Über die Antragstellerin (AS) wurde
in den sozialen Medien seit ihrer Teilnahme an einer TV-Show berichtet, seit
2016 auf einer bestimmten Internetseite verschiedene, meist negative Berichte
veröffentlicht. Nach Mutmaßung der AS wird die Internetseite von dem
Antragsgegner (AG) betrieben. Die AS plante am 01.09.2020 die Veröffentlichung
eines Buches. Im Vorfeld dazu schrieb der AG am 28.08.2020 den Verlag an und kündigte
diesem für den Fall der Veröffentlichung Konsequenzen an. Darauf beendete der
Verlag noch im August 2020 die Zusammenarbeit mit der AS; das Buch ist bisher
nicht erschienen. In der Mail des AG an den Verlag hieß es, es sei nicht wahr
dass ein B… D…. nicht ernstgenommen worden sei und die Polizei ihr (der AS)
immer wieder sagen würde, es gäbe keinen Handlungsbedarf, es sei auch nicht wahr,
dass die AAS von ihr bekannten Personen verfolgt, beleidigt und bedroht würde,
vielmehr beschimpfe die AS ihn (den AG) mit faschistischen Äußerungen in den sozialen
Medien mit Termine wie „Lügenpresse“ und habe gegen einen Moderator
Morddrohungen geäußert. Auf Facebook teilte der AG mit, selbst ein Buch geschrieben
zu haben.
Die AS behauptete, sie habe von
den den Streitgegenstand des Verfügungsverfahrens bildendenden Ankündigungen
des AG seit dem 13.04.2021 Kenntnis, da eine Teilnehmerin der Facebook-Gruppe
ihr diese habe zukommen lassen.
Am 21.05.2021 beantragte die AS
bei dem LG Frankfurt (Oder) den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der
sie dem AG untersagen lassen wollte, insgesamt 5 Äußerungen zu verbreiten und
ferner den AG untersagen lassen wollte, sich auf der Internetseite über sie zu
äußern. Das LG wies den Antrag ab, da ein Teil der beanstandeten Äußerungen
Meinungsäußerungen darstellen würden und noch nicht die Grenze der unzulässigen
Schmähkritik erreicht hätten, i Übrigen es sich zwar um eine
Tatsachenbehauptung handele, hier aber - da die Behauptung bereits 2020
aufgestellt worden sei - der Verfügungsgrund fehle.
Die zulässige Beschwerde der AS gegen
den den Erlass der einstweiligen Verfügung ablehnenden Beschluss des LG wurde
vom OLG zurückgewiesen.
Für eine einstweilige Verfügung
sei eine Eildürftigkeit / Dringlichkeit erforderlich. Für drei der
beanstandeten Äußerungen könne dies nicht angenommen werden. Damit würde es an
einem Verfügungsgrund fehlen. Diese Äußerungen seien im August 2020 getätigt
worden, mithin ca. neun Monate vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung. Eine für die Dringlichkeit sprechende Vermutung sei damit durch das
Verhalten der AS widerlegt, da sie mit der Rechtsverfolgung zu lange zugewartet
habe (BGH, Beschluss vom 01.07.1999 - IZB 7/99 -). Voraussetzung für die erforderliche
Dringlichkeit sei, dass die objektiv begründete Gefahr bestünde, dass durch
eine Veränderung des Status quo eine Rechtsverwirklichung der AS in einem
möglichen Hauptsachverfahren vereitelt oder erschwert würde und die
einstweilige Verfügung zur Abwendung einer Gefährdung der Gläubigerinteressen
zur vorläufigen Sicherung im Eilverfahren dringlich geboten sei. Das lange
Zuwarten manifestiere, dass die AS selbst die Angelegenheit nicht für
eilbedürftig halte (KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00 -; OLG Hamburg,
Beschluss vom 20.03.2008 – 7 W 19/08 -). Es könne auf sich beruhen, ob entsprechend der
Rechtsprechung zu Wettbewerbssachen eine Frist von einem Monat zwischen Verstoß
und Antragstellung erforderlich sei (so auch teilweise angenommen für
Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO) oder bei Anträgen (wie hier) nach §§ 935, 940
ZPO sechs bis acht Wochen der Dringlichkeit nicht entgegenstehen, könne auf
sich beruhen, da die AS zeitnah von den Mails des AG vom 28.08.2020 Kenntnis
erlangt habe, da sonst ihr Buch zum 01.09.2020 wie beabsichtigt erschienen
wäre.
