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Freitag, 4. Juni 2021

Anwaltliche bei Ehegattentestament und Gebühren (Beratungs- oder Geschäftsgebühr ?)

Die Kläger waren Eheleute und wollten ein Testament aufsetzen. Dazu suchten sie den beklagten Rechtsanwalt auf, von dem sie sich beraten ließen. Dieser entwarf dann ein gemeinschaftliches Testament für die Eheleute, nach dem sich diese wechselseitig als Erben einsetzten. Mit dem Entwurf überließ der Beklagte den Klägern eine Abschlagsrechnung über € 1.808,80, woraufhin die Kläger das Mandat kündigten. Nunmehr rechnete der Kläger endgültig ab und machte eine 1,0fache Geschäftsgebühr gem. § 2 Abs. 2 RVG Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer geltend; als Wert setzte er den Betrag von € 450.000,00 ein.  Den sich daraus ergebenden Betrag von € 3.704,47 zahlten die Beklagten. Danach forderten sie Rückzahlung in Höhe von 3.293,92 und macht geltend, der Beklagte hätte lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1 RVG in Höhe von € 250,00 eine Mehrgebühr (Vertretung von zwei Auftraggebern) von 0,3 gem. § 2 Abs. 2 RVG Nr. 1008 VV RVG mit € 75,00 nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer (insgesamt € 410,55) berechnen dürfen. Das Amtsgericht wies die Klage ab; auf die Berufung wurde dessen Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Die zugelassene Revision wurde zurückgewiesen.

Der BGH verwies darauf, dass das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bei der außergerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit zwischen Beratung und Vertretung des Mandanten unterscheide. Die Beratung richte sich nur an den Mandanten und die Vergütung sei in § 34 RVG geregelt. Bei der Vertretung sie schon sprachlich ein Dritter erforderlich, gegenüber dem die Vertretung erfolge; diese werde mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 VV RVG vergütet. Ob Beratung oder Vertretung vorliege richte sich nach dem Inhalt des Auftrags.

Die auf die Erstellung eines Entwurfs eines Testaments gerichtete Tätigkeit eines Rechtsanwalts stelle sich als Beratung dar. Es läge weder das betreiben eines Geschäfts noch die Mitwirkung an der Gestaltung eines Vertrags iS. der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG vor. Beratung und Entwurfs des Testaments beträfen nur den Mandanten, der das Testament errichten wolle. Dies würde auch dann gelten, wenn bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaf zwei aufeinander abgestimmte Testamente erstellt werden sollen.  Alleine die Kenntnis der zwei Mandanten von dem jeweiligen Testament des Anderen reiche für eine nach außen gerichtete Tätigkeit („Vertretung“) nicht aus, da beide zusammen den Auftrag erteilt hätten. Anders als bei einem Erbvertrag würde auch eine Mitwirkung an einem Vertrag iS. der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG nicht begründen können, da jeder der Testierenden sein Testament jederzeit widerrufen oder ändern  könne (§ 2302 BGB).

Für ein gemeinschaftliches Testament sei umstritten, ob eine Geschäftsgebühr anfalle und der BGH habe dies bisher offen gelassen. Nunmehr stellte der BGH klar, dass die Mitwirkung bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments kein Betreiben eines Geschäfts sei. Sie beträfe nur die Eheleute bzw. Lebenspartner, die das Testament errichten wollen (§§ 2265 Abs. 10 BGB, 10 Abs. 4 LPartG). Der Rechtsanwalt würde hier nicht die Interessen eines Testierenden gegen den jeweils anderen vertreten, da bei Auftraggeber seien, was auch im Hinblick auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen ergäbe (§ 43a Abs. 4 BRAO) problematisch wäre.

Es handelt sich dabei auch nicht um eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages, selbst wenn das Testament wechselbezügliche Verfügungen (§§ 2270, 2271 BGB) enthalte. Der Vertrag würde durch korrespondierende Willenserklärungen der Vertragspartner nach §§ 145ff BGB geprägt (Angebot und Annahme), demgegenüber das Testament durch eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung errichtet würde (§ 1937 BGB). Das gemeinschaftliche Testament enthalte einseitige Verfügungen beider Eheleute/Lebenspartner, die durch wechselbezügliche Verfügungen voneinander abhängig gemacht werden könnten. Auch dies stelle einseitige Erklärungen der Eheleute dar.

Nr. 2300 VV RVG könne auch nicht durch erweiternde Auslegung über den in der Vorbemerkung zu der Bestimmung eine zusätzliche Fallgruppe, bezogen auf den Fall des gemeinschaftlichen Testaments, erfolgen. Dies schon deshalb, da auch ohne die erweiternde Auslegung über § 34 RVG eine angemessene Vergütung des Rechtsanwalts erreicht würde, da der Rechtsanwalt eine Gebührenvereinbarung vorschlagen und bei Zustimmung abschließen könne.

