Samstag, 30. November 2024

Grundbuchumschreibung, notarielles Testament und Pflichtteilsstrafklausel

Am 27.09.2004 errichteten die Eheleute eine notarielles gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen und uneingeschränkten Erben einsetzten. Der Längerlebende sollte durch die Beteiligten (ihre Kinder) zu gleichen Teilen beerbt werden; im Falle des Vorversterbens eines der Kinder sollten dessen Abkömmlinge an seine Stelle treten, für die Beteiligte zu 4, die keine Ankömmlinge hatte, sollte deren Anteil den übrigen Beteiligten bzw. deren Abkömmlingen anwachsen. Weiter wurde im Testament aufgenommen, dass derjenige Erbe, der nach dem Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, nach dem Zuletztversterbenden auch lediglich seinen Pflichtteil verlangen könne und im Übrigen der freiwerdende Nachlass den übrigen Beteiligten bzw. deren Abkömmlingen zu gleichen Teilen zufließen sollte, die im ersten Erbgang keinen Pflichtteil verlangten.

2014 verstarb der Vater, der Eigentümer eines Grundstücks war; die Mutter wurde als Eigentümerin Im Grundbuch eingetragen. In 2022 verstarb die Mutter. Am 09.05.2023 schlossen die Beteiligten einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag, demzufolge der Beteiligte zu 3 das Grundstück übernehmen sollte; die Eigentumsänderung wurde bewilligt und beantragt und am 15.06.2023 beantragte die Notarin die Eigentumsumschreibung. Das Grundbuchamt erließ am 28.06.2023 eine Zwischenverfügung, da das Testament als Erbnachweis nicht genüge, da dieses eine Pflichtteilsstrafklausel enthalte. Der Erbnachweis könne durch Vorlage eines Erbscheins oder durch notariell beurkundete eidesstattliche Versicherungen aller Erben, dass keiner von ihnen nach dem Tod des Erstverstorbenen den Pflichtteil geltend gemacht habe, erfolgen. Daraufhin formulierte die Notarin eine Erklärung „Zur Vorlage bei dem Amtsgericht … - Grundbuchamt  -“, „dass nach dem Tod des Erstversterbenden unserer Eltern – keinerlei Pflichteilsansprüche geltend gemacht worden seien“ und sie damit die Mutter zu je 1/5 beerbt hätten. Sodann versicherten die Beteiligten, über die Folgen einer vorsätzlich oder fahrlässig abgegebenen falschen eidesstattlichen Versicherung belehrt worden zu sein und versicherten die Richtigkeit der Erklärung an Eides statt. Diese Erklärung sandte sie den Beteiligten mit dem Hinweis, dass die Erklärung in öffentlich beglaubigter Form abzugeben sei und in Hessen daher entweder die Unterschrift durch ein Ortsgericht oder einen Notar beglaubigt werden müsse, wobei sie aus Kostengründen zur Beglaubigung durch das Ortsgericht anriet. Die Beteiligten ließen ihre Unterschrift (vier Beteiligte in Hessen durch den Ortsgerichtsvorsteher, ein Beteiligter in Baden-Württemberg durch einen Notar) beglaubigen. Die Schriftstücke wurden bei dem Grundbuchamt eingereicht.

Mit weiterer Zwischenverfügung vom 16.08.2023 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass das Eintragungshindernis nicht behoben worden sei. Die eidesstattlichen Versicherungen sämtlicher Miterben seien in notarieller Form vorzulegen, Unterschriftsbeglaubigen würden nicht ausreichen. Die Notarin legte gegen die Zwischenverfügung Beschwerde für die Beteiligten ein. Dieser half das Grundbuchamt nicht ab und leget die Beschwerde zur Entscheidung dem Oberlandesgericht (OLG) vor, welches sie zurückwies. Es sah die Beschwerde zwar als zulässig, in der Sache als nicht begründet an.

Die nach § 18 Abs. 1 S. 1 GBO veranlasste Zwischenverfügung sei zutreffend durch ein Eintragungshindernis veranlasst worden, da nicht mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Mitteln nachgewiesen worden sei, dass die die Eigentumsübertragung bewilligenden Beteiligten in Erbengemeinschaft die Eigentümer seien, deren Recht durch die Übertragung betroffen würde.

Die Bewilligung müsse gem. § 19 GBO durch denjenigen erfolge, dessen Recht betroffen sei. Damit müssten die Bewilligenden die Erben der noch im Grundbuch eingetragen Mutters ein. Der Nachweis habe grundsätzlich durch öffentliche Urkunden zu erfolgen, § 28 Abs. 1 GBO. Ein Nachweis der Erbfolge könne durch einen Erbschein oder (vorliegend nicht in Betracht kommend) ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden, aber auch, beruhe die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten sei, durch die Verfügung von Todes wegen, die die Erbfolge nachweise, § 35 Abs. 1 S. 2 GBO.

In Form des notariellen Testaments läge eine öffentliche Urkunde vor. Allerdings würde dieses die Erbfolge nicht nachweisen, da aus ihm nicht ersichtlich sei, ob nach dem Tod des Vaters ein Pflichtteil begehrt wurde und damit Erben der Mutter ausgeschieden seien. Sollten alle Beteiligten ihren Pflichtteil nach dem Tod des Vaters geltend gemacht haben, wäre nicht ersichtlich, dass die Berechtigten die Eigentumsübertragung bewilligt hätten. Dieser Fall sei im Testament nicht geregelt worden und deshalb seien zwei Auslegungsmöglichkeiten gegeben: Entweder greife die gesetzliche Erbfolge, dann wäre der Nachweis nicht durch Testament erbracht, oder es erben die Abkömmlinge der eingesetzten Erben, dann hätten nicht die Berechtigten die Eigentumsänderung bewilligt.

Das OLG setzte sich sodann damit auseinander, wie der Nachweis einer (hier) negativen Tatsache der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils erfolgen kann und vertritt mit einer verbreiteten Ansicht in der Rechtsprechung die Auffassung, dass dafür die von einem Notar aufgenommene eidesstattliche Versicherung genüge (z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 17.08.2011 - I-15 W 242/11-; OLG Braunschweig, Beschluss vom 30.08.2012 - 2 W 138/12 -). Im Regelfall habe nur die eidesstattliche Versicherung einen hinreichenden Beweiswert, da im Unterschied zur einfachen Erklärung nur die falsche Versicherung an Eides statt nach § 156 StGB strafbar sei. In Ansehung des zu erreichenden Beweiswertes nach § 35 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GBO müsse die Erklärung eine möglichst hohe Gewähr der inhaltlichen Richtigkeit bieten; die eine Erklärung falschen Inhalts sei nicht ohne weiteres strafbar und biete daher nicht dieselbe und damit ausreichende Gewähr für die Richtigkeit wie die notarielle Erklärung (anders u.a. OLG Schleswig, Beschluss vom 16.08.2024 - 2x W 46/24 -).

