Die Beklagte (Mieterin) kam mit ihren Mietzahlungen in Verzug und die Klägerin (Vermieterin) kündigte deshalb das Mietverhältnis fristlos, vorsorglich hilfsweise ordentlich. Nach Zustellung der Klage glich die Beklagte die Mietrückstände aus. Das Amtsgericht gab der Räumungsklage auf der Grundlage der hilfsweise ausgesprochenen Kündigung statt. Das Landgericht (LG Berlin, Urteil vom 20.08.2021 - 66 S 98/20 -) hatte im Berufungsverfahren die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob der BGH die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an dieses zurück.
Der BGH verwies darauf, dass die auf die ausgebliebenen Mietzahlungen gestützte Kündigung der Klägerin infolge der Schonfristzahlung (Befriedigung der ausstehenden Zahlungen innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klage, § 569 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 BGB) nicht unwirksam geworden sei. Diese Zahlung würde lediglich die Folgen einer fristlosen Kündigung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) haben. Eine auf den zum Kündigungszeitpunkt bestehenden Mietrückstand (zeitgleich) gestützte ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 S. 1m Abs. 2 Nr. 1 BGB bliebe von der Schonfristzahlung unberührt. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB sei hierauf weder direkt noch anlog anzuwenden.
Der anderweitigen, vom LG Berlin (so Urteil vom 01.07.2022 - 66 S 200/21 - vertretenen Ansicht widersprach der BGH. Das LG Berlin habe sich zur Begründung des anderweitigen Normverständnisses des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB insbesondere auf ein historisches Normverständnis und der jüngeren Gesetzgebungsgeschichte befasst. Auch wenn ein Schweigen des Gesetzgebers zur bisherigen Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht ohne Weiteres als ausreichender objektiver Anhaltspunkt für einen Bestätigungswillen angesehen werden könne (BVerfGE 78, 20, 25; Beschluss des BGH vom 15.07.2016 - GSSt 1/16 -) würde verkannt, das sich der hier zur Entscheidung berufene Senat des BGH nicht auf ein blo0es Schweigen des Gesetzgebers im Rahmen jüngerer Gesetzgebungsvorhaben abgestellt hat, insoweit er bereits früher die Schonfristzahlung als nicht die ordentliche Kündigung tangierend angesehen habe Urteil vom 13.10.2021 - VIII ZR 81/20 -), denn der Gesetzgeber habe die derzeitige Normanwendungspraxis des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB nach der langjährigen und ständigen Senatsrechtsprechung, welcher weit überwiegend die Instanzgerichte und die herrschende Meinung in der Literatur folgen würden nicht lediglich passiv unbeanstandet gelassen. Er habe vielmehr Gesetzesvorhaben, welche eine Erstreckung der Schonfristzahlung auch auf die ordentliche Kündigung beinhalten sollten, nicht weiter verfolgt und mehrfach Gesetzesänderungen, die dies zum Ziel gehabt hätten, abgelehnt (vgl. auch BT-Plenarprotokoll 19/236 S. 30739 zur Ablehnung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 19/20589). Dies spreche dafür, dass der Gesetzgeber das vom Senat aufgezeigte Normverständnis als weiterhin geltende Rechtspraxis ansehe. Auch Ansätze für eine Änderung im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung seien bisher nicht eingeleitet worden.
Von daher sei das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung durch das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Insoweit wäre vom Berufungsgericht, sollte es nicht das Mietverhältnis als durch die ordentliche Kündigung beendet ansehen (was hier im Revisionsverfahren zu unterstellen war, da sich das Landgericht aus seiner Sicht nicht damit auseinandersetzen musste), auch darauf einzugehen, dass klägerseits die Kündigung auch auf einen „zumindest versuchten Prozessbetrug“ (dazu BGH, Beschluss vom 21.10.2021 - VIII ZR 91/20 -) der Beklagten gestützt wurde, worauf das Berufungsgericht nicht eingegangen sei.
BGH, Urteil vom 05.10.2022
- VIII ZR 307/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision
der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 66 - vom 20.
August 2021 aufgehoben.
Die Sache wird
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Der Beklagte
mietete mit Vertrag vom 19. März 1984 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin
eine (damalige) Dienstwohnung der N.(N.) in Berlin. Die monatliche Nettomiete
betrug bis Juni 2013 307,20 € und wurde im Wege eines Vergleichs zwischen den
Mietvertragsparteien um 55 € ab dem Monat nach Anbringung eines Balkons an der
Wohnung erhöht.
