werden dürfe, § 261 Abs.
3 Nr. 1 ZPO. So würde verhindert, dass sich mehrere Gericht mit derselben Sache
beschäftigen müssten und (insbesondere) dass widerstreitende Urteile ergehen
würden. Die fehlende weitere Rechtshängigkeit sei daher eine negative Prozessvoraussetzung,
die von Amts wegen zu beachten sei. Deshalb sei eine spätere Klage während der
anderweitigen Rechtshängigkeit von Anfang an unzulässig.
Allerdings regele § 261 Abs. 3
Nr. 1 ZPO nur die doppelte Rechtshängigkeit vor einem deutschen Gericht.
Allerdings sei in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass die
Rechtshängigkeit vor einem ausländischen Gericht der Rechtshängigkeit vor einem
deutschen Gericht gleich komme, wenn das ausländische Urteil anzuerkennen sein
würde.
Zudem sei die vor einem deutschen
Gericht erhobene Klage nicht „zunächst“ zulässig. Art. 29 Abs. 1 und 3 EuGVVO
sehe vor, dass das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen
aussetzt, bis die Zuständigkeit des zunächst angerufenen Gerichts fest stünde. Sobald
dies fest stünde, habe sich das später angerufene Gericht zugunsten des zunächst
angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären; die doppelte Rechtshängigkeit
würde mithin wie im deutschen Zivilprozessrecht auch im Verhältnis zwischen Gerichten
verschiedener Staaten der Europäischen Union einer Sachentscheidung
entgegenstehen. Die Regelung der EuGVVO habe Vorrang vor dme nationalen
Prozessrecht, reiche aber über dessen Regelungen nicht hinaus. Mit der danach
gebundenen Entscheidung, bei Feststellung der internationalen Zuständigkeit des
ausländischen Gerichts, seine eigene Unzuständigkeit zu erklären, sei nichts
über die prozessuale Erledigung nach nationalen Recht und die Kosten ausgesagt.
Schon zu den früheren Regelungen in Art. 21 EuGVÜ und Art. 27 EuGVVO a.F. habe
der BGH entschieden, dass in diesen Fällen entsprechend § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO,
wonach die Klage als von Anbeginn an als unzulässig anzusehen sei zu verfahren
sei und mithin die Kosten dem Kläger aufzuerlegen seien.
Damit könnten die Kosten auch nicht
über eine Erledigungserklärung auf die beklagte Partei abgewälzt werden. Selbst würde man der vom LG Darmstadt
vertretenen Rechtsansicht folgen, Art. 29 EuGVVO regele auch den Zeitpunkt, ab
dem die später anhängig gemachte Klage unzulässig sei, würde die Rechtsansicht
des Landgerichts nicht zutreffen, dass die spätere Klage bis zum Zeitpunkt der
Zuständigkeit durch das ausländische Gericht zulässig sei. Dies könne nicht
daraus abgeleitet werden, dass Art. 29 EuGVVO eine Aussetzung des späteren
Verfahrens vorsähe. Die zwingende Aussetzung sei nach Art. 8 des Übereinkommens
über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik 1989
aufgenommen worden, da eine mögliche Klageabweisung wegen Unzulässigkeit
infolge doppelter Rechtshängigkeit als zu einschneidend angesehen wurde, da
diese evtl. wegen drohender Verjährung erfolgt sei und bei Abweisung im
ausländischen Staat wegen fehlender Zuständigkeit zu einem Rechtsverlust führen
würde. Die Aussetzung besagt also nicht, daß die Klage vorläufig zulässig ist,
sondern hindert nur eine Entscheidung über die Zulässigkeit, die bei Abweisung
im Ausland wegen Unzulässigkeit nicht mehr bestehen würde.
BGH, Urteil vom 22.02.2018 - IX ZR 83/17 -
Aus den Gründen:
Tenor
- Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 10. März 2017 aufgehoben.
