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Mittwoch, 11. September 2019

WEG-Verwalterwahl mit mehreren Bewerbern – wie ist sie durchzuführen ?


Häufiger als erwartet gestaltet sich wohl die Wahl des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft als formales Problem. Der BGH hat sich dazu geäußert. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach der Teilungserklärung (TE) bestimmte sich das Stimmrecht nach Mieteigentumsanteilen (MEA); Stimmenthaltungen sollten als nicht abgegebene Stimmen gelten, die ebenso wie die Stimmen nicht anwesender und gleichzeitig nicht vertretener Wohnungseigentümer bei der Feststellung der Stimmenmehrheit nicht mit berücksichtigt werden. Auf der maßgeblichen Wohnungseigentümerversammlung waren 935,35/1.000 MEW anwesend bzw. vertreten. Neben der bisherigen Verwalterin gab es drei weitere Bewerber um das Amt des Verwalters. Für jeden Bewerber ab es einen Beschlkussvorschlag; bei dem Beschlussvorschlag 1 handelte es sich um die bisherige Verwalterin, die Beschlussvorschlage 2 bis 4 betrafen die weiteren drei Bewerber. Bei der Abstimmung über den Beschlussvorschlag 1 entfielen auf die bisherige Verwalterin auf Ja-Stimmen 463,40/1.000 MES, auf Nein-Stimmen 382,25/1.000 MEA und auf Enthaltungen 89,70 MEA. Der Versammlungsleiter stellte darauf fest, dass damit die bisherige Verwalterin widergewählt worden sei und es keiner weiteren Abstimmungen zu den weiteren drei Bewerbern bedürfe. Die Kläger hatten diesen Beschluss (und den nachfolgenden Beschluss zum Verwaltervertrag) angefochten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Die (zugelassene) Revision der Beklagten wurde vom BGH abgewiesen.

Der BGH führte aus, dass die Wohnungseigentümer gem. § 26 Abs. 1 S. 1 WEG über Bestellung und Abberufung des Verwalters mit Stimmenmehrheit beschließen würden. Die Festlegung der Verfahrensweise bei Abstimmungen obliege, wenn in der TE / Gemeinschaftsordnung oder durch einen einfachen Geschäftsordnungsbeschluss nicht anderes festgelegt worden sei, dem Versammlungsleiter. Dieser könne nach pflichtgemäßen Ermessen den Abstimmungsmodus, insbesondere die Reihenfolge der Abstimmungsfragen, festlegen. Ferner könne er im Rahmen dieses Ermessens auch darüber bestimmen, welches Wahlverfahren durchgeführt werden soll, wenn es (wie hier) mehrere Bewerber um da Amt gäbe. Insoweit käme in Betracht:
  •      Jeder Wohnungseigentümer habe bei einer nacheinander erfolgenden Abstimmung über die einzelnen Bewerber nur eine Ja-Stimme.
  •     Jeder Wohnungseigentümer könne in jedem Wahlgang, unabhängig von seiner vorherigen Stimmabgabe von seinem Stimmrecht, und damit auch wieder von einer Ja-Stimme, Gebrauch machen.
Vorliegend habe der Versammlungsleiter gemäß dem ihm zustehenden Ermessen die Kandidaten, beginnend mit der bisherigen Verwalterin, zur Abstimmung gestellt. Fehlerhaft sei allerdings der Abbruch der Abstimmung nach dem ersten Wahlgang gewesen.

Es müsse, stehen mehrere Bewerber zur Wahl, über jeden Bewerber abgestimmt werden. Dies dürfe nur unterbleiben, wenn ein Bewerber die absolute Mehrheit erreiche und die Wohnungseigentümer nur eine Ja-Stimme insgesamt abgeben dürften. Läge diese Voraussetzung nicht vor, dürfe die Abstimmung über die weiteren Bewerber nicht abgebrochen werden, da nicht festgestellt werden könne, ob die erforderliche Mehrheit erreicht wurde.

Grundsätzlich käme es zwar bei der Bestimmung der Mehrheit iSv. § 25 Abs. 1 WEG allein entscheidend auf die Ja-Stimmen an, da Enthaltungen wie bei (auch kurzzeitig) abwesenden und nicht vertretenen Eigentümern nicht mitgezählt würden. Stünden aber mehrere Bewerber zur Auswahl, sei die Abstimmung über jeden einzelnen Bewerber nur ein Teilakt eines als Einheit anzusehenden Verfahrens. Die relative Mehrheit für einen Bewerber sei nicht ausreichend, wenn mehr als zwei Kandidaten zur Auswahl stünden.

Bei einem Wahlverfahren, bei dem unabhängig von der vorangegangenen Stimmabgabe das Stimmrecht bei jedem Wahlgang umfassend ausgeübt werden könne, also jeweils mit Ja gestimmt werden kann, könnten auch nachfolgende Bewerber mehr Ja-als Nein-Stimmen auf sich vereinigen, wobei es auch möglich sei, dass zwei oder mehr Bewerber die Stimmen aller Wohnungseigentümer erhalten. Dieses Wahlverfahren eröffne die Möglichkeit, dass nach einer persönlichen Präferenzordnung abgestimmt würde, also etwa ein Bewerber bevorzugt, aber auch andere für annehmbar gehalten würden. Würde über den bevorzugten Bewerber erst später abgestimmt, müsse der Eigentümer auch insoweit die Möglichkeit haben sein Stimmrecht auszuüben, weshalb der Willensbildungsprozess der Wohnungseigentümer erst nach dem letzten Wahlgang abgeschlossen sei.

Würde ein Wahlverfahren festgelegt, wonach jeder Eigentümer nur eine Ja-Stimme habe, müssten grundsätzlich auch alle Bewerber zur Abstimmung gestellt werden. Zwar könnten diejenigen Miteigentümer, die im ersten oder nachfolgenden Wahlgang bereits mit Ja gestimmt hätten, bei weiteren Wahlgang nicht mehr mit Ja stimmen; diejenigen, die aber mit Nein gestimmt hätten oder sich enthalten hätten, könnten jeweils mit Ja stimmen. Die Abstimmung über alle Bewerber müsste in diesem Verfahren nur dann nicht fortgeführt werden, wenn ein Bewerber in einem Wahlgang bereits die absolute Mehrheit erzielt habe und weitere Wahlgänge an diesem Ergebnis nichts mehr ändern könnten.

Damit stünde vorliegend nicht fest, dass die bisherige Verwalterin mit der notwendigen Stimmenmehrheit wiederbestellt worden sei. Dabei könne offen bleiben, welches der benannten Wahlverfahren der Versammlungsleiter vorliegend angewandt habe. Jedenfalls habe die bisherige Verwalterin nicht die absolute Stimmenmehrheit auf sich vereinigt, weshalb bereits deshalb der Abbruch der weiteren Abstimmung unzulässig gewesen sei (Anm.: die absolute Stimmenmehrheit hätte 467,68 Stimmen bedurft). Damit sei der Beschluss über die Verwalterbestellung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, weshalb auch der Beschluss über den Verwaltervertrag mit der bisherigen Verwalterin als ungültig zu erklären war.

BGH, Urteil vom 18.01.2019 - V ZR 324/17 -

Dienstag, 10. September 2019

WEG: Die Voraussetzungen für einen „Abmahnbeschluss“ (und Entziehung des Wohnungseigentums) bei rechtsmissbräuchlicher Rechtsausübung


Direkt nach einer Wohnungseigentümerversammlung vom 31.08.2016, an der sie nicht teilnahmen,  forderten die Kläger die Verwalterin auf, ihnen eine Kopie aus der Beschlusssammlung bis 05.09.2016 zu überlassen und wiesen die Verwalterin drauf hin, dass diese, komme sie dem nicht nach, aus wichtigen Grund wegen Pflichtverletzung abberufen werden könne. Auf einer von den Klägern begehrten Eigentümerversammlung beschlossen die beklagten Mitglieder der WEG eine Abmahnung der Kläger, in der sie darauf hinwiesen, dass die Kläger es seit Jahren darauf anlegen würden, die jeweiligen Verwalter durch permanente Aufforderung zum Rücktritt und Ankündigung der Abwahl zu zermürben, womit sie es darauf anlegen würden, die Gemeinschaft in eine verwalterlosen Zustand zu treiben. Der Vorverwalter habe deshalb bereits seinen Vertrag nicht verlängert und eine Zerrüttung drohe nun auch mit der erst seit dem 01.01.2016 amtierenden neuen Verwalterin.


Die Klage, Berufung und auch (zugelassene) Revision der Kläger gegen diesen Abmahnbeschluss blieb erfolglos.

Die Klage sei zulässig. Auch wenn die Abmahnung durch die Verwalterin selbst oder einzelne Wohnungseigentümer hätte ausgesprochen werden können, ohne dass dies anfechtbar wäre (BGH, Urteil vom 19.01.2007 - V ZR 26/06 -), hätte die Eigentümer das Recht, die Abmahnung qua Beschluss auszusprechen und sei dieser Beschluss wie jeder andere Beschluss anfechtbar, auch wenn bei einer erfolgreichen Beschlussanfechtung die rechtliche Wirkung der Abmahnung nicht beseitigt würde, wenn der Beschluss den Anforderungen an eine Abmahnung entspräche.

Im Beschlussanfechtungsverfahren würde der Abnahmebeschluss lediglich darauf überprüft, ob die formellen Voraussetzungen der Beschlussfassung eingehalten worden seien, ob das abgemahnte Verhalten einen Entziehungsbeschluss rechtfertigen könnte und ob die Abmahnung hinreichend bestimmt sei. Die Prüfung der materiellen Richtigkeit der Abmahnung (ob also ein entsprechendes Verhalten tatsächlich vorlag) würde aber erst nach einem Entziehungsbeschluss in einem folgenden gerichtlichen Entziehungsprozess geprüft werden (BGH, Urteil vom 08.07.2011 - V ZR 2/11 -).  In diesem im Beschlussanfechtungsverfahren zu prüfenden Umfang sei der Beschluss nicht zu beanstanden.

