Das Landgericht hatte den Streitwert mit € 355.443,21 festgesetzt. Vom Kläger wurde nunmehr beantragt, den Streitwert für die Streithelferin (Nebenintervenientin) abweichend davon auf € 5.000,00 festzusetzen, da diese nur von fünf von 97 Positionen des Verfahrens betroffen gewesen sei. Von der Streithelferin wurde geltend gemacht, sie sei dem Verfahren insgesamt (und nicht nur bezogen auf die fünf Positionen) beigetreten. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das Landgericht nicht ab und sie wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.
Das OLG verwies darauf, dass teilweise die Auffassung vertreten würde, dass auf ein zu schätzendes eigenes Interesse des Streithelfers abzustellen sei (Anm: so z.B. OLG Rostosck, Beschluss vom 21.10.2009 - 3 W 50/08 - mit Hinweis darauf, dass § 101 ZPO auf die „durch eine Nebenintervention bedingten Kosten“ abstelle). Herrschende Meinung sei aber wohl, dass der Streitwert einer Nebenintervention mit dem Streitwert der Hauptsache übereinstimmen würde, wenn der Nebenintervenient am Prozess im gleichen Umfang beteiligt sei wie die Partei, der er beigetreten sei (bereits erstmals BGH, Beschluss vom 13.10.1959 - V ZR 294/57 ), unabhängig davon, ob er Anträge stellen würde (BGH, Beschluss vom 12.01.2016 - X ZR 109/12 -).
Das OLG folgte der bereits im Beschluss des BGH in 1959 geäußerten Rechtsansicht. Dort sei in Bezug auf die verfahrensrechtliche Stellung des Nebenintervenienten ausgeführt. Dass dieser mit seinem Beitritt eigene wirtschaftliche Interessen verfolge, er aber gleichwohl, stelle er keinen eingeschränkten Antrag, im gleichen Umfang am Prozess beteiligt sei wie die Partei, der er beitrete; für die Art der Prozessführung käme es auf das wirtschaftliche Interesse des Nebenintervenienten nicht an. Zudem, so das OLG, würde häufig eine Ungewissheit über die genaue, etwaige Beteiligung des Nebenintervenienten an der Hauptsache bestehen, die auch nicht einfach im Wege einer Schätzung gelöst werden könne, ggf. zur Beauftragung eines Gutachters zur Streitwertbemessung führen könne.
Zwar mag vorliegend eine Eingrenzung, wie der Kläger meint, möglich sein, was aber an der Maßgeblichkeit des Hauptsachestreitwerts nichts ändern könne. Die Beklagte habe der Streithelferin unbegrenzt den Streit verkündet (§ 72 ZPO) und diese sei dem Rechtsstreit unbeschränkt beigetreten. Wenn die Parteien wirksam unangemessene Ergebnisse bei der Streitwertbemessung vermeiden wollen, läge es an ihnen, nicht oftmals unzählige unbeschränkte Streitverkündungen auszusprechen, sondern eine Streitverkündung ausdrücklich zu beschränken, was hier nicht erfolgt sei.
Anmerkung: Der vom OLG übernommenen Rechtsprechung des BGH ist grundsätzlich beizutreten und gerade auch zu beachten, dass der Streitverkünder es durch eine Beschränkung des Umfangs der Streitverkündung (hier auf die klägerseits benannten 5 Positionen) vermeiden kann, dass die Kosten der Nebenintervention aus einem niedrigeren Streitwert zu bemessen sind, als es der Hauptsreitwert zuließe. Die Kosten des Streithelfers treffen letztlich nur die Partei, der der Streithelfer nicht als Nebenintervenient beitritt, soweit dieser unterliegt (§ 101 ZPO). Allerdings kann es dem Streitverkünder letztlich egal sein, wenn er sich gewiss ist, dass der Streitverkündete ihm beitritt. Die Partei, die nicht den Streitverkündet, kann nicht eine Beschränkung erklären. Zu denken wäre daran, dass trotz der Streitverkündung die andere Partei einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellen kann (§71 ZPO). Dann müsste der Nebenintervenient in einem Zwischenstreit sein rechtliches Interesse an der Nebenintervention glaubhaft machen und das Gericht durch Zwischenurteil (welches mit sofortiger Beschwerde angefochten werden kann) entscheiden. Vorliegend lag auch nach Ansicht des Klägers ein rechtliches Interesse (an fünf Positionen) auf