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Dienstag, 11. Oktober 2022

Gefahr: Vergleichsabschluss im schriftlichen Verfahren mit inhaltlichem Fehler

In einem Rechtstreit über eine von der Klägerin begehrte Maklercourtage in Höhe von € 30.940,00 unterbreitete das Landgericht unterbreitete den Parteien einen Vergleichsvorschlag, in dem es u.a. hieß: „Der Beklagte zahlt an die Klägerin 8.000.000 EUR.“ Im Weiteren wurde ausgeführt, dass die Kosten des Verfahrens und Vergleichs gegeneinander aufgehoben würden und damit alle wechselseitigen streitgegenständlichen Forderungen abgegolten seien. Beide Parteien stimmten dem Vergleich zu und das Gericht stellte diesen inhaltsgleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO fest. Einige Tage später beantragte der Beklagte die „Berichtigung eines offensichtlichen Schreibfehlers“, da es nicht € 8.000.000“ heißen dürfe, sondern „8.000“ heißen müsse. Die Klägerin widersprach der Berichtigung. Das Landgericht kam dem Begehren auf Berichtigung analog § 319 ZPO nach. Die klägerseitige Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss war erfolgreich.

Das OLG hatte als Beschwerdegericht darauf verwiesen, dass eine Berichtigung eines Prozessvergleichs nach allgemeiner Auffassung in entsprechender Anwendung des § 319 ZPO ausscheide (BAG, Beschluss vom 25.11.2008 - 3 AZB 64/08 -). Bei unrichtiger Aufnahme der Erklärungen der Parteien zu einem Vergleich sei das Protokoll, in dem dies festgehalten würde (§ 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) gemäß § 164 ZPO zu berichtigen. Wurden aber die Erklärungen richtig im Protokoll festgehalten und sei dabei den Parteien ein gemeinsamer (Rechen-) Fehler unterlaufen, könne die Berichtigung nicht nach § 319 ZPO erfolgen, der Schreib-, Rechenfehler oder sonstige offensichtliche Unrichtigkeiten fordert. Vielmehr könne dieser Fehler nur mit Mitteln des materiellen Rechts (so § 313 BGB oder Irrtumsanfechtung) berichtigt werden.

Dies würde auch in einem Fall wie hier, bei dem es der Vergleich auf schriftlichem Weg abgeschlossen worden sei, § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO, gelten, § 278 Abs. 6 S. 3 ZPO. § 278 Abs. 6 S. 3 ZPO verweist auf § 164 ZPO. Für eine Berichtigung wäre die Fortsetzung des Verfahrens erforderlich. 

Allerdings würde hier auch danach eine Berichtigung ausscheiden, da die Voraussetzungen nach § 278 Abs. 6 S. 3 iVm. § 164 ZPO nicht vorlägen.  § 164 ZPO setze eine Unrichtigkeit des Inhalts des Protokolls voraus, dass also dieser nicht dem entspräche, was tatsächlich in der mündlichen Verhandlung vorausgegangen sei (BGH, Urteil vom 24.09.2013 - I ZR 133/12 -). Damit läge ein Fall nach § 278 Abs. 6 S. 3 ZPO vor, wenn der von den Parteien oder vom Gericht vorgeschlagene und von den Parteien angenommene Vergleichstext unrichtig (d.h. abweichend von dem angenommenen Vergleichsvorschlag) festgestellt würde (LAG Hamm, Beschluss vom 25.01.2021 - 12 Ta 411/20 -). So sei es aber vorliegend nicht gewesen. Der vom Landgericht selbst vorgeschlagene Vergleich benannte den Betrag von „8.000.000 EUR“ und dem wurde von den Parteien zugestimmt mit der Folge der entsprechenden Feststellung des Vergleichs durch das Landgericht. Auch wenn das Beschwerdegericht keinen Zweifel daran hatte, dass weder das Landgericht den Betrag von € 8 Mio. vorschlagen wollte noch die Parteien den Willen hatten einen Vergleich mit dieser Summe abzuschließen, doch würde dies hier eine Berichtigung nicht rechtfertigen können.