Allerdings könne die Entziehung des Wohnungseigentums im Grundsatz nicht auf die Ausübung von Eigentümerrechten durch den betroffenen Wohnungseigentümer gestützt werden. Der einzelne Wohnungseigentümer habe, auch in Ansehung seines Anspruchs auf ordnungsgemäße Verwaltung (§ 21 Abs. 3 bis 5 WEG) das Recht, sich mit Anträgen an die Verwaltung zu richten, Anträge bei Wohnungseigentümerversammlungen zu stellen und gefasste Beschlüsse durch Anfechtung oder Beschlussersetzungsklage gerichtlich überprüfen zu lassen. Sein diesbezügliches Verhalten könne nicht zur Entziehung des Wohnungseigentums führen, da er ansonsten seine Rechte nicht unbefangen und effizient ausüben könne.

Die Geltendmachung von Eigentümerrechten könne aber rechtsmissbräuchlich sein und, wenn dieses Verhalten ein entsprechendes Gewicht habe, auch die Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG rechtfertigen. Die Rechte des Wohnungseigentümers würden unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben  (§ 242 BGB) stehen. So könnte eine Beschlussanfechtungsklage, bei der der Eigentümer in Kenntnis des Verfahrensmangels zugestimmt habe, wegen widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich oder mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig sein. Rechtsmissbräuchlichkeit könne aber auch in Ansehung der Ziele vorliegen (so für eine Vollstreckungsgegenklage, die prozessfremden Zielen diene, BGH, Urteil vom 21.10.2016 - V ZR 1/08 -; bei Klagen eines Aktionärs gegen Beschlüsse, nur um die Gesellschaft in eigennütziger Weise zu veranlassen, ihm Leistungen zu gewähren). Entsprechendes gelte für die Wahrnehmung von Eigentümerrechten, wenn diese zur Verfolgung von wohnungseigentumsfremder oder gar –feindlicher Ziele eingesetzt würden. Hier seien aber strenge Anforderungen zu stellen, da es um den Kernbereich der elementarer Mitgliedschaftsrechte ginge. Alleine die fehlende oder unzureichende Begründung einer Beschlussanfechtungsklage reiche nicht, ebenso wenig die der Umfang (wie zahlreiche Anfechtungsklagen). Auch auf den Erfolg dieser Klagen käme es nicht an. Rechtsmissbrauch läge auch nicht bei querulatorischen Anfechtungsklagen vor.

Vorliegend sei aber ein Rechtsmissbrauch anzunehmen. Nah dem Beschluss sollen es die Kläger seit Jahren darauf angelegt haben, die jeweiligen Verwalter durch Aufforderungen zum Rücktritt und Ankündigungen einer Abwahl versucht haben zu zermürben und die Gemeinschaft so in einen verwalterlosen Zustand zu treiben (die materielle Richtigkeit wurde nicht geprüft, da dies einem Entziehungsprozess vorbehalten bleibt). Damit stützen sich die Beklagten nicht auf ein Antrags-, Abstimmungs- oder Klageverhalten der Kläger als solchem sondern darauf, dass diese ihre Eigentümerrechte zur Destabilisierung der Wohnungseigentümergemeinschaft missbrauchen würden.

Ein derartiger Missbrauch könne die Entziehung des Wohnungseigentums  rechtfertigen, da es im diametralen Gegensatz zum Kernanliegen des WEG läge, welches in der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Verwaltung läge. Dieses Ziel würde nach der Konzeption des WEG im Regelfall nur durch die Bestellung eines Verwalters, insbesondere bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften wie hier, erreicht. Würden die Verwalter vergrault, würden die kontinuierliche Pflege, Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, die geordnete Aufbringung der zu dieser Verwaltung benötigten Mittel, die Erfüllung gemeinschaftlicher Verpflichtungen und das Zustandekommen der für die Verwaltung erforderlichen Beschlüsse nicht mehr gesichert sein. Lege es ein Wohnungseigentümer darauf an, missbrauche er seine Rechte zu wohnungseigentumsfeindlichen Zwecken und verletzte durch diese Instrumentalisierung seiner Rechte die ihm gegenüber den übrigen Eigentümern und der Gemeinschaft obliegenden Pflichten grob, was den übrigen Eigentümern nicht zumutbar sei und die Entziehung des Wohnungseigentums rechtfertige.


BGH, Urteil vom 05.04.2019 - V ZR 339/17 -

Sonntag, 8. September 2019

WEG: Beschlussanfechtungsklage und Berechnung der Frist für die rechtzeitige Zahlung des Gerichtskostenvorschusses


Die Parteien, Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, hatten auf einer Eigentümerversammlung vom 16.06.2016 diverse von dem klagenden Miteigentümer mit am 13.07.2016 bei dem zuständigen Amtsgericht eingegangener Klage angefochten. Mit Schreiben des Gerichts vom 15.07.2016 wurde der Kläger gem. § 12 Abs. 1 GKG zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Dieser Vorschuss ging am 09.08.2016 bei der Gerichtskasse ein. Die Zustellung der Klage wurde daraufhin veranlasst und erfolgte am 17.08.2016. Mit am 16.08.2016 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz wurde die Klage vom Kläger begründet; zugleich hatte er wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung beantragt und die Klage um einen Verpflichtungs- und Feststellungsantrag erweitert.

Klage und Berufung gegen das klageabweisende Urteil blieben erfolglos. Die Abweisung erfolgte wegen Nichtwahrung der Klagefrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Berufung.

Anders als das Amts- und Landgericht nahm der BGH an, dass der Kläger die Klageerhebungsfrist gewahrt habe. Zwar sei die Zustellung der Klage nicht innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erfolgt, doch wirke die tatsächliche (spätere) Zustellung nach § 167 ZPO auf den Tag der Einreichung der Klage zurück, an dem die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Das in § 167 ZPO „demnächst“ sei erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten würden. Für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses, der für die Zustellung erforderlich ist, sei bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse abzustellen, sondern darauf, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge einer Nachlässigkeit des Klägers verzögert habe, um eine Überforderung des Klägers sicherzustellen (BGH, Urteil vom 10.07.2015 - V ZR 154/14;BGH Urteil vom 29.09.2017 - V ZR 103/16 -). Der Umstand, dass zwischen dem (zu Gunsten des Klägers unterstellten) Zugang der Gerichtskostenrechnung am 20.07.2016 und dem Eingang des Vorschusses bei der Gerichtskasse mehr als 14 Tage lägen, würd daher einer Annahme einer Zustellung „demnächst“ iSv. § 167 ZPO nicht entgegen stehen. Festzustelle sei, ob dem Kläger eine Verfahrensverzögerung von mehr als 14 Tagen vorgeworfen werden könne.

Diese Frage verneinte der BGH. Die zahlungspflichtige Partei müsse nicht am gleichen Tag zahlen, an dem ihr die Zahlungsaufforderung zugehen würde. Es sei eine Zeitspanne zu berücksichtigen, die die Partei im Normalfall benötigen würde, um für eine ausreichende Kontendeckung zu sorgen und die Überweisung zu veranlassen. Hier sei in der Regel (dies könne sich nach den Umständen des Falls verlängern, BGH Urteil vom 29.09.2017 - V ZR 103/126 -) eine Woche. Das würde bedeuten: Eine Untätigkeit zur Einzahlung nach Zugang der Vorschussanforderung am 20.07.2016 könnte dem Kläger bis zum  27.07.2016 nicht vorgeworfen werden. Der maßgebliche Zeitraum der 14 Tage hätte am 28.07.2016 begonnen und wäre daher erst am 10.08.2016 abgelaufen. Die Zahlung sei aber bereits am 09.08.2016 bei der Gerichtskasse eingegangen. Aber auch wenn man von einem Zugang der Gerichtskostenrechnung bereits am Montag, 18.07.2016 oder früher ausgehen wollte, wäre eine zurechenbare Verzögerung nicht angenommen werden: Zwar wären unter Zugrundelegung der Wochenfrist zur Überweisung und der weiteren 14 Tage diese Fristen bereits am Montag, 08.08.2016 abgelaufen gewesen, weshalb der Zahlungseingang am 09.08.2019 an sich später gewesen wäre. Allerdings könne dem Kläger kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er nach Einreichung der Anfechtungsklage bis zum Ablauf der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG (ein Monat nach Beschlussfassung) nicht unternommen habe. Würde eine Klage bereits vor Ablauf einer durch Zustellung zu wahrenden Frist eingereicht, erfolge die Zustellung der Klage aber erst nach Ablauf der Frist, seien bis zum Fristablauf eingetretene Versäumnisse in die maßgebliche 14-Tage-Frist nicht mit einzurechnen (BGH, Urteil vom 25.09.2015 - V ZR 2013/14 -; BGH, Urteil vom 29.09.2017 - V ZR 103/16 -). So sei es vorliegend: Die maßgebliche Klagefrist war Montag, der 18.07.2016 (der 16.06,2016 sei ein Samstag gewesen, der nach § 222 ZPO ausscheidet). Eine bis dahin eingetretene Versäumnis sei dem Kläger daher nicht zuzurechnen. Für § 167 ZPO käme es also nur auf die relevante Verzögerung ab dem 19.07.2016 an. Unter Berücksichtigung der Erledigungsfrist (bis spätestens 26.07.2016) wäre daher der Vorschuss am 09.08.2019 noch innerhalb des zuzubilligenden 14-Tage-Zeitraums erfolgt.  

Das angefochtene Urteil wurde vom BGH aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

BGH, Urteil vom 17.05.2019 - V ZR 34/18 -

Donnerstag, 18. Juli 2019

Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums: Kein Kostenerstattungsanspruch bei eigenmächtiger Vornahme


In der Teilungserklärung (TE) der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) war geregelt, dass die Wohnungseigentümer für Instandhaltung und Instandsetzung ihrer Wohnung sowie der dem Sondereigentum zugeordneten Sondernutzungsbereiche einschl. der darin befindlichen Anlagen und Ausstattungen (auch wenn sie im gemeinschaftlichen Eigentum stehen) auf eigene Kosten verpflichtet sind. Umfasst sind danach auch „die Fenster einschließlich der rahmen, der Verglasung und der Beschläge, jedoch ausschließlich des Farbanstrichs der Außenseite der Fenster und Wohnungsabschlusstüren“. Nachdem bereits einige Wohnungseigentümer ihre Wohnungen mit modernen Kunstoffenster ausstatteten, ließ der Kläger 2005 die einfach verglasten Holzfenster aus 1972 durch Kunststofffenster mit Dreifachisolierverglasung ersetzen. Bis zur Entscheidung des BGH vom 02.03.2012 - V ZR 174/11 - gingen die die Wohnungseigentümer davon aus, dass nach der Regelung in der TE davon aus, dass eine notwendige Erneuerung der Fenster auch ihnen obliege.

