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Dienstag, 10. September 2019

WEG: Die Voraussetzungen für einen „Abmahnbeschluss“ (und Entziehung des Wohnungseigentums) bei rechtsmissbräuchlicher Rechtsausübung


Direkt nach einer Wohnungseigentümerversammlung vom 31.08.2016, an der sie nicht teilnahmen,  forderten die Kläger die Verwalterin auf, ihnen eine Kopie aus der Beschlusssammlung bis 05.09.2016 zu überlassen und wiesen die Verwalterin drauf hin, dass diese, komme sie dem nicht nach, aus wichtigen Grund wegen Pflichtverletzung abberufen werden könne. Auf einer von den Klägern begehrten Eigentümerversammlung beschlossen die beklagten Mitglieder der WEG eine Abmahnung der Kläger, in der sie darauf hinwiesen, dass die Kläger es seit Jahren darauf anlegen würden, die jeweiligen Verwalter durch permanente Aufforderung zum Rücktritt und Ankündigung der Abwahl zu zermürben, womit sie es darauf anlegen würden, die Gemeinschaft in eine verwalterlosen Zustand zu treiben. Der Vorverwalter habe deshalb bereits seinen Vertrag nicht verlängert und eine Zerrüttung drohe nun auch mit der erst seit dem 01.01.2016 amtierenden neuen Verwalterin.


Die Klage, Berufung und auch (zugelassene) Revision der Kläger gegen diesen Abmahnbeschluss blieb erfolglos.

Die Klage sei zulässig. Auch wenn die Abmahnung durch die Verwalterin selbst oder einzelne Wohnungseigentümer hätte ausgesprochen werden können, ohne dass dies anfechtbar wäre (BGH, Urteil vom 19.01.2007 - V ZR 26/06 -), hätte die Eigentümer das Recht, die Abmahnung qua Beschluss auszusprechen und sei dieser Beschluss wie jeder andere Beschluss anfechtbar, auch wenn bei einer erfolgreichen Beschlussanfechtung die rechtliche Wirkung der Abmahnung nicht beseitigt würde, wenn der Beschluss den Anforderungen an eine Abmahnung entspräche.

Im Beschlussanfechtungsverfahren würde der Abnahmebeschluss lediglich darauf überprüft, ob die formellen Voraussetzungen der Beschlussfassung eingehalten worden seien, ob das abgemahnte Verhalten einen Entziehungsbeschluss rechtfertigen könnte und ob die Abmahnung hinreichend bestimmt sei. Die Prüfung der materiellen Richtigkeit der Abmahnung (ob also ein entsprechendes Verhalten tatsächlich vorlag) würde aber erst nach einem Entziehungsbeschluss in einem folgenden gerichtlichen Entziehungsprozess geprüft werden (BGH, Urteil vom 08.07.2011 - V ZR 2/11 -).  In diesem im Beschlussanfechtungsverfahren zu prüfenden Umfang sei der Beschluss nicht zu beanstanden.

Allerdings könne die Entziehung des Wohnungseigentums im Grundsatz nicht auf die Ausübung von Eigentümerrechten durch den betroffenen Wohnungseigentümer gestützt werden. Der einzelne Wohnungseigentümer habe, auch in Ansehung seines Anspruchs auf ordnungsgemäße Verwaltung (§ 21 Abs. 3 bis 5 WEG) das Recht, sich mit Anträgen an die Verwaltung zu richten, Anträge bei Wohnungseigentümerversammlungen zu stellen und gefasste Beschlüsse durch Anfechtung oder Beschlussersetzungsklage gerichtlich überprüfen zu lassen. Sein diesbezügliches Verhalten könne nicht zur Entziehung des Wohnungseigentums führen, da er ansonsten seine Rechte nicht unbefangen und effizient ausüben könne.

Die Geltendmachung von Eigentümerrechten könne aber rechtsmissbräuchlich sein und, wenn dieses Verhalten ein entsprechendes Gewicht habe, auch die Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG rechtfertigen. Die Rechte des Wohnungseigentümers würden unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben  (§ 242 BGB) stehen. So könnte eine Beschlussanfechtungsklage, bei der der Eigentümer in Kenntnis des Verfahrensmangels zugestimmt habe, wegen widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich oder mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig sein. Rechtsmissbräuchlichkeit könne aber auch in Ansehung der Ziele vorliegen (so für eine Vollstreckungsgegenklage, die prozessfremden Zielen diene, BGH, Urteil vom 21.10.2016 - V ZR 1/08 -; bei Klagen eines Aktionärs gegen Beschlüsse, nur um die Gesellschaft in eigennütziger Weise zu veranlassen, ihm Leistungen zu gewähren). Entsprechendes gelte für die Wahrnehmung von Eigentümerrechten, wenn diese zur Verfolgung von wohnungseigentumsfremder oder gar –feindlicher Ziele eingesetzt würden. Hier seien aber strenge Anforderungen zu stellen, da es um den Kernbereich der elementarer Mitgliedschaftsrechte ginge. Alleine die fehlende oder unzureichende Begründung einer Beschlussanfechtungsklage reiche nicht, ebenso wenig die der Umfang (wie zahlreiche Anfechtungsklagen). Auch auf den Erfolg dieser Klagen käme es nicht an. Rechtsmissbrauch läge auch nicht bei querulatorischen Anfechtungsklagen vor.

Vorliegend sei aber ein Rechtsmissbrauch anzunehmen. Nah dem Beschluss sollen es die Kläger seit Jahren darauf angelegt haben, die jeweiligen Verwalter durch Aufforderungen zum Rücktritt und Ankündigungen einer Abwahl versucht haben zu zermürben und die Gemeinschaft so in einen verwalterlosen Zustand zu treiben (die materielle Richtigkeit wurde nicht geprüft, da dies einem Entziehungsprozess vorbehalten bleibt). Damit stützen sich die Beklagten nicht auf ein Antrags-, Abstimmungs- oder Klageverhalten der Kläger als solchem sondern darauf, dass diese ihre Eigentümerrechte zur Destabilisierung der Wohnungseigentümergemeinschaft missbrauchen würden.

Ein derartiger Missbrauch könne die Entziehung des Wohnungseigentums  rechtfertigen, da es im diametralen Gegensatz zum Kernanliegen des WEG läge, welches in der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Verwaltung läge. Dieses Ziel würde nach der Konzeption des WEG im Regelfall nur durch die Bestellung eines Verwalters, insbesondere bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften wie hier, erreicht. Würden die Verwalter vergrault, würden die kontinuierliche Pflege, Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, die geordnete Aufbringung der zu dieser Verwaltung benötigten Mittel, die Erfüllung gemeinschaftlicher Verpflichtungen und das Zustandekommen der für die Verwaltung erforderlichen Beschlüsse nicht mehr gesichert sein. Lege es ein Wohnungseigentümer darauf an, missbrauche er seine Rechte zu wohnungseigentumsfeindlichen Zwecken und verletzte durch diese Instrumentalisierung seiner Rechte die ihm gegenüber den übrigen Eigentümern und der Gemeinschaft obliegenden Pflichten grob, was den übrigen Eigentümern nicht zumutbar sei und die Entziehung des Wohnungseigentums rechtfertige.


BGH, Urteil vom 05.04.2019 - V ZR 339/17 -