Die Eheleute hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Der überlebende Ehemann (Beteiligter zu 1) hatte beantragt, das hinterlegte Testament nur teilweise (ohne dessen Ziffer 3) zu eröffnen und bekannt zu geben. Mit Beschluss verwies das Nachlassgericht darauf, dass es gedenke das gesamte Testament zu eröffnen und den Beteiligten bekanntzugeben, mit der Begründung, dass zwar nach § 349 Abs. 1 FamFG trennbare Verfügungen des Überlebenden erst im zweiten Erbgang bekannt zu geben seien, es sich hier aber nicht um eine trennbare Verfügung handele. Die gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.
Obwohl es sich bei dem Beschluss nur um eine Zwischenentscheidung handelte, sah das OLG die Beschwerde als zulässig an, da sie hier wegen der Schwere der aus ihr möglicherweise folgenden Rechtsverletzung wie eine Endentscheidung zu behandeln sei und damit der Beschwerdeweg nach § 59 FamFG eröffnet sei (so auch bereits OLG München, Beschluss vom 07.04.2021 - 31 Wx 108/21 -).
Das Nachlassgericht habe das in seiner Verwahrung befindliche Testament zu eröffnen, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlange, § 348 Abs. 1 FamFG. Grundsätzlich habe sich die Eröffnung auf das gesamte Schriftstück zu beziehen. Für die Eröffnung gemeinschaftlicher Testamente mache § 349 Abs. 1 FamFG insoweit eine Ausnahme, als im Geheimhaltungsinteresse des überlebenden Ehegatten dessen Verfügungen den übrigen Beteiligten nicht bekannt zu eben seien, soweit sie sich von den Verfügungen des Erstverstorbenen trennen ließen.
Vorliegend sei Ziffer 3 im gemeinschaftlichen Testament nicht trennbar. Die Rechtsprechung sei dahingehend einheitlich, dass die Trennbarkeit bei Verwendung der sprachlichen Mehrheitsform (Wir-Form“) nicht vorläge, ebenso nicht, wenn die Verfügungen von den Eheleuten mit „der Überlebende von uns“ oder „der Längstlebende von uns“ eingeleitet würden (z.B. OLG München aaO.; OLG Schleswig, Beschluss vom 23.11.2012 - 3 Wx 74/12 -). Dadurch würde zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur überlebende Ehegatte die Verfügung getroffen habe, sondern auch der Erstverstorbene. Unbeachtlich sei dabei, dass die Verfügung die der Erstverstorbene für den Fall, dass er der Längerlebende gewesen wäre, getroffen habe, würde nicht dadurch unwirksam, dass er nun Erstverstorbener ist; die Frage der Wirksamkeit der Verfügungen sei bei Eröffnung des Testaments gerade nicht zu prüfen (BGH, Beschluss vom 11.04.1984 - Iva ZB 16/83 -). Die Eheleute hätten es durch entsprechende sprachliche Formulierungen in der Hand gehabt, ihre jeweiligen Verfügungen in trennbarer Weise vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 02.02.1994 - 1 BvR 1245/89 -).
Auch der hier vorliegende Umstand, dass dem Überlebenden das Recht zur Änderung der unter Ziffer 3 benannten Verfügung eingeräumt worden sei, stünde einer Eröffnung nicht entgegen, Die Befugnis würde dem Überlebenden nicht genommen und die Bekanntgabe setze auch für die weiteren Beteiligten keine Fristen hinsichtlich etwa der Ausschlagung oder Anfechtung der testamentarischen Verfügungen des Überlebenden für den Erbfall nach dem Längstlebenden in Lauf.
Hinweis: Soll das
Testament im Fälle des Todes des Erstversterbenden nicht in Gänze eröffnet
werden, müssen die Eheleute (Lebenspartner) mithin deutlich in den jeweiligen
Verfügungen zum Ausdruck bringen, ob es sich nur um eine Verfügung von einem
von ihnen oder eine gemeinschaftliche Verfügung handelt. Die Wir-Form streitet
stets, unabhängig vom Inhalt, für eine gemeinschaftlich getroffene Verfügung.
Soll sie nur für einen von ihnen getroffen werden, muss dies ausgeführt werden
(z.B.: „Ich, XY ….“).
OLG Zweibrücken, Beschluss
vom 16.05.2024 - 8 W 13/24 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1)
gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Betzdorf vom
10.01.2024 wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte zu 1) hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die am
13.12.2013 verstorbene Erblasserin war verheiratet gewesen mit dem Beteiligten
zu 1).