Es sei auch erforderlich, dass die Erklärung von einem Notar aufgenommen wird, da nur dann von einer angemessenen Belehrung über die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung ausgegangen werden könne (§ 38 Abs. 2 BeurkG). Diese Belehrung sie erforderlich, um den dargelegten notwendig möglichst hohen Beweiswert zu erzielen. Erfolge lediglich eine Unterschriftsbeglaubigung durch einen Notar, bestünde nach § 49 Abs. 2 BeurkG keine Beratungspflicht. Eine anderweitig vorformulierte Belehrung, wie hier, biete schon wegen der fehlenden Möglichkeit zu Rückfragen (der Erklärenden an den Notar) keine der Aufnahme durch den Notar gleichwertige Alternative.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.09.2024 - 20 W 212/23 -

Freitag, 29. November 2024

Gemeinschaftliches Testament, Trennung von Verfügungen und Umfang der Eröffnung

Die Eheleute hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Der überlebende Ehemann (Beteiligter zu 1) hatte beantragt, das hinterlegte Testament nur teilweise (ohne dessen Ziffer 3) zu eröffnen und bekannt zu geben. Mit Beschluss verwies das Nachlassgericht darauf, dass es gedenke das gesamte Testament zu eröffnen und den Beteiligten bekanntzugeben, mit der Begründung, dass zwar nach § 349 Abs. 1 FamFG trennbare Verfügungen des Überlebenden erst im zweiten Erbgang bekannt zu geben seien, es sich hier aber nicht um eine trennbare Verfügung handele. Die gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Obwohl es sich bei dem Beschluss nur um eine Zwischenentscheidung handelte, sah das OLG die Beschwerde als zulässig an, da sie hier wegen der Schwere der aus ihr möglicherweise folgenden Rechtsverletzung wie eine Endentscheidung zu behandeln sei und damit der Beschwerdeweg nach § 59 FamFG eröffnet sei (so auch bereits OLG München, Beschluss vom 07.04.2021 - 31 Wx 108/21 -).

Das Nachlassgericht habe das in seiner Verwahrung befindliche Testament zu eröffnen, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlange, § 348 Abs. 1 FamFG. Grundsätzlich habe sich die Eröffnung auf das gesamte Schriftstück zu beziehen. Für die Eröffnung gemeinschaftlicher Testamente mache § 349 Abs. 1 FamFG insoweit eine Ausnahme, als im Geheimhaltungsinteresse des überlebenden Ehegatten dessen Verfügungen den übrigen Beteiligten nicht bekannt zu eben seien, soweit sie sich von den Verfügungen des Erstverstorbenen trennen ließen.  

Vorliegend sei Ziffer 3 im gemeinschaftlichen Testament nicht trennbar. Die Rechtsprechung sei dahingehend einheitlich, dass die Trennbarkeit bei Verwendung der sprachlichen Mehrheitsform (Wir-Form“) nicht vorläge, ebenso nicht, wenn die Verfügungen von den Eheleuten mit „der Überlebende von uns“ oder „der Längstlebende von uns“ eingeleitet würden (z.B. OLG München aaO.; OLG Schleswig, Beschluss vom 23.11.2012 - 3 Wx 74/12 -). Dadurch würde zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur überlebende Ehegatte die Verfügung getroffen habe, sondern auch der Erstverstorbene. Unbeachtlich sei dabei, dass die Verfügung die der Erstverstorbene für den Fall, dass er der Längerlebende gewesen wäre, getroffen habe, würde nicht dadurch unwirksam, dass er nun Erstverstorbener ist; die Frage der Wirksamkeit der Verfügungen sei bei Eröffnung des Testaments gerade nicht zu prüfen (BGH, Beschluss vom 11.04.1984 - Iva ZB 16/83 -). Die Eheleute hätten es durch entsprechende sprachliche Formulierungen in der Hand gehabt, ihre jeweiligen Verfügungen in trennbarer Weise vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 02.02.1994 - 1 BvR 1245/89 -).

Auch der hier vorliegende Umstand, dass dem Überlebenden das Recht zur Änderung der unter Ziffer 3 benannten Verfügung eingeräumt worden sei, stünde einer Eröffnung nicht entgegen, Die Befugnis würde dem Überlebenden nicht genommen und die Bekanntgabe setze auch für die weiteren Beteiligten keine Fristen hinsichtlich etwa der Ausschlagung oder Anfechtung der testamentarischen Verfügungen des Überlebenden für den Erbfall nach dem Längstlebenden in Lauf.

Hinweis: Soll das Testament im Fälle des Todes des Erstversterbenden nicht in Gänze eröffnet werden, müssen die Eheleute (Lebenspartner) mithin deutlich in den jeweiligen Verfügungen zum Ausdruck bringen, ob es sich nur um eine Verfügung von einem von ihnen oder eine gemeinschaftliche Verfügung handelt. Die Wir-Form streitet stets, unabhängig vom Inhalt, für eine gemeinschaftlich getroffene Verfügung. Soll sie nur für einen von ihnen getroffen werden, muss dies ausgeführt werden (z.B.: „Ich, XY ….“). 

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16.05.2024 - 8 W 13/24  -

Mittwoch, 27. November 2024

Unterlassene Mitteilung über Veräußerung der Mietsache

Die Kläger hatten nach Mietende Klage auf Rückzahlung der Kaution erhoben. Doch war der Beklagte nicht mehr Vermieter; er hatte es unterlasen, den Klägern den Eigentumswechsel mitzuteilen. Da mit dem Eigentumswechsel der Rechtsnachfolger im Eigentum zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet war, § 556a S. 1 BGB, wäre mithin – ohne übereinstimmende Erledigungserklärung – hier die Klage auf Kosten der Kläger abzuweisen gewesen. Das Amtsgericht erlegte den Klägern die Kosten auf, deren sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung erfolgreich war.

