Der BGH musste sich hier erstmals mit der Frage auseinandersetzen, ob die Coronapandemie den Nutzer das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung gibt, Corona also ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein kann, oder ob der Nutzer erst zum Ende der vertraglich vereinbarten Vertragslaufzeit kündigen kann. Dieses Recht hat der BGH sowohl in Ansehung der hoheitlichen Schließungsanordnungen, von hoheitlich angeordneten Nutzungsbeschränkungen für Sauna und Duschen, als auch der Möglichkeit der Ansteckung verneint.
Zum Sachverhalt: Der Nutzungsvertrag wurde am 06.12.2019 mit einer Laufzeit von 100 Wochen, beginnend 11.12.2019, geschlossen. Im ersten Lockdown vom 17.03.2020 bis Mitte Mai 2020 war das Studio geschlossen, zog aber die beklagte Betreiberin das Nutzungsentgelt weiterhin ein; sie einigte sich mit der klagenden Nutzerin darauf, dass dieser Zeitraum nach dem Lockdown dann kostenfrei sei. In einer Vereinbarung vom 31.05.2020 wurde eine Ruhezeit von zehn Wochen, um die sich der Vertrag nach dessen regulärer Laufzeit verlängern sollte (also bis zum 25.01.2022), festgehalten. Bei Wiedereröffnung des Studios nach dem 1. Lockdown gab es hoheitlich angeordnete Nutzungseinschränkungen (so für Duschen und Sauna). Vom 30.10.2020 bis 31.05.2021 musste das Studio infolge des 2. Lockdowns wieder schließen. Am 25.11.2020 kündigte die Klägerin zum 30.11.2020, dem die Beklagte widersprach. Die Klägerin erhob Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass durch ihre Kündigung das Nutzungsverhältnis zum 30.11.2020, hilfsweise zum 16.11.2021, hilfs-hilfsweise zum 25.01.2022 endete. Das Amtsgereicht gab der Klage im Hinblick auf das Vertragsende 25.01.2022 statt. Die Berufung beider Parteien wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision beantragte die Klägerin erfolglos weiterhin die Feststellung des Vertragsendes zum 30.11.2020.
Der BGH sh keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung vor dem Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten und auf den 25.01.2022 verlängerten Laufzeit zum 25.01.2022.
Es handele sich bei dem Nutzungsverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis (BGH, Urteil vom 04.05.2016 - XII ZR 62/15 -). Unabhängig von der rechtlichen Einordnung als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag würde die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnis voraussetzen, dass es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden könne, bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist zuzuwarten (§§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1, 314 Abs. 1 BGB). Dies könne allgemein nur angenommen werden, wenn die die Kündigung rechtfertigenden Umstände in der Sphäre des Kündigungsgegners lägen.
Für das Mietrecht habe der BGH bereits entscheiden, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder in die Sphäre des Mieters noch des Vermieters fallen würden. Dies gelte auch für Fitnessstudioverträge. Keine der Vertragsparteien sei für die umfassenden Maßnahmen und staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der Pandemie verantwortlich. Damit kämen Betriebsschließungen und -beschränkungen nur in Ausnahmefällen zur Begründung der außerordentlichen Kündigung in Betracht (Bacher, Die Coronapandemie und allgemeinen Regeln über Leistungsstörungen, in MDR 2020, 514, 519).
Konkret verwies der BGH darauf, dass der Klägerin durch die Schließung keine wirtschaftlichen Belastungen entstünden, da sie während dieser Zeit von einer Zahlungspflicht befreit sei und evtl. erfolgte Zahlungen zurückfordern könne (bereits entschieden im Urteil des BGH vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 -). Sowohl der Betreiber des Studios als auch der Nutzer würden während dieser zeit leistungsfrei. Damit würde ein Festhalten am Vertrag zumutbar sein.
Auch dem Argument der Klägerin, sie sei an einem für sie sinnlos gewordenen Vertrag gebunden und eine Umorientierung zu anderen sportlichen Aktivitäten und Freizeitbeschäftigungen würde blockiert, schloss sich der BGH nicht an. Zwar läge der Zweck eines Fitnessstudiovertrages in der regelmäßigen sportlichen Betätigung, weshalb gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung sei. Dieser sei mit einer pandemiebedingten Schließung nicht mehr erreichbar und bei dem 2. Lockdown auch dessen Dauer nicht voraussehbar gewesen. Allerdings hätte die Klägerin auf andere Fitnessstudios nicht ausweichen können. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit der (für die Schließungszeit entgeltlos gestellte Vertrag) andere sportliche Betätigungen zur Erreichung eines Fitnessziels entgegenstehen würde.