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Groß-Gerau vom 3. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
- Von Rechts wegen
Tatbestand
- Der Kläger ist Rechtsanwalt mit Niederlassung in Salzburg, Österreich. Er vertrat im Jahr 2013 den Beklagten sowie dessen ebenfalls in Deutschland wohnhafte Geschwister in einem Zivilprozess vor dem Bezirksgericht Hallein in Österreich. Das für seine Tätigkeit angefallene Honorar in Höhe von 3.447,54 € machte der Kläger nebst weiteren Kosten gegen den Beklagten und dessen Geschwister als Auftraggeber in Österreich gerichtlich geltend. Seine im Juli 2014 beim Bezirksgericht Hallein erhobene, auf Zahlung von insgesamt 3.965,18 € gerichtete Klage wurde an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen und dort mangels internationaler Zuständigkeit mit Beschluss vom 27. Februar 2015 abgewiesen. Der Kläger legte hiergegen Rekurs zum Landesgericht Salzburg ein. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. August 2015 stellte dieses die internationale Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg fest und verwies das Verfahren im Übrigen an das Bezirksgericht zurück, wo sich die Parteien am 6. Oktober 2015 in Höhe der Klageforderung verglichen.
- Im März 2015 hat der Kläger sein Honorar auch vor deutschen Gerichten geltend gemacht, gegen den Beklagten beim Amtsgericht Groß-Gerau. Dieses hat mit Beschluss vom 30. Juli 2015 das Verfahren bis zur Entscheidung der österreichischen Gerichte über ihre Zuständigkeit ausgesetzt. Nach dem Abschluss des Verfahrens in Österreich hat der Kläger den Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Groß-Gerau für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
- Das Amtsgericht hat die nunmehr auf Feststellung der Erledigung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts.
Entscheidungsgründe
- Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers.
- I.
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die ursprüngliche Zahlungsklage habe sich nach Rechtshängigkeit dadurch erledigt, dass sich die österreichischen Gerichte für international zuständig erklärt hätten, so dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gleichen Inhalts in Deutschland entfallen sei. Die Klage vor dem Amtsgericht Groß-Gerau sei bei Einreichung nicht unzulässig gewesen. Die Vorschrift des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO gelte nicht für den Fall von Klagen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Gemäß Art. 29 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. Nr. L 351/1, fortan "EuGVVO nF") sei das Verfahren bei dem später angerufenen Gericht auszusetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststehe. Solange dieses nicht über seine internationale Zuständigkeit entschieden habe, sei die Klage vor dem später angerufenen Gericht schwebend zulässig. Art. 29 EuGVVO nF wolle es gerade ermöglichen, dass bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen mit demselben Streitgegenstand anhängig gemacht werden. Diesem Regelungszweck liefe es zuwider, müsste ein Kläger, wenn sich das von ihm berechtigterweise zuerst angerufene Gericht tatsächlich für zuständig erklärt, die Kosten des zweiten Verfahrens tragen.
- II.
- Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht eine Erledigung der Hauptsache festgestellt.
- 1. Wenn ein Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, der Beklagte dem aber widerspricht und Klageabweisung beantragt, hat das Gericht durch Urteil zu entscheiden, ob Erledigung eingetreten ist oder nicht (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1984 - VII ZR 64/84, NJW 1986, 588 f). Die Hauptsache ist erledigt, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch das behauptete Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 268/02, BGHZ 155, 392, 395; vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09, BGHZ 184, 128 Rn. 18; jeweils mwN). Das Gericht muss die Klage abweisen, wenn eine der beiden Voraussetzungen nicht vorlag (BGH, Urteil vom 17. April 1984 - IX ZR 153/83, BGHZ 91, 126, 127).