Das Landgericht verwies darauf, dass den Klägern ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch im Hinblick auf die angefallenen Prozesskosten zustünde, der im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen sei (BGH, Urteil vom 22.11.2001 – VII ZR 405/00 -).  Der Beklagte sei seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, die Kläger (vor Klageerhebung) darauf hinzuweisen, dass eine Veräußerung des Grundstücks stattgefunden habe.  Dies leitete das Landgericht aus § 242 BGB (Treu und Glauben) und aus einer reziproken Anwendung des Rechtsgedankens des § 555e BGB (Kündigung nach Modernisierungsankündigung) ab. Die Kläger als Mieter hätten, ohne eine Prüfung im Grundbuch vorzunehmen, davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte weiterhin Eigentümer ist und für die Rückzahlung der Kaution hafte.  

Anmerkung: Danach hätte der Beklagte auch im Falle einer Klagerücknahme der Kläger die Kosten zu tragen gehabt, § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.  

LG Berlin, Beschluss vom 04.07.2024 - 67 T 37/24 -

Sonntag, 24. November 2024

(Kunst-) Urheberschutz, Panoramafreiheit und Drohnen

Die Klägerin klagte gegen die Beklagte wegen eines von ihr veröffentlichten Buches, welches mittels einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen von Installationen von Künstlern enthielt mit dem Antrag, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln, ohne ihre Einwilligung die Veröffentlichung von Abbildungen, Vervielfältigungen  und Verbreitung (selbst oder durch Dritte) von Werken bestimmter Künstler zu unterlassen und begehrte darüber hinaus Schadensersatz. Das Landgericht gab der Klage statt. Im Rahmen der Berufung wurde vom OLG lediglich der Schadenersatzanspruch heruntergesetzt. Die vom OLG zugelassene Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.

Die Aktivlegitimation der Klägerin (ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, dessen satzungsgemäßer Zweck die treuhänderische Wahrnehmung der Nutzungs- und Einwilligungsrechte sowie der Vergütungsansprüche von Urhebern und Leistungsberechtigten im visuellen Bereich war, stand fest (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 iVm. §§ 16, 17 UrhG). Die Beklagte, so der BGH, habe in die den Urhebern nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 iVm. §§ 16, 17 UrhG zustehenden Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung der Werke eingegriffen.

Es handele sich um bildliche Widergaben von Installationen der Künstler gehandelt, die iSv. § 16 Abs. 1 UrhG vervielfältigt worden seien. Dazu würde jede körperliche Festlegung eines Werks zählen, die geeignet sei, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen, einschließlich der bildlichen Wiedergabe von körperlicher Kunst (BGH, Urteil vom 23.02.2017 – I ZR 92/16 -). Die Beklagte habe durch den Vertrieb der Bücher mit Lichtbildern der Installationen, auch in das Verbreitungsrecht der Urheber eingegriffen (BGH aaO.).

Es habe sich nicht um erlaubte Nutzungen der dargestellten Werke nach § 59 Abs. 1 UrhG gehandelt. Danach sei es nur erlaubt, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befänden, mit Mitteln der Malereien oder Grafik, Lichtbild oder Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. De Aufstellung eines Kunstwerks an einem öffentlichen Ort bringe zum Ausdruck, dass das Werk der Allgemeinheit gewidmet sei und damit jedermann es abbilden und diese Abbildung verwerten dürfe.

Bei der Auslegung von § 59 Abs. 1 S. 1UrhG (Panoramafreiheit) sei zu berücksichtigen, dass diese Reglung der Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG diene. Danach könnten die Mitgliedstaaten für bleibend an öffentlichen Orten befindlichen Werken der Baukunst oder von Plastiken Ausnahmen von Beschränkungen des Vervielfältigungsrechts vorsehen. Wenn sie eine Ausnahme von der Beschränkung des Vervielfältigungsrechts vornehmen könnten, könnten sie auch eine Ausnahme von Beschränkungen vom Verbreitungsrecht vornehmen, soweit dies durch den Zweck der erlaubten Vervielfältigung gerechtfertigt sei.

Vorliegend handele es sich bei den Fotografien um Lichtbilder iSv. § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG. Die Installationen hätten sich „an“ öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befunden, wenn sie von dort aus wahrnehmbar gewesen wären, unabhängig davon, ob das Werk selbst öffentlich zugänglich wäre. Wege, Straßen und Plätze seien „öffentlich“, wenn sie für jedermann frei zugänglich seien.

Hier seien die Installationen von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus wahrgenommen werden.

Die Lichtbilder seien aber mittels Drohnen aus dem Luftraum gefertigt worden. Solche Lichtbilder seien von der durch § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG gewährleisteten Panoramafreiheit nicht erfasst. § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG stelle eine Schrankenbestimmung dar, die es dem Publikum ermöglichen soll, das, was es mit eigenen Augen von der öffentlich zugänglichen Straße, Weg oder Platz sehen kann, als Gemälde, Zeichnung, Fotografie oder Film zu betrachten. Diese Freiheit gelte aber nicht, wenn der Blick z.B. durch Fotografie von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus fixiert werden soll (BGH, Urteil vom 05.06.2003 - I ZR 192/00 -, Hundertwasserhaus). Auch seien keine Aufnahmen des Werks erfasst, die unter Verwendung von Hilfsmitteln (wie Leitern) oder nach Beseitigung von bildschützenden Vorrichtungen (wie Hecken) angefertigt würden. Dies gelte auch für die Zuhilfenahme von Fluggeräten wie hier der Drohne.

BGH, Urteil vom 23.10.2024 - I ZR 67/23 -

Donnerstag, 21. November 2024

Sicherheitsleistung im Urteil bei „gemischter Vollstreckung“

Das Landgericht hatte der Klage auf Räumung des Pachtgegenstandes und auf Zahlung rückständiger Pacht stattgegeben. Das Urteil wurde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 150.425,00 für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein. Vom Kläger wurde in Bezug auf den Räumungsausspruch gem. § 718 ZPO eine Vorabentscheidung über die Vollstreckbarkeit des Räumungsanspruchs begehrt, wonach der Räumungsanspruch ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar sein sollte. Diesen Antrag sah das OLG als zulässig, aber nur teilweise als begründet an.

Die Grundlage des Antrages, § 718 S. 1 ZPO, lässt eine Vorabentscheidung des Berufungsgerichts über die Vollstreckbarkeit zu, die ohne mündliche Verhandlung durch Teilurteil ergehen kann, § 718 S. 2 ZPO. Der Antrag kann auch von der Partei gestellt werden, die selbst keine eigene Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat.  