Der Kläger, der für die Erneuerung € 5.524,78 aufwandte, verlangte von der WEG einen Wertersatz in Höhe von € 5.500,00. Klage und Berufung blieben erfolglos; die zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Richtig sei, dass (siehe Urteil vom 02.03.2012) die vollständige Erneuerung der Fenster im Bereich des Sondereigentums eine gemeinschaftliche Aufgabe der WEG sei, da sie zwingend im Gemeinschaftseigentum stünden (§ 5 Abs. 2 WEG) weshalb nach der zwingendne Kompetenzzuweisung die WEG für deren Austausch zuständig sei (§ 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 WEG bzw. § 22 WEG) und die Kosten zu tragen habe (§ 16 WEG). Nur bei einer klaren und eindeutigen Regelung der Wohnungseigentümer in einer Vereinbarung (Teilungserklärung) könne davon abgewichen werden. Da vorliegend der Außenanstrich der Fenster im Bereich des Sondereigentums von der dem Wohnungseigentümer auferlegten Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht ausgeschlossen, sei damit auch die vollständige Erneuerung der Fenster nicht erfasst.

Ein Erstattungsanspruch des Klägers käme nur nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1 BGB) oder aus Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB) in Betracht. Diese Vorschriften würden aber hier nicht greifen (BGH, Urteil vom 25.09.2015 - V ZR 246/14 -). Die Eigentümer hätten einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG), wozu nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG insbes. die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gehöre. Diesbezüglich hätten die Wohnungseigentümer einen Gestaltungsspielraum unter Beachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit und Rücksichtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer, weshalb sie Kosten und Nutzen abwägen könnten und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückstellen könnten (zuletzt BGH, Urteil vom 04.05.2018 - V ZR 203/17 -). Da dies bei der Geschäftsführung ohne Auftrag und dem Bereicherungsrecht keinen Niederschlag fände, würden diese Normen der spezielleren Norm nachgehen. Das würde auch dann gelten, wenn die WEG die vom Eigentümer durchgeführten Maßnahmen ohnehin hätte vornehmen müssen.

Zwar habe der Senat im Urteil vom 25.09.2015 – V ZR 246/14 – (BGHZ 207, 40) noch entschieden, dass ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch bei einer Ermessensreduzierung auf Null bestünde. Diese Ansicht würde nicht aufrechterhalten.

Gegen diese Ansicht würden bereits Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten sprechen. Es würde voraussetzen, dass nur eine ganz bestimmte Maßnahme und ein sofortiges Vorgehen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Diese Voraussetzungen würden nur selten vorliegen und im Nachhinein, nach der Reparatur, nur schwer oder mit großen Aufwand feststellbar sein.  Aber auch bei einer Ermessensreduzierung auf Null bliebe ein Gestaltungsspielraum, z.B. ob die Maßnahme isoliert oder zusammen mit anderen Arbeiten durchgeführt werden soll, weshalb die Gemeinschaft auch über zwingend erforderliche und keinen Aufschub duldende Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten einen Beschluss fassen müssten.

Vorliegend sei die besondere Situation zu beachten, dass die Eigentümer davon ausgingen, dass sie selbst die Maßnahme vornehmen und finanzieren müssten, da in diesem Fall (und der Kläger will die Maßnahme auch mit der Verwaltung abgesprochen haben) keine Veranlassung besteht, einen Beschluss der Gemeinschaft herbeizuführen.

Der teilweise in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht, dass in diesem Fall ein Ausgleichsanspruch bestünde, folgt der BGH allerdings nicht. Nicht nur sei es schwierig, irrtümliches Handeln von eigenmächtigem Vorgehen abzugrenzen. Ein Ausgleich in diesen Fällen würde auch den schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümern zuwider laufen. Zwar müssten sie damit rechnen, dass es durch Mängel des Gemeinschaftseigentums zu unvorhergesehenen Ausgaben kommt; sie müssten aber ihre Finanzplanung nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten, herangezogen würden, wobei auch Schwierigkeiten bei einem zwischenzeitlichen Verkauf einer Wohnung auftreten könnten (da derartige Kosten für Käufer und Verkäufer nicht kalkulierbar wären).  

BGH, Urteil vom 14.06.2019 - V ZR 254/17 -

Donnerstag, 27. Juni 2019

WEG: Berechnung der Frist für Anfechtungsklage, § 46 Abs. 1 S. 2 WEG


Auf der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 16.06.2016 wurden mehrere Beschlüsse gefasst, von denen der Kläger einige mit seiner am 13.07.2016 bei dem zuständigen Amtsgericht (AG) eingegangenen Klage angefochten hatte. Mit Schreiben der Geschäftsstelle des AG vom 15.07.2016 wurde ein Kostenvorschuss angefordert (§ 12 Abs. 1 GKG), den der Kläger eingehend bei der Justizkasse am 09.08.2016 zahlte. Die Klage wurde sodann dem Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft am 17.08.2016 zugestellt. Das Amtsgericht wies die Klage wegen Versäumung der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG zurück. Die Berufung des Klägers vor dem Landgericht war nicht erfolgreich. Auf seine (vom Berufungsgericht zugelassene) Revision hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG muss die Beschlussanfechtungsklage „innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet werden.“

Vorliegend wurde die Monatsfrist für die Zustellung der Klage (das wäre der 16.07.2016 gewesen) nicht gewahrt. Allerdings greift vorliegend nach Auffassung des BGH § 167 ZPO, wonach die spätere Zustellung auf den Tag der Einreichung der Klage (13.07.2016) zurück wirke, an dem die vorliegend die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen sei. § 167 ZPO lautet:

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Entscheidend ist dabei das Merkmal „demnächst“, welches erfüllt sei, wenn die eine der Partei zuzurechnende Verzögerung noch in einem hinnehmbaren Rahmen halte. Im Hinblick auf die notwendige Vorschusszahlung nach § 12 Abs. 1 GKG seien sich der 5. und 7. Zivilsenat des BGH darin einig, dass dies dann der Fall sei, wenn eine Frist von 2 Wochen eingehalten würde, die allerdings nicht auf die Zeitspanne zwischen Rechnungseingang und Zahlung abstelle, sondern darauf, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert habe. Damit soll eine Überforderung des Klägers ausgeschlossen werden. Dies hätte zur Folge:

Geht man zugunsten des Klägers von einem Zugang der Gerichtskostenrechnung am 20.07.2016 und den Eingang der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse am 09.08.2016 aus, würde der Annahme einer Zustellung „demnächst“ nichts im Wege stehen, da die Verfahrensverzögerung von mehr als 14 Tagen dem Kläger nicht vorgeworfen werden könnte. Ein Tätigwerden am Tag des Eingangs der Zahlungsaufforderung sei nämlich nicht erforderlich. Zu berücksichtigen sei auch die Zeitspanne, die die Partei für gewöhnlich benötige, um sich die finanziellen Mittel zu beschaffen und Zahlung zu veranlassen; hierzu sei der Partei eine Erledigungsfrist von einer Woche (nach den Umständen evtl. verlängerbar, vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2017 – V ZR 103/15 -) zuzugestehen. Die Frist wär damit bei dieser Berechnung vorliegend am 10.08.2016 abgelaufen gewesen; das Geld ging mit dem 09.08.2016 daher rechtzeitig ein.

Aber auch wenn man mit dem Landgericht von einem (nicht näher dargelegten und mehr fiktiven) Zugang der Gerichtskostenanforderung am 18.07.2016 ausgehen wollte, könnte dem Kläger eine Verzögerung von mehr als 14 Tagen bei der Zustellung nicht zugerechnet werden, weshalb sich der BGH mit dieser Fiktion des Landgerichts nicht weiter auseinandersetzen musste und auseinandersetzte. Zwar sei dann der Zeitraum für die Zahlungsfrist nach einer Woche und der weitere Zeitraum von 14 Tagen am 08.08.2016 abgelaufen gewesen und der Zahlungseingang am 09.08.2016 verspätet gewesen. Allerdings könne dem Kläger kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er ab Eingang der Klage bei Gericht bis zum Ablauf der Klagefrist gem. § 46 Abs. 1 S. 2 WEG untätig bliebe, da bei Einreichung der Klage vor Ablauf der zu wahrenden Zustellungsfrist, die Zustellung aber erst danach erfolge, seien bis zum Fristablauf auftretende Versäumnisse nicht in die maßgebliche 14-Tages-Frist einzurechnen: Da hier die Klagefrist erst am 18.07.2016 (Fristablauf am Samstag, 16.07.2016, deshalb nach § 222 Abs. 2 ZPO nachfolgender Werktag) ablief, käme es auf bis dahin eingetretene Versäumnisse nicht an. Eine relevante Verzögerung sei nach § 167 ZPO erst für die nachfolgende Zeit (ab 19.07.2016) bedeutsam, weshalb auch in diesem Fall die Zahlung am 09.08.2016 noch innerhalb der zulässigen Frist von zwei Wochen sowie einer weiteren Woche erfolgt sei.

BGH, Urteil vom 17.05.2019 - V ZR 34/18 -

Samstag, 22. Juni 2019

WEG: Keine geborene Vergemeinschaftung für Schadensersatz/Beseitigung wegen baulicher Veränderungen (Rechtsprechungsänderung)


Die Beklagte ließ fünf Dachflächenfenster einbauen; ihr nachtäglicher Antrag auf Genehmigung wurde auf einer Eigentümerversammlung der Wohnungseigentumsgemeinschaft (WEG) zurückgewiesen. Nunmehr klagten einige Wohnungseigentümer auf Beseitigung dieser Fenster und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.

Mit Beschluss vom 25.07.2017 (nach Zustellung der Klage) fasste die Eigentümergemeinschaft den Beschluss, dass die Gemeinschaft den Rückbauanspruch der übrigen Eigentümer gegen die Beklagte an sich ziehe; unberührt bleiben sollte ein eventueller Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft wegen des Einbaus. Gegen diesen Beschluss erhob der dortige Kläger Anfechtungsklage, der das Amtsgericht stattgab; auf die Berufung hob das Landgericht das Urteil auf und wies die Klage ab. Über die (zugelassene) Revision war noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH in dem vorliegenden ursprünglichen Rechtsstreit nicht entschieden.