Der Beklagte
zahlte ab dem Monat März 2012 lediglich eine um 20 % (61,44 €) geminderte
Miete, da er der Ansicht war, infolge einer Verschattung der Wohnung nach einem
Balkonanbau sowie wegen eines entfallenen Spielplatzes sei die Miete um jeweils
10 % gemindert. Die im Rahmen des vorgenannten Vergleichs vereinbarte
Mieterhöhung entrichtete er nach dem Anbau des Balkons an seiner Wohnung ab
August 2013 nicht.
Im Jahr 2017
erhob die Klägerin, die aufgrund ihres Eigentumserwerbs im Jahr 2014 in das
Mietverhältnis eingetreten ist, Klage auf Zahlung der Mietrückstände. Diese
hatte in erster Instanz (im Wesentlichen) Erfolg. Der Beklagte zahlte jedoch
(auch) hiernach weiterhin eine geminderte Miete. Auf die damalige Berufung des
Beklagten hin wurde das vorgenannte Urteil teilweise abgeändert, da er aufgrund
des weggefallenen Spielplatzes in der Zeit von April bis Oktober des jeweiligen
Jahres nur eine monatlich um 28,81 € geminderte Miete zu zahlen habe.
Wegen des bis
dahin aufgelaufenen Mietrückstands erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 26.
April 2018 die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des
Mietverhältnisses. Nach Zustellung der vorliegenden auf Räumung und Herausgabe
gerichteten Klage - mit welcher die Klägerin erneut eine fristlose, hilfsweise
ordentliche Kündigung wegen des Zahlungsverzugs erklärte - hat der Beklagte die
rückständige Miete durch eine in Höhe von 5.421,15 € erfolgte (teilweise)
Freigabe eines zuvor hinterlegten Betrags sowie durch eine am 25. Februar 2019
vorgenommene Zahlung (1.387,57 €) beglichen.
Das Amtsgericht
hat der Räumungsklage aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen
Kündigung des Mietverhältnisses vom 26. April 2018 stattgegeben. Auf die
hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landgericht das
erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Räumungsklage abgewiesen.
Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin insoweit die
Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat
Erfolg.
I.
Das
Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das
Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin
stehe ein Räumungs- und Herausgabeanspruch aus § 546 Abs. 1,
§ 985 BGB nicht zu. Das Mietverhältnis sei durch die
streitgegenständlichen Kündigungen nicht beendet worden.
Näherer
Ausführungen zur formalen Wirksamkeit der Kündigungen bedürfte es nicht, da
diese nach Maßgabe von § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden
seien. Alle Wirkungen der Kündigungen seien mit der Schonfristzahlung des
Beklagten vom 25. Februar 2019 geheilt worden.
Die Kammer
verkenne nicht, dass der Bundesgerichtshof seit seiner Entscheidung vom 16.
Februar 2005 (VIII ZR 6/04) an der gegenteiligen Auffassung festhalte, wonach
eine Erstreckung der Wirkung der Vorschrift des § 569 Abs. 3
Nr. 2 BGB über die Schonfristzahlung auf eine ordentliche Kündigung nicht
möglich sei. Die Kammer teile diese Einschätzung jedoch nach erneuter
eingehender Überprüfung nicht. Bei Anwendung der allgemeinen
Auslegungsgrundsätze erweise sich stattdessen (auch) für die ordentliche
Kündigung die unmittelbare Anwendung des in § 569 Abs. 3 Nr. 2
BGB enthaltenen Normbefehls als gerechtfertigt. Die Kammer habe sich mit der
seit 2005 veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den
Wirkungen einer Schonfristzahlung bereits sehr ausführlich in ihrer
Entscheidung vom 30. März 2020 (66 S 293/19, WuM 2020, 281) auseinandergesetzt.
Die umfassende Wirkung eines nach den Maßstäben von § 569 Abs. 3 Nr. 2
BGB ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Ausgleichs von Zahlungsrückständen auf
alle Kündigungen, die mit dem später ausgeglichenen Zahlungsrückstand begründet
worden seien, ergebe sich unverändert aus den in der vorgenannten Entscheidung
dargelegten Überlegungen zur Auslegung und zu den Grundsätzen der
Rechtsanwendung.
II.
Diese
Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein auf die im Schreiben vom 26.
April 2018 und in der Klageschrift vom 23. November 2018 hilfsweise erklärten
ordentlichen Kündigungen gestützter Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten
auf Räumung und Herausgabe der von diesem angemieteten Wohnung nach § 546
Abs. 1, § 985 BGB nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts sind diese auf die ausgebliebenen Mietzahlungen des Beklagten
gestützten Kündigungen nicht infolge der Schonfristzahlung (§ 569
Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB) unwirksam geworden. Eine solche Zahlung
hat (lediglich) Folgen für die fristlose Kündigung (§ 543 Abs. 2
Satz 1 Nr. 3, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB); eine auf den
zum Kündigungszeitpunkt bestehenden Mietrückstand zugleich gestützte
ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
Nr. 1 BGB - deren Voraussetzungen im Übrigen (vgl. hierzu Senatsurteil vom
10. Oktober 2012 - VIII ZR 107/12, BGHZ 195, 64 Rn. 18 ff.) zugunsten der
Klägerin im Revisionsverfahren mangels entsprechender Feststellungen des
Berufungsgerichts zu unterstellen sind - bleibt von der Schonfristzahlung
unberührt. Die entsprechende Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2
Satz 1 BGB ist hierauf nicht unmittelbar - und (wovon wohl auch das
Berufungsgericht ausgeht) auch nicht analog - anwendbar.