Vom OLG wird darauf verwiesen, dass § 718 Abs 1 ZPO anwendbar sei, wenn das Urteil in der Hauptsache angegriffen würde, und die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der §§ 708, 709 und 711 S. 1 ZPO beruhe. Diese Voraussetzungen sah das OLG allerdings hier nicht.

So sei die Annahme des Klägers fehlerhaft, § 708 Nr. 7 ZPO käme zur Anwendung, weshalb der Räumungsanspruch ohne Sicherheitsleistung zulässig sei. § 708 N. 7 ZPO greife ausschließlich für Mietverhältnisse (entspr. § 23 Nr. 2a GVG), nicht für Pachtverhältnisse. Dafür spreche der Ausnahmecharakter der Norm, der allein die besondere Eilbedürftigkeit bei Mietsachen im Auge habe (OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 24.06.2008 - I-24 U 74/08 -). Die Gegenansicht des OLG Celle (16.05.2023 - 2 U 37/23 -) mit Verweis auf § 227 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO überzeuge nicht, zumal die benannte Norm wegen des unterschiedlichen Wortlauts der Normen nicht tragen würde.

Zu einem Hilfs-Hilfsantrag des Klägers verwies das OLG darauf, dass es auch danach bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung nach § 709 ZPO verbleibe. Allerdings träfe die Auffassung des Klägers zu, dass bei einer „gemischten Vollstreckung“ (hier Geldforderung und Räumung, letztere als vertretbare Handlung) zu differenzieren sei und für den Räumungsanspruch und die Geldforderung gesonderte Sicherheitsleistungen festzusetzen seien. Dies berücksichtigend sei von den Werten der begehrten Ansprüche (Räumung € 75.000,00 und Geldforderung € 61.750) ein Zuschlag von jeweils 10% hinzuzurechnen, wobei sich das OLG insoweit an der Kommentierung von Herget in Zöller, ZPO, 25. Auf. Zu § 709 Rn. 6 orientierte, der den Zuschlag mit möglichen Schäden des Schuldners aus der Vollstreckung (im Falle seines Obsiegens im weiteren Verfahren) begründet. Das ergab rechnerisch  für den Räumungsanspruch eine Sicherheitsleistung in Höhe von € 82.500,00. Für die Geldforderung wurde gemäß § 709 ZPO die Sicherheitsleistung im Hinblick auch auf den Aufschlag von 10% auf 110% des zu vollstreckenden Betrages festgesetzt.

OLG Rostock, Teilurteil vom 26.09.2024 - 3 U 56/24 -

Sonntag, 17. November 2024

Private Unfallversicherung: Ablauf einer Frist wegen fehlender Invaliditätsfeststellung

Mancher wird froh sein, nach einem Unfall eine private Unfallversicherung zu haben. Doch auch hier sind „Spielregeln“ zu beachten, damit ein versicherungsvertraglicher Anspruch auch erfolgreich geltend gemacht werden kann, wie ein Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO des OLG Dresden zeigt.

Der Entscheidung lag ein Antrag der versicherten Klägerin bei der beklagten privaten Unfallversicherung auf Feststellung des Invaliditätsgrades aufgrund eines Unfalls vom 24.05.2019 zugrunde. Dem wurde von der Beklagten wegen Fristversäumung nicht stattgegeben. Die Klage wurde vom LG Leipzig (LG) abgewiesen. Das OLG wies die Klägerin in seinem Beschluss darauf hin, dass es gedenke deren Berufung durch einstimmigen Beschluss wegen offensichtlicher Unbegründetheit der Berufung zurückzuweisen.

Das LG habe die Klage zutreffend abgewiesen, da die Frist zur Invaliditätsfeststellung nach Z. 2.1.1.1. AUB 2000, demzufolge die Invalidität binnen 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt werden müsse nicht eingehalten worden sei. Die Überlassung eines Krankenhausentlassungsberichts, der keine Angaben zur Invalidität enthalten habe, sei nicht ausreichend gewesen.

Es handele sich bei der fristgerechten Feststellung um eine Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 22.05.2019 - IV ZR 73/18 -), welche dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht diene und selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden führe, wenn dem Versicherten an der Nichteinhaltung der Frist keine Schuld träfe (BGH, Urteil vom 07.03.2007 – IV ZR 137/06 -). Die Beklagte könne sich auch auf die in ihren Versicherungsbedingungen berufen, da sie den Kläger gem. § 186 VVG auf die vertraglichen Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen hingewiesen habe. Dort wurde dem Versicherten mitgeteilt, dass ein Anspruch auf Invaliditätsleistung bestünde, wenn innerhalb von einem Jahr nach dem Unfall die Invalidität eingetreten sei und innerhalb von 15 Monaten von einem Arzt schriftlich festgestellt worden sei (Schreiben vom 27.05.2019), was sogar noch einmal mit Schreiben vom 11.06.2019 wiederholt worden sei mit der Aufforderung, die Fristen, die bis zum 24.06.2020 laufen würden, zu beachten und bei Nichteinhaltung derselben kein Leistungsanspruch bestünde. Mit einem weiteren Schreiben vom 25.05.2020 wurde der Kläger noch einmal entsprechend belehrt und diesem ein Formular (Ärztliche Bescheinigung zur Begründung eines Invaliditätsanspruchs) beigefügt, welches von einem Arzt ausgefüllt werden müsse, und es wurde aufgeführt, welche Unterlagen vorgelegt werden müssten. Das vom Arzt ausgefüllte Formular wurde der Beklagten nach Fristablauf überlassen.

Die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf sei auch nicht treuwidrig. Treuwidrig könnte dies dann sein, wenn dem Versicherer ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Rechtsfolgen der Fristversäumung deutlich würde, er aber eine Belehrung gleichwohl unterlasse, wovon auszugehen sei, wenn der Invaliditätsanspruch rechtzeitig geltend machen würde, seine Angaben bzw. vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahelegen, allerdings die ärztliche Feststellung der Invalidität noch fehlen würde (BGH, Urteil vom 30.11.2005 - IV ZR 154/04 -). Diese Voraussetzungen sah hier das OLG als nicht vorliegend an.

Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, ihr Schreiben vom 03.06.2020 sei nicht beantwortet worden. Darin habe sie der Beklagten einen OP-Termin am 08.06.2020 benannt und angefragt, ob diese Information ausreichend sei; mangels einer Beantwortung habe sie dann den Krankenhausentlassungsbericht am 09.06.2020 übersandt.  Allerdings habe die Beklagte mit dem Schreiben vom 08.06.2020 reagiert und die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Invaliditätsanspruch unabhängig vom Behandlungsverlauf und dem Zeitpunkt der Operation geltend zu machen sei und zudem auf die Erläuterungen in den vorangegangenen Schreiben verwiesen. Damit aber habe die Klägerin nicht davon ausgehen könne, dass die Überlassung des Entlassungsberichts ausreichend sei. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, noch einmal auf die Notwendigkeit der ärztlichen Feststellung hinzuweisen, nachdem der Entlassungsbericht keine Angaben zu einer Invalidität enthielt.

Festzuhalten bleibt: Im Rahmen der privaten Unfallversicherung sind für die Feststellung von Invalidität und daraus möglichen Leistungen Fristen vorgegeben und ist eine bestimmte Form (nämlich die schriftliche Feststellung der Invalidität durch einen Arzt) vorgesehen. Zeigt der Versicherungsnehmer der Versicherung einen Unfall an und belehrt der Versicherer den Versicherungsnehmer gem. § 186 VVG über die Voraussetzungen und einzuhaltenden Fristen für einen möglichen Anspruch, geht ein Fristversäumung zu Lasten des Versicherungsnehmers. Nur ausnahmsweise kann sich der Versicherungsnehmer auf eine Treuwidrigkeit und Rechtsmissbrauch berufen, wenn dem Versicherer deutlich wird, dass der Versicherungsnehmer noch Belehrungsbedarf habe, so wenn er Unterlagen einreicht, die zwar auf eine Invalidität deuten, nicht aber die schriftliche Feststellung derselben durch einen Arzt beinhalten; in diesem Fall muss der Versicherer noch einmal belehren, da ansonsten die Berufung auf den Fristablauf rechtsmissbräuchlich ist. Zu beachten ist auch, dass eine erst nach Fristablauf festgestellte Invalidität keinen Anspruch gegen den Versicherer rechtfertigt.

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.07.2024 - 4 U 266/24 -

Samstag, 16. November 2024

Abgrenzung zwischen Zusatz- und Folgeaufträgen im Werkvertragsrecht

Die Parteien hatten einen VOB-Vertrag geschlossen. In Ansehung des Vortrages des Beklagten, zu von ihm abgerechneten Preisen abgerechnet zu haben, mit denen er im Hinblick auf einen klägerischen Anspruch Aufrechnung erklärte, musste sich das OLG damit auseinandersetzen, ob der Beklagte zu den berechneten Preisen beauftragt wurde.

Der Beklagte hatte darauf abgestellt, dass es sich um zusätzliche Leistungen auf Anordnung des Klägers gemäß § 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B handele und bei diesen der ortsübliche angemessene Werklohn zu zahlen sei. Dies sah das OLG anders.

Bei zusätzlichen Leistungen handelt es sich um solche, die „zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden“ (§ 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B), andere Leistungen können dem Werkunterunternehmer nur mit seiner Zustimmung übertragen w erden (§ 1 Abs. 3 S. 3 VOB/B). Bei der Ausführung zusätzlicher Leistungen, so das OLG, läge hier eine Erweiterung des bisherigen Auftrages vor. In diesem Fall richte sich die Vergütung allerdings nach dem dem Werkvertrag zugrunde liegenden Preisgefüge, § 2 Abs. 5 oder Abs. 6 VOB/B. Nur wenn die Parteien einen gänzlich neuen Vertrag (Anschluss- oder Folgevertrag) schließen würden, würde sich der Preis mangels einer anderweitigen Vereinbarung nach § 632 Abs. 2 BGB (taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe nach der üblichen Vergütung) bestimmen. Würden die Parteien aber lediglich den bisherigen Vertrag um eine weitere, nicht erforderliche Leistung ergänzen, richte sich die Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B.

Die Abgrenzung zwischen einem selbständigen Folgeauftrag und einer Zustimmung des Werkunternehmers zu einer Leistungserweiterung, wäre daran auszurichten, ob eine typische Zusatzleistung in unmittelbarer Abhängigkeit der bisherigen Leistung oder ein ohne räumliche und stoffliche Verbindung eine selbständige Leistung als Vertragsleistung vorliege. Hier läge eindeutig eine Erweiterung des ursprünglichen Auftrags vor und sollten keine eigenständigen Folgeaufträge geschlossen werden. Die Annahme eigenständiger Folgeaufträge sah das OLG auch deshalb als fernliegend an, da dies zu zahlreichen Einzelabnahmen geführt hätte (demgegenüber die Erweiterung des bestehendes Auftrages eine Abnahme insgesamt bedingt). Damit läge der vorliegende Fall anders als jener im Urteil des OLG vom 05.03.1996 - 21 U 116/95 -, da dort für eine Musterfassade, die im ursprünglichen Bauvertrag nicht vorgesehen worden sei und nicht Teil des Bauwerks gewesen sei, ein Folgeauftrag angenommen wurde.

Entscheidend ist mithin, ob – sollten sonstige Vereinbarungen zwischen den Parteien nicht zur Zusatzleistung bestehen – die (nicht erforderliche) Zusatzleistung sich auf das Bauwerk selbst bezieht oder ein gesondertes Bauwerk darstellt. Im letzteren Fall kann der Werkunternehmer mangels gesonderter Vergütungsvereinbarung Vergütung nach §§ 631 iVm. 632 Abs. 2 BGB verlangen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.07.2024 - 22 U 96/23 -

Dienstag, 12. November 2024

Umsatzsteuer bei fiktiver Berechnung nachbarschaftlichen Ausgleichsanspruchs ?

Hintergrund war der Streit der Nachbarn wegen eines Überwuchses eines Baumes sowie von Entschädigungsansprüchen wegen durch den Überwuchs entstandener Schäden. Im Hinblick auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch erkannte stellte das Landgericht auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten ab, welches den Kostenaufwand mit netto € 7.600,00, brutto (d.h. einschließlich Umsatzsteuer) mit € 9.044,00 angab. Gegen das Urteil legten die Beklagten Berufung ein du monierten, dass auch die Umsatzsteuer zugesprochen worden sei.  