Gründe, die gegen die Annahme der
fehlenden Dringlichkeit sprechen könnten (wie Verhandlungen der Parteien über
die Verbreitung der Äußerungen mit der begründeten Hoffnung, dass damit der drohenden
bzw. behaupteten Rechtsgutverletzung abgeholfen werden könne, OLG Nürnberg,
Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18 -), wären von der AS vorzutragen und glaubhaft
zu machen gewesen, was nicht erfolgt sei.
Die Dringlichkeit habe auch nicht
dadurch wideraufleben können, dass der AG die ihm übersandte
Unterlassungserklärung, in der die beanstandeten Behauptungen aufgenommen
worden seien, auf der streitgegenständlichen Internetseite veröffentlicht habe.
Es habe sich damit nur die seit August 2020 bestehende konkrete Gefahr der
jederzeitigen Wiederholung verwirklicht. Es hätten sich hier auch nicht
Umstände geändert, da der Text der gleiche gewesen sei, weshalb die AS auch nicht
schwerer als 2020 betroffen gewesen sei (im Gegenteil, in 2020 habe dies die
Veröffentlichung des Buches verhindert).
Soweit darüber hinaus der Antrag
wegen Meinungsfreiheit abgewiesen worden sei, sei dies auch nicht zu beanstanden.
Die Meinungsäußerung unterscheide sich von einer Tatsachenbehauptung dadurch,
dass die subjektive Beziehung zwischen Äußerung und der Wirklichkeit im
Vordergrund stünde, hingegen für die Tatsachenbehauptung die objektive Beziehung
des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch sei. Ein Tatsachenbehauptung sei einer Überprüfung
mit den Mitteln des Beweises zugänglich, was bei Meinungsäußerungen nicht der
Falls sei, die durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens
gekennzeichnet sei und sich von daher nicht als wahr oder unwahr erweisen
könne. Für die Ermittlung des Aussagegehalts sei auf den allgemeinen
Sprachgebrauch im betreffenden Kontext zurückzugreifen.
Enthalte eine Äußerung sowohl
Tatsachenbehauptungen wie auch Meinungsäußerungen/Werturteile, sei ein
Herausgreifen einzelner Elemente unzulässig. Entscheidend sei, ob die
Tatsachenbehauptung so substanzarm ist, dass die Äußerung insgesamt durch die
Elemente der Stellungnahm, des Dafürhaltens und Meinens geprägt sei. Bei
Zweifel sei insgesamt von einer Meinungsäußerung auszugehen, wobei Wahrheit
oder Unwahrheit dann im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der schutzwürdigen
Belange vorzunehmen sei (BGH, Urteil vom 17.11.2009 – VI ZR 226/08 -).
Die Meinungsäußerung sei durch
Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet, unabhängig davon, ob sie wertlos oder
wertvoll, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational
sei. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden darunter fallen. Nur
dann, wenn nicht die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Herabsetzung
einer Person im Vordergrund stünde, würde die als Schmähung anzusehende
Äußerung hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurücktreten.
Für den Antrag, dem AG zu untersagen,
sich überhaupt auf der Internetseite über sie zu äußern, sei kein Raum. Es könne
ihm nicht untersagt werden, sich in öffentlich ausgetragenen
Auseinandersetzungen im Rahmen der rechtlichen Grenzen (wie aufgezeigt) wertend
über die AS (auch der Internetseite) zu äußern.
Brandenburgisches OLG,
Beschluss vom 19.07.2021 - 1 W 23/21 -