Häufiger als erwartet gestaltet
sich wohl die Wahl des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft als formales
Problem. Der BGH hat sich dazu geäußert. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach der Teilungserklärung (TE) bestimmte sich das Stimmrecht nach
Mieteigentumsanteilen (MEA); Stimmenthaltungen sollten als nicht abgegebene
Stimmen gelten, die ebenso wie die Stimmen nicht anwesender und gleichzeitig nicht
vertretener Wohnungseigentümer bei der Feststellung der Stimmenmehrheit nicht
mit berücksichtigt werden. Auf der maßgeblichen Wohnungseigentümerversammlung waren
935,35/1.000 MEW anwesend bzw. vertreten. Neben der bisherigen Verwalterin gab
es drei weitere Bewerber um das Amt des Verwalters. Für jeden Bewerber ab es einen
Beschlkussvorschlag; bei dem Beschlussvorschlag 1 handelte es sich um die
bisherige Verwalterin, die Beschlussvorschlage 2 bis 4 betrafen die weiteren
drei Bewerber. Bei der Abstimmung über den Beschlussvorschlag 1 entfielen auf
die bisherige Verwalterin auf Ja-Stimmen 463,40/1.000 MES, auf Nein-Stimmen
382,25/1.000 MEA und auf Enthaltungen 89,70 MEA. Der Versammlungsleiter stellte
darauf fest, dass damit die bisherige Verwalterin widergewählt worden sei und
es keiner weiteren Abstimmungen zu den weiteren drei Bewerbern bedürfe. Die
Kläger hatten diesen Beschluss (und den nachfolgenden Beschluss zum
Verwaltervertrag) angefochten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die dagegen
gerichtete Berufung der Beklagten wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Die
(zugelassene) Revision der Beklagten wurde vom BGH abgewiesen.
Der BGH führte aus, dass die
Wohnungseigentümer gem. § 26 Abs. 1 S. 1 WEG über Bestellung und Abberufung des
Verwalters mit Stimmenmehrheit beschließen würden. Die Festlegung der
Verfahrensweise bei Abstimmungen obliege, wenn in der TE / Gemeinschaftsordnung
oder durch einen einfachen Geschäftsordnungsbeschluss nicht anderes festgelegt
worden sei, dem Versammlungsleiter. Dieser könne nach pflichtgemäßen Ermessen
den Abstimmungsmodus, insbesondere die Reihenfolge der Abstimmungsfragen,
festlegen. Ferner könne er im Rahmen dieses Ermessens auch darüber bestimmen,
welches Wahlverfahren durchgeführt werden soll, wenn es (wie hier) mehrere
Bewerber um da Amt gäbe. Insoweit käme in Betracht:
- Jeder Wohnungseigentümer habe bei einer nacheinander erfolgenden Abstimmung über die einzelnen Bewerber nur eine Ja-Stimme.
- Jeder Wohnungseigentümer könne in jedem Wahlgang, unabhängig von seiner vorherigen Stimmabgabe von seinem Stimmrecht, und damit auch wieder von einer Ja-Stimme, Gebrauch machen.
Vorliegend habe der Versammlungsleiter gemäß
dem ihm zustehenden Ermessen die Kandidaten, beginnend mit der bisherigen
Verwalterin, zur Abstimmung gestellt. Fehlerhaft sei allerdings der Abbruch der
Abstimmung nach dem ersten Wahlgang gewesen.
Es müsse, stehen mehrere Bewerber
zur Wahl, über jeden Bewerber abgestimmt werden. Dies dürfe nur unterbleiben,
wenn ein Bewerber die absolute Mehrheit erreiche und die Wohnungseigentümer nur
eine Ja-Stimme insgesamt abgeben dürften. Läge diese Voraussetzung nicht vor,
dürfe die Abstimmung über die weiteren Bewerber nicht abgebrochen werden, da
nicht festgestellt werden könne, ob die erforderliche Mehrheit erreicht wurde.
Grundsätzlich käme es zwar bei
der Bestimmung der Mehrheit iSv. § 25 Abs. 1 WEG allein entscheidend auf die
Ja-Stimmen an, da Enthaltungen wie bei (auch kurzzeitig) abwesenden und nicht
vertretenen Eigentümern nicht mitgezählt würden. Stünden aber mehrere Bewerber
zur Auswahl, sei die Abstimmung über jeden einzelnen Bewerber nur ein Teilakt
eines als Einheit anzusehenden Verfahrens. Die relative Mehrheit für einen
Bewerber sei nicht ausreichend, wenn mehr als zwei Kandidaten zur Auswahl
stünden.
Bei einem Wahlverfahren, bei dem
unabhängig von der vorangegangenen Stimmabgabe das Stimmrecht bei jedem
Wahlgang umfassend ausgeübt werden könne, also jeweils mit Ja gestimmt werden
kann, könnten auch nachfolgende Bewerber mehr Ja-als Nein-Stimmen auf sich
vereinigen, wobei es auch möglich sei, dass zwei oder mehr Bewerber die Stimmen
aller Wohnungseigentümer erhalten. Dieses Wahlverfahren eröffne die
Möglichkeit, dass nach einer persönlichen Präferenzordnung abgestimmt würde,
also etwa ein Bewerber bevorzugt, aber auch andere für annehmbar gehalten
würden. Würde über den bevorzugten Bewerber erst später abgestimmt, müsse der
Eigentümer auch insoweit die Möglichkeit haben sein Stimmrecht auszuüben, weshalb
der Willensbildungsprozess der Wohnungseigentümer erst nach dem letzten
Wahlgang abgeschlossen sei.
Würde ein Wahlverfahren
festgelegt, wonach jeder Eigentümer nur eine Ja-Stimme habe, müssten
grundsätzlich auch alle Bewerber zur Abstimmung gestellt werden. Zwar könnten diejenigen
Miteigentümer, die im ersten oder nachfolgenden Wahlgang bereits mit Ja
gestimmt hätten, bei weiteren Wahlgang nicht mehr mit Ja stimmen; diejenigen,
die aber mit Nein gestimmt hätten oder sich enthalten hätten, könnten jeweils
mit Ja stimmen. Die Abstimmung über alle Bewerber müsste in diesem Verfahren
nur dann nicht fortgeführt werden, wenn ein Bewerber in einem Wahlgang bereits
die absolute Mehrheit erzielt habe und weitere Wahlgänge an diesem Ergebnis
nichts mehr ändern könnten.
Damit stünde vorliegend nicht
fest, dass die bisherige Verwalterin mit der notwendigen Stimmenmehrheit
wiederbestellt worden sei. Dabei könne offen bleiben, welches der benannten Wahlverfahren
der Versammlungsleiter vorliegend angewandt habe. Jedenfalls habe die bisherige
Verwalterin nicht die absolute Stimmenmehrheit auf sich vereinigt, weshalb
bereits deshalb der Abbruch der weiteren Abstimmung unzulässig gewesen sei
(Anm.: die absolute Stimmenmehrheit hätte 467,68 Stimmen bedurft). Damit sei
der Beschluss über die Verwalterbestellung nicht ordnungsgemäß zustande
gekommen, weshalb auch der Beschluss über den Verwaltervertrag mit der
bisherigen Verwalterin als ungültig zu erklären war.
BGH, Urteil vom 18.01.2019 - V ZR 324/17 -