Das OLG gab der Berufung statt. Das Landgericht hätte die Umsatzsteuer nicht zusprechen dürfen, da der Kläger seinen Entschädigungsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2BGB lediglich fiktiv abgerechnet habe.

Vom Ausgangspunkt her sei der Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen und die §§ 249 ff BGB nicht anzuwenden (BGH, Urteil vom 25.10.2013 - V ZR 230/12 -). Bei Substanzschäden könne die Enteignungsentschädigung den vollen Schaden (also auch die Beseitigungskosten) abdecken (BGH, Urteil vom 04.07.1997 - V ZR 48/96 -). Da bei einem Schadensersatzanspruch nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB die Umsatzsteuer nur ersetzt verlangt werden könne, wenn sie angefallen sei, der Anspruch auf Enteignungsentschädigung bereits vom Grundsatz auf eine Vermögenseinbuße abstelle, gäbe es keinen Grund, bei fiktiver Geltendmachung des Anspruchs ohne entsprechende Vermögenseinbuße die Umsatzsteuer zuzusprechen. Auch das OLG Koblenz (Urteil vom 24.02.2011 - 5 U 1146/10 -) habe zu $ 906 Abs. 2 S. 2 BGB bereits entschieden, dass die auf den Ausgleichbetrag entfallende Umsatzsteuer als Überkompensation eines Anspruchs außer Betracht bleiben müsse; erst wenn die Sanierung tatsächlich erfolgt sei, sei dies anders zu betrachten.  Entsprechend habe auch das OLG Hamm (Urteil vom 04.02.2022 – 11 U 96/21 -) entschieden, dass bei einem öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch die Umsatzsteuer nur ersetzt verlangt werden könne, wenn die Arbeiten auch tatsächlich durchgeführt worden seien.

OLG Zweibrücken, Urteil vom 20.08.2024 - 8 U 47/24 -

Samstag, 9. November 2024

Grundstückskaufvertrag und formunwirksame Vorauszahlungsabrede

Zunächst verkaufte der Erblasser des Beklagten mit einem notariellen Kaufvertrag einen hälftigen notariellen Miteigentumsanteil in März 2017 zum Preis von € 40.000,00 an eine GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war. Der Kläger zahlte unter Angabe der UR-Nummer des Notars an den Erblasser per Überweisung in April 2017 € 70.000,00, sodann im Mai mit derselben Angabe und unter Hinzufügung des Wortes „Restzahlung“ weitere € 10.000,00. Im März 2018 schlossen der Erblasser und der Kläger einen Vertrag über die weitere Miteigentumshälfte zum Kaufpreis von € 40.000,00. Daraufhin übertrug die GmbH ihren Miteigentumsanteil auf den Kläger. Dieser erhob Klage auf Übertragung des zweiten Miteigentumsanteils und begründete dies damit, der Kaufpreis für die zweite Miteigentumshälfte sei im Zusammenhang mit der Zahlung für die erste Miteigentumshälfte sei bereits als Vorauszahlung erfolgt. Der Klage gab das Landgericht statt; auf die Berufung wurde die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision beantragte der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies den Rechtstreit an dieses zurück.

Das Oberlandesgericht hatte die Klage abgewiesen, da eine vom Kläger behauptete Vorauszahlung nicht dem Formerfordernis entsprochen habe, § 311b Abs. 1 S. 1 BGB iVm. § 125 S. 1 BGB. Zwar, so der BGH, sei vom Ausgangspunkt zutreffend, dass die behauptete Vorauszahlungsabrede des Kaufpreises für die zweite Miteigentumshälfte nicht wäre, da sie nicht notariell beurkundet worden sei. Auch eine Vorauszahlungsabrede sei beurkundungsbedürftig, da die Kaufpreisforderung noch nicht bestünde und die Vorauszahlung ohne dahingehende Vereinbarung nicht von Rechts wegen zu einer Teilerfüllung der Kaufpreisschuld führen könne (BGH, Urteil vom 20.09.1985 - V ZR 148/84 -). In Ermangelung der Beurkundung sei daher eine Vorauszahlungsabrede nichtig.

Allerdings würde sich daraus nicht ergeben, dass damit der gesamte Vertrag aus 2018 nichtig sei, § 139 BGB. Zwar sei dies nach der Auslegungsregel des § 319 BGB zu vermuten, doch könne dies bei Vorliegen besonderer Umstände widerlegt werden (BGH, Urteil vom 10.12.1993 - V ZR 108/92 -). Widerlegt sei dies, wenn der Käufer die im Voraus geleistete Zahlung auf den Kaufpreis zu beweisen vermag (BGH, Urteil vom 19.11.1982 - V ZR 161/81 -), da für den Käufer von untergeordneter Bedeutung si, ob eine Kaufpreisschuld zu, Zeitpunkt ihrer Entstehung erlösche oder ob die Schuld nach von weiteren Rechtshandlungen abhängig sei (BGH, Urteil vom 11.11.1983 - V ZR 150/82 -).

Weise der Käufer seine Zahlung auf die noch nicht bestehende Kaufpreisforderung nach, sei die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass sich die Parteien auch ohne die Abrechnungsabrede auf den beurkundeten Teil des Rechtsgeschäfts eingelassen hätten (BGH, Urteil vom 10.12.1993 - V ZR 108/92 -). Dies sei insbesondere bei einer Quittungserteilung durch den Verkäufer der Fall. Allerdings sei dies auch dann der Fall, wenn der Käufer aus seiner Sicht zweifelsfrei nachweisen könne, vor Vertragsabschluss auf die noch nicht bestehende Kaufpreisschuld gezahlt zu haben. Das Fehlen eines Hinweises in dem Kaufvertrag über eine Vorauszahlung stehe der Vermutung einer solchen nicht entgegen, da die Nichtigkeit des Kaufvertrages gerade durch die fehlende Beurkundung folge und es keines Beweises zur Widerlegung der Vermutung des § 139 BGB bedürfe, wenn die Vorauszahlungsabrede mit beurkundet worden wäre. Entscheidend sie damit der Nachweis der Zahlung auf die noch nicht bestehende Schuld und könne (anders als vom Oberlandesgericht angenommen) nicht verlangt werden, dass der Käufer den Abschluss einer entsprechenden Vorauszahlungsabrede und deren Fortbestehen bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages beweise.