OLG Celle, Beschluss vom 24.05.2022 - 11 W8/22 -

Mittwoch, 2. September 2020

Keine Berichtigungsmöglichkeit des Steuerbescheides nach § 129 AO Bei Tatsachen-oder Rechtsirrtum


Der Kläger hatte seine an das Versorgungswerk geleisteten Beiträge fehlerhaft nicht als Versicherungsbeiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG an der dafür vorgesehenen Stelle des Formulars für die Einkommensteuer eingetragen, sondern als Beiträge zur „Rentenversicherung mit kapitalwahlrecht und Kapitallebensversicherung mit mindestens 12 Jahren Laufzeit und Laufzeitbeginn sowie erste Beitragszahlung vor dem 01.01.2005“. Von daher wurden die Beitragszahlungen vom beklagten Finanzamt (FA) als nur beschränkt abziehbare Vorsorgeaufwendungen behandelt, weshalb sich die Beitragszahlungen steuerlich nicht auswirkten. Die aufgrund der so ausgefüllten und verbeschiedenen Steuererklärungen ergangenen Steuerbescheide wurden bestandskräftig.  Im Juni 2016 beantragte der Kläger eine Änderung der Steuerfestsetzung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen unzutreffender Erfassung der Beiträge. Dies lehnte das FA ab. Nach dem erfolglosen Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage und vertrat die Auffassung, dass eine die Berichtigung nach § 128 AO ermöglichende offenbare Unrichtigkeit vorliegen würde..

§ 129 AO lautet:

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Die daraufhin vom Kläger erhobene Revision wurde vom BFH zurückgewiesen.

Nach dem Wortlaut der Norm, auf den der BFH verwies, kann das FA Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigen.

Vorliegend müsste es sich um eine „offenbare Unrichtigkeit“ handeln. Dies, so der BFH, seien mechanische Versehen wie Eingabe- oder Übertragungsfehler. Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts würde sich nicht als offenbare Unrichtigkeit iSv. § 129 AO darstellen. Auch sei § 129 AO dann nicht anwendbar, wenn die ernsthafte Möglichkeit bestünde, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet sei oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruhe. Der offenbare Fehler, der die Berichtigungsmöglichkeit nach § 128 AO ermögliche, müsse in der Sphäre des den Verwaltungsakt (Steuerbescheid) erlassenden FA entstanden sein. Da sich die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst ergeben müsse, sei § 129 AO auch anwendbar, wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernehme.

Die Beurteilung richte sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage. Es handele sich um eine Tatfrage.

Danach sei die Auffassung des FG nicht zu beanstanden, dass die fehlerhafte Eintragung durch den Kläger nicht aufgrund eines mechanischen Versehens, sondern bewusst aufgrund eines Tatsachen- und Rechtsirrtums vorgenommen worden sei. Ohne dass hier dem Sachbearbeiter des FA kein mechanischer Fehler unterlaufen sei, der lediglich die Angabe des Klägers übernahm, käme eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht.

Der Umstand, dass die fehlerhafte Angabe auch in den Folgejahren erfolgte, ändere für diese weiteren bescheide nicht die Grundlage des § 129 AO. Ursächlich bliebe stets die ohne erneute Prüfung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen Überbahne des irrigen Prüfergebnisses des Erstjahres mit den jeweils aktuellen Beiträgen zum Versorgungswerk.

BFH, Urteil vom 12.02.2020 - X R 27/18 -

Freitag, 28. August 2020

Fehlende Leistungsangabe in Rechnung schließt Berichtigungsmöglichkeit und damit Vorsteuerabzug aus


Welchen Anforderungen eine Rechnung genügen muss, die den Vorsteuerabzug durch den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer erlaubt, wird in § 14 Abs. 4 UStG (und für besondere Fälle zusätzlich in § 14a UStG) geregelt. Dies gilt ebenso für Rechnungen, die im Wege der Gutschrift von dem der vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer erstellt werden, § 14 Abs. 2 S. 2 UStG. Fehlen nach § 14 Abs. 4 UStG vorgesehen Angaben, ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Allerdings kann eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 S. 1 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) rückwirkend berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach §§ 14 Abs. 4 oder 14a UStG enthält.

Im Streitfall enthielt die „Credit Note“ die nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG geforderte Angabe der Steuernummer oder USt-IdNr. des leistenden Unternehmers nicht und zum Anderen habe auch nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) als auch des BFH die Angabe „Sales Products“ (Produktverkäufe) nicht der Anforderung des § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG entsprochen, da sich aus dieser Angabe weder Art noch Menge des verkauften Produkts ergäbe. Anders als das FG ging der BFH nicht davon aus, dass dies zulässig nach § 31 Abs. 5 S. 1 UStDV berichtigt worden sei.

Nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG muss die Rechnung „die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung“ enthalten. Für eine berichtigungsfähige Rechnung dort der BFH, dass diese Angaben tatsächlicher Art enthalten müsse, die es erlaube, die abgerechnete Leistung zu identifizieren, mithin eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen. Daran fehle es, wenn die Angaben in hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich falsch seien. Danach habe es sich hier bei der Credit Note um eine nicht berichtigungsfähige Rechnung gehandelt, da die Angabe unbestimmt gewesen sei und es nicht ermöglicht habe, die abgerechnete Leistung zu bestimmen. Soweit das FG auf die Firmenbezeichnung des leistenden Unternehmers abstellte, einem Verlag, ließe sich daraus auch nichts herleiten, da die Angebotspalette vielseitig seine könne: klassische Printprodukte (wie Bücher und Zeitschriften), Kalender und Gesellschaftsspiele und auch digitale Medienangebote (wie Lernsoftware, eBooks, Hörspiele) sowie Werbe- und Marketingleistungen. Aus der Firmenbezeichnung Verlag lasse sich daher nicht einmal entnehmen, ob es sich um körperliche oder nicht verkörperte Gegenstände (oder gar Dienstleistungen) handele. Auch wenn dem FA nach dessen Urteilsbegründung bekannt war, dass die Klägerin den Olineshop des Verlags vertrat, ließe sich damit nichts zur Art und Menge des verkauften „Produkts“ aussagen.

Da damit den Anforderungen an eine berichtigungsfähige Rechnung nicht genügt worden sei, scheide der Vorsteuerabzug für das Streitjahr aus. Der Vorsteuerabzug sei erst möglich, wenn die Lieferung oder Leistung bewirkt worden sei und der Steuerpflichtige im Besitz einer Rechnung sei.

BFH, Urteil vom 12.03.2020 - V R 48/17 -

Donnerstag, 16. Mai 2019

WEG: „Geburtsfehler“ der Gemeinschaftsordnung und deren Berichtigung


Die Teilungserklärung (TE) der Wohnungseigentümergemeinschaft aus 1984 bestimmte u.a., dass dem „jeweiligen Eigentümer des Teileigentumsrechts G30 die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Abstellräume I, II und II sowie der Wasch- und Trockenräume A und B“ zustehe. Nach Auseinandersetzungen über die Art der Nutzung, wurde dem Kläger u.a. durch Gerichtsurteil untersagt die Räume als Wohnung zu nutzen. Nunmehr, im vorliegenden Verfahren, verlangte der Kläger die Zustimmung zur Berichtigung der TE dahingehend, dass dem „jeweiligen Eigentümer des Teileigentumsrechts G30 die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Räume I, II und II sowie der Wasch- und Räume A und B“ zustehe. Das Amtsgericht wies die Klage als unzulässig, das Berufungsgericht als unbegründet ab. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück.

Zunächst wäre eine (gegebenenfalls auch ergänzende) Auslegung der TE vor der Prüfung einer Anpassung derselben nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG zu prüfen. Für die Auslegung maßgebend seien der Wortlaut und Sinn der getroffenen Regelungen in der TE, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergäbe. Umstände außerhalb der TE / des Grundbuchs dürften nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar seien. Eine Nutzung über die mit der Einordnung als Wohnungs- oder Teileigentum verbundene Zweckbestimmung hinaus auf lediglich bestimmte Zwecke müsse sich klar und eindeutig aus der TE bzw. Gemeinschaftsordnung (GO) ergeben. Eine schlichte Bezeichnung in dem Teilungsvertrag (TE) könne allerdings bereits ausreichend sein. Eine Zweckbestimmung ergäbe sich hier aus der Angabe als Abstell-, Wasch- und Trockenraum. Dass bereits zum Zeitpunkt der Teilung in den Räumen 18 Wohnungen vorhanden gewesen seien, wie vom Kläger behauptet, sei nicht für jedermann ersichtlich und von daher nicht berücksichtigungsfähig.

Damit sei eine Prüfung nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG geboten. Zwar sei die sachenrechtliche Zuordnung nicht Gegenstand einer Vereinbarung iSv. § 10 WEG, da diese der Regelung der Innenbeziehung der Wohnungseigentümer untereinander diene, also der Schaffung einer GO, die ähnlich einer Satzung die Grundlage des Zusammenlebens der Wohnungseigentümer bilde. Anders läge dies aber bei der Änderung des Inhalts eines dinglichen Sondernutzungsrechts, da dies die sachenrechtliche Zuordnung unberührt lasse. Gegenstand der Klage sei hier der Inhalt des Sondernutzungsrechts. Der Kläger begehre nicht die Umwandlung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Dachgeschossräume in Sondereigentum, sondern eine Änderung der Zweckbestimmung, womit das dingliche Recht an den Räumen nicht berührt werde.