- 2. Von diesem Maßstab ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die vor dem Amtsgericht erhobene Zahlungsklage bis zu der als maßgeblich angesehenen Entscheidung des Landesgerichts Salzburg über die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte schwebend zulässig gewesen und erst infolge dieser Entscheidung unzulässig geworden sei. Die vor dem Amtsgericht erhobene Klage war von Anfang an unzulässig, weil der Kläger wegen desselben Anspruchs gegen den Beklagten bereits vor einem international zuständigen Gericht in Österreich einen Rechtsstreit führte, der bis zu dessen vergleichsweiser Beendigung rechtshängig blieb.
- a) Die Rechtshängigkeit der Streitsache hat nach deutschem Zivilprozessrecht die Wirkung, dass während der Dauer der Rechtshängigkeit die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Dadurch soll verhindert werden, dass der Beklagte und die Gerichte sich in mehreren Verfahren mit derselben Sache befassen müssen und dass einander widersprechende Urteile ergehen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1952 - IV ZR 106/51, BGHZ 4, 314, 322; vom 17. Mai 2001 - IX ZR 256/99, NJW 2001, 3713; vom 7. März 2002 - III ZR 73/01, NJW 2002, 1503 unter II. 1.). Das deutsche Prozessrecht behandelt die anderweitige Rechtshängigkeit als negative Prozessvoraussetzung, die von Amts wegen zu beachten ist (st. Rspr., grundlegend RGZ 160, 338, 344 f; BGH, Urteil vom 15. Januar 1985 - X ZR 16/83, WM 1985, 673; vom 28. Mai 2008 - XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 Rn. 19; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 261 Rn. 5 und 42). Eine später gegen dieselbe Partei über denselben Streitgegenstand erhobene Klage ist während der Dauer der anderweitigen Rechtshängigkeit von Anfang an unzulässig (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13, WM 2015, 69 Rn. 15; BAG, NZA 2015, 124 Rn. 34; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, aaO § 261 Rn. 42).
- b) § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO regelt unmittelbar nur die Wirkungen der Rechtshängigkeit einer Streitsache vor einem deutschen Gericht. Die Rechtshängigkeit der Streitsache vor einem ausländischen Gericht steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Rechtshängigkeit vor einem inländischen Gericht aber gleich, wenn das ausländische Urteil hier anzuerkennen sein wird (vgl. etwa BGH, Urteil vom 18. März 1987 - IVb ZR 24/86, WM 1987, 826; vom 12. Februar 1992 - XII ZR 25/91, FamRZ 1992, 1058, 1059; vom 24. Oktober 2000 - XI ZR 300/99, NJW 2001, 524, 525; vom 28. Mai 2008, aaO Rn. 17). Sie steht unter dieser Voraussetzung einer nachfolgenden Klage in gleicher Weise von Anfang an entgegen, wie gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die anderweitige Rechtshängigkeit der Streitsache in Deutschland.
- c) Aus Art. 29 EuGVVO nF ergibt sich nicht, dass die in Deutschland erhobene Klage abweichend von den vorstehenden Grundsätzen zunächst zulässig war.
- aa) Für den hier gegebenen Fall der doppelten Rechtshängigkeit einer Streitsache bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestimmt Art. 29 Abs. 1 und 3 EuGVVO nF, dass das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen auszusetzen hat, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht; sobald dies der Fall ist, hat sich das später angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären. Die doppelte Rechtshängigkeit ein und desselben Streitgegenstandes ist danach wie im deutschen Zivilprozessrecht auch im Verhältnis zwischen den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union beachtlich und steht einer Sachentscheidung des später angerufenen Gerichts entgegen. Im Interesse einer geordneten und abgestimmten Rechtspflege innerhalb der Gemeinschaft sollen so weit wie möglich Parallelverfahren und widersprüchliche Entscheidungen in verschiedenen Mitgliedstaaten verhindert werden (für Art. 21 des Übereinkommens von Brüssel von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - ABl. EG 1972 Nr. L 299 S. 32, EuGVÜ - Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59 S. 1, 41; vgl. auch Erwägungsgrund 21 der EuGVVO nF), die sich daraus ergeben können, dass einem Kläger in den Zuständigkeitsbestimmungen die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen in verschiedenen Mitgliedstaaten ermöglicht wird (für das EuGVÜ Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozess, 1996, S. 33; für Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 - EuGVVO aF - Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 27 Rn. 1; für Art. 29 EuGVVO nF Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl., Art. 29 Brüssel Ia-VO Rn. 9).