Richtig sei zwar, dass das Verlangen der Beklagten, die Schließungszeit an ein vorgesehenes Vertragsende anzuhängen (und damit die Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung zu verlängern), rechtlich nicht geschuldet würde und mit dem Verlangen die beklagte eine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt habe. Die Verletzung vertraglicher Pflichten würde aber bei einem Dauerschuldverhältnis nur eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sie derart schwerwiegend sei, dass dadurch das Vertrauensverhältnis in einem Maß beeinträchtigt wird, dass dem Kündigendem ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar sei. Ein solcher Fall könne hier nicht angenommen werden, da die instanzgerichtliche Rechtsprechung in der Zeit des 2. Lockdown verbreitet die Annahme vertrat, dass gemäß § 313 Abs. 1 BGB der Vertrag dahingehend angepasst werden könne, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung verlängert. Das Zueigenmachen dieser Rechtsansicht stelle keine schwerwiegende Vertragsverletzung dar. Dass der BGH mit Urteil vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 - diese Rechtsprechung zur Vertragsanpassung verwarf, würde nicht nachträglich in dem Verlangen eine schwerwiegende Vertragsverletzung begründen.
Aus Rechtsgründen sei auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht mögliche Hygiene- und Abstandsregeln nicht für eine außerordentliche Kündigung als ausreichend ansah. Durch die Einhaltung derartiger regeln sei die Klägerin nicht so schwer belastet, dass ihr ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar gewesen wäre. Auch wenn Duschen pandemiebedingt nicht nutzbar gewesen sein sollten, würde dies keine Kündigung rechtfertigen; in diesem Fall käme allenfalls ein angemessener Interessensausgleich durch Anpassung des Vertrages gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht (z.B. Herabsetzung des Entgelts), was eine außerordentliche Kündigung ausschließt.
Ebenso könne sich die Klägerin nicht auf ein Ansteckungsrisiko berufen. Die Gefahr einer Infizierung mit dem Corona-Virus habe im November 2020 zum allgemeinen Lebensrisiko gehört. Die Klägerin habe auch davon ausgehen können, dass eine Wiedereröffnung des Fitnessstudios erst erlaubt wird, wenn das Infektionsrisiko, ggf.- durch entsprechende Hygienemaßnahmen, auf ein vertretbares Maß reduziert ist. Entschlösse sich die Klägerin dann aus Angst vor einer Infektion gleichwohl, das Studio nicht zu nutzen, würde die ihr Verwendungsrisiko betreffen.
BGH, Urteil vom 19.04.2023
- XII ZR 24/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 28. Februar 2022 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte wird, nachdem sie die
Revision gegen das vorgenannte Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts
Göttingen zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien
streiten über den Zeitpunkt der Beendigung eines Fitnessstudiovertrags im
Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.
Die Parteien
schlossen am 6. Dezember 2019 einen Vertrag über die Mitgliedschaft der
Klägerin im Fitnessstudio der Beklagten mit einer Laufzeit von 100 Wochen,
beginnend ab dem 11. Dezember 2019. Der Mitgliedsbeitrag für vier Wochen betrug
34,95 €. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die
Beklagte das Fitnessstudio in der Zeit vom 17. März 2020 bis Mitte Mai 2020
(erster Lockdown) schließen. Die Mitgliedsbeiträge für diesen Zeitraum zog sie
weiterhin vom Konto der Klägerin ein. Sie bot der Klägerin aber kostenlose
Trainingswochen nach Wiedereröffnung des Fitnessstudios an. Am 31. Mai 2020
unterzeichnete die Klägerin einen von der Beklagten vorbereiteten
„Ruhezeitantrag“ über eine Unterbrechung der Mitgliedschaft für zehn Wochen.