§ 10 Abs. 2 S. 3 WEG („Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.“) lasse unter den dort benannten Voraussetzungen  eine abweichende Vereinbarung oder die Anpassung der Vereinbarung zu. Die Kodifizierung der Norm habe gegenüber den bis dahin von der Rechtsprechung verlangten „außergewöhnlichen Umständen“ die Hürde bewusst herabgesenkt, indem nunmehr „schwerwiegende Gründe“ vorausgesetzt würden. Nicht erforderlich sei, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert hätten; anwendbar sei dies auch dann, wenn Regelungen der GO von Anfang an verfehlt oder unbillig waren (sogen. Geburtsfehler; vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 19). Die Behebung derartiger, eventuell auch bewusster „Geburtsfehler“ einer GO oder TE zu ermöglichen, sei ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers gewesen.

Schwerwiegende Gründe, die ein Festhalten an der bisherigen Regelung unbillig erscheinen ließen, lägen vor, wenn die von der GO geforderte Zweckbestimmung einer Nutzung der Sondereigentumseinheit entgegenstünde, die nach baulicher Ausstattung der Räume möglich wäre, und wenn ferner objektive Umstände dafür sprächen, dass dem betroffenen Wohnungseigentümer diese Nutzung eröffnet werden sollte. Diese bauliche Ausstattung müsse aber entweder bereits bei Begründung des Wohnungseigentums vorgelegen haben oder im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufteilung vorgenommen und von den übrigen Wohnungseigentümern hingenommen worden sein. Eine eigenmächtige Änderung ohne Zustimmung nach § 22 Abs. 1 WEG wäre nicht ausreichend, da dies auf eigenes wirtschaftliches Risiko erfolge. Ferner müssten objektive Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass die bestehende Regelung die tatsächliche eröffnete Nutzung der Räume nicht wiedergebe, was z.B. dann der Fall sei, wenn die Kostentragungspflicht in einem Missverhältnis zu der wirtschaftlichen Verwertbarkeit stünde, die gegeben wäre, wenn dieses nur dem Inhalts der TE gemäß genutzt werden dürfe. Ferner müsse die verlangte Änderung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Zeitpunkt des Änderungsverlangens zulässig sein. Letztlich müsse die nach der bestehenden Zweckbestimmung zulässige Nutzung zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung führen, die durch die Änderung der Zweckbestimmung behoben werden könne.

Würden die schwerwiegenden Gründe (die vom Berufungsgericht nicht geprüft wurden) bejaht, wäre zu prüfen, welche Interessen der übrigen Wohnungseigentümer gegen die geforderte Anpassung sprächen. Alleine ein abstraktes Vertrauen der übrigen Wohnungseigentümer auf Einhaltung der GO würde die Unbilligkeit iSv. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG nicht entfallen lassen. Diesem Vertrauen auf den Bestand würde durch das Erfordernis des schwerwiegenden Grundes Rechnung getragen.

Nach diesen Grundsätzen käme ein Änderungsanspruch des Klägers auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 S. 3 WEG in Betracht: Die 18 Wohnungen seien bereits mehr als zwei Jahre vor der Teilung fertiggestellt und vermietet worden; zugewiesen worden sei aber dem Kläger ein Sondernutzungsrecht, das keine Wohnnutzung, sondern nur eine untergeordnete Verwertung der Räume zuließe. Neben der baulichen Ausstattung spräche auch die Größe der dem Kläger zugewiesenen Miteigentumsanteile von 15.013,730/100.000 (dem größten Miteigentumsanteil) und die damit verbundene Kostentragungspflicht, die sich nach der TE nach Miteigentumsanteile richte, was nahelegen würde, dass der wirtschaftliche Wert des Anteils von vorherein in der Wohnnutzung bestanden habe. Dass hier die bestehende Regelung zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung des Sondernutzungsrechts führe, sei klar.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung habe besonderes Gewicht, dass die Wohnungen nach dem Vortrag des Klägers bereits seit über 30 Jahren bestanden, ohne dass es Beanstandungen durch die übrigen Wohnungseigentümer gegeben habe. Soweit sich in den letzten Jahren gegen die Wohnungsnutzung gewandt hätten, solle dies nur seinen Grund in der Zweckbestimmung, nicht in möglichen nachteiligen Auswirkungen gehabt haben. Dann aber dürften keine Interessen der übrigen Wohnungseigentümer bestehen, sich der Änderung zu verschließen und den Kläger statt dessen auf eine Änderung des unbilligen Kostenverteilungsschlüssels zu verweisen.