Seiten des Nebenintervenienten vor, aber nicht in Bezug auf die anderen Positionen. Ob dieser Umstand allerdings dazu führen kann, die Nebenintervention - wird ein weitergehendes Interesse durch den Nebenintervenienten nicht glaubhaft gemacht – auf die entsprechenden Positionen einzuschränken erscheint unwahrscheinlich. Das Gesetz sieht vom Wortlaut keine entsprechende Einschränkung an der Nebenintervention vor, wenn nur ein rechtliches Interesse zu einem Teil des Streitgegenstandes besteht. Allenfalls ließe sich dies aus § 101 ZPO schließen, auf den das OLG Rostock abstellt, da dort von den durch die Nebenintervention bedingten Kosten abgestellt wird. Tritt der Nebenintervenient dem Rechtstreit in vollem Umfang bei, ohne dass dies gerügt wird, wird man kaum seine Kosten mit dem erweis auf § 101 ZPO reduzieren können (wie es das OLG Rostock vornahm), da dadurch die wirksame Nebenintervention zum Rechtsstreit insgesamt in Frage gestellt würde, was aber nach rügeloser Verhandlung mit dem Beigetretenen nicht mehr möglich ist (OLG Köln, Beschluss vom 04.05.2010 - I-16 W 6/10 -), da in diesem Fall die Nebenintervention notwendig den Hauptsachestreitwert umfasst. Da aber eine auf bestimmte Punkte beschränkte Nebenintervention möglich ist, kann sich § 101 auch lediglich auf diesen Umstand beziehen, weshalb sich aus § 101 ZPO nichts für eine Beschränkung der Nebenintervention nur auf die Position ableiten lässt, für die ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten glaubhaft gemacht ist. Ob § 71 ZPO dahingehend ausgelegt werden kann, dass eine Nebenintervention nur insoweit zulässig ist, soweit ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten besteht, eine darüberhinausgehende Nebenintervention ausgeschlossen werden kann, wurde, soweit für mich ersichtlich, bisher nicht entschieden. Eine derartige Beschränkung lässt sich aus dem Wortlaut nicht entnehmen und dürfte wohl eher zu verneinen sein.
OLG
München, Beschluss vom 03.04.2024 - 9 W 421/24 Bau e -)
Tenor
Die Beschwerde
der Kläger gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 07.02.2024, Az.
24 O 14346/16, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des
Beschwerdeverfahrens ist die Frage, inwieweit für einen Streithelfer abweichend
vom Hauptsachestreitwert für dessen Kostenfestsetzung ein gesonderter
Streitwert festzusetzen ist.
Nachdem das
Erstgericht durch Beschluss vom 05.01.2023 den Hauptsachestreitwert auf
355.443,21 € festgesetzt hatte, beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom
26.10.2023, nach gütlicher Streitbeilegung in der Berufungsinstanz, den
Streitwert für der Kostenfestsetzung der Streithelferin der Beklagten auf 5.000
€ festzusetzen, da die Streithelferin von den insgesamt streitigen 97
Positionen bestenfalls von 2 bis 4 Positionen berührt sei. Mit Beschluss des
Erstgerichts vom 07.02.2024 wurde dieser Antrag zurückgewiesen. Hiergegen
richtet sich die Beschwerde der Kläger gemäß Schriftsatz vom 15.02.2024, in dem
diese noch einmal - auch unter Bezugnahme auf ihren bisherigen Vortrag -
ausführlich zur Zusammensetzung des Hauptsachestreitwertes und zu den die
Streithelferin der Beklagten nur betreffenden strittigen Mängelbehauptungen in
Höhe von 4.815,30 € ausgeführt haben. Es würde zu einem völlig unangemessenen
und nicht vertretbaren rechtlichen Ergebnis führen, wenn man für alle (hier 12)
Streitverkündungsempfänger im Falle ihres Beitritts jeweils den gesamten
Hauptsachestreitwert zugrunde legen würde, obwohl pro
Streitverkündungsempfänger lediglich geringe Mängel strittig gewesen seien. Die
Streithelferin hat mit Schriftsatz vom 21.02.2024 Stellung genommen, verweist
nochmals auf ihren unbeschränkten Beitritt und die Rechtsprechung des BGH,
wonach es unerheblich sei, wie weit das wirtschaftliche Eigeninteresse des
Streitverkündeten reiche, denn dies beträfe nur das Innenverhältnis.