Nach der Wiedereröffnung des Fitnessstudios bestanden aufgrund der hoheitlichen
Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verschiedene Nutzungseinschränkungen,
insbesondere konnten die Duschen und die Sauna nicht genutzt werden. Aufgrund
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der am 2. November 2020 in Kraft
getretenen Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des
Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober
2020 musste die Klägerin das Fitnessstudio erneut schließen. Während dieses
zweiten Lockdowns, der bis zum 31. Mai 2021 dauerte, zog die Beklagte keine
Mitgliedsbeiträge ein.
Mit Schreiben
vom 25. November 2020 kündigte die Klägerin ihre Mitgliedschaft zum 30.
November 2020. Die Beklagte wies die Kündigung zurück.
Im vorliegenden
Verfahren begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis
zwischen den Parteien infolge der Kündigung vom 25. November 2020 mit Ablauf
des 30. November 2020, hilfsweise mit Ablauf des 16. November 2021, weiter
hilfsweise mit Ablauf des 25. Januar 2022 beendet wurde. Das Amtsgericht hat
der Klage unter Klageabweisung im Übrigen im Hinblick auf den zweiten
Hilfsantrag stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufungen beider Parteien
zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision möchte die
Klägerin weiterhin die Feststellung erreichen, dass das Vertragsverhältnis
zwischen den Parteien infolge der Kündigung vom 25. November 2020 mit Ablauf
des 30. November 2020 geendet hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision
hat keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht
hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Kündigung
der Klägerin vom 25. November 2020 habe nicht zu einer vorzeitigen Beendigung
des Vertragsverhältnisses geführt. Nach § 314 Abs. 1 BGB könne jeder
Vertragsteil ein Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung
einer Kündigungsfrist kündigen. Bei der Frage, ob der Klägerin eine Fortsetzung
des Vertrages bis zu dessen regulärem Ende zumutbar gewesen sei oder nicht,
komme es entscheidend darauf an, welche rechtlichen Folgen der erneute Lockdown
für das Vertragsverhältnis gehabt habe.
Während des
zweiten Lockdowns sei die Beklagte wegen rechtlicher Unmöglichkeit nach
§ 275 Abs. 1 BGB von ihrer Verpflichtung zur Erbringung der
geschuldeten Leistung frei geworden, da hier kein Fall einer nur
vorübergehenden Unmöglichkeit vorliege. Deshalb sei die Klägerin ihrerseits
nach §§ 275 Abs. 4, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Dauer der
Schließung nicht mehr zur Zahlung der Beiträge verpflichtet gewesen. Auch habe
die ungewisse Dauer des zweiten Lockdowns nicht dazu geführt, dass sich das
Vertragsende auf unabsehbare Zeit nach hinten „verschoben“ hätte, weil die
Monate des Lockdowns an den Vertrag „angehängt“ würden. Eine solche
„Verlängerung“ des Vertrages unter Heranziehung der Grundsätze der Störung der
Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB scheide aus, weil § 313 BGB
gegenüber den Regelungen betreffend die Unmöglichkeit nach § 275
Abs. 1 BGB und die sich aus § 275 Abs. 4 BGB ergebenden
Rechtsfolgen subsidiär sei. Damit habe für die Klägerin im Zeitpunkt der
Kündigungserklärung und des zweiten Lockdowns im Wesentlichen nur die
Ungewissheit bestanden, wann der zweite Lockdown ende und wann sie die
Einrichtung der Beklagten wieder nutzen könne. Diese Ungewissheit sei für die
Klägerin hinnehmbar gewesen. Auch der Umstand, dass in einem Fitnessstudio das
Risiko einer Ansteckung mit dem Corona-Virus bestanden habe, rechtfertige keine
außerordentliche Kündigung. Vielmehr handele es sich hierbei wie bei dem
Auftreten einer jeden neuen Krankheit um ein allgemeines Lebensrisiko.
Die reguläre
Vertragslaufzeit von 100 Wochen habe sich jedoch aufgrund des von der Klägerin
unstreitig unterschriebenen „Ruhezeitantrags“ um zehn Wochen verlängert, so
dass das Vertragsverhältnis erst mit Ablauf des 25. Januar 2022 beendet worden
sei.
II.
Diese
Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht hat das
Berufungsgericht festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene
Fitnessstudiovertrag trotz der von der Klägerin erklärten außerordentlichen
Kündigung erst mit Ablauf der vertraglich vereinbarten und einverständlich
verlängerten Laufzeit zum 25. Januar 2022 beendet wurde.