Allerdings seien die Überweisungsträger selbst kein Beleg für die Kaufpreiszahlung in Form einer Vorauszahlung. Zwar könnten dies grundsätzlich auch Überweisungsträger sein, doch hier sei stets auf den protokolierten Kaufvertrag für die erste Miteigentumsanteil verwiesen worden. Eine Tilgungsbestimmung für den noch nicht abgeschlossenen Kaufvertrag ließe sich damit daraus nicht entnehmen.  Allerdings könne das „Immobilien-Übergabeprotokoll vom 15.05.2017 aus Sicht des Klägers geeignet sein, die Vorauszahlung auf den Kaufpreis nachzuweisen. Hier sei aufgenommen worden, dass der Kläger € 80.000,00 zahlte, wobei € 40.000,00 als „Vorschuss für den Rest des Gebäudes“ darstellen sollten und die Parteien anerkennen, „dass sie keine weiteren Ansprüche haben“.

Auch wies der BGH darauf hin, dass bei einer angenommenen Unwirksamkeit der Vorauszahlungsabrede die Vorauszahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) vom Kläger zurückgefordert und mit dem Bereicherungsanspruch gegenüber der offenen Kaufpreisforderung Aufrechnung erklärt werden könnte, was auch hilfsweise erfolgt sei.

BGH, Urteil vom 14.06.2024 - V ZR 8/23 -

Mittwoch, 6. November 2024

Zweitwohnungssteuer und steuerliche Abzugsfähigkeit

Die Klägerin hatte ihren Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt in K. und arbeitete in München, wo sie eine Wohnung angemietet hatte. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2018 machte sie u.a. Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 1.480,00 sowie die von ihr der Landeshauptstadt München zu zahlende Zweitwohnungssteuer in Höhe von € 896,00 bei den sonstigen Aufwendungen für ihre doppelte Haushaltsführung geltend. In der Einkommensteuererklärung für 2019 begehrte sie neben Unterkunftskosten am Tätigkeitsort in Höhe von € 15.880,00 die Zweiwohnungssteuer mit € 1.157,00 geltend. Das beklagte FA erkannte für beide Jahre jeweils € 12.000,00 der Kosten für die Unterkunft in München an, die Zweiwohnungssteuer berücksichtigte es bei den sonstigen Aufwendungen nicht. Nach erfolglosen Einspruch der Klägerin gegen die Einkommensteuerbescheide erhob sie Klage zum Finanzgericht, der dieses stattgab. Das beklagte Finanzamt legte Revision ein und rügte – erfolgreich – die Verletzung von § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG.

Der BFH wies darauf hin, dass, anders als das Finanzgericht angenommen habe, die Zweiwohnungssteuer nicht zu den beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten iSv. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG zähle.

Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 1 EStG seien notwendige Mehrkosten einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung, die hier vorläge, da die Klägerin außerhalb des Ortes ihrer ersten Tätigkeitsstätte einen Haushalt unterhalte und dort wohne, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG. Zu den notwendigen als Werbungskosten berücksichtigungsfähigen Mehraufwendungen würden u.a. die notwendigen Unterkunftskosten am Beschäftigungsort zählen. Allerdings seien die im Inland nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG auf € 1.000,00/Monat begrenzt. Von diesem Höchstbetrag seien alle Aufwendungen des Steuerpflichtigen zur Nutzung der Wohnung umfasst, soweit sie dieser zuzuordnen seien (so die Kaltmiete, bei einer Eigentumswohnung die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie Zinsen für Fremdkapital, die Betriebskosten einschließlich von Stromkosten), da sie durch den Gebrauch der Unterkunft oder durch den Gebrauch das ihre Nutzung ermöglichende Eigentum des Steuerpflichtigen an der Unterkunft entstehen würden (BFH, Urteil vom 04.04.2019 - VI R 18/17 -).

Haushaltsartikel und Einrichtungsgegenstände einschließlich darauf beruhender AfA würden nicht darunter fallen, unabhängig davon, dass der Steuerpflichtige sie in der Unterkunft nutze, da deren Nutzung nicht mit der Nutzung der Unterkunft gleichzusetzen sei (BFH, Urteil vom04.04.2019 aaO.).

Bei der Zweiwohnungssteuer handele es sich entgegen der Annahme des Finanzgerichts um Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung, die deshalb nicht ohne die Beschränkung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG in voller Höhe zum Abzug zugelassene seien. Hier handele es sich um einen tatsächlichen Aufwand für die Nutzung der Unterkunft.

Zweitwohnung sei nach der Satzung der Landeshauptstadt München das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet (§ 2 Abs, 1 S. 1 ZwStS), die melderechtlich als Nebenwohnung (also einer Wohnung, die ein Einwohner neben der Hauptwohnung, § 21 Abs. 3 BMG) innehabe.  Es handele sich bei der Steuer um eine örtliche Aufwandssteuer iSv. Art. 105 Abs. 2a GG (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -).  Die Zweitwohnungssteuer berechne sich nach dem jährlichen Mietaufwand, der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand der Entstehung der Steuerpflicht für ein Jahr als Nettokaltmiete zu entrichten habe (§ 4 Abs. 1 S. 1 ZwStS); bei Eigentumswohnungen und unentgeltlich oder unterhalb der ortüblichen Miete überlassener Unterkunft sei die ortsübliche Miete als Bemessungsgrundlage heranzuziehen (§ 4 Abs. 1 S. 1 ZwStS). Damit stelle sich die Steuer als eine unmittelbar mit dem Mietaufwand verbundene zusätzliche finanzielle Belastung für das Innehaben der Zweitwohnung dar. Zudem handele es sich – anders als bei Haushaltsartikeln und Einrichtungsgegenständen – um eine ratierlich anfallende Ausgabe, die von dem Höchstbetrag von € 1.000,00/Monat erfasst werden soll (BFH, Urteil vom 04.04.2019 aaO.).

Anmerkung: Die satzungsrechtlichen Regelungen, wie sie hier in der Entscheidung zugrunde liegen, sind ähnlich auch in den Satzungen anderer Gemeinden mit einer Zweitwohnungssteuer.