Damit erweise sich das Berufungsurteil als fehlerhaft, welches keine Feststellungen nach § 10 Abs. 3 S. 2 WEG getroffen habe. Allerdings dürfe es nicht „Räume“ heißen, da diese allgemeine Bezeichnung keine Wohnnutzung zuließe; die unbestimmte Bezeichnung „Raum“ würde noch nicht dem Rechtsschutzziel der Wohnnutzung entsprechen (es handelt sich hier ersichtlich um einen bisher von den Instanzgerichten unterlassenen Hinweis an den Kläger nach § 139 ZPO, seinen Antrag entsprechend nach Zurückverweisung zu ändern).

BGH, Urteil vom 22.03.2019 - V ZR 298/16 -

Donnerstag, 21. März 2019

WEG: Keine nachträgliche Änderung der Gläubigerbezeichnung durch Änderung der Rechtslage


Für die (damaligen) Mitglieder eine Wohnungseigentümergemeinschaft wurde mit notariellem Protokoll ein Schuldanerkenntnis protokolliert und eine Sicherungshypothek im Grundbuch gewahrt. Nach Anerkennung der (Teil-) Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte diese eine Berichtigung der Gläubigerbezeichnung auf sich. Der Antrag wurde zurückgewiesen; die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Kammergericht (KG) zurück.

Die Eintragung, so das KG, erfolge auf Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn das Recht von dem betroffen sei, der die Eintragung bewilligt, § 19 GBO. Einer Bewilligung zur Berichtigung bedürfe es dann nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen sei. Dieser Nachweis sei nicht erbracht worden.

Zwar habe der BGH die (Teil-) Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft mit seinem Beschluss vom 02.06.2005 - V ZB 32/05 -  anerkannt und der Gesetzgeber dies auch nachvollzogen (§§ 10, Abs. 6 – 8, 27  Abs. 3 WEG), doch würde dies an der rechtlichen Zuordnung eines für die Wohnungseigentümer eingetragenen Verfügungsverbotes im Grundbuch nichts ändern. Die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sei nichtumfassend, sondern auf Teilbereiche des Rechtslebens beschränkt, bei denen diese im Rahmender Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsleben teilnehme (BGH, Urteil vom 18.03.2016 - 5 ZR 75/15 -), weshalb keine Identität der Wohnungseigentümergemeinschaft mit der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft angenommen werden könne. Vielmehr bleibe das Sonder- und Gemeinschaftseigentum in den Händen der Miteigentümer und es würde sich mithin um unterschiedliche Zuordnungsobjekte von Rechten und Pflichtenhandeln. Dies verbiete eine Umdeutung dahingehend, dass die Sicherungshypothek nunmehr nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft zustünde.

Zwar könnten offenbare Unrichtigkeiten auch von Amts wegen berichtigt werden. Auch wenn hier die Urkundsnotarin eine Berichtigung vornahm, müsse dies geprüft werden. Die Unrichtigkeit müsse offenkundig sein (§ 44a Abs. 2 BeurkG, der sich an § 319 Abs. 1 ZPO anlehne). Dies sei hier nicht der Fall. Vielmehr läge die Annahme nahe, dass es sich bei der ursprünglichen Bezeichnung der Gläubiger um die  namentlich aufgeführten Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft handele. Dies habe dem damaligen Rechtsverständnis entsprochen, wonach Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft mangels deren Rechtsfähigkeit nur solche der Wohnungseigentümer waren. Damit könne die Nachtragsurkunde der Notarin nicht richtig sein, da ansonsten die Gläubiger des Schuldanerkenntnisses nicht gewahrt blieben.