In dem vorliegenden Rechtstreit hatte das Amtsgericht der Klage auch stattgegeben. Auch hier hob das Landgericht das Urteil auf und wies die Klage zurück. Auf die zugelassene Revision der Kläger hob der BGH das Urteil auf verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

Das Landgericht hatte eine Prozessführungsbefugnis der Kläger verneint. Zwar handele es sich bei dem Einbau der Fenster um eine optische Änderung des Gesamteindrucks des Gebäudes und stelle daher eine unzulässige Maßnahme nach § 22 Abs. 1 S. 1 WEG dar. Den auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB könne aber nur die teilrechtsfähige WEG geltend machen, was auch für den konkurrierenden Anspruch gemäß § 1004 BGB auf Beseitigung und Wiederverschließung des Daches gelte. Zwar könnten Wohnungseigentümer selbst Ansprüche nach § 15 Abs. 3 WEG oder § 1004 BGB selbst geltend machen; im Falle einer Anspruchskonkurrenz sei aber eine einheitliche Betrachtungsweise geboten, weshalb zur Verhinderung der Vereitelung eines Anspruchs der WEG die Ansprüche insgesamt durch die WEG geltend gemacht werden müssten.

Dem folgte der BGH nicht. Für das geltend gemachte Recht bestünde keine geborene Ausübungsbefugnis der WEG.

Nur soweit Wiederherstellung begehrt würde, habe der entscheidende Senat des BGH eine geborene Ausübungsbefugnis der WEG angenommen (Urteil vom 07.02.2014 - V ZR 25/13 -). Daran halte er nicht mehr fest. Es läge bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung des Gemeinschaftseigentums ausnahmsweise keine geborene Ausübungsbefugnis (§ 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 1 WEG), sondern nur eine gekorene Ausübungsbefugnis der WEG (§ 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 2 WEG) vor, wenn und soweit (wie hier vom Landgericht angenommen) sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen aus dem Miteigentum am Grundstück gem. § 1004 BGB stünden, was auch gelte, wenn damit auch der Wiederherstellungsanspruch umfasst würde.

Die vom Landgericht zutreffend angesprochene Anspruchskonkurrenz, die mangels einer Vergemeinschaftung bestünde. Da aber ein gleichzeitig von der WEG ein Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB geltend gemacht werden könnte und damit für den Anspruch des Eigentümers nach § 1004 BGB und dem der WEG nach § 823 BGB derselbe Streitgegenstand bestünde. Könne die Rechtsverfolgung nur gebündelt von der WEG oder durch die einzelnen Wohnungseigentümer erfolgen. Bei wertender Betrachtung müsse die Prozessführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers betreffend den Beseitigungsanspruch aus dem Miteigentum am Grundstück gem. § 1004 BGB insgesamt umfassen, also auch, soweit er auf die Wiederherstellung gerichtet ist, weshalb hier ausnahmsweise nur eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbandes (der WEG) bestünde. Bei der gekorenen Ausübungsbefugnis sei ausreichend, dass die Tätigkeit des Verbandes förderlich ist, bei der geborenen Ausübungsbefugnis müsse sie hingegen nach der Interessenslage erforderlich sein. Man könne hier auch nicht von dem nach § 1004 BGB klagenden Eigentümer verlangen, dass er sich nur mit der Beseitigung zufrieden gibt und darauf hofft, dass die Gemeinschaft die Wiederherstellung beschließt bzw. er einen entsprechenden Beschluss einklagen müsse, zumal einige Eigentümer von der baulichen Veränderungen mehr, andere weniger betroffen seien, weshalb es weder erforderlich noch wünschenswert sei, den Verband von vornherein mit der Durchsetzung und dem damit zusammenhängenden Kostenrisiko zu belasten.

Dagegen spräche auch nicht, dass damit das Wahlrecht des Verbandes zwischen Naturalrestitution und Geldersatz vereitelt würde. Für § 1004 BGB bestünde ein solches Wahlrecht nicht. In Ansehung der konkurrierenden Schadensersatzansprüche sei es hinnehmbar, dass der Verband nicht ohne weiteres Geldersatz verlangen könne, unabhängig davon, ob sich dies mit dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung iSv. § 22 Abs. 1 WEG überhaupt vereinbaren ließe.  

Der BGH wies ergänzend darauf hin, dass das Landgericht nach Zurückverweisung prüfen müsse, ob der Beschluss nichtig sei, mit dem die WEG die Ansprüche an sich gezogen habe (- gekorene - Vergemeinschaftung). Die Nichtigkeit könne und müsse unabhängig von der Anfechtungsklage geprüft werden, da die Nichtigkeit für und gegen alle wirkt und keiner Geltendmachung bedürfe, unabhängig von der entsprechenden Möglichkeit gem. § 43 Nr. 4 WEG. Würde es die Nichtigkeit nicht feststellen, müsste es das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Anfechtungsprozess entsprechend § 148 ZPO aussetzen. Die entsprechende entsprechende Anwendung des § 148 ZPO sei geboten, da eine Entscheidung in der Sache mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar sei.

BGH, Urteil vom 26.10.2018 - V ZR 328/17 -

Mittwoch, 5. Juni 2019

WEG: Kostentragung bei Mehrfachparkern


Die Klägerin war Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG); mit dem Sondereigentum der Klägerin war das an zwei oben auf einem Vierfachparker belegen Kfz-Stellplätzen verbunden.  Die Gemeinschaftsordnung (GO) als Teil der Teilungserklärung (TE) enthielt in § 7 zu den Instandhaltungspflichten u.a. die Regelung, demzufolge jeder Sondernutzungsberechtigte auf seine Kosten die dem Sondernutzungsrecht unterliegende Fläche zu unterhalten und instandzuhalten habe (§ 7 Abs. 2 GO). In § 13 Abs. 2 S. 4 GO war zu Zahlungsverpflichtungen geregelt, dass die auf die Sondereigentümer entfallenden Anteile der Kosten nach den Verhältniswerten der Miteigentumsanteile ermittelt würden; expressis verbis hieß es dann zu den Mehrfachparkern, dass die Kosten von deren Unterhaltung von den jeweiligen Eigentümern eines Doppel- bzw. Vierfachparkers getragen würden. Weiter hieß es, dass die gesamten Kosten der Tiefgarage auf die Sondernutzungsberechtigten zu gleichen Teilen umzulegen seien.

Nach Arbeiten in 2016 an dem fraglichen Vierfachparker teilte die Verwaltung im Rahmen der Jahresabrechnung die Kosten auf die vier Parker zu je ¼ auf, weshalb die Klägerin ½ der Kosten zu tragen hatte. Die beschlossene Jahresabrechnung hat das Amtsgericht auf die Anfechtungsklage der Klägerin in diesem Punkt für unwirksam erklärt; die Berufung der Beklagten wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Die zugelassene Revision führte dann zur Aufhebung der vorangegangenen Entscheidung und Klageabweisung. Die Umlage der Kosten auf die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten nach Köpfen entspräche der Kostentragungsregelung der GO. Dabei stützt sich der BGH auf zwei Erwägungen, die getrennt von einander zu diesem Ergebnis führen:

a) Das Berufungsgericht hatte angenommen, die Regelungen in § 7 Abs 2 und 13 Abs. 2 GO seien nebeneinander anzuwenden. Das sei falsch. Es würde nur die Regelung in § 7 GO greifen.

§ 7 Abs. 2 S. 2 GO spricht von einem Sondernutzungsrecht unterliegenden „Flächen“, weshalb zwar nach dem Wortsinn damit auch die zugewiesenen Sondernutzungsflächen an Mehrfachparkern gehören könnten. Allerdings würde bei der nächstliegenden Auslegung die Regelung nur die in § 1 Abs. 4 TE angesprochenen Sondernutzungsrechte an Terrassen und Gartenflächen, nicht aber die Stellplätze auf Mehrfachparkern betreffen. Es handele sich bei der regelung in § 7 GO um eine Ausnahme der gesetzlichen Aufgabenverteilung in § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG, wonach an sich die Instandhaltung und –setzung Aufgabe aller Eigentümer sei. Dies soll aber für Räumlichkeiten und Flächen, an denen Sondernutzungsrechte bestehen, auf die Inhaber dieser Sondernutzungsrechte verlagert werden, die damit natürlich auch die Kosten insoweit tragen sollen. Dieses Ziel ließe sich aber bei Mehrfachparkern nicht erreichen, da es zu einer geteilten Verantwortung je nach Bauteil kommen würde; während es für die Kostentragung des Sondernutzungsberechtigten darauf ankäme, ob das Bauteil seinem Sondernutzungsrecht explizit zugeordnet werden könne, wären tragende Teile und der Motor Gemeinschaftseigentum und müssten alle Eigentümer dafür aufkommen. Schon die Abgrenzung sei mit Schwierigkeiten verbunden, da Mehrfachparker geschlossene Einheiten darstellen würden mit aufeinander abgestimmten Bauteilen. Obwohl § 7 hier zu einer Vereinfachung der Abrechnung führen soll, würde eine entsprechende Auslegung, die § 7 auf die Mehrfachparker anwendet eine unnötige Komplizierung vorsehen und entspräche eines solche Auslegung auch nicht der nächstliegenden Auslegung.

b) Es sei zudem offensichtlich, dass § 13 Abs. 2 S. 4 GO eine Sonderreglung zur Verteilung der Kosten bei Instandsetzung und –haltung von Mehrfachparkern darstelle. Diese würde als speziellere Regelung der allgemeinen, nicht einmal auf die Mehrfachparker ausdrücklich hinweisenden Regelung zur Kostentragung im Sondernutzungsbereich des § 7 GO vorgehen. Die Struktur der Regelungen ergebe, dass für Mehrfachparker keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht vorgesehen werden sollte, sondern nur eine abweichende Kostenregelung.