Die Eheleute
haben unter dem 23.10.2019 vor der Notarin … in … ein gemeinschaftliches
Testament (UR-Nr.: … R) errichtet, das sie anschließend in amtliche Verwahrung
gegeben haben.
Nach dem Tod
der Erblasserin hat der Beteiligte zu 1) den Hinterlegungsschein für das
Testament sowie eine Sterbeurkunde betreffend die Erblasserin beim
Nachlassgericht eingereicht und in dem Begleitschreiben beantragt, das
Testament nur teilweise, nämlich ohne die Ziffer 3. zu eröffnen und bekannt zu
geben. Für den Fall, dass das Nachlassgericht dies anders handhaben wolle, hat
er um eine beschwerdefähige Entscheidung gebeten.
Das
Nachlassgericht hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss vom 10.01.2024
angekündigt, dass es beabsichtige, das notarielle gemeinschaftliche Testament
der Eheleute … sowohl vollständig zu eröffnen als auch vollständig den
Beteiligten bekannt zu geben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass § 349
Abs. 1 FamFG zwar besage, dass bei gemeinschaftlichen Testamenten
trennbare Verfügungen des Überlebenden nicht bekannt zu geben seien, es sich
jedoch im vorliegenden Fall bei der Verfügung Ziffer 3. um eine gemeinschaftliche
Verfügung handele, die nicht trennbar sei.
Gegen diesen
Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde, mit der er
weiterhin erstrebt, dass das gemeinschaftliche Testament nach dem Tod seiner
Ehefrau nur ohne den Inhalt der Ziffer 3. vom Nachlassgericht eröffnet und den
weiteren Beteiligten dann bekannt gemacht wird. Ob eine gesonderte Verfügung
vorliege, sei nicht nur nach sprachlichen Gesichtspunkten zu beurteilen,
sondern auch nach inhaltlichen. Entfalteten Verfügungen ihre Rechtswirkungen
erst nach dem zweiten Erbfall, seien sie auch nicht relevant und damit nicht zu
eröffnen. Dies gelte hier umso mehr als der überlebende Ehegatte nach dem
gemeinschaftlichen Testament befugt sei, diese Verfügungen noch zu ändern.
Zudem habe der überlebende Ehegatte ein schutzwürdiges Interesse daran, dass
die erst nach seinem Tod wirksam werdenden Verfügungen nicht vorher bekannt
gegeben würden.
Das
Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
II.
Die Beschwerde
des Beteiligten zu 1) ist statthaft und zulässig. Zwar handelt es sich bei dem
Beschluss des Nachlassgerichts vom 10.01.2024 formal nur um eine
Zwischenentscheidung, weil mit ihr nur angekündigt wird, dass das
gemeinschaftliche Testament vollständig eröffnet und bekannt gemacht werden
soll; jedoch ist die Entscheidung wegen der Schwere der aus ihr möglicherweise
folgenden Rechtsverletzung wie eine Endentscheidung zu behandeln, so dass die
Beschwerde nach § 58 FamFG eröffnet ist (vgl. OLG München, Beschluss vom
07.04.2021, Az.: 31 Wx 108/21, ZEV 2021, 575; OLG Schleswig. Beschluss vom
23.11.2012, NJW-RR 2013, 583; Gierl in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Auflage,
§ 349 FamFG Rdnr. 3, je m.w.N.).
Die Beschwerde
ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden und der Beteiligte zu 1) als
weiterer (Mit-)Testator beschwerdebefugt.
In der Sache
führt die Beschwerde indes nicht zum Erfolg. Vielmehr hat das Nachlassgericht
in dem angefochtenen Beschluss zutreffend entschieden, dass das
gemeinschaftliche Testament der Eheleute … bereits jetzt, nach dem Tod der
Erblasserin, vollständig zu eröffnen und den weiteren Beteiligten gegenüber
vollständig bekannt zu geben ist.
Gemäß
§ 248 Abs. 1 FamFG (Anmerkung: korrekt § 348 Abs. 1 FamFG) hat das Nachlassgericht ein in seiner Verwahrung
befindliches Testament zu eröffnen, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis
erlangt hat. Dabei hat sich die Eröffnung grundsätzlich auf das gesamte
Schriftstück zu beziehen. Denn die Wirksamkeit der Verfügung ist in diesem
Zusammenhang nicht zu prüfen und daher auch für die Frage des Umfangs der
Eröffnung unerheblich.
