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Mittwoch, 5. Februar 2025

Überholer stößt mit zu schnell fahrenden Gegenverkehr zusammen

Nach der Überzeugung des Senats, die er in seinem Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO näher darlegte, war die vom Kläger gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Berufung in der Sache unbegründet. Er habe mit seinem Pkw einen in seiner Fahrtrichtung fahrenden Lkw beschleunigend von 88 auf 96 km/h überholt und sei dabei mit einem entgegenkommenden Pkw, der die hier zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 lit. c) StVO um 12 km/h überschritten habe, kollidiert. Dieser Unfall sei für die beklagte entgegenkommende Fahrerin (Beklagte zu 2) unabwendbar gewesen, § 17 Abs. 3 StVG, unabhängig von der Geschwindigkeitsüberschreitung um 12 km/h. Aber auch im Übrigen hätte der Kläger einen kausalen schuldhaften Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 2 nicht bewiesen und träte hier die Betriebsgefahr von deren Pkw vollständig hinter dem schuldhaften Verkehrsverstoß des Klägers und der von seinem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr zurück.

So damit, ob eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht alleine deshalb der Fahrerin des entgegenkommenden Fahrzeugs zugerechnet werden könne, da das Fahrzeug bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit erst später an die Unfallstelle gelangt wäre. Das verneinte er mit Hinweis darauf, dass erforderlich sei, dass sich in dem Unfall eine auf das zu schnelle Fahren zurückzuführende Gefahrenlage aktualisiere. Damit sei der erforderliche rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfall zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall zwar nicht räumlich, aber zeitlich vermeidbar gewesen wäre. Das wäre der Fall, gelänge dem Fahrer bei einer verkehrsordnungsgemäßen Fahrweise zwar nicht das Anhalten des Fahrzeugs vor der späteren Unfallstelle, aber hätte er zumindest den Wagen so stark abbremsen können, dass dem Verletzten Zeit zum rechtzeitigen Verlassen des Gefahrenbereichs verblieben wäre. Das aber würde auch gelten, wenn es dabei nur zu einer deutlichen Abmilderung des Unfallverlaufs und der erlittenen Verletzungen käme (BGH, Urteil vom 06.09.2017 – 7 U 18/27 -).

Hierzu setzte sich der Senat mit der kritischen Verkehrslage auseinander. Diese beginne mit dem Zeitpunkt, wenn die erkennbare Situation konkreten Anhalt dafür biete, dass eine Gefahrensituation unmittelbar bevorstünde. Für einen vorfahrtsberechtigten Fahrzeugführer würde dies in Bezug auf seinen Vorrang nicht bei abstrakten Gefahren bestehen, sondern erst bei erkennbaren Umständen für eine  bevorstehende Vorfahrtverletzung, wofür es neben der Fahrweise des Wartepflichtigen auf alle Umstände ankäme, die sich auf seine Fahrweise auswirken könnten, also auch die Fahrweise des Wartepflichtigen selbst. Gäbe der Vorfahrtsberechtigte dem Wartepflichtigen durch einen Verkehrsverstoß Veranlassung die Wartepflicht (insbesondere wegen Fehleinschätzung des Verkehrslage) zu verletzen, so könne die kritische Verkehrslage bereits vor der eigentlichen Vorfahrtverletzung eintreten (BGH, Urteil vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15 -).

Daraus würde sich hier erschließen, dass die Unfall für die Beklagte zu 2 weder räumlich noch zeitlich vermeidbar war noch sich die Personen- und Sachschäden erheblich anders dargestellt hätten.

