Mittwoch, 12. Februar 2025

Räumungsurteil über Pachtsache mit oder ohne Sicherheitsleistung ?

Das Landgericht hatte einer Zahlungs- und Räumungsklage über ein Pachtobjekt stattgegeben und das Urteil gegen Sicherheitsleistung von € 150.425,00 für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Kläger beantragte, nachdem der Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, eine Vorabentscheidung über die Vollstreckbarkeit (§ 718 ZPO) mit dem Ziel, dass der Räumungsanspruch ohne Sicherheitsleistung vollstreckt werden kann.

Dem folgte das Berufungsgericht (OLG Rostock) nicht. Voraussetzung sei eine fehlerhafte Anwendung der §§ 708, 709 und 711 S. 1 ZPO.

Nach § 708 Nr. 7 ZPO könne die Entscheidung des Landgerichts nicht fehlerhaft sein, da danach lediglich ein Räumungsanspruch bei einem Mietverhältnis ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären sei. § 708 Nr. 7 ZPO sei (entsprechend § 23 Nr. 2a GVG) alleine auf Mietverhältnisse anwendbar und auch nicht analog auf Pachtverhältnisse anwendbar, wofür auch der Ausnahmecharakter der Regelung, der alleine die Eilbedürftigkeit bei Mietsachen im Auge habe, spreche (z.B. OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 24.08.2008 - I-24 U 74/08 -). Der vom OLG Celle mit Teilurteil vom 16.05.2023 - 2 U 37/23 – entgegengesetzten Ansicht könne nicht gefolgt werden, in der unter Hinweis auf § 227 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO (Terminsbestimmungen für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August für Streitigkeiten auf Herausgabe, Überlassung pp. von Räumen und Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum) angenommen wurde, dass (im Rahmen einer Rechtsfortbildung) auch eine Pachtsache unter § 708 Nr. 7 ZPO falle. Diese Ansicht würde schon wegen des unterschiedlichen Wortlautes der Norm nicht tragen. Richtig ist, dass der Wortlaut beider Normen divergiert; dass aber § 227 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO durch einen Verweis auf Räume neben der Benennung von Wohnraummietverhältnissen auch Pachtverhältnisse meint, die Angaben „von Wohnräumen oder anderen Räumen“ aber ein Pachtverhältnis ausschließen würde, erschließt sich nicht zwingend.

Allerdings sei bei möglichen gemischten Vollstreckungen aus einem Urteil (Geldforderung und vertretbare Handlung) bei der Sicherheitsleistung zu differenzieren. Für den Räumungsanspruch und die Geldforderung seien jeweils gesonderte Sicherheitsleistungen festzusetzen; insoweit nahm das OLG hier eine Änderung der entsprechenden landgerichtlichen Titulierung vor.  

OLG Rostock, Teilurteil vom 26.09.2024 - 3 U 56/24 -


Aus den Gründen:

Tenor

1. Auf den Vorabentscheidungsantrag des Klägers vom 09.07.2024 wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 10.06.2024, Az.: 7 O 283/23, teilweise abgeändert und in Ziffer 6. wie folgt neu gefasst:

a) Das Urteil ist, soweit es den Herausgabe- und Räumungsanspruch (Ziffer 1 des Tenors) betrifft, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 82.500,- € vorläufig vollstreckbar.

b) Das Urteil ist, soweit es die Zahlungsansprüche (Ziffer 2, 3 und 4 des Tenors) und die Kosten (Ziffer 5) betrifft, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Im Übrigen wird der Vorabentscheidungsantrag des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Gründe

I. 1. Die Parteien streiten über die Räumung und Herausgabe eines Pachtobjekts sowie über die Zahlung rückständiger Pacht. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und in diesem Zusammenhang die Vollstreckbarkeit des Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.425,- € erklärt.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage begehrt. Der Kläger macht die Zurückweisung der Berufung geltend. Daneben hat der Kläger - soweit es den Räumungsausspruch des Urteils gemäß Ziffer 1) des Tenors betrifft - gem. § 718 ZPO eine Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beantragt, wonach der Räumungsausspruch u.a. ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist.