Mit Beschluss
vom 01.03.2024 hat das Erstgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige
Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zur Begründung wird zur Vermeidung
von Wiederholungen zunächst auf die in jeder Hinsicht zutreffenden,
sorgfältigen Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen, das bereits die
wesentlichen Rechtssätze herausgearbeitet hat. Zu ergänzen ist folgendes:
Die Frage, wie
der Streitwert der Nebenintervention zu bemessen ist, ist in Rechtsprechung und
Literatur umstritten:
In Teilen der
Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass auf das zu schätzende eigene
wirtschaftliche Interesse des Streithelfers am Obsiegen der Hauptpartei
abzustellen sei, das geringer sein könne als der Streitwert des Hauptprozesses
(Werner/Pastor/Frechen, 18. Aufl., Der Bauprozess, Kap. 2 Rn. 547 mwN zur
Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte unter Fn. 121).
Nach der wohl
herrschenden Meinung (BGH, Beschluss vom 30.10.1959, NJW 1960, 42; Beschluss
vom 11.12.2012 - II ZR 233/09, BeckRS 2013, 1256; OLG München, Beschluss vom
29.01.2010 - 13 W 634/10, BeckRS 2010, 13339; Beschluss vom 25.07.2018 - 9 U
1513/16 Bau; Beschluss vom 11.06.2019 - 9 W 635/19 Bau; BeckOK/ Wendtland, 52.
Ed. 1.3.24, ZPO, § 3 Rn. 27; MüKo/Wöstmann, 6. Aufl. 2020, ZPO, § 3
Rn. 103; Werner/Pastor/Frechen, aaO) stimmt der Streitwert einer durchgeführten
Nebenintervention in der Regel mit dem Streitwert der Hauptsache überein, wenn
der Nebenintervenient am Prozess im gleichen Umfang beteiligt ist wie die
Partei, der er beigetreten ist, wobei es nach Auffassung des BGH ohne Bedeutung
sei, ob der Nebenintervenient selbst Anträge gestellt hat (BGH, Beschluss vom
12.01.20216 - X ZR 109/12, NJW-RR 2016, 831).
Der Senat folgt
weiterhin der h.M., denn die vom BGH bereits in seiner Entscheidung aus dem
Jahr 1959 angestellten Überlegungen überzeugen auch heute. Zu Recht wird dort
auf die verfahrensrechtliche Stellung des Nebenintervenienten abgestellt und
ausgeführt: "Wenn er auch mit seinem Beitritt wirtschaftlich eigene
Interessen verfolgt, so ist er gleichwohl - falls er keinen eingeschränkten
Antrag stellt ... - am Prozess in dem gleichen Umfang beteiligt wie die Partei,
der er beigetreten ist .... Für die Art seiner Prozessführung macht es keinen
Unterschied, ob sein wirtschaftliches Interesse dem der Hauptpartei gleichkommt
oder ob es gar geringer oder höher ist. Das sind Fragen, die lediglich das
Innenverhältnis zwischen ihm und der von ihm unterstützten Partei betreffen
...." Hinzu kommt, dass, worauf der BGH ebenfalls zutreffend hinweist,
eine erhebliche Unsicherheit in das Wertfestsetzungsverfahren hineingetragen
werden würde, wollte man auf die jeweiligen wirtschaftlichen Belange, die
hinter dem Beitritt des Nebenintervenienten stecken, abstellen. Oft herrscht
Ungewissheit über die genaue, etwaige Beteiligung des Nebenintervenienten an
der Hauptsache und diese Ungewissheit kann auch nicht etwa "einfach"
im Wege der Schätzung, die oftmals nur ins Blaue hinein erfolgen könnte, was
Anlass zu weiterem Streit böte, oder gar durch Beauftragung eines Gutachters
nur zum Zwecke der Streitwertbemessung verlässlich und praxisnah beseitigt
werden. Dass im vorliegenden Fall jedenfalls nach Auffassung der Kläger eine
Eingrenzung möglich sein mag, ändert nichts daran, dass am Grundsatz der
Maßgeblichkeit des Hauptsachestreitwertes festzuhalten ist, denn hier wurde,
worauf das Erstgericht zu Recht hingewiesen hat, durch die Beklagte der Streit
gegenüber der Streithelferin unbegrenzt verkündet und diese trat dem
Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten unbeschränkt bei. Wollen die Parteien
wirksam unangemessene Ergebnisse bei der Streitwertbemessung der
Nebenintervention vermeiden, liegt es an ihnen nicht "einfach" - ohne
die dabei möglicherweise auflaufenden Kosten in den Blick zu nehmen - oftmals
unzählige, unbeschränkte Streitverkündungen auszusprechen, sondern eine
Streitverkündung ausdrücklich zu beschränken (so auch Werner/Pastor/Frechen,
aaO). Dies ist hier nicht geschehen und drängt sich auch nicht auf.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren nach § 68 Abs. 3 GKG ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
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