1.
Unabhängig von der rechtlichen Einordnung eines Fitnessstudiovertrags als
Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar
2012 - XII ZR 42/10 - NJW 2012, 1431 Rn. 17 f. mwN) handelt es sich dabei um
ein Dauerschuldverhältnis, bei dem dem Kunden grundsätzlich ein Recht zur
außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zusteht (vgl. Senatsurteil vom
4. Mai 2016 - XII ZR 62/15 - NJW 2016, 3718 Rn. 11). Nach den im Wortlaut im
Wesentlichen übereinstimmenden Vorschriften der §§ 626 Abs. 1, 543
Abs. 1 BGB und § 314 Abs. 1 BGB setzt das Recht zur
außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses voraus, dass dem
Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer
Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 2016
- XII ZR 62/15 - NJW 2016, 3718 Rn. 12). Dies ist im Allgemeinen nur dann
anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung gestützt wird, im
Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Wird der Kündigungsgrund aus
Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind,
rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung. Die Abgrenzung
der Risikobereiche ergibt sich dabei aus dem Vertrag, dem Vertragszweck und den
anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (BGHZ 196, 285 = NJW 2013, 2021 Rn. 17
mwN).
Für den Bereich
der Gewerberaummiete hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass ohne
entsprechende vertragliche Regelungen Belastungen infolge staatlicher Maßnahmen
zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder der Sphäre des Vermieters
noch derjenigen des Mieters zuzuordnen sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 232, 178 =
NJW 2022, 1370 Rn. 54 ff.; vom 16. Februar 2022 - XII ZR 17/21 - NJW 2022, 1378
Rn. 30; vom 2. März 2022 - XII ZR 36/21 - NJW 2022, 1382 Rn. 32 und vom 23. November
2022 - XII ZR 96/21 - NJW-RR 2023, 348 Rn. 27). Nichts Anderes gilt für
Fitnessstudioverträge. Auch hier sind pandemiebedingte Betriebsschließungen und
-beschränkungen eine Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das
wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der
COVID-19-Pandemie, für die keine der beiden Vertragsparteien verantwortlich
gemacht und daher das damit verbundene Risiko regelmäßig keiner Vertragspartei
allein zugewiesen werden kann. Die außerordentliche Kündigung eines
Fitnessstudiovertrags durch den Kunden mit der Begründung, er könne wegen
pandemiebedingter Betriebsschließungen und -beschränkungen das Fitnessstudio
nicht im vertraglich vereinbarten Umfang nutzen, kommt daher nur im
Ausnahmefall in Betracht (vgl. Bacher MDR 2020, 514, 519).
Ob nach diesen
Kriterien bestimmte Umstände als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung
zu werten sind, hat in erster Linie der Tatrichter zu entscheiden. Die
revisionsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich allein darauf, ob das
Tatsachengericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes richtig erfasst, ob es
aufgrund vollständiger Sachverhaltsermittlung geurteilt und ob es in seine
Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falles einbezogen hat (Senatsurteil
BGHZ 208, 357 = NJW 2016, 2652 Rn. 40 f. mwN).
2. Nach
diesen Maßstäben sind die Würdigung des Berufungsgerichts und die ihr
zugrundeliegende Interessenabwägung nicht zu beanstanden.
a) Zu
Recht hat das Berufungsgericht bei seinen Erwägungen, ob der Klägerin ein
weiteres Festhalten an dem Vertrag unzumutbar ist, maßgeblich darauf
abgestellt, dass diese bei Abgabe der Kündigungserklärung für die Zeit der
Schließung des Fitnessstudios anlässlich des zweiten Lockdowns keine
wirtschaftlichen Belastungen befürchten musste.