Bei der
Eröffnung eines gemeinschaftlichen Testaments macht § 349 Abs. 1
FamFG insoweit eine Ausnahme, als im Geheimhaltungsinteresse des überlebenden
Ehegatten oder Lebenspartners dessen Verfügungen den sonstigen Beteiligten
nicht bekannt zu geben sind, soweit sie sich von den Verfügungen des
Erstverstorbenen „trennen“ lassen. Dabei unterscheidet sich der in der
Vorschrift des § 349 Abs. 1 FamFG verwandte Begriff „trennen“ nicht
von dem in der - zwischenzeitlich aufgehobenen - Vorschrift des § 2273 BGB
a.F. verwandten Begriff „sondern“, der vom Gesetzgeber nur aus redaktionellen
Gründe ausgetauscht wurde (vgl. Muscheler in MüKo-FamFG, 3. Auflage 2019,
§ 349 Rdnr. 2).
Zu Recht ist
das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass die
von den Eheleuten unter der Ziffer 3. des gemeinschaftlichen notariellen
Testaments getroffenen Verfügungen nicht trennbar sind. Nach der einheitlichen
Rechtsprechung ist eine Trennbarkeit von Verfügungen nicht gegeben, wenn diese
sprachlich in Mehrheitsform („Wir-Form“) abgefasst sind oder von den Ehegatten
die Verfügungen mit „der Überlebende von uns“ oder „der Längstlebende von uns“
eingeleitet worden sind (vgl. OLG München, a.a.O., S. 576; OLG Schleswig,
a.a.O.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.07.2002, Az.: 3 W 141/02; NJW-RR
2002, 1662; Muscheler, a.a.O.; Rdnr 3; Gierl, a.a.O. Rdnr. 2; Zimmermann in
Sternal, FamFG, 21. Auflage, § 349 Rdnr 9, je m.w.N.). Denn damit hat
gerade nicht nur der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner diese Verfügung
getroffen, sondern auch der Erstverstorbene. Dass die Verfügung, die der
Erstverstorbene für den Fall, dass er der Längerlebende sein wird, getroffen
hat, dadurch unwirksam geworden ist, dass er nun der Erstverstorbene ist,
vermag daran nichts zu ändern, da die Frage der Wirksamkeit der Verfügungen bei
der Eröffnung eines Testaments gerade nicht zu prüfen ist (BGH, Beschluss vom
11.04.1984, Az.: IVa ZB 16/83, NJW 1984, 2098, 2099; OLG Schleswig, a.a.O.; OLG
Zweibrücken, a.a.O.; Muscheler, a.a.O., je m.w.N.). Dem stehen weder ein
Geheimhaltungsinteresse des Erblassers noch ein solches des überlebenden
(Mit-)Testators entgegen (vgl. BGH, a.a.O.; OLG München, a.a.O.; BVerfG, Beschluss
vom 02.02.1994, Az.: 1 BvR 1245/89, NJW 1994, 2535). Die Eheleute hätten es -
gerade auch bei notariellen Testamenten - in der Hand gehabt, durch
entsprechend anderweitige sprachliche Formulierungen ihre jeweiligen
Verfügungen in trennbarer Weise vorzunehmen (OLG München, a.a.O.; BVerfG,
a.a.O.; Zimmermann, a.a.O., Rdnr. 7).
Ebenso wenig
steht der Umstand, dass die Eheleute im vorliegenden Fall in ihrem
gemeinschaftlichen Testament dem Überlebenden das Recht zur Änderung der unter
der Ziffer 3. getroffenen Verfügungen eingeräumt haben, einer Eröffnung oder
Bekanntgabe entgegen. Denn diese Befugnis wird dem Überlebenden dadurch nicht
genommen und die Bekanntgabe setzt auch für die weiteren Beteiligten keine
Fristen hinsichtlich etwa der Ausschlagung oder Anfechtung der
testamentarischen Verfügungen des Überlebenden für den Erbfall nach dem
Längstlebenden in Lauf (vgl. Zimmermann, a.a.O.).
Da die
Beschwerde des Beteiligten zu 1) somit erfolglos bleibt, hat er gemäß § 84
FamFG die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der
Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird gemäß der Vorschrift des
§ 36 Abs. 3 GNotKG auf 5.000,00 € festgesetzt, da es letztlich nur um
das Geheimhaltungsinteresse des Beteiligten zu 1) geht, so dass der Wert des
Nachlasses insoweit keine Rolle spielt.
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