1. Die
seitens des Berufungsgerichts zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht herangezogenen
Gesichtspunkte sind identisch mit denjenigen in dessen Urteil vom 30. März 2020
(LG Berlin [Zivilkammer 66], WuM 2020, 281). Dieses hat der Senat mit Urteil
vom 13. Oktober 2021 (VIII ZR 91/20, NZM 2022, 49 Rn. 29 ff. mwN) - nach Erlass
des Berufungsurteils - aufgehoben, so dass im vorliegenden Fall zur näheren
Begründung auf diese Ausführungen umfassend Bezug genommen wird.
Dem dortigen
(vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 2021 - VIII ZR 91/20, aaO Rn. 82) sowie dem
hiesigen Verfahren liegen jeweils Fallgestaltungen zu Grunde, in denen der
Mieter nicht aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit, sondern unter Berufung auf
Mängel der Mietsache die Miete nicht in der geschuldeten Höhe entrichtet hat,
so dass insbesondere die Voraussetzungen für ein (rechtzeitiges) Einschreiten
der Sozialbehörden nicht vorliegen (vgl. zur diesbezüglichen Pflicht auch im
Falle einer Schonfristzahlung LSG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2021 - L 7 AS
1874/20 B ER, juris Rn. 18).
2. Das
Berufungsgericht hat in einer - nach Erlass des vorgenannten Senatsurteils
verkündeten - Entscheidung (LG Berlin, Urteil vom 1. Juli 2022 - 66 S 200/21,
juris) weiterhin an seiner gegenteiligen Ansicht zur Wirkung einer
Schonfristzahlung festgehalten. Die darin enthaltenen, im Wesentlichen wiederholenden
Ausführungen des Berufungsgerichts geben dem Senat keinen Anlass zu einer
anderen Beurteilung.
a)
Lediglich soweit sich das Berufungsgericht (LG Berlin, Urteil vom 1. Juli 2022
- 66 S 200/21, aaO Rn. 57 ff.) mit der historischen Beurteilung des Normverständnisses
des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB, insbesondere mit der
jüngeren Gesetzgebungsgeschichte befasst (vgl. hierzu im Einzelnen Senatsurteil
vom 13. Oktober 2021 - VIII ZR 91/20, NZM 2022, 49 Rn. 84 ff.), sieht der Senat
Anlass zu ergänzenden Ausführungen. Das Berufungsgericht weist diesbezüglich
zwar im rechtlichen Ausgangspunkt noch zutreffend darauf hin, dass
anerkanntermaßen ein Schweigen des Gesetzgebers zur bisherigen Rechtsprechung
der Zivilgerichte nicht ohne Weiteres als ausreichender objektiver Anhaltspunkt
für einen Bestätigungswillen angesehen werden kann (vgl. BVerfGE 78, 20, 25;
BVerfG, NJW 1998, 3557, 3558; siehe auch BGH, Beschluss vom 15. Juli 2016 -
GSSt 1/16, BGHSt 61, 221 Rn. 48 [zu § 252 StPO]).
Das
Berufungsgericht verkennt jedoch, dass der Senat zur Beurteilung des Willens
des Gesetzgebers nicht auf dessen bloßes Schweigen im Rahmen jüngerer
Gesetzgebungsvorhaben abgestellt hat. Denn der Gesetzgeber hat die derzeitige
Normanwendungspraxis des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB nach
der langjährigen und ständigen Senatsrechtsprechung, welcher die weit
überwiegende Zahl der Instanzgerichte (vgl. etwa KG, Urteil vom 24. Juli 2008 -
8 U 26/08, juris Rn. 19; LG Berlin, Urteil vom 27. März 2019 - 65 S 223/18,
juris Rn. 27 ff.; LG Kassel, WuM 2018, 435, 436; LG Berlin, Urteil vom 23. März
2010 - 63 S 432/09, juris Rn. 5) sowie die ganz herrschende Meinung in der
Literatur folgt (vgl. etwa Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2021, § 573
Rn. 51; Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2021, § 569 Rn. 80;
BeckOGK-BGB/Geib, Stand: 1. Juli 2022, § 573 Rn. 47; BeckOGK-BGB/Mehle,
Stand: 1. April 2022, § 543 Rn. 231; BeckOK-BGB/Wiederhold, Stand: 1.
