Die Klägerin, ein österreichisches
Unternehmen, schloss mit einem in Deutschland ansässigen Unternehmen (Beklagte)
einen Softwarevertrag. Die Klägerin entwickelte Software und die Parteien
schlossen einen Vertrag über die Entwicklung und den Betrieb dieser Software in
Deutschland. Es entstand Streit darüber, ob die Software allen rechtlichen
Vorgaben entspricht. Die Klägerin klagte ihre Vergütung in Österreich ein; die
Parteien hatten keinen Erfüllungsort und auch keinen Gerichtsstand vereinbart. Das
Erstgericht verneinte die internationale Zuständigkeit, da der Erfüllungsort am
Sitz des deutschen Unternehmens läge. Das Rekursgericht folget dem. Im
Revisionsverfahren fragte sich der Oberste Gerichtshof (Österreich), ob für die
Bestimmung des Erfüllungsortes bei Distanzdienstleistungen der Ort maßgeblich
ist, an dem der Dienstleistungserbringer schöpferisch tätig ist, oder der Ort,
an dem dies erbracht wurde bzw. wo sie den Gläubiger derselben erreiche.
Grundlagen des sogen. Vorabentscheidungsverfahrens
zur Frage des örtlich und in der EU zuständigen Gerichts war die Verordnung (EU)
Nr. 1215/2012, wonach sich die Zuständigkeit grundsätzlich der Wohnsitz des Beklagten
richten soll (Erwägungsründe 15 und 16 der Verordnung). Art. 7
der VO sehe vor, dass eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedsstaates habe, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden könne,
u.a. (Z.1b) 2. Spiegelstrich) für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort
in einem Mitgliedsstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder
nach dem Vertrag hätten geliefert werden sollen.
Das vorlegende Gericht würde mit seiner
Frage wissen wollen, ob Art. 7 Nr. 1 b) 2. Spiegelstrich dahin auszulegen sei,
dass Erfüllungsort bei einem Vertrag über die Entwicklung und den anschließenden
Betrieb einer Software, die nach den Bedürfnissen des Bestellers ausgerichtet
sei, der in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig sei als das für die Schöpfung,
Erstellung und Programmierung zuständige Unternehmen, der Ort sei, an dem die
Schöpfung pp. stattgefunden habe oder der Ort, an dem die Software dem Besteller
erreiche, von diesem also abgerufen und eingesetzt werden könne.
Die Verordnung bezwecke, so der
EuGH, die Vorschriften in Zivil- und Handelssachen durch Zuständigkeitsvorschriften
zu vereinheitlichen. Es soll ohne weiteres für in der EU ansässige Personen
möglich sein, festzustellen, welches Gericht sie anrufen könne, wie auch ein
potentieller Beklagter feststellen könne, vor welchem Gericht er verklagt
werden könne. Die in Art. 7 Nr. 1 enthaltende Regel eines Gerichtsstandes für
Streitigkeiten zu einem Vertrag oder Ansprüchen aus einem solchen entspräche
dem Ziel der räumlichen Nähe und habe ihren Grund in der engen Verknüpfung zwischen
dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht.
In Art. 7 Nr. 1 b) 2.
Spiegelstrich würde das Anknüpfungskriterium für den Gerichtsstand autonom der
Ort in einem Mitgliedsland angesehen, an dem die Dienstleitung erbracht werden
soll oder würde, weshalb dieses autonome Anknüpfungskriterium für sämtliche Klagen
aus ein und demselben Vertrag für Dienstleistungen anwendbar sei. Es käme damit
darauf an, an welchem Ort die hauptsächliche Leistungserbringung nach dem
Vertrag, mangels einer dortigen Bestimmung aus dessen tatsächliche Erfüllung,
erfolge. Bei einer Mehrzahl von vertraglichen Verpflichtungen sei die
charakteristische Verpflichtung zu bestimmen.
Die Erstellung und Programmierung
einer Software sei keine charakteristische Verpflichtung eines solchen
Vertrages über die Lieferung von Software (wie hier), da die vertragsgegenständliche
Dienstleistung dem betreffenden Besteller nicht tatsächlich erbracht würde, solange
diese nicht einsatzbereit sei. Die Dienstleistung würde erst erbracht, wenn sie
einsatzbereit und ihre Qualität geprüft werden könne. Da die charakteristische
Verpflichtung eines Vertrages über die Online-Lieferung von Software wie im
Ausgangsverfahren darin bestünde, diese dem Besteller zur Verfügung zu stellen,
sei Erfüllungsort der Ort, an dem die Software dem Besteller erreichte, d.h.
der Ort, an dem sie von ihm abgerufen und zum Einsatz gebracht würde. Würde die
Software an verschiedenen Orten zum Einsatz gebracht, befände sich dieser Ort
am Wohn- bzw. Geschäftssitz des Bestellers, da es sich für Kläger und Beklagten
um einen feststehenden und feststellbaren Ort handele, der geeignet sei, die
Beweiserhebung und Geltung des Prozesses zu vereinfachen.
Nicht entscheidend sei, dass –
wie die Beklagte geltend mache – die Vorgaben, an die sich die Klägerin hätte
halte müssen, in den Rechtsvorschriften des Mitgliedslandes BRD zu sehen seien.
Zwar entspräche dieser Anknüpfungspunkt den in den Erwägungsgründen der VO genannten
Zielen der Vorhersehbarkeit und räumlichen Nähe. Da sich die Parteien aber
uneins über die Tragweite dieser Vorgaben seien, dies zur inhaltlichen Klärung
des zuständigen Gerichts gehöre, könne dies nicht berücksichtigt werden, da die
Bestimmung des Erfüllungsortes nicht von Kriterien abhängen dürfe, die Teil der
inhaltlichen Prüfung der Klage seien.
EuGH, Urteil vom 28.11.2024
- C-526/23 -