BGH, Urteil vom 22.03.2019 - V ZR 145/18 -

Donnerstag, 23. Mai 2019

WEG: Nichtiger Beschluss zu Vertragsstrafen (bei Verstoß gegen Vermietungsverbot)


Nach der Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) bedarf es zur Ausübung eines Berufs oder eines Gewerbebetriebs in einer Wohnung sowie für eine Vermietung, Verpachtung oder sonstigen Gebrauchsüberlassung  der Zustimmung des Verwalters. In einer Eigentümerversammlung vom 05.06.2012 wurde mit Stimmenmehrheit ein Beschluss gefasst, wonach der betroffene Eigentümer bei einem unterlassenen Zustimmungsverlangen zu einem Mietvertrag an die Gemeinschaft einen „Ausgleichsbetrag“ von € 500,00 bzw. einen höheren Betrag (gestaffelt nach Monaten der Gebrauchsüberlassung, bis max. € 4.000,00) zahlen muss. Nachdem der Beklagte ohne Zustimmung des Verwalters seine Wohnung in mehreren Fällen kurzzeitig vermietet hatte, begehrte die Wohnungseigentümergemeinschaft als Klägerin die Zahlung einer Vertragsstrafe von € 2.000,00.  Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Landgericht hat im berufungsverfahren das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision der Klägerin wurde vom BGH zurückgewiesen.

Sei eine Angelegenheit weder durch das Wohnungseigentumsgesetz noch Vereinbarung einer Beschlussfassung unterworfen, so der BGH, fehle es der Eigentümerversammlung an einer notwendigen Beschlusskompetenz, § 23 Abs. 1 WEG. Ein gleichwohl gefasster Beschluss sei zwingend nichtig (BGH, Urteil vom 13.10.2017 – V ZR 305/16 -). Einzig mögliche Grundlage für eine Beschlusskompetenz könne vorliegend § 21 Abs. 7 WEG sein. Danach wäre die Regelung der Art und Weise von Zahlungen, Fälligkeiten und Folgen des Verzugs sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand durch Stimmenmehrheit möglich. Nach der Gesetzesbegründung würde die Regelung einer Vertragsstrafe bei einem Verstoß gegen eine Vermietungsbeschränkung nach einer beispielhaften Erläuterung zulässig sein, wohingehend die Literatur mehrheitlich diese Erwägung in der Begründung als Versehen einstuft und die Beschlussregelung in diesem Fall mit dem Wortlaut des § 21 Abs. 7 WEG unvereinbar halte.

Nach Ansicht des BGH würde sich hier die Vertragsstrafe auf die Einhaltung von Vermietungsbeschränkungen beziehen und Verstöße sanktionieren. Derartige Fallgestaltungen würden aber von § 21 Abs. 7 WEG nah dem eindeutigen Wortlaut nicht erfasst. Vielmehr ergäbe sich hier, dass es lediglich um Zahlungspflichten gehen würde, nicht um Unterlassungsansprüche. Es handele sich auch nicht um verzugsfolgen, da der Verstoß gegen Unterlassungspflichten nicht den Eintritt des Verzugs sondern regelmäßig die Unmöglichkeit zur Folge habe. Es würde für die Verwirkung der Vertragsstrafe nicht an einen Verzug, sondern an die Zuwiderhandlung angeknüpft.

BGH, Urteil vom 22.03.2019 - V ZR 105/18 -

Donnerstag, 16. Mai 2019

WEG: „Geburtsfehler“ der Gemeinschaftsordnung und deren Berichtigung


Die Teilungserklärung (TE) der Wohnungseigentümergemeinschaft aus 1984 bestimmte u.a., dass dem „jeweiligen Eigentümer des Teileigentumsrechts G30 die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Abstellräume I, II und II sowie der Wasch- und Trockenräume A und B“ zustehe. Nach Auseinandersetzungen über die Art der Nutzung, wurde dem Kläger u.a. durch Gerichtsurteil untersagt die Räume als Wohnung zu nutzen. Nunmehr, im vorliegenden Verfahren, verlangte der Kläger die Zustimmung zur Berichtigung der TE dahingehend, dass dem „jeweiligen Eigentümer des Teileigentumsrechts G30 die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Räume I, II und II sowie der Wasch- und Räume A und B“ zustehe. Das Amtsgericht wies die Klage als unzulässig, das Berufungsgericht als unbegründet ab. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück.

Zunächst wäre eine (gegebenenfalls auch ergänzende) Auslegung der TE vor der Prüfung einer Anpassung derselben nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG zu prüfen. Für die Auslegung maßgebend seien der Wortlaut und Sinn der getroffenen Regelungen in der TE, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergäbe. Umstände außerhalb der TE / des Grundbuchs dürften nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar seien. Eine Nutzung über die mit der Einordnung als Wohnungs- oder Teileigentum verbundene Zweckbestimmung hinaus auf lediglich bestimmte Zwecke müsse sich klar und eindeutig aus der TE bzw. Gemeinschaftsordnung (GO) ergeben. Eine schlichte Bezeichnung in dem Teilungsvertrag (TE) könne allerdings bereits ausreichend sein. Eine Zweckbestimmung ergäbe sich hier aus der Angabe als Abstell-, Wasch- und Trockenraum. Dass bereits zum Zeitpunkt der Teilung in den Räumen 18 Wohnungen vorhanden gewesen seien, wie vom Kläger behauptet, sei nicht für jedermann ersichtlich und von daher nicht berücksichtigungsfähig.

Damit sei eine Prüfung nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG geboten. Zwar sei die sachenrechtliche Zuordnung nicht Gegenstand einer Vereinbarung iSv. § 10 WEG, da diese der Regelung der Innenbeziehung der Wohnungseigentümer untereinander diene, also der Schaffung einer GO, die ähnlich einer Satzung die Grundlage des Zusammenlebens der Wohnungseigentümer bilde. Anders läge dies aber bei der Änderung des Inhalts eines dinglichen Sondernutzungsrechts, da dies die sachenrechtliche Zuordnung unberührt lasse. Gegenstand der Klage sei hier der Inhalt des Sondernutzungsrechts. Der Kläger begehre nicht die Umwandlung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Dachgeschossräume in Sondereigentum, sondern eine Änderung der Zweckbestimmung, womit das dingliche Recht an den Räumen nicht berührt werde.

§ 10 Abs. 2 S. 3 WEG („Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.“) lasse unter den dort benannten Voraussetzungen  eine abweichende Vereinbarung oder die Anpassung der Vereinbarung zu. Die Kodifizierung der Norm habe gegenüber den bis dahin von der Rechtsprechung verlangten „außergewöhnlichen Umständen“ die Hürde bewusst herabgesenkt, indem nunmehr „schwerwiegende Gründe“ vorausgesetzt würden. Nicht erforderlich sei, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert hätten; anwendbar sei dies auch dann, wenn Regelungen der GO von Anfang an verfehlt oder unbillig waren (sogen. Geburtsfehler; vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 19). Die Behebung derartiger, eventuell auch bewusster „Geburtsfehler“ einer GO oder TE zu ermöglichen, sei ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers gewesen.

Schwerwiegende Gründe, die ein Festhalten an der bisherigen Regelung unbillig erscheinen ließen, lägen vor, wenn die von der GO geforderte Zweckbestimmung einer Nutzung der Sondereigentumseinheit entgegenstünde, die nach baulicher Ausstattung der Räume möglich wäre, und wenn ferner objektive Umstände dafür sprächen, dass dem betroffenen Wohnungseigentümer diese Nutzung eröffnet werden sollte. Diese bauliche Ausstattung müsse aber entweder bereits bei Begründung des Wohnungseigentums vorgelegen haben oder im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufteilung vorgenommen und von den übrigen Wohnungseigentümern hingenommen worden sein. Eine eigenmächtige Änderung ohne Zustimmung nach § 22 Abs. 1 WEG wäre nicht ausreichend, da dies auf eigenes wirtschaftliches Risiko erfolge. Ferner müssten objektive Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass die bestehende Regelung die tatsächliche eröffnete Nutzung der Räume nicht wiedergebe, was z.B. dann der Fall sei, wenn die Kostentragungspflicht in einem Missverhältnis zu der wirtschaftlichen Verwertbarkeit stünde, die gegeben wäre, wenn dieses nur dem Inhalts der TE gemäß genutzt werden dürfe. Ferner müsse die verlangte Änderung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Zeitpunkt des Änderungsverlangens zulässig sein. Letztlich müsse die nach der bestehenden Zweckbestimmung zulässige Nutzung zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung führen, die durch die Änderung der Zweckbestimmung behoben werden könne.

Würden die schwerwiegenden Gründe (die vom Berufungsgericht nicht geprüft wurden) bejaht, wäre zu prüfen, welche Interessen der übrigen Wohnungseigentümer gegen die geforderte Anpassung sprächen. Alleine ein abstraktes Vertrauen der übrigen Wohnungseigentümer auf Einhaltung der GO würde die Unbilligkeit iSv. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG nicht entfallen lassen. Diesem Vertrauen auf den Bestand würde durch das Erfordernis des schwerwiegenden Grundes Rechnung getragen.

Nach diesen Grundsätzen käme ein Änderungsanspruch des Klägers auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 S. 3 WEG in Betracht: Die 18 Wohnungen seien bereits mehr als zwei Jahre vor der Teilung fertiggestellt und vermietet worden; zugewiesen worden sei aber dem Kläger ein Sondernutzungsrecht, das keine Wohnnutzung, sondern nur eine untergeordnete Verwertung der Räume zuließe. Neben der baulichen Ausstattung spräche auch die Größe der dem Kläger zugewiesenen Miteigentumsanteile von 15.013,730/100.000 (dem größten Miteigentumsanteil) und die damit verbundene Kostentragungspflicht, die sich nach der TE nach Miteigentumsanteile richte, was nahelegen würde, dass der wirtschaftliche Wert des Anteils von vorherein in der Wohnnutzung bestanden habe. Dass hier die bestehende Regelung zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung des Sondernutzungsrechts führe, sei klar.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung habe besonderes Gewicht, dass die Wohnungen nach dem Vortrag des Klägers bereits seit über 30 Jahren bestanden, ohne dass es Beanstandungen durch die übrigen Wohnungseigentümer gegeben habe. Soweit sich in den letzten Jahren gegen die Wohnungsnutzung gewandt hätten, solle dies nur seinen Grund in der Zweckbestimmung, nicht in möglichen nachteiligen Auswirkungen gehabt haben. Dann aber dürften keine Interessen der übrigen Wohnungseigentümer bestehen, sich der Änderung zu verschließen und den Kläger statt dessen auf eine Änderung des unbilligen Kostenverteilungsschlüssels zu verweisen.

