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Mittwoch, 11. September 2019

WEG-Verwalterwahl mit mehreren Bewerbern – wie ist sie durchzuführen ?


Häufiger als erwartet gestaltet sich wohl die Wahl des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft als formales Problem. Der BGH hat sich dazu geäußert. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach der Teilungserklärung (TE) bestimmte sich das Stimmrecht nach Mieteigentumsanteilen (MEA); Stimmenthaltungen sollten als nicht abgegebene Stimmen gelten, die ebenso wie die Stimmen nicht anwesender und gleichzeitig nicht vertretener Wohnungseigentümer bei der Feststellung der Stimmenmehrheit nicht mit berücksichtigt werden. Auf der maßgeblichen Wohnungseigentümerversammlung waren 935,35/1.000 MEW anwesend bzw. vertreten. Neben der bisherigen Verwalterin gab es drei weitere Bewerber um das Amt des Verwalters. Für jeden Bewerber ab es einen Beschlkussvorschlag; bei dem Beschlussvorschlag 1 handelte es sich um die bisherige Verwalterin, die Beschlussvorschlage 2 bis 4 betrafen die weiteren drei Bewerber. Bei der Abstimmung über den Beschlussvorschlag 1 entfielen auf die bisherige Verwalterin auf Ja-Stimmen 463,40/1.000 MES, auf Nein-Stimmen 382,25/1.000 MEA und auf Enthaltungen 89,70 MEA. Der Versammlungsleiter stellte darauf fest, dass damit die bisherige Verwalterin widergewählt worden sei und es keiner weiteren Abstimmungen zu den weiteren drei Bewerbern bedürfe. Die Kläger hatten diesen Beschluss (und den nachfolgenden Beschluss zum Verwaltervertrag) angefochten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Die (zugelassene) Revision der Beklagten wurde vom BGH abgewiesen.

Der BGH führte aus, dass die Wohnungseigentümer gem. § 26 Abs. 1 S. 1 WEG über Bestellung und Abberufung des Verwalters mit Stimmenmehrheit beschließen würden. Die Festlegung der Verfahrensweise bei Abstimmungen obliege, wenn in der TE / Gemeinschaftsordnung oder durch einen einfachen Geschäftsordnungsbeschluss nicht anderes festgelegt worden sei, dem Versammlungsleiter. Dieser könne nach pflichtgemäßen Ermessen den Abstimmungsmodus, insbesondere die Reihenfolge der Abstimmungsfragen, festlegen. Ferner könne er im Rahmen dieses Ermessens auch darüber bestimmen, welches Wahlverfahren durchgeführt werden soll, wenn es (wie hier) mehrere Bewerber um da Amt gäbe. Insoweit käme in Betracht:
  •      Jeder Wohnungseigentümer habe bei einer nacheinander erfolgenden Abstimmung über die einzelnen Bewerber nur eine Ja-Stimme.
  •     Jeder Wohnungseigentümer könne in jedem Wahlgang, unabhängig von seiner vorherigen Stimmabgabe von seinem Stimmrecht, und damit auch wieder von einer Ja-Stimme, Gebrauch machen.
Vorliegend habe der Versammlungsleiter gemäß dem ihm zustehenden Ermessen die Kandidaten, beginnend mit der bisherigen Verwalterin, zur Abstimmung gestellt. Fehlerhaft sei allerdings der Abbruch der Abstimmung nach dem ersten Wahlgang gewesen.

Es müsse, stehen mehrere Bewerber zur Wahl, über jeden Bewerber abgestimmt werden. Dies dürfe nur unterbleiben, wenn ein Bewerber die absolute Mehrheit erreiche und die Wohnungseigentümer nur eine Ja-Stimme insgesamt abgeben dürften. Läge diese Voraussetzung nicht vor, dürfe die Abstimmung über die weiteren Bewerber nicht abgebrochen werden, da nicht festgestellt werden könne, ob die erforderliche Mehrheit erreicht wurde.

Grundsätzlich käme es zwar bei der Bestimmung der Mehrheit iSv. § 25 Abs. 1 WEG allein entscheidend auf die Ja-Stimmen an, da Enthaltungen wie bei (auch kurzzeitig) abwesenden und nicht vertretenen Eigentümern nicht mitgezählt würden. Stünden aber mehrere Bewerber zur Auswahl, sei die Abstimmung über jeden einzelnen Bewerber nur ein Teilakt eines als Einheit anzusehenden Verfahrens. Die relative Mehrheit für einen Bewerber sei nicht ausreichend, wenn mehr als zwei Kandidaten zur Auswahl stünden.

