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Sonntag, 3. November 2024

Streitwert einer Nebenintervention bei nur teilweise Interesse am Verfahrensausgang

Das Landgericht hatte den Streitwert mit € 355.443,21 festgesetzt. Vom Kläger wurde nunmehr beantragt, den Streitwert für die Streithelferin (Nebenintervenientin) abweichend davon auf € 5.000,00 festzusetzen, da diese nur von fünf von 97 Positionen des Verfahrens betroffen gewesen sei. Von der Streithelferin wurde geltend gemacht, sie sei dem Verfahren insgesamt (und nicht nur bezogen auf die fünf Positionen) beigetreten. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das Landgericht nicht ab und sie wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Das OLG verwies darauf, dass teilweise die Auffassung vertreten würde, dass auf ein zu schätzendes eigenes Interesse des Streithelfers abzustellen sei (Anm: so z.B. OLG Rostosck, Beschluss vom 21.10.2009 - 3 W 50/08 - mit Hinweis darauf, dass § 101 ZPO auf die „durch eine Nebenintervention bedingten Kosten“ abstelle). Herrschende Meinung sei aber wohl, dass der Streitwert einer Nebenintervention  mit dem Streitwert der Hauptsache übereinstimmen würde, wenn der Nebenintervenient am Prozess im gleichen Umfang beteiligt sei wie die Partei, der er beigetreten sei (bereits erstmals BGH, Beschluss vom 13.10.1959 - V ZR 294/57 ), unabhängig davon, ob er Anträge stellen würde (BGH, Beschluss vom 12.01.2016 - X ZR 109/12 -).

Das OLG folgte der bereits im Beschluss des BGH in 1959 geäußerten Rechtsansicht. Dort sei in Bezug auf die verfahrensrechtliche Stellung des Nebenintervenienten ausgeführt. Dass dieser mit seinem Beitritt eigene wirtschaftliche Interessen verfolge, er aber gleichwohl, stelle er keinen eingeschränkten Antrag, im gleichen Umfang am Prozess beteiligt sei wie die Partei, der er beitrete; für die Art der Prozessführung käme es auf das wirtschaftliche Interesse des Nebenintervenienten nicht an. Zudem, so das OLG, würde häufig eine Ungewissheit über die genaue, etwaige Beteiligung des Nebenintervenienten  an der Hauptsache bestehen, die auch nicht einfach im Wege einer Schätzung gelöst werden könne, ggf. zur Beauftragung eines Gutachters zur Streitwertbemessung führen könne.

Zwar mag vorliegend eine Eingrenzung, wie der Kläger meint, möglich sein, was aber an der Maßgeblichkeit des Hauptsachestreitwerts nichts ändern könne. Die Beklagte habe der Streithelferin unbegrenzt den Streit verkündet (§ 72 ZPO) und diese sei dem Rechtsstreit unbeschränkt beigetreten. Wenn die Parteien wirksam unangemessene Ergebnisse bei der Streitwertbemessung vermeiden wollen, läge es an ihnen, nicht oftmals unzählige unbeschränkte Streitverkündungen auszusprechen, sondern eine Streitverkündung ausdrücklich zu beschränken, was hier nicht erfolgt sei.

Anmerkung: Der vom OLG übernommenen Rechtsprechung des BGH ist grundsätzlich beizutreten und gerade auch zu beachten, dass der Streitverkünder es durch eine Beschränkung des Umfangs der Streitverkündung (hier auf die klägerseits benannten 5 Positionen)  vermeiden kann, dass die Kosten der Nebenintervention aus einem niedrigeren Streitwert zu bemessen sind, als es der Hauptsreitwert zuließe. Die Kosten des Streithelfers treffen letztlich nur die Partei, der der Streithelfer nicht als Nebenintervenient beitritt, soweit dieser unterliegt (§ 101 ZPO). Allerdings kann es dem Streitverkünder letztlich egal sein, wenn er sich gewiss ist, dass der Streitverkündete ihm beitritt. Die Partei, die nicht den Streitverkündet, kann nicht eine Beschränkung erklären.  Zu denken wäre daran, dass trotz der Streitverkündung die andere Partei einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellen kann (§71 ZPO). Dann müsste der Nebenintervenient in einem Zwischenstreit sein rechtliches Interesse an der Nebenintervention glaubhaft machen und das Gericht durch Zwischenurteil (welches mit sofortiger Beschwerde angefochten werden kann) entscheiden. Vorliegend lag auch nach Ansicht des Klägers ein rechtliches Interesse (an fünf Positionen) auf Seiten des Nebenintervenienten vor, aber nicht in Bezug auf die anderen Positionen. Ob dieser Umstand allerdings dazu führen kann, die Nebenintervention - wird ein weitergehendes Interesse durch den Nebenintervenienten nicht glaubhaft gemacht – auf die entsprechenden Positionen einzuschränken erscheint unwahrscheinlich. Das Gesetz sieht vom Wortlaut keine entsprechende Einschränkung an der Nebenintervention vor, wenn nur ein rechtliches Interesse zu einem Teil des Streitgegenstandes besteht. Allenfalls ließe sich dies aus § 101 ZPO schließen, auf den das OLG Rostock abstellt, da dort von den durch die Nebenintervention bedingten Kosten abgestellt wird. Tritt der Nebenintervenient dem Rechtstreit in vollem Umfang bei, ohne dass dies gerügt wird, wird man kaum seine Kosten mit dem erweis auf § 101 ZPO reduzieren können (wie es das OLG Rostock vornahm), da dadurch die wirksame Nebenintervention zum Rechtsstreit insgesamt in Frage gestellt würde, was aber nach rügeloser Verhandlung mit dem Beigetretenen nicht mehr möglich ist (OLG Köln, Beschluss vom 04.05.2010 - I-16 W 6/10 -), da in diesem Fall die Nebenintervention notwendig den Hauptsachestreitwert umfasst. Da aber eine auf bestimmte Punkte beschränkte Nebenintervention möglich ist, kann sich § 101 auch lediglich auf diesen Umstand beziehen, weshalb sich aus § 101 ZPO nichts für eine Beschränkung der Nebenintervention nur auf die Position ableiten lässt, für die ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten glaubhaft gemacht ist. Ob § 71 ZPO dahingehend ausgelegt werden kann, dass eine Nebenintervention nur insoweit zulässig ist, soweit ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten besteht, eine darüberhinausgehende Nebenintervention ausgeschlossen werden kann, wurde, soweit für mich ersichtlich, bisher nicht entschieden. Eine derartige Beschränkung lässt sich aus dem Wortlaut nicht entnehmen und dürfte wohl eher zu verneinen sein.

OLG München, Beschluss vom 03.04.2024 - 9 W 421/24 Bau e -)