- bb) Die Regelung der Verordnung hat Vorrang vor dem Prozessrecht der einzelnen Mitgliedstaaten (Simons in Simons/Hausmann, Brüssel I-Verordnung, 2012, vor Artt. 27-30 Rn. 15; Rauscher/Staudinger, aaO, Einl. Brüssel Ia-VO Rn. 27 ff; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 261 Rn. 49, 53; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 261 Rn. 73; zu Art. 21 EuGVÜ OLGR Stuttgart 2001, 288, 289). Der Vorrang gilt jedoch nur insoweit, als die Regelung der Verordnung reicht. Art. 29 EuGVVO nF bestimmt die Rechtsfolge der doppelten Rechtshängigkeit dahin, dass sich das später angerufene Gericht, sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, für unzuständig zu erklären hat. In welcher Weise und auf wessen Kosten der später begonnene Rechtsstreit prozessual beendet wird, überlässt die Regelung dem nationalen Recht (vgl. Dohm, aaO S. 190). Die deutsche Rechtsprechung hat schon zu den früheren Bestimmungen in Art. 21 EuGVÜ und Art. 27 EuGVVO aF entschieden, dass die Klage bei dem später angerufenen Gericht als unzulässig abzuweisen ist (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1985, NJW 1986, 662; vom 8. Februar 1995 - VIII ZR 14/94, NJW 1995, 1758, 1759; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 - VI ZR 45/12, BGHZ 196, 180 Rn. 11). Dies entspricht der Rechtslage nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Die durch die anderweitige Rechtshängigkeit bewirkte Unzulässigkeit der späteren Klage besteht von Anfang an. Deswegen ist dem Kläger auch der Weg versperrt, die Kosten über eine Erledigungserklärung auf den Beklagten abzuwälzen.
- d) Selbst unter der Annahme, Art. 29 EuGVVO nF regle auch den Zeitpunkt, ab dem die Klage beim später angerufenen Gericht unzulässig ist, träfe die Ansicht des Berufungsgerichts, die spätere Klage sei bis zur Feststellung der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts zulässig, nicht zu. Eine solche vorübergehende Zulässigkeit der später erhobenen Klage kann nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass Art. 29 Abs. 1 EuGVVO nF eine Aussetzung des Verfahrens vorschreibt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Das Aussetzungsgebot betrifft ausschließlich das vom Zweitgericht einzuhaltende Verfahren.
- aa) Nach der ursprünglichen Regelung in Art. 21 EuGVÜ hatte sich, wenn bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht wurden, das später angerufene Gericht von Amts wegen zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären. Falls die Unzuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geltend gemacht wurde, konnte das Gericht, das sich für unzuständig zu erklären hätte, die Entscheidung aussetzen. Diese Regelung brachte zum Ausdruck, dass eine zweite Klage unzulässig war, wenn in einem anderen Vertragsstaat bereits eine Klage über denselben Anspruch vor einem international zuständigen Gericht anhängig war. Durch Art. 8 des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik von 1989 (ABl. EG 1989 Nr. L 285, S. 1) wurde die Regelung dahin geändert, dass die bisher fakultative Aussetzung obligatorisch wurde. Eine sofortige Prozessabweisung durch das Zweitgericht wurde in den Fällen als zu radikal angesehen, in denen die Erhebung der zweiten identischen Klage zur Fristwahrung oder Verjährungsunterbrechung erfolgte (vgl. hierzu für das Lugano-Übereinkommen Jenard/Möller, ABl. EG 1990 Nr. C 189 S. 57, 78 Nr. 64; übernommen für das EuGVÜ nF, vgl. Cruz/Real/Jenard-Bericht zum Beitrittsübereinkommen 1989, ABl. EG 1990 Nr. C 189 S. 35, 48 Nr. 28). Der Ausgangspunkt, dass die zweite Klage angesichts der bereits bei einem anderen, international zuständigen Gericht anhängigen Klage unzulässig ist, änderte sich dadurch nicht. Es sollte lediglich vermieden werden, dass nach sofortiger Abweisung der zweiten Klage ein neues Verfahren eingeleitet werden musste, sofern sich später die Unzuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts herausstellte (vgl. Bäumer, Die ausländische Rechtshängigkeit und ihre Auswirkungen auf das internationale Zivilverfahrensrecht, 1999, S. 192).