2. Der zulässige Antrag ist nur teilweise begründet.

a) Das Berufungsgericht kann gemäß § 718 Satz 1 ZPO auf Antrag eine Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit treffen, wobei die Entscheidung gemäß § 718 Abs. 1 Satz 2 ohne mündliche Verhandlung ergehen kann und durch Teilurteil erfolgt. Eine Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist dabei nicht erforderlich (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 718 Rn. 3 m.w.N.). Der Antrag kann dabei auch von demjenigen gestellt werden, der keine eigene Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., Rn. 3).

§ 718 Abs. 1 ZPO ist anwendbar, wenn das Urteil in der Hauptsache angegriffen wird und die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der §§ 708, 709 und 711 Satz 1 ZPO beruht (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., Rn. 1 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist vorliegend indes nicht erfüllt.

Soweit der Kläger rügt, dass das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass vorliegend § 708 Nr. 7 ZPO nicht zur Anwendung komme, so dass der geltend gemachte Räumungsanspruch ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären gewesen wäre, vermag der Senat dem nicht zu folgen. § 708 Nr. 7 ZPO ist nach Auffassung des Senats vielmehr allein auf Mietverhältnisse (entsprechend § 23 Nr. 2a GVG), nicht jedoch analog auch auf Pachtverhältnisse anwendbar. Gegen die entsprechende Anwendung auf Pachtverhältnisse spricht vielmehr der Ausnahmecharakter der Regelung, der allein die besondere Eilbedürftigkeit bei Mietsachen im Auge hat (vgl. OLG Düsseldorf, Teilurteil v. 24.06.2008 - I-24 U 74/08 -, juris Rn. 16; Zöller/Herget, a.a.O., § 708 Rn. 9 m.w.N.; Stein/Jonas/Heinze, ZPO, 23. Aufl., § 708 Rn. 29; Musielak/Voit/Lack- mann, ZPO, 21. Aufl., § 708 Rn. 7 m.w.N.; Wieczorek/Schütze/Hess, ZPO, 4. Aufl., § 708 Rn. 7 m.w.N.; Anders/Gehle/Schmidt, ZPO, 82. Aufl., § 708 Rn. 10; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 43. Aufl., § 708 Rn. 8). Die gegenteilige Auffassung des OLG Celle in seiner Entscheidung vom 16.05.2023 (Az.: 2 U 37/23), auf die der Kläger explizit hinweist, vermag daher nicht zu überzeugen, zumal der hierin enthaltene Hinweis auf den Vergleich mit § 227 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO schon wegen des unterschiedlichen Wortlauts der Normen nicht trägt (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, a.a.O., § 708 Rn. 7 / Fußnote 8),

b) Für den Hilfsantrag gilt nichts anderes.

c) Soweit es den Hilfs-Hilfsantrag betrifft, bleibt es ebenfalls bei einer vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 709 ZPO. Der Senat teilt aber in diesem Zusammenhang die Auffassung des Klägers, dass im Fall einer sogenannten „gemischten Vollstreckung“ (Geldforderung/vertretbare Handlung) bei der Sicherheitsleistung zu differenzieren ist und für den Räumungsanspruch und die auf Geldforderungen gerichteten Ansprüche gesonderte Sicherheitsleistungen festzusetzen sind (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 709 Rn. 6 m.w.N.). Dies hat vorliegend zur obigen Abänderung von Ziffer 6 des Urteilstenors geführt, wobei allerdings dem Wert der begehrten Ansprüche (75.000,- € + 61.750,- €) jeweils ein Aufschlag von 10 % hinzuzurechnen war (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 709 Rn. 6).

II. Die Kostenentscheidung ist der die Instanz abschließenden Entscheidung vorzubehalten.

Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 718 Abs. 2 ZPO).


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