Der Senat hat
nach Erlass des angefochtenen Berufungsurteils entschieden, dass es dem
Betreiber eines Fitnessstudios in dem Zeitraum, in dem er aufgrund hoheitlicher
Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sein Studio schließen musste,
rechtlich unmöglich iSv § 275 Abs. 1 BGB war, seinen Kunden die
Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und
damit seine vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Dies
führt dazu, dass der Betreiber des Fitnessstudios während des
Schließungszeitraums von seiner Leistungsverpflichtung frei wurde, er aber
gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB seinen Anspruch auf die
Gegenleistung verlor und bereits gezahltes Nutzungsentgelt zurückerstatten muss
(vgl. Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 15 ff. mwN). Deshalb
musste die Klägerin im vorliegenden Fall während des Zeitraums der erneuten
Schließung des Fitnessstudios ab dem 2. November 2020 bis zu dessen
Wiedereröffnung nach Ende des zweiten Lockdowns keine Zahlungen mehr an die
Beklagte erbringen. Da diese nach den getroffenen Feststellungen während des
erneuten Schließungszeitraums auch keine Beiträge mehr einzog, musste die
Klägerin zudem nicht fürchten, zu Unrecht geleistete Beiträge nicht mehr
zurückzuerhalten und damit das Insolvenzrisiko der Beklagten tragen zu müssen.
Eine weitere Bindung der Klägerin an den abgeschlossenen Fitnessstudiovertrag
bedeutete für sie mithin nur, dass sie für die Dauer des zweiten Lockdowns zwar
an den abgeschlossenen Vertrag gebunden war, ohne das Fitnessstudio nutzen zu
können. Von der Verpflichtung zur Zahlung des Nutzungsentgelts war sie jedoch
befreit. Dass das Berufungsgericht unter diesen Umständen ein weiteres
Festhalten an dem Vertrag für zumutbar gehalten hat, hält sich im Rahmen
tatrichterlicher Verantwortung und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
b)
Insoweit vertritt die Revision ohne Erfolg die Auffassung, das Berufungsgericht
habe bei seinen Erwägungen zur Zumutbarkeit den Blick auf die reinen
wirtschaftlichen Interessen der Klägerin verengt und nicht berücksichtigt, dass
die Klägerin damit an einen für sie sinnlos gewordenen Vertrag gebunden und für
eine Umorientierung zu anderen sportlichen Aktivitäten und
Freizeitbeschäftigungen blockiert worden sei.
Zwar trifft es
zu, dass bei einem Fitnessstudiovertrag mit mehrmonatiger fester
Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts der
Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit,
fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen, schuldet.
Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen
Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder
zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund
dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige
Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung (vgl.
Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 22 mwN). Dieser Vertragszweck
konnte zwar zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung wegen der erneuten Maßnahmen
zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht erreicht werden und es war zu diesem
Zeitpunkt auch nicht absehbar, wann eine Wiedereröffnung des Fitnessstudios
erfolgen wird. Inwieweit die Bindung der Klägerin an den abgeschlossenen
Vertrag während der Zeit des zweiten Lockdowns einem Erreichen ihrer
Fitnessziele oder einer Umorientierung auf andere sportliche Aktivitäten
entgegenstünde, erschließt sich aus der Revisionsbegründung jedoch nicht. Die
Klägerin konnte in diesem Zeitraum nicht auf ein anderes Fitnessstudio
ausweichen, weil während des zweiten Lockdowns alle Fitnessstudios im
Bundesgebiet schließen mussten. Weshalb die Bindung an den abgeschlossenen
Vertrag, ohne dass damit eine wirtschaftliche Belastung einherging, es der
Klägerin unmöglich gemacht oder erschwert haben soll, sich anderen sportlichen
Betätigungen zur Erreichung ihrer Fitnessziele zuzuwenden, ist nicht
ersichtlich.
c)
Ebenfalls ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe bei
der Prüfung der Unzumutbarkeit rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die
Beklagte entgegen der tatsächlichen Rechtslage eine Verlängerung des Vertrags
um die Dauer des zweiten Lockdowns verlangt und durch diese unberechtigte
Geltendmachung vermeintlicher Rechte ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241
Abs. 2 BGB zumindest fahrlässig verletzt habe. Diese Pflichtverletzung
habe zu einer Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien geführt, die
eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Klägerin unzumutbar gemacht
habe.
Es trifft zwar
zu, dass eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas
verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein
Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, ihre Pflicht zur Rücksichtnahme
nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt (vgl. BGHZ 179, 238 = NJW 2009, 1262
Rn. 17 mwN), und sich ein Recht zur außerordentlichen Kündigung auch aus der
Verletzung von Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB ergeben kann
(vgl. MünchKommBGB/Gaier 9. Aufl. § 314 Rn. 27; BeckOK BGB/Lorenz [Stand:
1. Februar 2023] § 314 Rn. 13). Die Verletzung vertraglicher Pflichten
berechtigt zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses
jedoch nur, wenn sie so schwerwiegend ist, dass durch sie das
Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern in einem Maß beeinträchtigt
wird, dass dem Kündigenden ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar
ist (vgl. MünchKommBGB/Gaier 9. Aufl. § 314 Rn. 30; BeckOGK/Martens
[Stand: 1. Januar 2023] BGB § 314 Rn. 31).