August 2022, § 543 Rn. 46; BeckOK-BGB/Wöstmann, Stand: 1. August 2022,
§ 569 Rn. 18; BeckOK-BGB/Hannappel, Stand: 1. August 2022, § 573 Rn.
29; BeckOK-Mietrecht/Siegmund, Stand: 1. August 2022, § 573 BGB Rn. 23;
Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 569 BGB Rn. 74, 93;
Blank/Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl., § 573 BGB
Rn. 37; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 81. Aufl., § 569 Rn. 16; aA
Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 569 Rn. 75;
MünchKommBGB/Häublein, 8. Aufl., § 573 Rn. 70 ff. [jeweils für eine
analoge Anwendung von § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB]), nicht lediglich
(passiv) unbeanstandet gelassen.
Er hat vielmehr
Gesetzesvorhaben, welche der Norm einen weitergehenden Anwendungsbereich geben
und zu einer Erstreckung der Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung
führen sollten, nicht weiter verfolgt (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 2021 -
VIII ZR 91/20, aaO Rn. 85 f.) sowie mehrfach Gesetzesanträge mit diesem Inhalt
ausdrücklich abgelehnt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 13. Oktober 2021 - VIII ZR
91/20, aaO Rn. 86; vgl. auch BT-Plenarprotokoll 19/236, S. 30739, zur
Ablehnung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 19/20589). Diese Umstände sprechen im
Ergebnis eindeutig dafür, dass der Gesetzgeber das aufgezeigte Normverständnis
als weiterhin geltende Rechtspraxis ansieht (vgl. auch den Koalitionsvertrag
der derzeitigen Bundesregierung [Seite 92], wonach zur Beseitigung der
Ursachen drohender Wohnungslosigkeit die Regierung "insbesondere dort wo
Schonfristzahlungen dem Weiterführen des Mietverhältnisses entgegenstehen,
evaluieren und entgegensteuern" will) und - ungeachtet etwaiger Gründe
hierfür (vgl. dazu LG Berlin, Urteil vom 1. Juli 2022 - 66 S 200/21, aaO Rn.
65) - an diesem Rechtszustand (jedenfalls derzeit) noch keine Änderungen
vornehmen möchte.
b)
Dieses Verhalten des Gesetzgebers in der jüngeren Vergangenheit entspricht
dessen durchgehend gleichbleibendem historischen Verständnis zu einem lediglich
eingeschränkten Anwendungsbereich der Regelung zur Schonfristzahlung (vgl.
hierzu im Einzelnen Senatsurteil vom 13. Oktober 2021 - VIII ZR 91/20, aaO Rn.
64 ff.), so dass die Rechtsprechung an diese - mehrfach zum Ausdruck gebrachte
- gesetzgeberische Entscheidung gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG; vgl.
Senatsurteil vom 13. Oktober 2021 - VIII ZR 91/20, aaO Rn. 87; so auch
Blank/Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl., § 573 Rn.
37; Artz, Wortprotokoll der 118. Sitzung des Ausschusses für Recht und
Verbraucherschutz am 9. Dezember 2020, Protokoll-Nr. 19/118, S. 9).
III.
Nach alledem
kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der
Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Im Hinblick auf
die seitens des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung erteilten
Hinweise zu künftigen "umfangreiche(n) Prüfungen und mögliche(n)
Beweisaufnahmen zu den Voraussetzungen von § 574 BGB" weist der Senat
vorsorglich darauf hin, dass die fristgerechte Schonfristzahlung nichts daran
ändert, dass nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB ein
Fortsetzungsanspruch bei Vorliegen eines zur fristlosen Kündigung
berechtigenden Zahlungsverzugs nicht besteht (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli
2020 - VIII ZR 323/18, NJW-RR 2020, 956 Rn. 28 ff.).
Das
Berufungsgericht wird sich im weiteren Verfahren - falls es das Mietverhältnis
nicht bereits aufgrund der wegen Zahlungsverzugs ausgesprochenen ordentlichen
Kündigungen als beendet ansehen sollte - auch mit der im Schriftsatz vom 25.
September 2019 weiter ausgesprochenen fristlosen, hilfsweise ordentlich
erklärten Kündigung der Klägerin zu befassen haben, welche diese nicht auf
einen Zahlungsverzug, sondern auf einen "zumindest versuchten
Prozessbetrug" (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2021 - VIII ZR
91/20, NJW-RR 2022, 86 Rn. 40 mwN) des Beklagten gestützt und zu der das
Berufungsgericht - worauf die Revision zutreffend verweist - bisher noch keine
Feststellungen getroffen hat.
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