Bei einem Wahlverfahren, bei dem unabhängig von der vorangegangenen Stimmabgabe das Stimmrecht bei jedem Wahlgang umfassend ausgeübt werden könne, also jeweils mit Ja gestimmt werden kann, könnten auch nachfolgende Bewerber mehr Ja-als Nein-Stimmen auf sich vereinigen, wobei es auch möglich sei, dass zwei oder mehr Bewerber die Stimmen aller Wohnungseigentümer erhalten. Dieses Wahlverfahren eröffne die Möglichkeit, dass nach einer persönlichen Präferenzordnung abgestimmt würde, also etwa ein Bewerber bevorzugt, aber auch andere für annehmbar gehalten würden. Würde über den bevorzugten Bewerber erst später abgestimmt, müsse der Eigentümer auch insoweit die Möglichkeit haben sein Stimmrecht auszuüben, weshalb der Willensbildungsprozess der Wohnungseigentümer erst nach dem letzten Wahlgang abgeschlossen sei.

Würde ein Wahlverfahren festgelegt, wonach jeder Eigentümer nur eine Ja-Stimme habe, müssten grundsätzlich auch alle Bewerber zur Abstimmung gestellt werden. Zwar könnten diejenigen Miteigentümer, die im ersten oder nachfolgenden Wahlgang bereits mit Ja gestimmt hätten, bei weiteren Wahlgang nicht mehr mit Ja stimmen; diejenigen, die aber mit Nein gestimmt hätten oder sich enthalten hätten, könnten jeweils mit Ja stimmen. Die Abstimmung über alle Bewerber müsste in diesem Verfahren nur dann nicht fortgeführt werden, wenn ein Bewerber in einem Wahlgang bereits die absolute Mehrheit erzielt habe und weitere Wahlgänge an diesem Ergebnis nichts mehr ändern könnten.

Damit stünde vorliegend nicht fest, dass die bisherige Verwalterin mit der notwendigen Stimmenmehrheit wiederbestellt worden sei. Dabei könne offen bleiben, welches der benannten Wahlverfahren der Versammlungsleiter vorliegend angewandt habe. Jedenfalls habe die bisherige Verwalterin nicht die absolute Stimmenmehrheit auf sich vereinigt, weshalb bereits deshalb der Abbruch der weiteren Abstimmung unzulässig gewesen sei (Anm.: die absolute Stimmenmehrheit hätte 467,68 Stimmen bedurft). Damit sei der Beschluss über die Verwalterbestellung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, weshalb auch der Beschluss über den Verwaltervertrag mit der bisherigen Verwalterin als ungültig zu erklären war.

BGH, Urteil vom 18.01.2019 - V ZR 324/17 -

Mittwoch, 27. Februar 2019

Betreuung: Zur notwendigen (erneuten) Anhörung des Betroffenen


Der Betroffene soll an einer maniformen Psychose leiden, weshalb das Amtsgericht eine Betreuung für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Regelung des Postverkehrs, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie (hier mit Einwilligungsvorbehalt) Vermögensangelegenheiten anordnete und die Beteiligte zu 1 als Berufsbetreuerin bestimmte. Die Beschwerde des Betroffenen wies das Landgericht zurück. Auf die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hob der BGH den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an das Landgericht (Beschwerdegericht) zurückverwiesen.

Der BGH stützte seine Entscheidung auf § 68 Abs. 3 S. 2 FamG. Zwar könne danach das Beschwerdegericht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen absehen, so wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückläge, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergäben, das Beschwerdegericht das Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend  werten wolle und es auf den persönlichen Eindruck des Betroffenen nicht ankäme. Zöge aber das Beschwerdegericht eine neue Tatsachengrundlage heran, die nach der erstinstanzlichen Entscheidung läge, wäre eine neue Anhörung des Betroffenen erforderlich. Auch dürfe das Beschwerdegericht nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen absehen, bei denen das erstinstanzliche Gericht zwingende Verfahrensvorschriften verletzt habe. Vorbehaltlich der Möglichkeit der Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht gem. § 69 Abs. 1 S. 2 und 3 FamFG müsse das Beschwerdegericht in diesen Fällen den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen (BGH, Beschluss vom 15.08.2018 - XII ZB 10/18 -).

Danach habe vorliegend das Beschwerdegericht nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG absehen dürfen. Die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel, da ihm das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten nicht vor dem Anhörungstermin überlassen worden sei. Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung setze nach § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Das Gutachten sei mit seinem vollen Wortlaut im Hinblick auf die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen (§ 275 FamFG) grundsätzlich auch diesem persönlich zur Verfügung zu stellen. Nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG könne davon abgesehen werden (BGH aaO.). Der Betroffene müsse vor seiner Anhörung nicht nur im Besitz des Gutachtens sein, sondern auch ausreichend Zeit bekommen, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Würde das Gutachten nicht rechtzeitig vor dem Termin zur Anhörung überlassen, leide das Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

Vorliegend sei das Gutachten im vollen Wortlaut dem Betroffenen erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts überlassen worden. Dieser Mangel hätte vom Landgericht im Rahmen einer erneuten Anhörung behoben werden müssen, zumal der Betroffene im dem Beschwerdeverfahren zuzurechnenden Abhilfeverfahren schriftliche Einwendungen gegen das Gutachten erhoben habe.

BGH, Beschluss vom 06.02.2019 - XII ZB 504/18 -