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Sonntag, 8. September 2019

WEG: Beschlussanfechtungsklage und Berechnung der Frist für die rechtzeitige Zahlung des Gerichtskostenvorschusses


Die Parteien, Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, hatten auf einer Eigentümerversammlung vom 16.06.2016 diverse von dem klagenden Miteigentümer mit am 13.07.2016 bei dem zuständigen Amtsgericht eingegangener Klage angefochten. Mit Schreiben des Gerichts vom 15.07.2016 wurde der Kläger gem. § 12 Abs. 1 GKG zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Dieser Vorschuss ging am 09.08.2016 bei der Gerichtskasse ein. Die Zustellung der Klage wurde daraufhin veranlasst und erfolgte am 17.08.2016. Mit am 16.08.2016 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz wurde die Klage vom Kläger begründet; zugleich hatte er wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung beantragt und die Klage um einen Verpflichtungs- und Feststellungsantrag erweitert.

Klage und Berufung gegen das klageabweisende Urteil blieben erfolglos. Die Abweisung erfolgte wegen Nichtwahrung der Klagefrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Berufung.

Anders als das Amts- und Landgericht nahm der BGH an, dass der Kläger die Klageerhebungsfrist gewahrt habe. Zwar sei die Zustellung der Klage nicht innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erfolgt, doch wirke die tatsächliche (spätere) Zustellung nach § 167 ZPO auf den Tag der Einreichung der Klage zurück, an dem die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Das in § 167 ZPO „demnächst“ sei erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten würden. Für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses, der für die Zustellung erforderlich ist, sei bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse abzustellen, sondern darauf, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge einer Nachlässigkeit des Klägers verzögert habe, um eine Überforderung des Klägers sicherzustellen (BGH, Urteil vom 10.07.2015 - V ZR 154/14;BGH Urteil vom 29.09.2017 - V ZR 103/16 -). Der Umstand, dass zwischen dem (zu Gunsten des Klägers unterstellten) Zugang der Gerichtskostenrechnung am 20.07.2016 und dem Eingang des Vorschusses bei der Gerichtskasse mehr als 14 Tage lägen, würd daher einer Annahme einer Zustellung „demnächst“ iSv. § 167 ZPO nicht entgegen stehen. Festzustelle sei, ob dem Kläger eine Verfahrensverzögerung von mehr als 14 Tagen vorgeworfen werden könne.

Diese Frage verneinte der BGH. Die zahlungspflichtige Partei müsse nicht am gleichen Tag zahlen, an dem ihr die Zahlungsaufforderung zugehen würde. Es sei eine Zeitspanne zu berücksichtigen, die die Partei im Normalfall benötigen würde, um für eine ausreichende Kontendeckung zu sorgen und die Überweisung zu veranlassen. Hier sei in der Regel (dies könne sich nach den Umständen des Falls verlängern, BGH Urteil vom 29.09.2017 - V ZR 103/126 -) eine Woche. Das würde bedeuten: Eine Untätigkeit zur Einzahlung nach Zugang der Vorschussanforderung am 20.07.2016 könnte dem Kläger bis zum  27.07.2016 nicht vorgeworfen werden. Der maßgebliche Zeitraum der 14 Tage hätte am 28.07.2016 begonnen und wäre daher erst am 10.08.2016 abgelaufen. Die Zahlung sei aber bereits am 09.08.2016 bei der Gerichtskasse eingegangen. Aber auch wenn man von einem Zugang der Gerichtskostenrechnung bereits am Montag, 18.07.2016 oder früher ausgehen wollte, wäre eine zurechenbare Verzögerung nicht angenommen werden: Zwar wären unter Zugrundelegung der Wochenfrist zur Überweisung und der weiteren 14 Tage diese Fristen bereits am Montag, 08.08.2016 abgelaufen gewesen, weshalb der Zahlungseingang am 09.08.2019 an sich später gewesen wäre. Allerdings könne dem Kläger kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er nach Einreichung der Anfechtungsklage bis zum Ablauf der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG (ein Monat nach Beschlussfassung) nicht unternommen habe. Würde eine Klage bereits vor Ablauf einer durch Zustellung zu wahrenden Frist eingereicht, erfolge die Zustellung der Klage aber erst nach Ablauf der Frist, seien bis zum Fristablauf eingetretene Versäumnisse in die maßgebliche 14-Tage-Frist nicht mit einzurechnen (BGH, Urteil vom 25.09.2015 - V ZR 2013/14 -; BGH, Urteil vom 29.09.2017 - V ZR 103/16 -). So sei es vorliegend: Die maßgebliche Klagefrist war Montag, der 18.07.2016 (der 16.06,2016 sei ein Samstag gewesen, der nach § 222 ZPO ausscheidet). Eine bis dahin eingetretene Versäumnis sei dem Kläger daher nicht zuzurechnen. Für § 167 ZPO käme es also nur auf die relevante Verzögerung ab dem 19.07.2016 an. Unter Berücksichtigung der Erledigungsfrist (bis spätestens 26.07.2016) wäre daher der Vorschuss am 09.08.2019 noch innerhalb des zuzubilligenden 14-Tage-Zeitraums erfolgt.  

Das angefochtene Urteil wurde vom BGH aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

BGH, Urteil vom 17.05.2019 - V ZR 34/18 -