Das ist
vorliegend nicht der Fall. Zum Zeitpunkt des zweiten Lockdowns wurde in der
instanzgerichtlichen Rechtsprechung verbreitet die Auffassung vertreten, ein
Fitnessstudiovertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313
Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte
Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden
musste, verlängert (vgl. Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 28
mwN).
Indem sich die
Beklagte diesen Rechtsstandpunkt zu eigen machte, beging sie keine schwerwiegende
Vertragsverletzung, zumal damit auch ihre eigene Vertragspflicht verlängert
worden wäre. Dass der Senat diese Rechtsauffassung mit Urteil vom 4. Mai 2022
(BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 28 ff.) als unzutreffend angesehen hat,
vermag eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses nicht
nachträglich zu begründen.
d)
Entgegen der Auffassung der Revision ist aus Rechtsgründen auch nicht zu
beanstanden, dass das Berufungsgericht mögliche Einschränkungen des
Trainingsbetriebs nach der Wiederöffnung der Fitnessstudios aufgrund von
pandemiebedingten Hygiene- und Abstandsregeln nicht für ausreichend erachtet
hat, eine außerordentliche Kündigung des Fitnessstudiovertrags zu
rechtfertigen. Abgesehen davon, dass zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch
nicht absehbar war, ob und gegebenenfalls inwieweit die Nutzung des
Fitnessstudios nach dessen Wiedereröffnung durch hoheitliche Maßnahmen zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeschränkt würde, wäre die Klägerin durch
die Einhaltung etwaiger Abstands- und Hygieneregeln nicht derart schwer
belastet, dass ihr ein Festhalten an dem abgeschlossenen Vertrag nicht mehr
zumutbar war. Selbst wenn Teile des Fitnessstudios, wie etwa die Duschen,
aufgrund der dann geltenden Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nicht nutzbar
gewesen wären, würde dies eine außerordentliche Kündigung des Vertrags nicht
rechtfertigen. Denn in diesem Fall könnte ein angemessener Interessenausgleich
durch eine Anpassung des Vertrags nach § 313 Abs. 1 BGB erreicht
werden, etwa durch eine Herabsetzung der monatlichen Beiträge. Diese
Möglichkeit schließt eine außerordentliche Kündigung aus (vgl.
MünchKommBGB/Gaier 9. Aufl. § 314 Rn. 32 mwN; BeckOGK/Martens [Stand: 1.
Januar 2023] BGB § 314 Rn. 92).
e)
Schließlich trifft auch nicht auf rechtliche Bedenken, dass das
Berufungsgericht das von der Klägerin geltend gemachte Risiko einer Ansteckung
mit dem Corona-Virus bei einer weiteren Nutzung des Fitnessstudios nicht als
ausreichenden Grund für eine außerordentliche Kündigung des Vertrags angesehen
hat. Die Gefahr, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, gehörte im November
2020 zum allgemeinen Lebensrisiko. Da seit dem Beginn der Pandemie im Frühjahr
2020 durch eine Vielzahl von hoheitlichen Maßnahmen versucht wurde, das Ansteckungsrisiko
zu verringern, konnte die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Kündigungserklärung
davon ausgehen, dass eine Wiedereröffnung des Fitnessstudios der Beklagten erst
dann erfolgen wird, wenn das Infektionsrisiko, gegebenenfalls aufgrund von
angeordneten Hygieneregelungen, auf ein vertretbares Maß reduziert ist. Wenn
sich die Klägerin dann entscheidet, aus Angst vor einer Infektion die
Leistungen der Beklagten nicht mehr in Anspruch zu nehmen, betrifft das allein
ihr Verwendungsrisiko. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin ein erhöhtes
Infektionsrisiko bestand und ihr deshalb die Nutzung des Fitnessstudios auch
bei Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregelungen aus gesundheitlichen Gründen
nicht mehr zumutbar war, sind nicht festgestellt und werden von der Klägerin
auch nicht vorgetragen.
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