Damit erweise sich das Berufungsurteil als fehlerhaft, welches keine Feststellungen nach § 10 Abs. 3 S. 2 WEG getroffen habe. Allerdings dürfe es nicht „Räume“ heißen, da diese allgemeine Bezeichnung keine Wohnnutzung zuließe; die unbestimmte Bezeichnung „Raum“ würde noch nicht dem Rechtsschutzziel der Wohnnutzung entsprechen (es handelt sich hier ersichtlich um einen bisher von den Instanzgerichten unterlassenen Hinweis an den Kläger nach § 139 ZPO, seinen Antrag entsprechend nach Zurückverweisung zu ändern).

BGH, Urteil vom 22.03.2019 - V ZR 298/16 -

Freitag, 10. Mai 2019

WEG: Zur allgemeinen Öffnungsklausel in der Teilungserklärung und Verbot kurzzeitiger Vermietungen


In der Teilungserklärung (TE) der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) war geregelt, dass eine vorübergehende oder wechselnde Vermietung der Wohnungen (z.B. an Feriengäste) gestattet sei. Ein Öffnungsklausel in der TE sah vor, dass mit einer Mehrheit von 75% aller Miteigentumsanteile die TE geändert werden kann. Mit einer entsprechenden Mehrheit fassten die Eigentümer am 29.03.2017 den Beschluss zur Änderung der TE, wonach nunmehr die Wohnungen nur noch zu Wohnzweken genutzt und vermietet werden dürften und die Überlassung an täglich oder wöchentlich wchselnde Feriengäste oder andere Personen zur kurzfristigen Beherbergung von Personen pp. ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Der Kläger hatte diesen Beschluss angefochten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen; auch der BGH wies die zugelassene Revision zurück.

Der Beschluss beinhalte keine Gebrauchsregelung iSv. § 15 Abs. 2 WEG, sondern eine Änderung der Vereinbarung iSv. § 15 Abs. 1 WEG. Würden Einheiten wie vorliegend zu Wohnzwecken dienen, sei dies als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter anzusehen. Die zulässige Wohnnutzung umfasse auch die Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste (BGH, Urteil vom 15.01.2010 - V ZR 72/09 -). Vorliegend sei auch ausdrücklich geregelt gewesen, dass eine entsprechende Vermietung zulässig sei. Die vorgenommene Änderung einer Vereinbarung durch Mehrheitsbeschluss bedürfe der formellen Legitimation durch Kompetenzzuweisung, die im Gesetz geregelt sein könne oder sich aus einer Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 S. 2 WEG) ergeben könne. Vorliegend erlaube die in der Teilungserklärung enthaltene allgemeine Öffnungsklausel, die Regelungen der Gemeinschaftsordnung (als Teil der Teilungserklärung) mit qualifizierter Mehrheit zu ändern, weshalb eine Beschlusskompetenz gegeben sei.

 Die Öffnungsklausel habe lediglich die Funktion, zukünftige Mehrheitsentscheidungen formell zu legitimieren, ohne sie materiell zu rechtfertigen. Daher sei ein Änderungsbeschluss auf der Grundlage einer Öffnungsklausel nicht bereits deshalb rechtmäßig, da er die Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfülle. Vielmehr seien insbesondere zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Diese ergäben sich aus §§ 134, 138m 242 BGB und den zum Kernbereich  des Wohnungseigentumsrechts zählenden Vorschriften, wozu auch unentziehbare und unverzichtbare Individualrechte gehören würden. Was nicht durch Vereinbarung geregelt werden könne, entziehe sich auch einer Regelung im Beschlussweg aufgrund einer Öffnungsklausel., weshalb ein gleichwohl gefasster Beschluss aus materiellen Gründen nichtig sei (BGH, Urteil vom 10.10.2014 - V ZR 315/13 -). Aber auch wenn es sich um ein unentziehbares, wohl aber verzichtbares Mitgliedschaftsrecht handele, sei der Beschluss aufgrund der Öffnungsklausel nur wirksam, wenn die hiervon nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen würden (BGH, Urteil vom 10.10.2014 - V ZR 315/13 - zur Überbürdung der bisher der Gemeinschaft obliegenden Instandhaltungspflicht auf einen Sondernutzungsberechtigten).

Vorliegend würde es sich um ein verzichtbares Individualrecht handeln, da die Wohnungseigentümer auf das ihnen bisher eingeräumte Recht zur kurzzeitigen Vermietung verzichten könnten, weshalb dies einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer zugänglich wäre.  

Die Zweckbestimmung würde vorgeben, wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden dürfe. Daher träfen Änderungen oder Einschränkungen in substanzieller Weise die Nutzung des Sondereigentums. Sie würden deshalb der Zustimmung des Eigentümers der Einheit bedürfen, deren Zweckbestimmung geändert werden soll, was sich aus einer verfassungskonformen Auslegung der allgemeinen Öffnungsklausel ergäbe, die dem Umstand Rechnung trage, dass das Sondereigentum als echtes Eigentum iSv. § 903 BGB und Art. 14 GG ausgestaltet sei. Gleiches gelte für Teileigentum.

Vermietungsverbote würden in die Zweckbestimmung des Wohnungseigentums eingreifen. Es würde zu einer massiven Einschränkung des in § 13 Abs. 1 WEG gewährleisteten Rechts jedes Wohnungseigentümers eingreifen, mit dem in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben zu verfahren und sie insbesondere zu vermieten. Dies Einschränkung könnte daher nur rechtmäßig sein, wenn nicht nur die aktuell vermietetenden, sondern alle Wohnungseigentümer zustimmen würden, denn auch die nicht vermietenden Eigentümer seien im Hinblick auf eine künftige Nutzung eingeschränkt.

 Dabei käme es nicht darauf an, dass zwar kein generelles, sondern nur ein spezielles Vermietungsverbot beschlossen worden sei. Auch dieses würde die zuvor weite Zwekbestimmung einschränken.

Das Eigentumsrecht der übrigen Wohnungseigentümer sei auch nicht außer Acht gelassen. Diesen würden bei Störungen durch Feriengäste durch Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigung durch Feriengäste Unterlassungsansprüche gem. § 15 Abs. 3 WEG zur Seite stehen.

Auch der Hinweis der Beklagten, die Regelung zu Feriengästen sei in die TE aufgrund eines „kollusivem Zusammenwirkens“ des Klägers mit dem Bauträger erst aufgenommen worden, verhelfe hier den Beklagten nicht weiter, da auch ohne diese Regelung die entsprechende Vermietung zulässig sei.  

Damit sei der Beschluss rechtswidrig, da der Kläger ihm nicht zugestimmt habe.

BGH, Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 112/18 -

Freitag, 22. März 2019

Heizkosten: Mieters Anspruch auf korrekten Verteilerschlüssel (auch in WEG)


Der BGH musste sich mit der Abrechnung von Heizkosten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) aus Sicht eines Mieters auseinandersetzen, der gegen seinen Vermieter Klage erhob mit dem Ziel, die Heizkosten nicht in einem Verhältnis 50 : 50 (gemäß der Regelung in der WEG), sondern im Verhältnis von 70% erfasster Verbrauch zu 30% nach Wohnfläche abzurechnen. Das Amtsgericht gab der Klage statt, auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung.

Mit der Klage verlangte der Kläger eine Verbrauchabrechnung gem. § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV in Form der Aufteilung von 70% nach erfassten Verbrauch und nur 30% nach Wohnfläche, demgegenüber vorliegend in dem grundsätzlich auch zulässigen Verhältnis 50 : 50 abgerechnet wird. Zulässig ist die Aufteilung unter Berücksichtigung von mindestens 50% und höchstens 70%  erfasster Verbrauch (Wahlmöglichkeit nach § 6 Abs. 4 iVm § 7 Abs. 1 S. 1 HeizkostenV), wenn keine Einschränkung nach § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV vorliegt. Hier sei für das Revisionsverfahren mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zur Frage der Dämmung von Heizungsrohren (der nach Rückverweisung nachzugehen sei) vom Entfallen der Wahlmöglichkeit auszugehen, da das Gebäude nicht die Anforderungen der Wärmeschutzverordnung vom 16.08.1994 erfüllt habe. In diesem Fall aber dürfe zwingend nur im Verhältnis 70% nach erfassten Verbrauch und nur 30% nach Wohnfläche abgerechnet werden.  Gemäß § 556 Abs. 1 S. 1 BGB iVm § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV habe ein Mieter einen Rechtsanspruch auf eine dahingehende Änderung des Verteilungsschlüssels (solange die Voraussetzungen für die Wahlmöglichkeit nicht vorliegen würden).

Das Berufungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, in diesem Fall habe der Mieter nur ein Kürzungsrecht nach § 12 Abs. 1 S. 1 HeizkostenV. Dieses besagt, dass ein Mieter, bei dem die Heizkosten entgegen der Verordnung nicht verbrauchorientiert abgerechnet werden, das recht hat, bei ihm anfallende Kosten um, 15% zu kürzen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sei diese Regelung hier weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass sich das Begehren des Klägers nicht gegen die Missachtung von § 7 Abs. 1 S. 2 HeikostenV in einer bereits vom Vermieter erstellten Abrechnung wende, sondern mit der Klage darauf abziele, zukünftige Abrechnungen zu unterbinden, die hinsichtlich von Verbrauchs- und Grundkostenanteil fehlerhaft seien. Der Mieter sei nicht veranlasst, weitere fehlerhafte Abrechnungen abzuwarten um dann gegebenenfalls zu kürzen, was auch mit dem Zweck der Heizkostenverordnung (das Verbrauchsverhalten des Nutzers nachhaltig zu beeinflussen und damit Energiespareffekte zu erzielen) nicht vereinbar wäre.

 Auch könne hier nicht auf Wohnungseigentumsrecht abgestellt werden, da dieses im Verhältnis der Parteien nicht einschlägig sei (auch wenn sich die vermietete Wohnung in einer Wohnungseigentumsanlage befindet).  Allerdings würde auch eine Regelung zwischen den Wohnungseigentümern, die einen Abrechnungsmaßstab entgegen der nach § 1 Abs. 2 Nr. 3, 2 HeizkostenV auch innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft anwendbaren Heizkostenverordnung vorsehe, gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen (BGH, Urteil vom 16.07.2010 - V ZR 221/09 -).