KG, Beschluss vom 12.03.2019 - 1 W 56/19 -

Freitag, 27. Mai 2016

Prozessrecht: Die unterlassene Entscheidung über die Kosten der Streithilfe und der zulässige Rechtsbehelf

Skulptur: Gerechtigkeit
Immer dann, wenn in einem Urteil festgestellte Tatsachen auch gegenüber einem Dritten gelten sollen, ist eine Streitverkündung angezeigt. Ebenso kann ein Dritter, wie z.B. der private Haftpflichtversicherer, sich selbst an einem Verfahren als Streithelfer beteiligen.  Obwohl das Rechtsinstitut der Streithilfe alt ist, tun sich sowohl Anwälte als auch Gerichte häufig schwer mit ihm.  Einer der häufigsten Fehler bei Gericht ist darin zu finden, dass im Rahmen der Kostenentscheidung in einem Urteil oder Beschluss (z.B. nach § 91a ZPO) kein Wort zu den Kosten der Nebenintervention und mithin zu den Kosten des Streithelfers gesagt wird.

Hier war der BGH selbst betroffen. In einem Beschluss nach § 522 ZPO, mit dem er über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden hatte, vergaß er die Streithelferin, die dem Rechtsstreit Auf  Seiten des obsiegenden Beklagten beigetreten war. Einer gesonderten Entscheidung zu den Kosten der Streithilfe bedarf es im Tenor gem. § 101 Abs. 1 ZPO (was häufig von Gerichten verkannt wird).  Der Beschluss wurde dem anwaltlichen Bevollmächtigten der Streithelferin am 27.01.2016 zugestellt; noch am gleichen Tag beantragt der anwaltliche Bevollmächtigte, den Beschluss gemäß § 321 ZPO zu ergänzen oder, soweit möglich, nach § 319 ZPO dahin zu berichtigen, dass die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen habe.

Der BGH negierte in seinem darauf ergangenen Beschluss die Möglichkeit der Berichtigung nach § 319 ZPO. Eine Berichtigung auch bei einer versehentlich unterlassenen Entscheidung über die Kosten der Streithilfe käme nur dann in Betracht, wenn eine versehentliche Abweichung von dem vom Gericht gewollten vorläge und zudem dies auch offenkundig sei BGH, Beschluss vom 16.03.2013 – II ZR 185/10 -).  Offenkundigkeit verlange, dass sich dies für einen Dritten aus der Entscheidung selbst ergäbe oder zumindest bei dem Erlass oder der Verkündung der Entscheidung deutlich nach außen zum Tragen käme. Diese Voraussetzungen negierte hier der BGH für den vorliegenden Fall. Zwar habe er der Klägerin die Kosten der Streithilfe nach § 101 Abs. 1 ZPO auferlegen wollen; das versehentliche Vergessen wäre aber nicht offenbar geworden, da weder der Beschluss selbst einen Hinweis in den Gründen enthalte, auch nicht jede Entscheidung über Kosten fehle und auch nach außen sonst nichts erkennbar dokumentiert worden wäre. Alleine der Umstand der Benennung der Streithelferin Im Rubrum der Entscheidung genügt nicht (BGH, Beschluss vom 16.04.2013 – II ZR 297/11 -).

Allerdings wurde auch förmlich ein Antrag auf Ergänzung des Beschlusses im Kostenausspruch gestellt. Dieser Antrag ging innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist ein. § 321 Abs. 1 ZPO, wonach ein Urteil auf Antrag zu ergänzen ist,  ist auf Beschlüsse entsprechend anwendbar (BGH, Beschluss vom 26.08.2013 – IX ZR 26/13 -).  Diesem Antrag war stattzugeben.

Anmerkung: Als Vertreter eines Streithelfers hat man stets die Kostenentscheidung des Gerichts genau zu lesen. Fehlt eine Entscheidung über die Kosten der Streithilfe, ist  - wenn sie der Gegenseite aufzuerlegen wäre, was regelmäßig der Fall ist, wird dem Rechtsstreit auf Seiten der obsiegenden Partei beigetreten -  innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO (2 Wochen) schriftsätzlich (bei Anwaltsprozessen zwingend durch einen zugelassenen Anwalt) die Ergänzung zu beantragen. Wir die Frist versäumt, fehlt es an einer Kostengrundentscheidung zugunsten des Streithelfers, vermöge dessen er seine Kosten gegen die unterlegene Partei festsetzen lassen und so bei dieser beitreiben könnte. Er bliebe auf seinen Kosten „sitzen“. Es wäre ein Anwaltsversäumnis, was auch zum Verlust des eigenen Gebührenanspruchs gegen den Mandanten führen kann.  Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen des BGH zu § 319 ZPO bedeutsam, da der Berichtigungsantrag nicht an eine Frist gebunden wäre.


BGH, Beschluss vom 01.03.2016 – VIII ZR 287/15 -