BGH, Urteil vom 15.04.2021  - IX ZR 143/20 -

Montag, 8. Oktober 2018

Gemeinschaftliches Testament, Testierfreiheit für den Längerlebenden und Verschwiegenheitspflicht des beratenden Anwalts


Die Eheleute hatten in 2004 ein handschriftliches Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten und zum Schlusserben den gemeinsamen Sohn (Beteiligten zu 2.) bestimmten. Im Testament wurde ( zu Ziff. 2.) die Regelung aufgenommen, dass der überlebende Ehegatte „durch dieses Testament nicht beschwert oder beschränkt „ sein soll und „in jeder Weise frei verfügen“ können soll.  Nach dem Tot ihres Ehemanns errichtete die Ehefrau ín 2015 ein weiteres Testament und bestimmte in diesem die Beteiligte zu 1. Zur Alleinerbin, wobei sie den Beteiligten zu 2. ausdrücklich auf dessen Pflichtteil verwies. Nach dem Ableben der Ehefrau beantragte die Beteiligte zu 1. unter Berufung auf das Testament aus 2015 einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein. Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück. Hiergegen legte die Beteiligte zu 1. Beschwerde ein, in deren Rahmen des Nachlassgericht den Zeugen Rechtsanwalt A. anhörte, der sich auf seine Zeugnisverweigerungspflicht berief. Nach Nichtabhilfe der Beschwerde legte das Nachlassgericht den Vorgang dem OLG zur Entscheidung über die Beschwerde vor.

Das OLG wies das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1. zurück. Das Testament aus 2004 hindere die Wirksamkeit des Testaments der überlebenden  Ehefrau und der evtl. gewollte anderweitige Zweck der Regelung unter Ziffer 2. Könne nicht geklärt werden, da sich der evtl. auskunftsfähige RA A. auf eine bestehende Verschwiegenheitsverpflichtung berufen habe.

Mit dem Ableben des Ehemanns sei die Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 2. Nach § 2271 Abs. 2 S. 1 1. Halbs. BGB bindend geworden. Dass die Eheleute einen Änderungsvorbehalt in ihrem Testament aufgenommen hätten oder hatten aufnehmen wollen, sei nicht erkennbar.

Die Verfügung unter Ziffer 2. im Testament aus 2005 sei auslegungsbedürftig und –fähig.  Eine Formulierung der hier verwandten Art würde allgemein als klarstellender Hinweis angesehen, dass der Überlebende die volle Stellung eines unbeschränkten Erben haben solle, was sich auf lebzeitige Rechtsgeschäfte bezöge. Es sei nicht Ausdruck einer Verfügungsstellung über die Schlusserbfolge im Testament.

Umstände außerhalb der Urkunde, die hier der Formulierung eine anderweitige Bedeutung beimessen könnten, seien nicht ersichtlich. Hier sei lediglich eine Aussage des Zeugen RA A. in Betracht gekommen, der ggf. Angaben zu Entstehung der Regelung hätte machen können. Diese habe sich aber zulässig auf seine Verschwiegenheitspflicht berufen und von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Der Zeuge sei Rechtsanwalt gewesen (und sei es noch); es möge sein, dass er und die Erblasserin auch persönlich verbunden gewesen waren, doch habe sie ihn auch in ihren erbrechtlichen Angelegenheiten (2004 und/oder 2015 bliebe schon in Ansehung des Zeugnisverweigerungsrechts offen) konsultiert.

Der Zeuge sei nach dem Tot der Erblasserin nicht von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung befreit worden, § 385 Abs. 2 ZPO. Diese Entbindung sei lediglich durch die Erben möglich, mithin in einem Verfahren, in dem festgestellt werden solle, wer Erbe ist, durch alle in Betracht kommenden Erben. Vorliegend habe nur die Beteiligte zu 1. Ihn entbunden, nicht der Beteiligte zu 2.  Aber es käme die Möglichkeit der Entbindung (durch den oder die Erben) auch nur in Betracht,  soweit die Aussage lediglich Tatsachen im vermögensrechtlichen Bereich beträfen, da nur insoweit die Befreiungsbefugnis nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben übergehen könne. Eine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht durch den oder die Erben könne nicht erfolgen, soweit die höchstpersönliche Sphäre des Verstorbenen berührt sei.

Ein reiner Vermögensbezug sei aber bei dem Beweisthema eines etwaigen Änderungsvorbehalts ausgeschlossen, da notwendigerweise nicht nur Fragen des Verhältnisses der Eheleute zu ihrem Vermögen, sondern auch solche des Verhältnisses der Eheleute untereinander sowie zu dem gemeinsamen Sohn (dem Beteiligten zu 2.) betroffen wären.

Im Rahmen eines Erbscheinverfahrens käme zwar auch ein Rückgriff auf den mutmaßlichen, auf die Entpflichtung des Zeugen gerichteten Willens in Betracht. Die tragende Erwägung für einen entsprechenden Willen sei, dass dem verstorbenen an einer Aufklärung gerade im Hinblick auf die Wirksamkeit einer von ihm gewünschten Erbfolge gelegen sei. Hier spräche dagegen, dass der Zeuge RA A. auf den zu Lebzeiten der Erblasserin zur Nichtoffenbarung der maßgeblichen Tatsachen und Umstände geäußerten Willen auf dezidierte Nachfrage hingewiesen habe.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.04.2018 - 3 Wx 202/17 -