BGH, Urteil vom 16.01.2019 - VIII ZR 113/17 -

Donnerstag, 6. Dezember 2018

WEG: Kompetenz zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels und wirksame (bewusste) Änderung


§ 11 der Teilungserklärung (TE) der 400 Wohneinheiten umfassende Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft regelte die Verteilung der Kosten und Lasten; eine Öffnungsklausel war nicht vorgesehen. Ein Hotel verfügte über knapp 50% der Miteigentumsanteile. In Verträgen von 1996 (betreffend Kosten über einen Pförtnereinsatz) und 2009 (technische Betreuung) zwischen der Betreibergesellschaft des Hotels und der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde zur Kostenverteilung von § 11 TE abgewichen. Der Vertrag über die Kosten des Pförtnereinsatzes wurde durch bestandskräftigen Beschluss der Wohnungseigentümer genehmigt. In einer Eigentümerversammlung vom 04.12.2015 wurden zu TOP 4 (technische Betreuung) und TOP 7 (Pförtnerdienstleistungen) Beschlüsse zur Kostenverteilung der entsprechenden Kosten in 2011 gefasst.

Die Kläger erhoben Anfechtungsklage. Das Amtsgericht hatte den Beschluss zu TOP 7 für ungültig erklärt und die Klage gegen den Beschluss zu TOP 4 als unzulässig abgewiesen. Im Rahmen der Berufung hatte das Landgericht auch den Beschluss zu TOP 7 für ungültig erklärt. Im Rahmen der zugelassenen Revision begehrte die Beklagte zu 2. (Hotel) die Abänderung des Urteils des Landgerichts und Klageabweisung. Der BGH wies die (zulässige) Revision zurück.

Der BGB wies darauf hin, dass das Landgericht zutreffend gesehen habe, dass der Beschluss zu TOP 4 (technische Betreuung) nicht schon wegen Abweichung vom Kostenschlüssel des § 11 TE ungültig sei. Es sei grundsätzlich eine wirksame Änderung möglich. Die Änderung könne in dem zu dem Vertrag gefassten Zustimmungsbeschluss liegen. Allerdings sei Voraussetzung, dass die Wohnungseigentümer eine Kompetenz zur Abänderung haben müssten, den Kostenschlüssel zu ändern, die sich entweder aus dem Gesetz oder aus einer Vereinbarung ergeben müsste. Bei Fehlen der Kompetenz sei ein dennoch gefasster Beschluss nichtig. Da die TE keine Öffnungsklausel enthalte, die einen Mehrheitsbeschluss zuließe, käme hier nur eine Kompetenzzuweisung qua Gesetz in Betracht.

Aus § 21 Abs. 7 WEG würde sich hier die Kompetenz nicht ableiten lassen. Danach könnten die Wohnungseigentümer die Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen. Besondere Nutzungen seien solche, die mit einer gesteigerten Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums einhergehen würden und zumindest bei typisierender Betrachtungsweise den Anfall besonderer Kosten wahrscheinlich machen würden. Alleine der Umstand, dass einige technische Anlagen allen Eigentümern, andere nur bestimmten Eigentümern (für bestimmte Bereiche) und wieder andere nur dem Hotel dienen würden, ließe eine Schlussfolgerung im Hinblick auf eine besondere Nutzung iSv. § 21 Abs. 7 WEG nicht zu und würde nichts zu einer gesteigerten Inanspruchnahme und dadurch verursachte Kosten für die technische Betreuung aussagen. Auch läge kein besonderer Verwaltungsaufwand vor, da alleine der unterschiedliche Nutzungsbereich der technischen Anlagen nicht besage, dass hier  die technische Betreuung über eine übliche technische Betreuung hinausgehen würde. Auch die Behauptung der Beklagten zu 2. (Hotel), sie würde den Löwenanteil tragen, lasse dies nicht annehmen; der Vertrag lasse für sich keine entsprechende Schlussfolgerung zu.

Nach § 16 Abs. 3 WEG können die Wohnungseigentümer hinsichtlich der dort näher benannten Betriebs- und Verwaltungskosten den im Gesetz oder einer Vereinbarung festgelegten Verteilungsschlüssel ändern, soweit dies ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Hier ließe sich auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts und des Amtsgerichts (auf welches das Landgericht verwies) nicht feststellen, ob und in welchem Umfang der Vertrag von 2009 Kosten iSv. § 16 Abs. 3 WEG erfasse. Darauf käme es aber vorliegend nicht an. Denn jedenfalls sei für die wirksame Beschlussfassung erforderlich, dass aus dem Beschluss hinreichend konkret hervorgehen würde, dass die Eigentümer das Bewusstsein hatten, eine Änderung der bisherigen Kostenverteilung für die Zukunft zu beschließen. Nur so sei eine erforderliche Transparenz gewährleistet und die Neuregelung insbesondere für Sonderrechtsnachfolger, die nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden wären, durch Einsicht in die Beschlussfassung klar ersichtlich. Dies könne hier nicht angenommen werden; insoweit würde es an einem Tatsachenvortrag fehlen, der darauf schließen ließe, dass den Eigentümern deutlich geworden sei, dass sie mit dem Beschluss außer der Genehmigung des Vertrages als solchem auch die Kostenverteilung gemäß § 11 TE hätten ändern würden.  

Auch zu TOP 4 läge in dem Beschluss selbst keine wirksame Änderung des Verteilungsschlüssels. In dem Beschluss läge lediglich die Verteilung der in 2011 angefallenen Kosten und keine generell-abstrakte Regelung über die künftige Verteilung der Kosten.

Für den  Beschluss zu TOP 7 (Pförtnerdienstleistungen) läge dem zwar ein mit bestandkräftigen Beschluss genehmigter Vertrag zugrunde. Auch wenn durch den Vertrag der Verteilungsschlüssel geändert worden sein sollte, wäre der damalige Beschluss nichtig gewesen und könne daher keine Wirkung entfalten. Hier habe es den Wohnungseigentümern an der Beschlusskompetenz ermangelt. Diese ergäbe sich weder aus der TE (mangels Öffnungsklausel) noch aus §§ 16 Abs. 3 und 21 Abs. 7 WEG. Die Möglichkeit der Änderung durch Mehrheitsbeschluss trat erst am 01.07.2007 in Kraft und wirke daher nicht zurück auf den vorherigen Vertragsschluss und dessen Genehmigung.  Zwar sei auch bereits zum Zeitpunkt des Zustimmungsbeschlusses zum Vertrag eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nach § 21 Abs. 3 WEG zulässig gewesen. Voraussetzung wäre aber, dass ein Beschluss gefasst würde, der eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung beträfe. Diese Voraussetzung läge aber nicht vor, da die Verteilung der Pförtnerkosten in der TE ausdrücklich geregelt sei. Damit hätte vor der Neuregelung des WEG in 2007 die Änderung nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erfolgen können; ein Mehrheitsbeschluss sei nichtig. Im Übrigen sei auch in dem Beschluss zu TOP 7 selbst keine Änderung des Verteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss zu sehen, da er sich lediglich auf die Kosten in 2011 bezieht und keine abstrakt-generelle Regelung zur Änderung des Verteilungsschlüssels enthalte.

BGH, Urteil vom 08.06.2018 - V ZR 195/17 -

Montag, 6. August 2018

WEG: Zur Erzwingung einer korrekten, von dem Verwalter zu erstellenden Eigentümerliste durch das Gericht


Immer wieder stellt sich das Problem der fehlenden oder fehlerhaften Eigentümerliste in WEG-Verfahren. Vorliegend wurde vom Amtsgericht eine der Verwalterin gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtete Klage eines Wohnungseigentümers abgewiesen. Die Berufung des klagenden Wohnungseigentümers sah das Ladgericht als unbegründet, aber auch als unzulässig an und hat sie wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Dagegen wandte sich der Kläger mit der Revision, die zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht führte.

Das Berufungsgericht hatte ausgeführt, der Kläger habe eine in der Klageschrift benannte Eigentümerliste nie zur Akte gereicht und er habe sich entgegen §§ 44 Abs. 1 S. 2 WEG iVm. 253 Abs. 2 ZPO auch nie dazu erklären können, wer konkret Eigentümer zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (13.12.2014) gewesen sei.  Zu einer auf Anforderung des Amtsgerichts vom Verwalter zu den Akten gereichten Eigentümerliste hatte der Geschäftsführer der Verwalterin vor dem Berufungsgericht erklärt, er gehe nicht davon aus, dass diese den Stand zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit widergebe, da bis zum Zeitpunkt der Erstellung sich Wechsel bei Eigentümern ergeben hätten. Hierauf bezogen nahm das Berufungsgericht die Unzulässigkeit an.

Dem folgte der BGH nicht.

Zwar sei mangels einer inhaltlich richtigen Eigentümerliste den Anforderungen des § 44 Abs. 1 S. 2 WEG nicht genügt worden und von daher die Klage unzulässig. Die verklagten Eigentümer müssten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung mit ladungsfähiger Anschrift benannt werden. Dem habe die Eigentümerliste bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht entsprochen. Allerdings könne dies noch im Berufungsrechtszug, ohne dass die Voraussetzungen des § 353 ZPO gegeben sein müssten, nachgeholt werden, da dies keine Klageänderung in Form eines Parteiwechsels darstelle. Für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 WEG (Frist für die Anfechtungsklage) käme es auf die Beibringung der aktuellen Namensliste nicht an; § 44 Abs. 1 S. 2 WEG habe nur Relevanz für die verfahrensrechtliche Frage, ob die Klage durch Prozessurteil abgewiesen werden könne.

Auch wenn  danach die Voraussetzungen für ein Prozessurteil, nach dem die Klage als unzulässig abgewiesen werden konnte, vorgelegen hätten, hätte dies vorliegend nicht erfolgen dürfen.