BFH, Urteil vom 13.12.2023 - VI R 30/21 -

Sonntag, 3. November 2024

Streitwert einer Nebenintervention bei nur teilweise Interesse am Verfahrensausgang

Das Landgericht hatte den Streitwert mit € 355.443,21 festgesetzt. Vom Kläger wurde nunmehr beantragt, den Streitwert für die Streithelferin (Nebenintervenientin) abweichend davon auf € 5.000,00 festzusetzen, da diese nur von fünf von 97 Positionen des Verfahrens betroffen gewesen sei. Von der Streithelferin wurde geltend gemacht, sie sei dem Verfahren insgesamt (und nicht nur bezogen auf die fünf Positionen) beigetreten. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das Landgericht nicht ab und sie wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Das OLG verwies darauf, dass teilweise die Auffassung vertreten würde, dass auf ein zu schätzendes eigenes Interesse des Streithelfers abzustellen sei (Anm: so z.B. OLG Rostosck, Beschluss vom 21.10.2009 - 3 W 50/08 - mit Hinweis darauf, dass § 101 ZPO auf die „durch eine Nebenintervention bedingten Kosten“ abstelle). Herrschende Meinung sei aber wohl, dass der Streitwert einer Nebenintervention  mit dem Streitwert der Hauptsache übereinstimmen würde, wenn der Nebenintervenient am Prozess im gleichen Umfang beteiligt sei wie die Partei, der er beigetreten sei (bereits erstmals BGH, Beschluss vom 13.10.1959 - V ZR 294/57 ), unabhängig davon, ob er Anträge stellen würde (BGH, Beschluss vom 12.01.2016 - X ZR 109/12 -).

Das OLG folgte der bereits im Beschluss des BGH in 1959 geäußerten Rechtsansicht. Dort sei in Bezug auf die verfahrensrechtliche Stellung des Nebenintervenienten ausgeführt. Dass dieser mit seinem Beitritt eigene wirtschaftliche Interessen verfolge, er aber gleichwohl, stelle er keinen eingeschränkten Antrag, im gleichen Umfang am Prozess beteiligt sei wie die Partei, der er beitrete; für die Art der Prozessführung käme es auf das wirtschaftliche Interesse des Nebenintervenienten nicht an. Zudem, so das OLG, würde häufig eine Ungewissheit über die genaue, etwaige Beteiligung des Nebenintervenienten  an der Hauptsache bestehen, die auch nicht einfach im Wege einer Schätzung gelöst werden könne, ggf. zur Beauftragung eines Gutachters zur Streitwertbemessung führen könne.

Zwar mag vorliegend eine Eingrenzung, wie der Kläger meint, möglich sein, was aber an der Maßgeblichkeit des Hauptsachestreitwerts nichts ändern könne. Die Beklagte habe der Streithelferin unbegrenzt den Streit verkündet (§ 72 ZPO) und diese sei dem Rechtsstreit unbeschränkt beigetreten. Wenn die Parteien wirksam unangemessene Ergebnisse bei der Streitwertbemessung vermeiden wollen, läge es an ihnen, nicht oftmals unzählige unbeschränkte Streitverkündungen auszusprechen, sondern eine Streitverkündung ausdrücklich zu beschränken, was hier nicht erfolgt sei.

Anmerkung: Der vom OLG übernommenen Rechtsprechung des BGH ist grundsätzlich beizutreten und gerade auch zu beachten, dass der Streitverkünder es durch eine Beschränkung des Umfangs der Streitverkündung (hier auf die klägerseits benannten 5 Positionen)  vermeiden kann, dass die Kosten der Nebenintervention aus einem niedrigeren Streitwert zu bemessen sind, als es der Hauptsreitwert zuließe. Die Kosten des Streithelfers treffen letztlich nur die Partei, der der Streithelfer nicht als Nebenintervenient beitritt, soweit dieser unterliegt (§ 101 ZPO). Allerdings kann es dem Streitverkünder letztlich egal sein, wenn er sich gewiss ist, dass der Streitverkündete ihm beitritt. Die Partei, die nicht den Streitverkündet, kann nicht eine Beschränkung erklären.  Zu denken wäre daran, dass trotz der Streitverkündung die andere Partei einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellen kann (§71 ZPO). Dann müsste der Nebenintervenient in einem Zwischenstreit sein rechtliches Interesse an der Nebenintervention glaubhaft machen und das Gericht durch Zwischenurteil (welches mit sofortiger Beschwerde angefochten werden kann) entscheiden. Vorliegend lag auch nach Ansicht des Klägers ein rechtliches Interesse (an fünf Positionen) auf Seiten des Nebenintervenienten vor, aber nicht in Bezug auf die anderen Positionen. Ob dieser Umstand allerdings dazu führen kann, die Nebenintervention - wird ein weitergehendes Interesse durch den Nebenintervenienten nicht glaubhaft gemacht – auf die entsprechenden Positionen einzuschränken erscheint unwahrscheinlich. Das Gesetz sieht vom Wortlaut keine entsprechende Einschränkung an der Nebenintervention vor, wenn nur ein rechtliches Interesse zu einem Teil des Streitgegenstandes besteht. Allenfalls ließe sich dies aus § 101 ZPO schließen, auf den das OLG Rostock abstellt, da dort von den durch die Nebenintervention bedingten Kosten abgestellt wird. Tritt der Nebenintervenient dem Rechtstreit in vollem Umfang bei, ohne dass dies gerügt wird, wird man kaum seine Kosten mit dem erweis auf § 101 ZPO reduzieren können (wie es das OLG Rostock vornahm), da dadurch die wirksame Nebenintervention zum Rechtsstreit insgesamt in Frage gestellt würde, was aber nach rügeloser Verhandlung mit dem Beigetretenen nicht mehr möglich ist (OLG Köln, Beschluss vom 04.05.2010 - I-16 W 6/10 -), da in diesem Fall die Nebenintervention notwendig den Hauptsachestreitwert umfasst. Da aber eine auf bestimmte Punkte beschränkte Nebenintervention möglich ist, kann sich § 101 auch lediglich auf diesen Umstand beziehen, weshalb sich aus § 101 ZPO nichts für eine Beschränkung der Nebenintervention nur auf die Position ableiten lässt, für die ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten glaubhaft gemacht ist. Ob § 71 ZPO dahingehend ausgelegt werden kann, dass eine Nebenintervention nur insoweit zulässig ist, soweit ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten besteht, eine darüberhinausgehende Nebenintervention ausgeschlossen werden kann, wurde, soweit für mich ersichtlich, bisher nicht entschieden. Eine derartige Beschränkung lässt sich aus dem Wortlaut nicht entnehmen und dürfte wohl eher zu verneinen sein.

OLG München, Beschluss vom 03.04.2024 - 9 W 421/24 Bau e -)