- bb) Die Regelung in Art. 29 Abs. 1 und 3 EuGVVO nF entspricht, wie schon die Vorgängerregelung in Art. 27 EuGVVO aF, im Wesentlichen derjenigen in Art. 21 EuGVÜ nF. Auch sie schiebt lediglich die Befugnis des Zweitgerichts, sich im Hinblick auf die doppelte Rechtshängigkeit für unzuständig zu erklären, zeitlich hinaus (vgl. Stein/Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn. 58; Nieroba, Die europäische Rechtshängigkeit nach der EuGVVO an der Schnittstelle zum nationalen Zivilprozessrecht, 2006, S. 156). Das Zweitgericht hat die Entscheidung des Erstgerichts zur internationalen Zuständigkeit abzuwarten und im Verfahren bis dahin innezuhalten. Hierdurch sollen negative Kompetenzkonflikte vermieden werden, die im Falle einer sofortigen Abweisung der zweiten Klage wegen der anderweitigen Rechtshängigkeit drohten, wenn sich das erste Verfahren letztlich doch mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig erweist (für Art. 21 Abs. 2 EuGVÜ aF Jenard-Bericht, aaO, S. 41; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 4. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn. 21). Die Parteien sollen in einem solchen Fall nicht mit ihrem Prozess von neuem beginnen müssen (für Art. 21 Abs. 2 EuGVÜ aF Jenard-Bericht, aaO; für die EuGVVO nF Rauscher/Leible, aaO, Art. 29 Brüssel Ia-VO Rn. 38; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., Art. 29 EuGVVO Rn. 1). Damit ist den Interessen des Klägers im Rahmen des von Art. 29 EuGVVO nF verfolgten Regelungszwecks hinreichend Rechnung getragen. Eine weitergehende Bevorzugung seiner Interessen gebietet Art. 29 EuGVVO nF nicht. Insbesondere bezweckt die Bestimmung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, dass ein Kläger gegen ein und denselben Beklagten wegen desselben Streitgegenstandes bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten ohne Kostenrisiko gerichtlich vorgehen kann. Art. 29 EuGVVO nF dient auch dem Schutz des Beklagten vor der Gefahr, sich einer doppelten Verurteilung und entsprechenden Kostenfolgen ausgesetzt zu sehen (zu Art. 21 EuGVÜ BGH, Beschluss vom 28. November 1985 - III ZR 3/85, RIW 1986, 217 f).
- 3. Der Senat erachtet ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union im Streitfall nicht für erforderlich. Der Regelungsumfang des Art. 29 EuGVVO nF ist angesichts der Gesetzgebungsmaterialien derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt. Der Senat ist davon überzeugt, dass diese Gewissheit auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Cilfit, Slg. 1982, 3415 Rn. 16). Das Verfahren der Aussetzung und die prozessualen Folgen der Unzuständigkeit des später angerufenen Gerichts richten sich hingegen nach nationalem Recht.
- III.
- Das Urteil des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechts-verletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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