Auch wenn es grundsätzlich Sache des Klägers sei die Eigentümerliste als Bestandteil einer ordnungsgemäßen Klageerhebung einzureichen, könne dies nur dann gelten, wenn er hierzu auch in der Lage sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Dass der Kläger über Erkenntnisquellen verfügt habe, die ihn in die Lage hätten versetzen können, die fehlerhafte Eigentümerliste, die von der Verwalterin eingereicht wurde, zu korrigieren, sei vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden. In dieser Situation folge aus der entsprechenden Anwendung des § 142 Abs. 1 ZPO, dass das Gericht auf entsprechende Anregung des Klägers, der Verwaltung die Vorlage der Eigentümerliste aufzugeben, tätig werden muss und die Vorlage vom Verwalter unter Fristsetzung verlangen muss, ohne dass dem Gericht ein Ermessenspielraum zustünde. Käme der Verwalter dem nicht fristgerecht nach, müsst er mit Ordnungsmittel  dazu angehalten werden (§§ 142 Abs. 2 S. 2 iVm. 390 ZPO analog). Ein Versäumnis des Verwalters dürfe nicht zu Lasten des Klägers gehen und damit nicht zur Abweisung der Klage führen.

Eine Garantie für die Richtigkeit könne vom Verwalter allerdings nicht verlangt werden; er müsse sie nur nach besten Wissen und Gewissen erstellen. Einen entsprechenden einschränkenden Hinweis könne er aufnehmen, ohne dass dies der Wirksamkeit der Eigentümerliste entgegenstünde. Wenn er aber selbst (wie hier) angebe, dass sie fehlerhaft sei oder Zweifel an deren Richtigkeit äußert und weder eine Korrektur vornimmt oder die Zweifel ausräumt, würde er seiner Verpflichtung nicht nachkommen. Hier sind Zwangsmittel geboten, wobei nur Ordnungsgeld, nicht aber eine Haftandrohung gehöre (für eine Haftandrohung genüge die analoge Anwendung der Norm nicht des Voraussetzungen des Art 104 Abs. 1 S. 1 GG).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts könne auch deshalb keinen Bestand haben, da die Klage auch als unbegründet angesehen worden sei. Eine gleichzeitige Prozess- und Sachabweisung im selben Urteil sei wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen nicht zulässig, weshalb der Teil des Urteils, der sich mit der Sachabweisung befasse, als nicht geschrieben gelte (BGH, Urteil vom 19.03.1997 - XII ZR 277/95 -).  Vorliegend habe sich das Berufungsgericht zur Begründetheit auch nicht mit den Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt, sondern nur auf die Entscheidung des Amtsgerichts verwiesen, weshalb es nicht als Grundlage einer eigenen Entscheidung des Revisionsgerichts genutzt werden könne (BGH aaO.).

BGH, Urteil vom 04.05.2018 - V ZR 266/16 -

Donnerstag, 19. Juli 2018

Kostenlast des Sondereigentümers im Hinblick auf eine Sonderausstattung auch im Hinblick auf Gemeinschaftseigentum in einer Teilungserklärung (hier: Dachterrasse)


In der Teilungserklärung (TE) der Parteien, die eine Wohnungseigentümergemeinschaft bildeten, hieß es in §§ 2 und 6:
„§ 2
1) Gegenstand des Sondereigentums sind
a) die in § 1 bezeichneten Räume,
b) die … innerhalb und außerhalb dieser Räume befindlichen Einrichtungen und Anlagen, soweit sie nicht dem gemeinschaftlichen Gebrauch, sondern nur einem Sondereigentum zu dienen bestimmt sind.
§ 6
Instandhaltung und Versicherung
1) a) Jeder Wohnungseigentümer hat sein Sondereigentum auf seine Kosten instandzuhalten und instandzusetzen. …
b) Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z. B. Balkon, Loggia) sind von ihm auf seine Kosten instandzuhalten und instandzusetzen.“
Im Bereich der Dachterrasse, die am der Vorderseite der Wohnung des Klägers lag, traten im Bereich des Gemeinschaftseigentums Schäden auf. Die Wohnungseigentümer beschlossen die Sanierung und ferner, dass die Kosten zu Lasten des Klägers gehen. Der Kläger focht den Beschluss an. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Landgericht, welches die Revision zuließ, gab der Klage statt. Der BGH stellte die erstinstanzliche Entscheidung durch Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Zurückweisung der Berufung wieder her.
 
Grundsätzlich habe sich der Kläger an den Kosten der beschlossenen Sanierung  zu beteiligen, § 16 Abs. 2 WEG. Die Regelung, dass die Dachterrasse zum Gemeinschaftseigentum gehöre, wäre nur insoweit beachtlich, als nicht konstruktive Teile betroffen wären, die zwingend dem Gemeinschaftseigentum zugehörig seien.  Hier allerdings habe der Kläger in Ansehung einer nach §§ 10 Abs. 2 S. 2, 5 Abs. 2 WEG zulässigen Regelung in der TE entgegen § 16 Abs. 2 WEG die Kosten alleine zu tragen. In § 6 Nr. 1 Buchst. b) TE sei geregelt , dass Einrichtungen, Gebäudeteile pp., die nach dem Zweck oder gemäß Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt seien, auf dessen Kosten instandzusetzen und –zuhalten wären. Das würde sich auch auf die der Wohnung zugeordnete Dachterrasse beziehen; die Aufzählung in der TE sei nicht abschließend  sondern beispielhaft („z.B.“) und der Sinn läge darin, die Gemeinschaft von Kosten zu befreien, die letztlich lediglich eine Sonderausstattung der Wohnung (wie Balkone) beträfen und bei einer Bauweise ohne diese Sonderausstattung nicht angefallen wären. Eine entsprechende Sonderausstattung sei auch eine Dachterrasse, die die Möglichkeit biete, im Freien zu sitzen ohne das Haus zu verlassen. Ein solcher Bereich könne im Dach nur geschaffen werden durch einen Einschnitt in die ansonsten geschlossene Dachfläche und die Dachplatte sei dadurch bedingt störungsanfälliger. Im Weiteren käme es darauf  an, wer Zutritt habe. Da die Dachterrasse an der Vorderseite der Wohnung läge und nach § 1 TE Teil seines Sondereigentums sei, stehe sie dem Mitgebrauch durch die übrigen Wohnungseigentümer nicht zur Verfügung.


BGH, Urteil vom 04.05.2018 - V ZR 163/17 -

Freitag, 11. Mai 2018

Wohnungseigentum: Zur Pflicht des abgewählten Verwalters zur Erstellung der Jahresabrechnung


In der Eigentümerversammlung der klagenden WEG vom 21.01.2015 wurde die Beklagte als Verwalterin abberufen und die Kündigung des Verwaltervertrages mitgeteilt. Die neue Verwaltung forderte die Beklagte im Juni 2015 auf, die Jahresabrechnung 2014 zu erstellen, dem die Beklagte, auch nach Fristsetzung, nicht nachkam. Die Klägerin ließ daraufhin die Jahresabrechnung gegen Zahlung einer Sondervergütung in Höhe von € 804,14 von der neuen Verwaltung erstellen und machte diesen Betrag nebst Zinsen und außergerichtlicher Kosten gegen die Beklagte gerichtlich geltend. Der Klage wurde vom Amtsgericht stattgegeben. Berufung und (zugelassene) Revision der Beklagten wurden zurückgewiesen.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte wurde aus §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 2 BGB in Ansehung einer angenommenen Verletzung einer Vertragspflicht durch die Beklagte hergeleitet. Die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung ergäbe sich aus § 28 Abs. 3 WEG, wobei mangels anderweitiger Darlegungen im landgerichtlichen Urteil der BGH davon ausging, dass das Kalenderjahr dem Wirtschaftsjahr entspricht. Damit sei der Anspruch auf Abrechnung des Wirtschaftsjahres 2014 mit dem 01.01.2015 entstanden; es käme nicht darauf an, dass das Verwalteramt im Laufe des Monats Januar endete.

Der BGH setzt sich in seiner Entscheidung mit der unterschiedlich beantworteten Frage in Literatur und Rechtsprechung auseinander, wer nach einem Wechsel des Wohnungseigentumsverwalters (zum Ende des Wirtschaftsjahres oder während des Wirtschaftsjahres) die Jahresabrechnung für das endende bzw. beendete Wirtschaftsjahr zu erstellen habe. Der BGH hat diese Rechtsfrage nun dahingehend höchstrichterlich geklärt, dass die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG denjenigen Verwalter trifft, der im Zeitpunkt der Entstehung der Anrechnungspflicht Amtsinhaber ist. Scheidet er (unabhängig vom Zeitpunkt) im Laufe des Wirtschaftsjahres aus, schulde er mangels anderweitiger Vereinbarung die Jahresabrechnung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr, unabhängig von deren Fälligkeit (sie ist innerhalb von drei bis sechs Monate nach dem Ablauf des Wirtschaftsjahres fällig, vgl. OLG Zweibrücken vom 11.05.2007 - 3 W 143/96 - und BayObLG WE 91, 223). Die Fälligkeit, so der BGH, würde nichts darüber aussagen, wer die Leistung schulde. Es würde lediglich der Zeitpunkt bestimmt, zu dem der Gläubiger die Leistung verlangen könne. Im übrigen sei der Zeitpunkt der Fälligkeit auch zu unbestimmt, da er auch davon abhänge, wann die im Abrechnungszeitraum angefallenen Verbrauchskosten ermittelt wären.

Sei die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung einmal entstanden, bestünde sie auch dann fort, wenn der Verwalter aus dem Amt scheide. Der Verwaltervertrag sei ein auf eine Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag (BGH vom 18.02.2011 - V ZR 197/10 -) und es würde allgemeiner Ansicht entsprechen, dass nach Beendigung desselben nachwirkende Pflichten bestehen könnten. Dazu gehöre hier die Erstellung der Jahresabrechnung, wenn diese in der Amtszeit des Verwalters entstanden sei.

Es läge auch keine Unmöglichkeit für den ausgeschiedenen Verwalter vor. Er habe, sollten sich die Unterlagen bei dem neuen Verwalter befinden, ein Einsichtsrecht (OLG Celle vom  08.06.2005 - 4 W 107/05 -).

Ausdrücklich offen lässt der BGH die (ebenfalls in Rechtsprechung und Schrifttum streitige) Frage, ob ein Anspruch gegen den ausscheidenden Verwalter auch dann bestünde, wenn er am letzten Tag des Wirtschaftsjahres ausscheide, da es vorliegend darauf nicht ankäme.

BGH, Urteil vom 16.02.2018 - V ZR 89/17 -