Die kritische Verkehrssituation habe sich für die Beklagte erst dargestellt, als die Beklagte zu 2das überholende Klägerfahrzeug erstmals gesehen habe.  Außer durch ein hochrisikoreiches und nicht zumutbares Ausweichen in den Straßengraben sei der Unfall weder räumlich noch zeitlich vermeidbar gewesen. Nach dem Gutachten wer die Beklagte zu 2 zwar bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit noch vor dem vorliegenden konkreten Unfallort zum Stehen gekommen, der Zusammenstoß hätte sich allerdings an einer „unerheblich anderen Stelle“, rund 8 m weiter nördlich in Fahrtrichtung des Klägers / gegen die Fahrtrichtung der Beklagten zu 2 mit einer zeitlichen Verzögerung von nur 0,3 Sekunden ereignet.  Der Unfall wäre damit weder zeitlich und örtlich zu vermeiden gewesen und zudem wäre der Kläger auch in diesem Fall mit dem überholten Lkw kollidiert, die Personen- und Sachschäden hätten sich auch nur unwesentlich anders dargestellt.

Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 05.08.2024 - I-7 U 57/24 -

Donnerstag, 9. Januar 2014

Wann liegt bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung Vorsatz vor und droht eine erhöhte Geldbuße ?

Bernd Kasper -  pixelio.de
Der Betroffene wurde bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h geblitzt, nachdem zuvor drei Schilder die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn mit 100 km/h angaben. Das Amtsgericht Soltau war hier nicht zimperlich: Da der Betroffene an drei die Geschwindigkeitsreduzierung anzeigenden Verkehrsschildern vorbeigefahren sei, müsse bei einer Überschreitung der Geschwindigkeit von Vorsatz ausgegangen werden. Jedenfalls aber läge Vorsatz im Sinne des dolus eventualis vor, wenn er die Schilder nicht gesehen haben sollte, da er dann Unaufmerksam gewesen wäre und damit die Überschreitung billigend in Kauf genommen hätte.


Häufig kann Vorsatz bei der Geschwindigkeitsüberschreitung angenommen werden auf der Grundlage der Einlassung des Betroffenen. Nämlich dann, wenn er den Versuch der Rechtfertigung unternimmt. Mit der Rechtfertigung ist das Bewusstsein der Kenntnis zu verbinden. Lässt sich der Betroffene aber nicht ein, fehlen in der Regel Anhaltspunkte. Diese glaubte nun das Amtsgericht an Umständen wie der Möglichkeit der Kenntnisnahme von Fahrgeräuschen annehmen zu dürfen. Es verhängte eine Geldbuße von € 180,00 statt der nach dem zum Urteilszeitpunkt geltenden Bußgeldkatalog von € 80,00.


Der Betroffene nahm dies nicht hin. Er beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde, dem das OLG Celle stattgab. Mit seinem Beschluss vom 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13 – ließ es die Rechtsbeschwerde zu und verwarf diese nur insoweit, als über den Regelsatz von € 80,00 eine erstinstanzliche Verurteilung erfolgte. Es wies darauf hin, dass Vorsatz nur angenommen werden könne, wenn Kenntnis der Geschwindigkeitsüberschreitung und kumulativ Kenntnis deren Überschreitung vorläge. Zwar könne mit dem Amtsgericht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene die Beschilderung zur Kenntnis genommen habe (insoweit verwies es auf die Entscheidungen BGHSt 43, 241, 251 und OLG Celle NZV 211, 618). Aber es könne entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht davon ausgegangen werden dass der Betroffene Kenntnis von der Überschreitung habe. Der in der Rechtsprechung geprägte Erfahrungssatz, dass die Fahrgeräusche und die sich schnell verändernde Umgebung den Rückschluss auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung zuließen, würden eine erhebliche Überschreitung verlangen, die nicht bei 25% sondern bei ca. 40% läge. Soweit niedrigere Überschreitungen bereits zum Vorsatzvorwurf führten (z.B. OLG Jena DAR 2008, 35) hätten weitere Umstände vorgelegen, die auf den Vorsatz einen Rückschluss zuließen. So käme es auf ein positiv festgestelltes Fahrverhalten vor der streitbefangenen Feststellung an, wie mehrere weitere festgestellte Geschwindigkeitsverstösse im engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang.

OLG Celle, Beschluss vom 28.10.2013 - 322 SsRs 280/13 -